Wilhelm
Busch
Der Herr ist mein Licht und
mein Heil
Tägliche Andachten
Dieser
Band, der seinen Titel „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ nach Psalm 27, 1
erhielt, bringt ausgewählte Andachten aus den bisherigen viel gelesenen
Andachtsbüchern „Licht vom unerschöpften Lichte“ und „Lass dein Heil uns
schauen“ von Pastor Wilhelm Busch.
In einem
Vorwort zu einem dieser alten Andachtsbücher sagt der Verfasser:
„Es ist doch wundervoll, dass in dieser
lauten Zeit überall Menschen sind, die ein paar Minuten still werden, um
nachzudenken über das herrliche Heil, das Gott in Jesus geschenkt hat. Es ist
wundervoll, dass überall Menschen sind, die sich nicht verlieren wollen in dem
Vielerlei, sondern die trachten nach dem ‚Einen, was Not tut“.
Ich grüße alle diese Leser und wünsche
ihnen, dass sie nicht meine, sondern die Stimme des Guten Hirten hören.“
1.
Januar
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt.
Psalm 121, 1
Wenn
unsere Väter eine Chronik schrieben, dann setzten sie vor die Jahreszahl ein „Anno
Domini“. Das heißt auf Deutsch: „Im Jahre des Herrn“. Sie nannten ihre Jahre „Gottesjahre“.
Nun bricht
das neue Gottesjahr an. Lasst uns dafür sorgen, dass es wirklich ein Gottesjahr
wird.
Das
Psalmwort spricht von unseren Augen. Ja, wohin sind unsere Augen gerichtet beim
Beginn des neuen Jahres?
Der
Weltmensch schaut ängstlich oder trotzig in das Dunkel, das seinen Weg
verhüllt. Da sind die Augen nach vorwärts gerichtet.
Und dann sind da die Alten. Deren Augen schauen zurück. Sie kramen in
Erinnerungen. Und sie sind sehr einsam darin.
Was tun
unsere Augen? „Ich hebe meine Augen auf.“
Die
Christen schauen aufwärts, zu ewigen Höhen. Sie richten ihren Blick auf den,
der in Jesus ihr lieber, gnädiger Vater ist.
In diesem
Psalmwort ist alles gesagt, was über das neue Jahr zu sagen ist. Da kommt das
Wörtlein „Hilfe“ vor. Oh gewiss, so wird es sein, dass wir Hilfe brauchen. Es
wird gehen „durch Angst und Plagen“, durch Anfechtung, Not und Versuchung.
Aber das
andere ist eben auch da, dass wir unsere Augen aufheben dürfen zu dem Herrn.
Und ob wir das tun, davon hängt es ab, ob das neue Jahr für uns ein „Gottesjahr“
wird.
Wir
gehn dahin und wandern
Von
einem Jahr zum andern,
Wir
leben und gedeihen
Vom
alten bis zum neuen
Durch
so viel Angst und Plagen,
durch
Zittern und durch Zagen,
durch
Krieg und große Schrecken,
Die
alle Welt bedecken.
Gelobt
sei deine Treue,
Die
alle Morgen neue,
Lob
sei den starken Händen,
Die
alles Herzleid wenden.
2.
Januar
Ich will den Herrn loben, solange Ich lebe.
Psalm 146, 2
Nun will
ich euch erzählen, wie ich die ersten 10 Minuten des neuen Jahres zubringe. Ich
könnte mir nämlich denken, dass die ersten 10 Minuten für das ganze Jahr
entscheidend sind.
Der
Kirchenvater Augustin hat gesagt: „Die erste Morgenstunde ist das Ruder des
Tages.“ Er meinte: Wie wir die erste Morgenstunde zubringen, das bestimmt den
ganzen Tag.
Nun, dann
ist vielleicht die erste Viertelstunde das Ruder des neuen Jahres. Und darum
also will ich euch erzählen, wie ich das neue Jahr anfange.
Da habe
ich mit einer großen Schar junger Leute eine stille und feine Silvesterfeier
gehabt. Wenn es
Schnell
haben die Posaunenbläser sich aufgebaut. Und dann singen und blasen wir: „Großer
Gott, wir loben dich …“
Dies Lob
Gottes in den ersten 10 Minuten ist herrlich, ja überwältigend! Ringsum, wo
Geschrei und Feuerwerk war, wird’s auf einmal still. Die Leute hören zu.
Und ich
muss denken: „So möchte ich das neue Jahr leben: erfüllt mit dem Lobe Gottes!
So mitreißend, dass es alles hässliche Lärmen der Weit übertönt!“
„Dunkel
liegt das neue Jahr vor uns.“ So fangen doch alle Neujahrs-Zeitungsartikel an.
Und jedem leuchtet das ein.
Aber es
ist nicht wahr! Uns jedenfalls gilt das nicht! Hell liegt das neue Jahr vor
uns. Wir haben einen Herrn, den man immer loben kann. Und ihm vertrauen wir
unser Leben an.
Großer
Gott, wir loben dich!
Herr,
wir preisen deine Stärke!
Vor
dir neigt die Erde sich
Und
bewundert deine Werke.
Wie
du warst vor aller Zeit,
So
bleibst du in Ewigkeit.
3.
Januar
Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren
vor dem Argen.
2. Thessalonicher 3, 3
Woher weiß
denn eigentlich der Paulus das so gewiss?
Wenn wir
ihn fragen könnten, würde er uns antworten: „Das wissen wir aus der Erfahrung der Gemeinde.“
Ein
reicher Kaufmann rühmte sich einmal voll Stolz: „Unsere Firma ist alt. Darum
hat sie ihre festen Erfahrungen.“
So kann
die Gemeinde Jesu Christi auch sagen.
„Jawohl,
der Herr ist treu; er hat uns gestärkt,
dass wir einhergingen in der Kraft des Herrn, Herrn“, rühmt ein mächtiger Chor
von Zeugen Gottes in der Bibel. Da ist der junge David, der ganz allein mit der
Schleuder dem furchtbaren Riesen Goliath entgegentritt. Da ist der Prophet
Elia, der als einziger auf dem Berge Karmel gegen Volk und König steht und den
lebendigen Gott durch Wort und Tat bezeugt. Da ist der Prophet Jeremia. Als
Gott ihn beruft, erschrickt er. Aber der Herr verheißt: „Fürchte dich nicht vor
ihnen, denn ich bin bei dir und will dich erretten.“
Auch in
der Bewahrung durch die Treue ihres
Herrn hat die Gemeinde reiche Erfahrung. Eine Welt ging unter in der Sintflut.
Aber der Herr verstand es, seinen Knecht Noah hindurchzuretten. Sodom und
Gomorra gingen im Feuer unter. Aber der Herr rettete seinen Knecht Lot aus dem
Untergang. Ägyptenland verlor in seinem Reichtum alle Zucht und Scham. Aber der
Herr bewahrte den jungen Joseph vor der Sünde.
Unser
Textwort spricht die reiche Erfahrung der Gemeinde Jesu Christi zu allen Zeiten
aus. Die Treue unseres Herrn hat sich tausendfach bewährt. „Sollt ich sein der
Erste, der zu Schanden ward?“
Unter
deinem Schirmen
Bin
ich vor den Stürmen
Aller
Feinde frei.
Lass
von Ungewittern
Rings
die Welt erzittern,
Mir
steht Jesus bei.
Ob's
mit Macht
gleich
blitzt und kracht,
obgleich
Sünd und Hölle schrecken,
Jesus
will mich decken.
4.
Januar
…auf dass er erscheine denen, die da sitzen in
Finsternis und Schatten des Todes.
Lukas 1, 79
Es war
einmal ein hässlicher Mensch. Der war aber sehr eitel und ließ sich oft
photographieren. Doch jedes Mal, wenn er das hässliche Bild sah, war er sehr
unzufrieden und sagte: „Der Photograph kann nichts!“
So geht's
den Menschen mit der Bibel. Sie zeigt dem natürlichen Menschen sein Bild. Ein
erschütterndes Bild! Darum mag er das Bild nicht.
Auch in
unserem Text ist ein Bild des Menschen ohne Christus dargestellt.
Wir
richten unser Augenmerk auf das Wörtlein „sitzen“. „Er sitzt“ – damit
bezeichnen wir im Deutschen die Lage eines Gefangenen. Ja, der Mensch ohne Erlösung
„sitzt“. Er sitzt „in Finsternis und Schatten des Todes“.
Der
Gefangene ist ohnmächtig. Er kann sich nicht selbst befreien. Ihm muss
aufgeschlossen werden. So sitzt der natürliche Mensch „in Finsternis und
Schatten des Todes“. Er kann sich selber kein Licht geben. Er kann sich nicht
selbst Frieden geben. Er kann nicht selbst dem Todesschatten entrinnen.
O selig,
wem der erscheint, der aufschließen kann und will: der Herr Jesus!
Das
Wörtlein „sitzen“ hat aber noch einen anderen Sinn. Der Großpapa „sitzt“ am
warmen Ofen. Der müde Spaziergänger „sitzt“ auf der Bank. Wer „sitzt“, der hat
sich's bequem gemacht. Der ruht. Ein Krieger in der Schlacht sitzt nicht.
Nun „sitzt“
der Mensch „in Finsternis und Schatten des Todes“. Das ist das Furchtbare: Er
hat sich's darin bequem gemacht. Er ist darin sicher und zufrieden. Er schläft
in sein Verderben hinein.
Wie eine
Fanfare ist Gottes Wort, wenn es ruft: „Stehe auf, der du schläfst, so wird
dich Christus erleuchten!“
Erneure
mich, o ewges Licht,
Und
lass von deinem Angesicht
mein
Herz und Seel mit deinem Schein
durchleuchtet
und erfüllet sein.
5.
Januar
Trübsal bringt Geduld; Geduld aber bringt
Erfahrung; Erfahrung aber bringt Hoffnung; Hoffnung aber lässt nicht zu
Schanden werden. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz.
Römer 5, 3-5
Von Natur
sind wir nicht geduldig. Und weil wir so ungeduldig sind, können wir keine
Erfahrungen mit unserem Gott machen. Die macht man nämlich in der Stille. Wir
ungeduldigen Leute aber laufen Gott immer weg.
Weil der
Herr es jedoch gut mit uns meint, hält er uns fest. Das Mittel, durch das er
uns festhält, ist Trübsal.
Wenn der
Herr uns in die Trübsal stellt, schlagen wir zuerst aus wie ein wildes Pferd.
Aber Gott hält uns in der Trübsal fest, bis wir stille werden. „Trübsal bringt
Geduld.“
Wenn das
Herz still geworden ist und – vielleicht voll Angst, Not und Furcht – auf den
harten Herrn schaut, der es in die Trübsal stellt, dann „bringt die Geduld
Erfahrung“.
Da tut
Gott sein Herz auf und zeigt der erschrockenen Seele seine Liebe, seine
Barmherzigkeit, sein Heil in Jesus. Das sind selige Erfahrungen.
Und aus
solchen Erfahrungen lernt das Herz die Trübsal gering achten. Es lernt: Es geht
dem Herrn nicht um die Trübsal, sondern um mein Heil. Die Trübsal ist nur ein
vorübergehendes „Mittel zum Zweck“. Ja, sie geht vorüber.
So kommt
aus der Erfahrung der Liebe Gottes die Hoffnung. Das ist aber keine trügerische
Scheinhoffnung. Denn sie gründet sich ja auf die Liebe Gottes, die am Kreuze
offenbar wurde und in unser Herz ausgegossen ist: Er wird's gut zu Ende bringen
mit mir und mit seiner Gemeinde.
Selige
Stufenleiter! Von Segen zu Segen!
Wunderanfang,
herrlich Ende,
wo
die wunderweisen Hände
Gottes
führen ein und aus.
Wunderweislich
ist sein Raten,
Wunderherrlich
seine Taten,
Und
du sprichst: Wo will’s hinaus?
6.
Januar
Ich habe dich auch zum Licht der Heiden
gemacht, dass du seist mein Heil bis an der Welt
Ende.
Jesaja 49, 6
In einem
Buch, in dem die Geschichte der deutschen Missionen dargestellt wird, steht
ganz am Anfang ein Abschnitt über die Entstehung der Mission. Da wird ganz
köstlich berichtet, wie Gott dem Grafen Zinzendorf keine Ruhe ließ über der Not
und Finsternis der Heiden. Und nun ordnet er Brüder als Missionare ab. Die
ziehen los, ohne Sprachkenntnis, ohne Geld, ohne Kenntnis des Reiseweges.
Streiter Jesu Christi!
Und doch –
wenn wir die Anfänge der Mission feststellen wollen, müssen wir weiter
zurückgehen, vor diese merkwürdigen und kühnen Männer.
Wo liegt
der Ursprung der Mission?
Unser
Bibelwort sagt es: im Herzen Gottes selbst. Der Vater sagt in der Ewigkeit zum
Sohne: „Ich habe dich zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist
mein Heil bis an das Ende der Welt.“
Das muss
nun aber ein herrliches, wunderbares und großes Werk sein, das seinen Ursprung
im Herzen Gottes hat. Und darum ist die Mission das eigentliche Werk der Gemeinde.
Es ist einfach nicht möglich, dass ein Kind Gottes das Missionswerk nicht als
seine eigene Sache und Ehre ansähe.
Weil die
Mission ihren Ursprung im Herzen Gottes hat, darum ist sie auch frei von
Wohlwollen oder Missfallen der Welt. Es wird sich allerdings meist um Missfallen
handeln. Denn wie sollte eine gottlose Welt Wohlgefallen haben an dem, was aus
dem Herzen Gottes kommt!
Um ihres
Ursprungs willen hat die Mission so große Verheißungen. Und wer hier mithilft
und mitbetet, der läuft so recht in den Bahnen Gottes.
Ach
lass dein Wort recht schnelle laufen;
Es
sei kein Ort ohn dessen Glanz und Schein.
Ach
führe bald dadurch mit Haufen
Der
Heiden Füll zu allen Toren ein.
Ja,
wecke doch auch Israel bald auf
Und
also segne deines Wortes Lauf.
7.
Januar
Gehet hin in alle Welt …
Markus 16, 15
Als ich
noch zur Schule ging, führte mich mein Schulweg an dem Verwaltungsgebäude einer
großen Firma vorüber, die in allen Erdteilen ihre Ingenieure hatte. über diesem
Gebäude standen, in Stein gehauen, ein Europäer, ein Indianer, ein Neger, ein Asiate und ein Australier. Und darüber die stolzen Worte: „Die
Welt ist mein Feld.“
Das Wort
hat damals dem kleinen Jungen mächtig imponiert. „Die Welt ist mein Feld.“
Welcher Stolz spricht aus diesem Wort des wagenden Kaufmannes und Technikers!
„Die Welt
ist mein Feld“, so sagen erst recht wir Jünger Jesu. Seitdem der Herr Jesus auf
dem Berge der Himmelfahrt seinen Jüngern den Befehl gab: „Gehet hin in alle
Welt und predigt das Evangelium“, seitdem muss es in der Gemeinde Jesu heißen: „Die
Welt ist mein Feld.“
Es ist im
Laufe der Zeiten je und dann so gewesen, dass der Blick, der Gemeinde sich
verengte. Eigene Nöte, Sorgen und Kämpfe nahmen sie gefangen, dass sie ihre
Welt-Aufgabe nicht mehr sah. Aber dann hat der Herr immer selbst wieder
eingegriffen und den Missionsgeist neu erweckt. Da war es, als schrecke die
gläubige Gemeinde aus dem Schlaf auf, dass sie wieder hörte das Wort und den
Befehl ihres Herrn: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium.“
„Die Welt
ist mein Feld.“ Jünger Jesu – heraus aus den Unterständen! Reibt euch die
Augen! Schaut euch um! In allen Erdteilen wehen die Kreuzesfahnen unseres
Königs. Überall sind heiße Schlachten im Gange zwischen Licht und Finsternis.
Auf vielen Straßen ziehen die Boten unseres Heilandes.
Es ist
unsere Sache! Wir sind gerufen teilzunehmen. Es geht uns an! Wir dürfen
mithelfen zu beten, zu kämpfen und – zu lieben.
O, dass doch bald dein Feuer brennte,
O möcht
es doch in alle Lande gehn.
Ach
Herr, gib doch in deine Ernte
Viel
Knechte, die in treuer Arbeit stehn.
O Herr
der Ernte, siehe doch darein:
Die
Ernt' ist groß, die Zahl der Knechte klein.
8.
Januar
Das war das wahrhaftige Licht, welches alle
Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Johannes 1, 9
Seltsames
Wort! Ist das denn wahr?
Es ist
doch nur die „kleine Herde“, die sich von dem Licht erleuchten lässt.
Wie kann
Johannes schreiben, Jesus sei das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet?
An diesem
Wort aber geht uns – wenn wir es fassen – gerade das Heil recht auf. Dies Wort
sagt uns: Das Heil ist da! Ganz abgesehen von unserem Glauben oder Unglauben,
von unserem Gehorsam oder unserer Sünde ist das Heil für alle Menschen da.
Wie die
Sonne aufgeht, so ist „der Aufgang aus der Höhe“ gekommen. Ja, wie die Sonne
aufgeht! Sie scheint über alle und „erleuchtet alle“. Nun können natürlich
Eulen sich verkriechen und Menschen, die das Dunkel lieben, die Läden zumachen.
Ja, wenn einer ganz närrisch ist, kann er sogar behaupten, der Sonnenschein sei
nur Einbildung. Wer will den Narren daran hindern?
Die Sonne
nicht. Sie widerlegt Eulen und Finsterlinge und Narren einfach, indem sie
scheint und leuchtet und strahlt.
So ist es
mit Jesus. Das ist allerdings das Unheimliche und Furchtbare, das es so viel
Eulen, Finsterlinge und Narren gibt, dass „die Menschen die Finsternis mehr
lieben als das Licht“.
Aber das
Licht ist da. Es feuchtet für alle. Es ist strahlend aufgegangen in der Krippe,
es ist hell geworden auf Golgatha und leuchtet seit der Auferstehung in lebenschaffendem, herrlichem Glanz.
Lasst uns
doch im Licht wandeln!
Dunkelheit
die musste weichen,
Als
dies Licht kam in die Welt,
Dem
kein andres zu vergleichen,
Weiches
alle Ding erhellt.
Die
nach diesem Glanze sehen,
Dürfen
nicht im Finstern gehen.
9.
Januar
So ich im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht.
Micha 7, 8
Welch eine
Paradoxie! Welch ein unmöglicher Gegensatz! Die Vernunft sagt: „Wie kann ich im
Finstern sitzen und doch ‚Licht’ haben?“
Es ist
schon so, dass der Verstand des unerleuchteten Menschen dies Wort nie begreifen
kann.
Und doch:
Es spricht die tiefste, seligste Erfahrung des Christenstandes aus.
„Wenn ich
im Finstern sitze …“ – ja, das wird immer mehr der Platz derer, die Gott zum
ewigen Leben erwählt hat. Ob sich auch das Herz entsetzt – es geht hinein ins
Dunkel. Liebgewordene Pläne zerschlagen sich. Menschen bekommen Gewalt, uns
Herzeleid anzutun. Der Tod nimmt uns die, ohne die wir fast nicht leben zu
können glauben. Krankheit lähmt unser Schaffen.
Ach! Wenn
das alles wäre! Es gibt ein viel, viel tieferes Dunkel. Das ist die Finsternis
der Gerichtswolke Gottes. Unser Gewissen will nicht mehr schweigen. Wir schauen
zurück auf unseren Weg, suchen etwas Gutes, was uns helfen, uns decken könnte.
Aber da sind nur Versäumnisse, Schulden, Verfehltes. Alle unsere Sünden gehen
über unser Haupt.
In dies
Dunkel führt Gott die, die er retten will. – Die er retten will? Muss es nicht
heißen: die er verderben will? – Nein, die er retten will! „…ist doch der Herr
mein Licht.“ Denn hier in der Finsternis wartet Jesus auf uns, das Licht der
Welt, voller Gnade, der Erbarmer, der Heiland.
„So ich im
Finstern sitze …“ – es wird immer dunkler bis zum Ende – „so ist doch der Herr
mein Licht.“ Lasst uns um des herrlichen Lichtes willen getrost ins Dunkle
gehen und darin bleiben!
Ach,
mein Herr Jesus, dein Nahesein
Bringt
großen Frieden ins Herz hinein;
Und
dein Gnadenanblick macht uns so selig,
Dass
Leib und Seele darüber fröhlich
Und
dankbar wird.
10.
Januar
Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.
Jesaja 60, 1
In einem
großen Krankenhaus lagen zwei junge Männer. Als ich an das Bett des einen trat,
sagte der: „Bei der Arbeit wurde mir die Wirbelsäule verletzt. Wenigstens zwei
Jahre muss ich so liegen.“ Der andere murmelte: „Es ist vom Krieg. Völlig
aussichtslos!“
Ich stand
erschüttert: Zwei junge Männer, die schaffen und leben wollen – Opfer der
Arbeit und des Krieges. Mir blieb das Wort in der Kehle stecken.
Da fiel
mein Blick auf den Nachttisch. Darauf hatte die Schwester ein Kärtlein gestellt mit dem Wort: „Die Herrlichkeit des Herrn
geht auf über dir.“ Ich konnte nur stumm auf dies Kärtlein
zeigen. Da meinte einer: „Ja, wenn man das liest, dann gehen einem die Augen
über.“
Gehen auch
uns die Augen über?
Ich treffe
einen Bekannten. „Wie geht es?“ – „Ach, schlecht! Mir geht alles schief.“ – „Ja,
es ist ein mühseliges Leben …“ Und dann klagen wir uns unser Leid, schelten
über die bösen Zeiten. Schließlich verabschiede ich mich. Wir geben uns die
Hand. Und – da – in diesem Augenblick – fällt mir das Kärtchen aus dem
Krankenhaus ein – auf der Straße – im Regen – bei verdrießlicher Laune! Und ich
muss sagen – es fährt mir so heraus: „Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über
uns!“
Betroffen
sieht er mich an. „Ja, das ist …“ Nachdenklich geht er fort. In mir aber ist es
auf einmal hell geworden.
Ja: Die
Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir und deinem grauen Alltag!
Ihr
Armen und Elenden
Zu
dieser bösen Zeit,
Die
ihr an allen Enden
Müsst
haben Angst und Leid:
Seid
dennoch wohlgemut,
Lasst
eure Lieder klingen,
Dem
König Lob zu singen,
Der
ist euer höchstes Gut.
11.
Januar
Ich will die Finsternis vor Ihnen her zum Licht machen.
Jesaja 42, 16
Auf den
ersten Blick scheint das ein sehr tröstliches Wort zu
sein. Aber bei näherem Zusehen entdecken wir: Da sagt unser Herr etwas, was
unserer alten Natur ganz und gar nicht gefällt.
Wir
Menschen haben gern übersichtliche Verhältnisse. Wir geben uns viel Mühe, unser
Leben auf ferne Tage hinaus zu sichern. Als ich einem arbeitslosen Jungen eine
Stelle bei einem Bauern vermitteln wollte, sagte er vorwurfsvoll: „Und was soll
da im Alter aus mir werden?“ Der Junge war 15 Jahre alt!
So sind
wir! Wir wollen Pläne auf lange Sicht machen. Wir wollen unsern Weg auf eine
weite Strecke hin übersehen.
Und hier
sagt uns nun der Herr, dass er es anders mit uns vorhat. Er will seine Kinder
ins Dunkel führen. Da will er sie wohl nicht verlassen. Er wird ihnen für jeden
Tag Licht geben. Aber – und das ist wieder hart! – eben nur für einen Tag und
einen Schritt: „Ich will das Dunkel vor ihnen her zum Licht machen.“
„Vor ihnen
her“! Der Herr Jesus hat das einmal so ausgedrückt: „Sorget nicht für den
anderen Morgen. Es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“
Da sieht man nicht den ganzen Weg; aber man hat Licht genug, um weiterzugehen.
Es gibt
ein schönes Bild von Rudolf Schäfer: Ein Mann wandert durch die Nacht. Und vor
ihm geht ein gewaltiger Engel Gottes. Der trägt eine Laterne. Und in diesem
Licht geht nun der Mann. Er hat Licht nur für einen einzigen Schritt.
So wandern
Kinder Gottes. Sehr zaghaft! Und doch – sehr sicher! Denn sie wissen: Auch für
morgen ist wieder Licht da. Und am Ende – am Ziel – wird es ganz hell sein.
Weiß
ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl,
Das
macht die Seele still und friedevoll.
Ist's
doch umsonst, dass ich mich sorgend müh,
Dass
ängstlich schlägt mein Herz, sei's spät, sei's früh.
12.
Januar
Das Licht scheint in der Finsternis.
Johannes 1, 5
Ein
schreckliches Geheimnis muss ich euch sagen. Um es zu verstehen, wollen wir
etwas ausholen: Unser Bibelwort ist nur die erste Hälfte eines Satzes. Diese
erste Hälfte ist lieblich und schön. Aber die zweite Hälfte ist schrecklich.
Der ganze Satz heißt so:
„Das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's nicht begriffen.“
Diese
zweite Satzhälfte rollt gleichsam einen Vorhang auf, und wir sehen die
Menschenwelt, wie sie wirklich ist: dumpf, blind für Gottes Gnade, stumpf gegen
Gott!
„Das Licht
scheint in der Finsternis …“ Sooft ich dies Wort höre, meine ich, man könne ihm
auch eine andere Fortsetzung geben. Und diese ist das schreckliche Geheimnis:
Das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's – ganz genau
begriffen.
So, da ist
jetzt von uns und unserer geheimsten Not die Rede. Jetzt ist die Rede von der
zähen Finsternis in Herzen, die das Evangelium wohl kennen; von Herzen, die
gern selig werden möchten; aber …!
Das ist
die Anfechtung der Christen: dass sie das Licht kennen und lieben, aber doch
immer wieder magisch angezogen werden von dem lockenden Geheimnis der
Finsternis.
Ja, ist
das nicht eigentlich das Geheimnis Satans? Er weiß, dass in keinem andern Heil
ist als in Jesus. Er kennt das Licht und – bleibt doch Finsternis.
Und so ist
die Finsternis in Christenherzen. Sie weiß, dass sie mit Jesus an das Kreuz
muss; sie weiß, dass das Licht scheint – und gerade darum versucht sie, noch
einmal in uns alle Macht zu gewinnen.
Gott muss
seine ganze Macht einsetzen, damit ein Mensch selig wird.
Dein'
Erscheinung müss erfüllen
Mein
Gemüt in aller Not.
Dein'
Erscheinung müsse stillen
Meine
Seel auch gar im Tod.
Herr,
in Freuden und im Weinen
Müsse
mir dein Licht erscheinen.
13.
Januar
Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.
Jesaja 8, 23
„Die in
Angst sind“.
Wer ist
denn damit gemeint?
Der
dänische Philosoph Sören Kierkegaard erzählte eine seltsame Geschichte von
einem Vater und seinem Sohn:
„Ein paar
Mal geschah es, dass der Vater mit sorgenvollem Gesicht betrachtend stand und
sagte: Armes Kind, du gehst in einer stillen Verzweiflung! – Und als der Vater
gestorben und der Sohn erwachsen war, da vernahm er in seiner Einsamkeit des
Vaters Stimme und dieselben Worte. Denn der Vater war ja der einzige, der ihn
verstanden hatte …“
Wer diese
Geschichte nachdenklich liest, der wird sofort sagen: Das ist ja meine
Geschichte.
Und so ist
es.
Nun wissen
wir auch, wer gemeint ist mit dem Wort: „… die in Angst sind.“ Wir sind gemeint.
Dann aber
sind auch wir gemeint mit der Verheißung: „Es wird nicht dunkel bleiben.“
Wir müssen
darauf achten, dass hier nicht steht: „Sie werden nicht im Dunkeln bleiben.“
Nein! Das wird nicht gesagt. Es kann sehr wohl sein, dass wir mit all unserer
heimlichen Verzweiflung doch im Dunkeln bleiben. Das aber liegt dann an uns und
nicht an Gott.
Denn der
will uns aus der stillen Verzweiflung und aller Angst herausretten. „Es wird
nicht dunkel bleiben über denen, die
in Angst sind.“
Gott lässt
ein helles, tröstliches, wunderbares Licht über allen aufgehen. Die Engel haben
gejauchzt, als dies Licht in die Welt kam. Damit keiner im Zweifel bliebe, was
mit diesem lieben Licht gemeint ist, hat der Herr Jesus deutlich gesagt: „Ich
bin das Licht der Weit.“ Er macht aller stillen und aller lauten Verzweiflung
ein Ende.
Ein
Arzt ist uns gegeben,
Der
selber ist das Leben:
Christus,
für uns gestorben,
Der
hat das Heil erworben.
14.
Januar
Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.
Jesaja 8, 23
Die
Psychologie (Seelenkunde) geht von der Voraussetzung aus: Was man vom Menschen
wahrnimmt, ist nur die Fassade. Dahinter kommt erst das Eigentliche. Hinter dem
Äußeren sieht es ganz anders aus.
Als die
Psychologie nun anfing, den Menschen hinter der Fassade zu studieren, entdeckte
sie immer neue Abgründe.
Und im
allerletzten Abgrund der Seele – da sitzt die Angst.
Es ist wie
in einer der Höhlen auf der Schwäbischen Alb. Wenn man da hineingeht, findet
man herrliche Grotten und seltsame Gänge. Aber immerzu wird man begleitet von
einem unheimlichen Rauschen. Irgendwo in den Tiefen ist ein verborgener Fluss.
Es hat ihn noch keiner gesehen. Aber man hört sein Rauschen.
So
rauschen tief in unserer Seele die Ströme der Angst.
Die Bibel
erzählt von einem König Saul. Wir sehen ihn gewappnet inmitten seiner
Kriegerscharen. Wer könnte auf den Gedanken kommen, dass bei ihm in der Tiefe
die Angstströme rauschen?
Aber in
der Nacht vor dem Kampf schleicht er verkleidet zu einer Wahrsagerin, zu der
Hexe von Endor. Dieser furchtgepeinigte Mann - das
ist der wirkliche Mensch!
Und in
diese Menschenwelt hinein klingt nun die Verheißung Gottes: „Es wird nicht
dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.“
Ein Licht
geht auf. Die Angst muss weichen bei denen, die in dies Licht kommen. Das Licht
heißt: Jesus!
Aber
wie hervorgegangen
Ist
der Aufgang aus der Höh,
Haben
wir das Licht empfangen,
Welches
so viel Angst und Weh
Aus
der Welt hinweggetrieben,
Dass
nichts Dunkles überblieben.
15.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter Ihren Flügeln; und Ihr
sollt … hüpfen wie die Mastkälber.
Maleachi 3, 20
Es ist mir
unvergesslich, wie ich als Junge in meiner Heimatstadt Frankfurt zum ersten Mal
das Gemälde eines expressionistischen Malers sah. Es war ein tolles Bild: in
wildem Durcheinander eine Geige, ein halbes Gesicht, ein Weinglas, ein
Kirchturm, ein grünes Band …
Ich stand
mit meinen Freunden davor. „Verrückt!“ meinte einer lachend. „Da ist etwas
explodiert!“ rief ein anderer.
„Jawohl!“
erwiderte ruhig einer, der etwas von der Sache begriff, „die Fülle der Gedanken
ist dem Künstler explodiert!“
An diese
Geschichte muss ich denken bei dem heutigen Text. Ist dies Bibelwort nicht wie
so ein modernes Gemälde? Da sehen wir die Sonne mit Flügeln! Es ist die Rede
von Mastkälbern und von Menschen, die Furcht haben, aber vor Freude hüpfen! Und
das alles in einem Satz!
Es ist ein
gewaltiges Wort. In Bildern will es zu uns sprechen. Und doch sprengt der
Inhalt jedes Bild.
Zunächst
bleibt gar nichts anderes übrig, als dass man einmal den Gesamteindruck dieses
Wortes aufnimmt: „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die
Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln; und ihr sollt hüpfen wie
die Mastkälber.“
Da wird
doch eins deutlich: Den Leuten, die Gott ernst nehmen, soll etwas widerfahren,
was ihr Leben dem Alltag entreißt und sie in überschwänglicher Weise beschenkt
und fröhlich macht. Christenstand ist nicht eine kleine religiöse Verbrämung
des Alltags, ist nicht ein dünner Trost für solche, die sonst nichts haben.
Christenstand ist vielmehr unbändige Freude, neue Existenz, Leben in Kraft!
Wohlauf,
mein Herze, sing und spring
Und
habe guten Mut!
Dein
Gott, der Ursprung aller Ding,
Ist
selbst und bleibt dein Gut.
16.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.
Maleachi 3, 20
Es gibt
mancherlei Arten, die Menschen einzuteilen. Etwa in Kapitalisten und
Ausgebeutete. Oder in Gebildete und Ungebildete - Männer und Frauen -- Alte und
Junge.
Nun, das
sind menschliche Einteilungen. Gott teilt anders ein.
Wenn man
eine Umfrage anstellen wollte, wie wohl Gott die Menschen einteile, dann würden
gewiss die meisten antworten: In Gute und Böse. Oder es hieße: In Christen und
Heiden.
Aber die
Bibel setzt uns immer wieder in Erstaunen. Die göttliche Einteilung ist ganz
anders. Sie entscheidet: Es gibt solche, die Gottes Namen fürchten - und alle
andern!
Von dem
heidnischen römischen Hauptmann Cornelius sagt Gott im 10. Kapitel der
Apostelgeschichte, er sei ihm angenehm, weil er Gott fürchte. Das war ein
Heide. Von der Kirche aber im Alten Bund klagen die Propheten, dass „keine
Furcht Gottes im Lande“ sei. Wie ist es wohl bei uns?
„Euch
aber, die ihr meinen Namen fürchtet ...“ Mit diesem Wort nimmt Gott die kleine
Schar, die ihn fürchtet, an sein Herz und erklärt sie zu seinem Liebling. Ja,
zu seinen Erwählten, für die er eine ganz besondere Freude bereitgestellt
habe: „ ...euch soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.“
Da ist der
Sohn Gottes, der Herr Jesus, der Heiland gemeint.
Ja, er ist
so recht der Heiland für die, welche Gott fürchten. Sie wissen sich als
Schuldige: Er bringt Vergebung der Sünden. Sie wissen, dass keine Kraft zum
Guten in ihnen ist: „Er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit,
zur Heiligung und zur Erlösung.“
Jesu,
reines Licht der Seele,
Du
vertreibst die Finsternis,
Die
in dieser Sündenhöhle
Unsern
Tritt macht ungewiss,
Jesu,
deine Lieb und Segen
Leuchten
uns auf unsern Wegen.
17.
Januar
Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter ihren Flügeln.
Maleachi 3, 20
Es war im
Krieg. Kurz nach einem schrecklichen Fliegerangriff kam ich in einen
Häuserblock, der zu meiner Freude völlig unversehrt war. Umso mehr war ich
erstaunt, als ich merkte: Die Häuser sind ja alle verlassen und geräumt. Nur ab
und zu sah ich einzelne Menschen eiligst in eines der Häuser rennen und irgendetwas
herausholen.
Endlich
erwischte ich einen Mann: „Was ist denn hier los?“ Er erklärte mir: „Dort im
Hof liegt eine Bombe mit Zeitzünder!“ Ja, dort lag das unheimliche Ding. Und – nun
musste ich doch lachen – ein Haufen Spatzen spielte munter rings um die Bombe. „Die
sind aber mutig!“ sagte ich. „Nein! Dumm!“ erwiderte der Mann.
Nun möge
man mir dies unpassende Bild verzeihen. Aber es zeigt, um was es geht:
Gott ist
viel gefährlicher als eine Bombe mit Zeitzünder. In der Bibel steht: „Wo er
zerbricht, da hilft kein Bauen.“ Und: „Schrecklich ist's, in die Hände des
lebendigen Gottes zu fallen.“
Und wenn
wir ihn nicht fürchten, sind wir – dümmer als die Spatzen. Furchtlosigkeit kann
nämlich auch Dummheit sein.
Ich hörte
von zwei Menschen, die miteinander vor der Schwelle einer schweren Sünde
standen. Da sagte auf einmal der eine: „Ich kann nicht! Ich habe Angst vor
Gott!“ Es mag manchem erstaunlich klingen – aber es war so –, dass der andere
antwortete: „Ich beneide dich!“ Dies Menschenkind begriff: Gott nicht fürchten
– das ist grauenvoller Seelentod.
Wo man
aber Gott fürchtet, da erkennt man die Sonne Jesus und findet das „Heil“ unter
seinen Flügeln.
Furcht
muss man vor Gott stets tragen,
Denn
er kann mit Leib und See!
Uns
zur Hölle niederschlagen;
Er
ist’s, der des Geistes Öl
Und,
nachdem es ihm beliebt,
Wollen
und Vollbringen gibt.
O
so lasst uns zu ihm gehen,
Ihn
um Gnade anzuflehen.
18.
Januar
Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.
Maleachi 3, 20
„Sonne der
Gerechtigkeit“!
Was soll
denn das bedeuten?
„Sonne“ – ja,
das verstehen wir ohne weiteres. Die Gegenwart des Herrn ist hell, freundlich, lebenspendend.
Aber – „Sonne
der Gerechtigkeit“? Was will das sagen?
Wenn wir
von „Gerechtigkeit“ reden, denken wir meist an die Gerechtigkeit, die ein
Richter ausübt. Auch in diesem Sinne spricht die Bibel von Gerechtigkeit: „Gott
ist ein gerechter Richter.“ Darauf können wir uns verlassen!
Aber viel
häufiger ist in der Bibel die Rede von der Gerechtigkeit, die der Angeklagte
hat – oder vielmehr haben sollte.
Wenn kein
Mensch und kein Gesetz einen Vorwurf gegen mich erheben könnten, so wäre ich
vor Menschen gerecht. Nun male ich mir einmal aus, es
kämen alle Menschen zusammen, die mich kennen. Und jeder würde gefragt, ob er
etwas gegen mich vorzubringen wüsste. Das gäbe ein Anklagen!
Da wird
uns klar: Die Gerechtigkeit vor Menschen fehlt uns.
Und gar
die „Gerechtigkeit vor Gott“! Wir fühlen es ganz deutlich, wie sehr die uns
fehlt.
Nun ist
Jesus die „Sonne der Gerechtigkeit“. Das bedeutet: die Fülle der Gerechtigkeit.
Weder Menschen noch Gott können an ihm etwas Böses finden. Keiner kann etwas
gegen ihn vorbringen.
Ja – wie
die Sonne mit ihren Strahlen das Dunkle erhellt, so kann Jesus von seiner
Gerechtigkeit abgeben. Am Kreuz hat er eine solche Fülle von Gerechtigkeit
erworben, dass er für alle Sünder genug hat. Paulus sagt jubelnd: „Wer will
verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist.“
Ach
sinke du vor seinem Glanz
In
tiefste Demut ein
Und
lass dein Herz erleuchten ganz
Von
solchem Freudenschein!
19.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter Ihren Flügeln.
Maleachi 3, 20
Das gehört
zu den unbegreiflichen und wunderbaren Dingen in dieser Welt, wie deutlich die
Propheten des Alten Bundes durch den Heiligen Geist den Herrn Jesus gesehen haben.
Ihren
Zeitgenossen müssen die Verheißungen sehr unverständlich gewesen sein. Uns aber
geben sie viel Licht.
Hier wird
Jesus eine Sonne genannt. Ja, eine strahlende, sieghafte Sonne, die über aller
Welt aufgeht.
Aber – so
sagt der Prophet – diese Sonne hat Flügel. Und unter diesen Flügeln ist das
Beste verborgen, so dass nur wenige es finden.
So ist
Jesus! Er ist offenbar und sehr heimlich zugleich.
Eine Sonne
ist er! Er selbst nennt sich „das Licht der Weit“. Seine Strahlen gehen über
die ganze Welt. Auf allen Kontinenten ringen diese Lichtstrahlen Jesu mit der
Finsternis, die aus den Menschenherzen kommt.
Als der
Heiland die ersten Jünger berief, haben die wohl kaum geahnt, wie gewaltig
dieser Mann aus Nazareth die ganze Welt erfüllen und erleuchten werde. In alle
Welt ist der Schall der Botschaft von Jesus gedrungen. In der Tat, er ist wie
eine Sonne aufgegangen.
Aber das
Beste, was dieser Jesus, dieser Sohn Gottes, zu bringen hat, ist doch verborgen
„unter den Flügeln“. Unser Textwort sagt: sein „Heil“!
Da müssen
wir schon suchen, wenn wir Gottes Heil in Jesus finden und erkennen wollen. Es
ist so verborgen, dass wir es gar nicht finden, wenn nicht der Heilige Geist
uns die Augen öffnet für dies Heil.
O Herr! Lass es uns finden!
O
König aller Ehren,
Herr
Jesu, Davids Sohn,
Dein
Reich soll ewig währen,
Im
Himmel ist dein Thron;
Hilf,
dass allhier auf Erden
Den
Menschen weit und breit
Dein
Reich bekannt mög werden
Zur
Seelen Seligkeit.
20.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter Ihren Flügeln; und ihr
sollt aus und eingehen und hüpfen wie die Mastkälber.
Maleachi 3, 20
… und ihr
sollt hüpfen wie die Mastkälber.“ Wörtlich übersetzt heißt es: „Ihr kommt mit
Sprüngen wie Kälber aus dem Stall.“
Das ist ja
ein unerhörtes Bild!
Die
Kälber, die den Winter lang im dumpfen Stall standen, brechen hervor, weil nun
Frühling ist. Und damit also wird die Gemeinde des Herrn verglichen!
Es gibt
eine göttliche Freudigkeit und Vitalität. Die ist dort, wo man – von den Fesseln
der Welt und der Gesetzlichkeit befreit – durch die Rechtfertigung des Sünders
Frieden mit Gott hat. Der Römer-Brief sagt: „Nun wir denn sind gerecht geworden
durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“ Wo man das sagen kann, da
entsteht diese göttliche Vitalität.
Vor Jahren
hatte ich eine Jungmänner-Freizeit in Holland. Da geschah es, dass eines
Nun gab es
ein langes Ringen am nächsten Tag. Dann endlich sahen sie die Sonne Jesus. Sie
erkannten auch das „Heil unter seinen Flügeln“. Sie fanden ihn als den, von dem
gesagt ist: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Und durch
seine Wunden sind wir geheilt.“
Am Abend
dieses Tages sagte ein alter Mann: „Was ist mit diesen jungen Männern los? Sie
erinnern mich an das Wort aus dem Alten Testament: Ihr werdet hüpfen wie die
Mastkälber.“
„Ja“,
erwiderte ich, und mir kamen vor Bewegung die Tränen, „dies Wunder hat sich an
ihnen erfüllt.“
Möge es sich auch an uns
erfüllen!
Wohlauf,
ihr Heiden,
Lasset
das Trauern sein,
Zur
grünen Weiden
Stellet
euch willig ein;
Da lässt
er uns sein Wort verkünden,
Machet
uns ledig von allen Sünden.
21.
Januar
Da Jesus geboren war … zur Zelt des Königs
Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland.
Matthäus 2, 1
Bis vor
kurzem war kein großer Unterschied gewesen zwischen diesen Weisen und dem König
Herodes. Der König sowohl wie die Weisen waren Leute, die ohne Gott in der Welt
gelebt hatten.
Aber nun
wurde es anders. Jesus trat zwischen sie.
Das Kommen
des Sohnes Gottes hat dem Herodes den Anstoß gegeben zur Verstockung – den
Weisen zum Glauben.
So ist es
noch heute. Wo Jesus in seinem Worte hinkommt, da trennen sich die Menschen.
Die einen verstocken ihr Herz, die andern ergreifen ihn zum ewigen Leben.
Was aber
nun in unserer Geschichte der Sache ein besonderes Gewicht gibt, ist dies:
Wenn man
einen unvoreingenommenen Menschen gefragt hätte: „Was meinst du, wer wohl zu
Jesus kommen wird, Herodes oder die Weisen?“, dann hätte der sicher geantwortet:
„Natürlich Herodes!“
Ja,
Herodes war aufgewachsen in den Überlieferungen Israels. Er kannte die
Verheißungen des Alten Bundes. Er gehörte zu der Kirche des Alten Testaments.
Die Weisen
aber waren Heiden, gefangen in dem düsteren Magiertum
des Orients. Sie waren fern von dem Volke, dem Gott die Verheißung gegeben
hatte. Und wenn ein Messias kam, hatten nach allgemeiner Ansicht die Weisen
kein Teil an ihm.
Und was
geschieht nun?
Herodes,
der dem Reiche Gottes so nahe war, wird ein Feind des Sohnes Gottes. Die Weisen
aber, die so fern waren, werden angenommen. Jesus sagt: „Die Letzten werden die
Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ Das ist sehr wichtig zu wissen für
uns, die wir in der Christenheit groß wurden.
Drum
mache dich behende auf,
Befreit
von aller Last,
Und
lass nicht ab von deinem Lauf,
Bis
du dies Kindlein hast.
22.
Januar
Die Weisen sprachen: „Wo ist der neugeborene
König der Juden? Wir haben seinen Stern. gesehen im Morgenland und sind
gekommen, ihn anzubeten.“
Matthäus 2, 2
Das gab
eine Ratlosigkeit an den Toren Jerusalems!
Da standen
die fremdartigen Männer und fragten nach dem „neugeborenen König“. Kein Mensch
hatte etwas davon gehört.
Aber es
gab noch andere Dinge, welche die Leute aufregen konnten, z. B. die Sache mit
dem Stern! Wer hatte schon je einmal so etwas gehört!
Das
Aufregendste aber war gewiss dies: Diese Männer erklärten, sie wollten den
neuen König anbeten.
Sicher
ging es von Mund zu Mund: „Was wollen sie? Anbeten? Da hört doch alles auf!“
Das wusste
nämlich in Israel jedes kleine Kind, dass man nur Gott anbeten darf. Und nun
wollten diese Männer einen König anbeten!
Die Weisen
standen gewiss sehr verlegen inmitten dieser allgemeinen Aufregung. Und doch
ließen sie sich nicht verwirren. Dabei sollten wir wohl einen Augenblick still
stehen!
Wenn wir
beten, dann heißt das für gewöhnlich für uns „bitten“. Für die Weisen aber „anbeten“.
Nein! Die
Weisen wollten nichts erbitten. Wahrscheinlich hätten sie dazu gar nicht den
Mut gehabt. Er, den sie suchten, war ja „der König Israels“. So sagten sie
selbst.
Aber
anbeten wollten sie den, den Gott als helle Offenbarung in diese dunkle Welt
gesandt hat. Das erschien ihnen überwältigend groß.
So ist
das, wenn die Augen geöffnet werden.
Von
deinem Reich auch zeugen
Die
Leut aus Morgenland;
Die
Knie sie vor dir beugen,
Weil
du ihn'n bist bekannt.
Der
neu Stern auf dich weiset,
Dazu
das göttlich Wort.
Drum
man dich billig preiset,
Dass
du bist unser Hort.
23.
Januar
Da beriet Herodes die Weisen heimlich und
erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre.
Matthäus 2, 7
Herodes
atmete auf!
Also in
dem kleinen Nest Bethlehem sollte dieser „neugeborene König“ zu finden sein?
Nun, dann war die Sache ja furchtbar einfach. Das gab bestimmt nicht viel Verwicklungen. Da musste man das Kind nur finden – und
dann ein stilles Kommando, um das Kind zu „liquidieren“ – so sagt man doch
heute! –, und die Sache war erledigt.
Jetzt musste
man also nur noch die Weisen „ausholen“ – so sagt man doch heute!
Also
berief Herodes die Weisen heimlich und fragte sie aus.
Wer die
Geschichte richtig miterlebt, der möchte hier den Weisen eine Warnung zukommen
lassen: „Vorsicht! Nichts sagen! Der Herodes ist voll Hinterlist!“
Aber diese
Weisen plauderten in großer Einfalt alles aus. Zwei Welten treffen sich hier:
Die Welt der satanischen Klugheit und die der göttlichen Einfalt. Die Einfalt
des Glaubens begegnet der listigen Klugheit der Welt.
Und – die
göttliche Einfalt ist unterlegen. Herodes kann heimlich fachen: „Wie dumm sind
diese Leute!“
So ist's
immer gewesen. Und es ist begreiflich, dass die Kinder Gottes immer wieder
versucht waren, die göttliche Einfalt über Bord zu werfen und klug zu werden
nach der Weise der Welt. Denkt nur daran, wie Abraham seine Frau als seine
Schwester ausgab!
Aber
unsere Geschichte zeigt uns: Das ist nicht nötig. Herodes bekam das Kind doch
nicht in die Hände. Denn für die Wahrhaften und im Glauben Lauteren kämpft Gott
selbst. Er führt ihre Sache und bewahrt ihre Wege.
Einfalt
denkt nur auf das Eine,
In
dem alles andre steht;
Einfalt
hängt sich ganz alleine
An
den ewigen Magnet.
24.
Januar
Herodes wies die Weisen gen Bethlehem und
sprach: „Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein.
Matthäus 2, 8
Man muss
beinahe lachen, wenn man sich die Situation vorstellt:
Da steht
dieser König mit dem biedersten Gesicht von der Welt und erklärt den Weisen: „Das
ist eine gute Sache, dass ihr den ‚neugeborenen König' suchen und anbeten
wollt. Forscht fleißig nach ihm!“
Und dann lässt
er sie gehen – und denkt nicht daran, sich an dieser guten Sache irgendwie zu
beteiligen.
Da fallen
mir jene zahlreichen Männer ein, die in schlichter Freude erklären: „Ich bin
sehr dafür, dass meine Frau in die Kirche geht.“ Aber selber tun sie nicht
einen Schritt, ihren Erlöser zu suchen.
Oder jene
Eltern, die erklären: „Natürlich müssen unsere Kinder in den
Konfirmanden-Unterricht.“ 'Aber sie selber suchen und kennen den Heiland nicht
von ferne.
Als ich einst
einem jungen Manne sagte, ich hielte jede Woche eine Bibelstunde, erklärte er
harmlos: „Ich will es unserer Großmutter bestellen.“ Für die Großmutter war
Jesus gewiss sehr recht. Aber für ihn selbst kam diese Sache Gottes nicht in
Frage.
O Herodes,
du hast heute viele Jünger!
Paulus
spricht einmal sehr ernst davon, dass man „andern predige und doch selbst
verwerflich werde“.
Wie hart
kann das Menschenherz sein! Da hört dieser Herodes, dass Gott seine
Versprechungen wahr gemacht und der Welt einen Heiland gegeben hat. Er sieht
die Weisen diesem Erlöser zuziehen. Und es zieht ihn nicht mit!
Herr,
erbarme dich über unser hartes, totes Herz!
Auf,
Seele, auf und säume nicht,
Es
bricht das Licht herfür;
Der
Wunderstern gibt dir Bericht,
Der
Held sei vor der Tür!
25.
Januar
Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.
Matthäus 2, 10
Es war ja
so etwas ganz und gar Neues, was diese Weisen aus dem Morgenland erlebten. Gewiss,
sie hatten auch Religion. Wahrscheinlich sogar eine sehr tiefsinnige und
ernsthafte Religion. Aber dabei war es doch immer so, dass der Mensch sich
Gedanken über Gott machte – doch Gott schwieg. Es war so, dass der Mensch Gott
anrief und suchte – doch Gott schwieg. Es war, als wenn man in ein feierliches,
leeres Gewölbe hineinriefe. Das einzige Echo war – die eigene Stimme.
Und nun
war diesen Weisen aus dem Morgenland ein Neues begegnet. Gott schwieg nicht
mehr. Er rief. Er rief sie in der Sprache, die diese Astronomen verstanden:
durch den Stern.
Und Gott
rief nicht nur: Er führte. Er führte durch den Stern, und er führte sie durch
das Wort, das ihnen geschenkt wurde: „Du Bethlehem Ephrata,
aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk ein Herr sei.“
Das Wort
weist sie, und der Stern führt sie. Das war etwas Gewaltiges und Neues. Sollten
sie nicht fröhlich sein über diesem Ziehen, Rufen und Führen des lebendigen
Gottes!? Sollten sie diesem Rufen und Führen nicht folgen bis hin zu der
Offenbarung Gottes, dem König des Volkes Gottes: zu Jesus!?
Auch unter
uns hat Gott so sein Werk. Er redet durch sein Wort und ruft und führt durch
seinen Geist. Aber – und das ist traurig und beschämend – dies lebendige Wirken
Gottes macht nicht nur „hoch erfreute“ Leute. O nein, es findet Widerstand und
Widerstreben. Auch bei uns?
Es ist ja
so groß, dass Gott uns zu Jesus führen will, dass wir alles stehen und liegen
lassen sollten, wenn er ruft, und „hoch erfreut“ folgen sollten bis zum seligen
Finden des Heiles Gottes in Jesus.
Zieh
mich, o Vater, zu dem Sohne,
Damit
dein Sohn mich wieder zieh' zu dir;
Dein
Geist in meinem Herzen wohne
Und
meine Sinne und Verstand regier,
Dass
ich den Frieden Gottes schmeck' und fühl'
Und
dir darob im Herzen sing und spiel.
26.
Januar
Da die Weisen den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.
Matthäus 2, 10
Man könnte.
meinen, diese Freude der Weisen aus dem Morgenlande sei doch etwas verfrüht
gewesen. Sie hatten das Kind ja noch nicht gefunden. Sie waren ja erst auf dem
Wege.
Und doch –
es steht hier: „Sie wurden hoch erfreut.“ Dass wir es einmal so sagen: Um Jesus
her ist eine Zone der Freude. Die Weisen standen jetzt unter dem Wort aus dem
Propheten Jesaja: „Dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf
über dir.“
Und da
beginnt schon die Freude.
Zum
Schönsten in der Missionsgeschichte gehört das Erleben des rheinischen Missionars
Krumm bei den Kopfjägern auf Nias:
Im Jahre
1897 hatte er dort seine Arbeit begonnen. Zuerst ging es durch viel Nöte. Aber dann kam jener Tag, da sie ihn in die Burg
des „Neunflammigen“, des heidnischen Priesterkönigs,
einluden.
„Trommelwirbel
tönten, eine Donnerbüchse krachte. Einer hielt eine Rede, die begann: Gott hat
die Irauno lieb. – Und sie schloss: Früher waren wir
Feinde. Nun sind wir Brüder. Solago aber mahnte: Du musst
uns jetzt das Wort Gottes verkündigen!“
Welch eine
Stunde, als sie ihre Götzen in den Abgrund warfen und ein selbstgedichtetes
Lied zu singen begannen:
„Es ist gleich, als wenn die Sonne aufgeht
über unsern Bergen, es wird hell bei uns, weil man uns das Wort Gottes
verkündigt. Auch uns hat erreicht Lowolangi (Gott).
Es ist zu uns gekommen der Herr …“
„Da sie
den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.“ Ja, um Jesus her ist eine Zone der
Freude. Wie groß wird die Freude erst, wenn man ihn selbst gefunden hat!
Er
gebe uns ein fröhlich Herz,
Erfrische
Geist und Sinn
Und
wert all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz
Ins
Meeres Tiefe hin.
27.
Januar
Es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen.
Matthäus 2, 13
Das sagt
Gott, als er dem Joseph befiehlt, das Kind Jesus in Ägyptenland in Sicherheit
zu bringen.
„Es ist
vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, es umzubringen.“ Eine einfache,
sachliche Feststellung. Und doch lässt uns dies Wort tief hineinschauen in
Gottes Herz.
Es zeigt
uns Gottes Geduld. Es wäre ihm ja
ein Geringes, den Herodes auf seinem bösen Wege aufzuhalten. Er tut es nicht.
Er macht dem Herodes gleichsam die Bahn frei. Er weicht ihm still aus. Gott lässt
dem Bösen Zeit auszureifen.
Dies Wort
Gottes an Joseph zeigt uns Gott auch als Herzenskündiger. Noch hat Herodes
keinem Menschen von seinem furchtbaren Mordplan etwas gesagt. Er konnte
schweigen. Im Gegenteil – er hat sich als Freund Jesu aufgespielt. Aber Gottes
Augen haben ihn erkannt – wie sie uns erkannt haben mit den geheimsten
Wünschen, Regungen und Plänen unseres Herzens.
Und ist es
uns nicht doch, als sei in diesem Sätzlein Gottes ein
Verwundern: „Es ist vorhanden …“ Nun
erreicht die Rebellion des Menschen gegen den lebendigen Gott den Höhepunkt, dass
der Mensch den Sohn Gottes aus dem Wege räumen will. An den Knechten Gottes hat
der rebellische Mensch sich schon seit Abels Zeiten immer vergriffen. Aber nun
geht es an den Sohn. – Das ist der Mensch, den Gott zu seinem Ebenbild schuf! O
Jammer! Bis zu diesem Tage ist es „vorhanden“, dass Menschen diesen Jesus aus
dem Wege räumen wollen.
Auf den
Armen Josephs zieht das Kind Jesus in die Fremde. Es ist der Anfang des
Kreuzesweges. Joseph zieht mit. Und Maria. Und alle, die Jesus lieb haben.
Mein
Kreuz und meine Plagen,
Sollt’s auch sein Schmach und Spott,
Hilf
mir geduldig tragen;
Gib,
o mein Herr und Gott,
Dass
ich verleugne diese Welt
Und
folge dem Exempel,
Das
du mir vorgestellt.
28.
Januar
Sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben standen.
Matthäus 2, 20
So steht
es immer am Ende, wenn irgendwo der Kampf gegen Jesus begonnen wurde: „Sie sind
gestorben…“
Es war ein
anderer Herodes, der den Jakobus hinrichten ließ und den Petrus ins Gefängnis
warf. Aber am Ende heißt es doch: „Da schlug ihn der Engel des Herrn, darum dass
er Gott nicht die Ehre gab. Und er ward gefressen von den Würmern und gab den
Geist auf. Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich“ (Apostelgeschichte 12, 23f.).
Wo sind
sie alle: Nero, Diokletian, die Inquisitoren, der
Bischof Firmian und wie sie alle heißen, die den
Kampf gegen Jesus begannen? „Sie sind gestorben…“
So wird
auch einmal der letzte, große Streit des Antichristen gegen den Herrn der
Herrlichkeit ausgehen.
Wie sollte
es auch anders sein? Dies „Kind“ ist ja nicht irgendeiner, sondern der, zu dem
Gott gesagt hat: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berge
Zion“ (Psalm 2).
Weil die
Gemeinde Jesu das weiß, geht sie sehr getrost in solche Kämpfe und auch in das
Leiden.
Wir haben
ja gar nie die Sorge, was aus der Sache Jesu werden soll. Diese Sache Jesu ist
ein für allemal entschieden. Nein, wir haben eine ganz andere Sorge: dass wir
bei Jesus bleiben; dass die Stürme der Zeit und die drohenden Herodesse uns nicht verführen oder unser Herz weich machen,
dass wir ihn verlassen.
Seine
Sache ist schon gerettet. Es geht nur darum, dass er uns errettet, dass wir
nicht mit jenen sterben.
Verzage
nicht, du Häuflein klein,
Obschon
die Feinde willens sein,
Dich
gänzlich zu verstören,
Und
suchen deinen Untergang,
Davon
dir wird recht angst und bang;
Es
wird nicht lange währen!
29.
Januar
Ein Mensch war zu Jerusalem mit Namen
Simeon… Dem war eine Antwort geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod
nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.
Lukas 2, 25 und 26
In
Württemberg gibt es einen köstlichen Ausdruck für Leute, die sich um
Kleinigkeiten verzanken. Da sagt man zu solchen Leuten: „Du bist ein
Kleinigkeitskrämer!“ Dieser Ausdruck will sagen: Du verlierst das Große aus dem
Auge und bist einer, der sich in Kleinigkeiten verliert.
Wer möchte
wohl gern ein „Kleinigkeitskrämer“ sein? Wohl keiner! Und doch: Die meisten
Menschen sind kümmerliche Kleinigkeitskrämer. Lasst uns nur einmal eine
Rundfrage veranstalten: „Was ist dir in deinem Leben die Hauptsache?“ Ja, was?!
Beförderung? Ehre bei Menschen? Eine sichere Stellung? Geld? Vergnügen? Lust?
Ach, das
sind ja Kleinigkeitskrämereien! Wir sollten beten lernen: „Ewigkeit, / In die
Zeit / Leuchte hell herein, / Dass uns werde klein das Kleine / Und das Große
groß erscheine, / Selge Ewigkeit!“ Dem Simeon war das
Große groß geworden, ihm war die Hauptsache: Friede mit Gott für Zeit und
Ewigkeit.
Es steht
da im Text: „Ihm war eine Antwort geworden.“ Wo eine Antwort ist, ist gefragt
worden. Ja, der Simeon hatte geforscht und gefragt und gerungen, wie man Frieden
mit Gott bekommen könnte.
Und er
bekam eine vorläufige Antwort: „Den Frieden mit Gott kannst du dir nicht
erringen. Den bringt dir einer frei und umsonst: der Christus Gottes.“
Und nun
geht es diesem Mann ein Leben lang um die Hauptsache: um den Christus Gottes.
Und als er ihn gesehen hat, da jubelt er: „Herr, nun lässest
du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland
gesehen.“
Gott mache
aus uns Kleinigkeitskrämern Leute, wie der Simeon einer war!
Seele,
was ermüdest du dich
In
den Dingen dieser Erden,
Die
doch bald verzehren sich
Und
zu Staub und Asche werden?
Suche
Jesum und sein Licht,
Alles
andre hilft dir nicht.
30.
Januar
Hanna trat auch hinzu zu derselben Stunde.
Lukas 2, 38
Das war
die Stunde, die Gott der Hanna schon lange zugedacht hatte. Die Maria trägt
ahnungslos das Kind Jesus in den Tempel. Sie weiß nicht, dass das die
Gottesstunde für die alte Hanna ist. Die Gottesstunde, wo Gott der Hanna den
Heiland zeigt und schenkt und offenbart. Die Stunde, wo Gott dieser treuen Magd
die letzte Tür aufschließt, dass sie eingehen darf als Kind Gottes, wo die
Gnade sie umfängt.
O diese
Stunde, die Gott einem Menschen bereitet, wo er einem Menschen selber die Tür
zum Himmelreich öffnet! Die Hanna hat demütig auf diese Stunde gewartet und
sich nach ihr ausgestreckt. Sie war also gerüstet und bereit für diese ihre
Gnadenstunde.
Der
Erweckungsprediger Henhöfer, der im vorigen Jahrhundert
wirkte, brauchte einmal dafür ein drastisches Beispiel. Damals gab es noch
keine Eisenbahnen. Einmal am Tag fuhr die Postkutsche. Die steht bereit und
wartet auf Fahrgäste. Da kommen ein paar rechtzeitig und steigen ein. Jetzt muss
der Postillon eigentlich abfahren. Aber er denkt: „Vielleicht hat sich einer
verspätet.“ Also macht er langsam. Er nimmt dem Pferd die Decke ab. Richtig, da
kommt einer gelaufen.
Jetzt
setzt sich der Postillon auf den Bock. Da kommt noch einer gerannt und steigt
ein. – Der Postillon zögert. Er nimmt sein Horn und bläst noch ein Stücklein. Dann fährt er ab.
Kaum ist
der Wagen zum Stadttor hinaus, kommen noch zwei gerannt. Sie hatten sich In der
Stadt aufhalten lassen. Da stehen sie nun. Die Post ist weg. Es ist zu spät. So
ist es mit dem Gnadenwagen deines Heilandes! Er wartet lange auf dich. Er
zögert deine Stunde hinaus, so lange er kann. Aber es kann auch zu spät sein.
Die Hanna
war bereit zu ihrer Stunde.
Erkenne
die Zeit, darin der Herr dich heimsucht!
Wahr
ist's: Gott ist wohl stets bereit
Dem
Sünder mit Barmherzigkeit;
Doch
wer auf Gnade sündigt hin,
Fährt
fort in seinem bösen Sinn
Und
seiner Seele selbst nicht schont,
Dem
wird mit Ungnad' abgelohnt.
31.
Januar
Hanna trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries den Herrn.
Lukas 2, 38
Früher
einmal heißt es von dieser Hanna: „Sie diente Gott mit Beten und Fasten Tag und
Nacht.“ Das klingt wie ein Seufzen. Es war ein Ringen um Gott. Da war die
tägliche Furcht vor ihm. Es war die Angst, man könne ihm missfallen und
verloren gehen. Ja, viel Tränen und Furcht stehen hinter diesem ernsten
Gottesdienst.
Wie anders
heißt es jetzt! „Sie pries den Herrn.“
Jetzt hat
sie gelernt: ich kann meine Seligkeit nicht schaffen und verdienen. „Es ist
doch unser Tun umsonst / Auch in dem besten Leben.“ Aber – so weiß jetzt Hanna –
der Herr Jesus, den ich da gefunden habe, hat mir mein Heil und meine Seligkeit
frei und aus Gnaden gebracht.
Das heißt
ja glauben: Man schaut nicht mehr auf sich, nicht auf seine Tüchtigkeit und
seine guten Werke – auch nicht auf sein Elend und seine Sünde. Man schaut auf
den Heiland, den Erlöser und Seligmacher, und preist Gott.
Es gibt
viele so genannte Christen, die kommen innerlich nicht weiter, weil sie immer
bei sich selbst stehen bleiben, weil sie immer wieder sich ansehen. Gelingt es
ihnen ein wenig, den Willen Gottes zu tun, dann werden sie gleich stolz und
sicher. Hat es aber eine Niederlage in ihrem Leben gegeben, dann sind sie
verzweifelt. Die Bibel jedoch lehrt uns (Römer 4, 5): „Dem aber, der nicht mit
Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird
sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“
Ein
Liederdichter sagt: „Wenn ich mich selbst betrachte, / So wird mir angst und
weh. / Wenn ich auf Jesum achte, / So steig ich in die Höh`.
/ So freut sich mein erlöster Geist, / Der durch das Blut des Lammes / Gerecht
und selig heißt.“
Lasst uns
täglich den Herrn preisen, dass wir Verlorenen einen Heiland haben!
Aus
Gnaden! Merk dies Wort: Aus Gnaden!
So
oft dich deine Sünde plagt,
So
oft dir will der Satan schaden,
So
oft dich dein Gewissen nagt.
Was
die Vernunft nicht fassen kann,
Das
beut dir Gott aus Gnaden an.
1.
Februar
Darum so seht euch vor vor eurem Geist!
Maleachi 2, 16
Eine
Warnungstafel wird hier aufgerichtete „Achtung! Vorsehen!“ – Nun, das Leben ist
ja so bedroht, dass wir es gelernt haben, uns vorzusehen vor allerlei Gefahren:
vor schnell fahrenden Autos und vor Bazillen, vor Ansteckung und vor
Unglücksfällen.
Nun wird
hier noch eine Warnungstafel aufgerichtet. Wer sie besinnlich liest, stutzt: „Wie?
Vor meinem Geist soll ich mich vorsehen? Alle Gefahren kommen doch von außen!
Wie sollte mein Geist für mich eine Gefahr sein?“
Aber diese
Warnungstafel ist sehr, sehr ernst gemeint. Der lebendige Gott selbst hat sie
aufgerichtet. Darum können und dürfen wir nicht an ihr vorübergehen.
„Darum so
seht euch vor vor eurem Geist!“ – Da sagt uns Gott
also, dass unser eigener Geist uns in große Gefahr bringen kann. Unser Geist
ist wohl imstande, große technische Fragen zu lösen. Er kann die Vergangenheit
erforschen und uns zu tüchtigen, fähigen Leuten im Leben machen.
Aber nun
fängt unser Geist an, uns über Gott zu belehren. Er denkt sich einen harmlosen
Gott aus und betrügt uns mit diesem Götzen, der doch nicht der lebendige Gott
ist. Ja, unser Geist fängt an zu bestimmen, was gut und böse sei. Und wenn
unsere Sünden gen Himmel schreien, dann ist unser Geist nicht faul, schwarz „weiß“
zu nennen und alles zu erklären und zu entschuldigen. Unser Geist denkt sich
gar einen Weg zur Seligkeit aus und meint, Gott müsse „Ja“ dazu sagen.
So betrügt
uns unser Geist um Gott und sein ewiges Heil. „Darum so seht euch vor vor eurem Geist!“ Wir wollen Gott bitten, dass er uns gebe „den
Geist der Wahrheit und der Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis“, den
Heiligen Geist, der uns in alle Wahrheit leitet.
Geist
der Weisheit, gib uns allen
Durch
dein Licht
Unterricht,
Wie
wir Gott gefallen.
Lehr
uns, recht vor Gott zu treten,
Sei
uns nah
Und
sprich Ja,
Wenn
wir gläubig beten.
2.
Februar
Das Geheimnis des Herrn Ist unter denen, die
ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen.
Psalm 25, 14
Es gehört
zu der wundersamen Botschaft der Bibel, dass Gott sich gern Menschen
anvertrauen möchte. So hat sich Gott dem Abraham anvertraut, als er mit Abraham
auf dem Wege vom Hain Mamre nach Sodom war: „Wie kann ich Abraham verbergen,
was ich tue!“ sagt er. (1. Mose 18, 17) – So hat sich Gott dem Mose anvertraut,
wenn er mit ihm redete „wie ein Freund mit seinem Freunde redet“.
Auch unter
uns sucht Gott Menschen, denen er sich anvertrauen kann, denen er sein „Geheimnis“
mitteilen kann, die er „seinen Bund wissen“ lassen kann.
Nun ist es
uns wohl allen klar: Gott kann sich nicht jedem Beliebigen anvertrauen. Er sagt
uns selbst, dass dazu wenigstens eine
Voraussetzung erfüllt sein muss.
Das ist ja
nun eine überaus wichtige Frage: Welche Voraussetzung müsste bei mir erfüllt
werden, dass Gott in meinem armen Leben das Wunder tun könnte, dass er mich
seinen Vertrauten sein lässt?
Gott sieht
dabei nicht darauf, welche Stellung einer in der Welt einnimmt. Er fragt auch
nicht danach, ob wir besonders klug sind oder welchen Bildungsgang wir haben.
Er sieht auch nicht auf unsere „moralischen Qualitäten“. Er sieht nur nach
einem: ob man ihn fürchtet. Die Furcht vor Gott spielt eine große Rolle im
geistlichen Leben. Sie ist der Schlüssel zum Heiligen.
Gott verschließt
sich den Oberflächlichen, den Selbstgerechten, den Schwätzern, den Kraftmeiern,
den Sicheren. Aber die erschrockenen Gewissen und aufrichtigen Herzen, die
Bußbereiten und die, weiche aus der Wahrheit sind, erfahren sein Geheimnis: dass
er in Jesus einen Bund gemacht hat und in Jesus eine Gemeinde der Zukunft sammelt
für eine neue Welt. Möchten wir doch zu Gottes Vertrauten gehören!
Schaft
in mir, Herr, den neuen Geist,
Der
dir mit Lust Gehorsam feist`t
Und
nichts sonst, als was du willst, will;
Ach
Herr, mit ihm mein Herz erfüll.
3.
Februar
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr
gut.
1. Mose 1, 31
Im
Morgenglanz der ersten Schöpfungstage lag die neue Welt lichtgebadet
vor den Augen Gottes. „Und Gott sah
an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.“
Und wieder
sah Gott. Der 14. Psalm erzählt davon: „Der
Herr schaut vom Himmel auf die Menschenkinder.“
Was sehen
Gottes Augen diesmal? Ein furchtbares Bild: „Sie sind alle abgewichen und
allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer!“
Wie war
solche Veränderung möglich? Wie oft ist wohl diese Frage gestellt worden aus
seufzenden oder zweifelnden Herzen: „Wie kam die Sünde in die Welt?“
Wir lesen
in der Schritt: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde.“ Die Ebenbildlichkeit
des Menschen mit Gott bestand darin, dass der Mensch sich frei entscheiden
konnte zwischen „gut“ und „böse“.
Und der
Mensch wählte – das Böse. Und Gott sah:
„… da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.“
Und wieder
sah Gott. Diesmal nicht, wie es im 14. Psalm heißt, „vom Himmel“. Diesmal war
er mitten unter seinen verlorenen Geschöpfen in Jesus. „… und da er das Volk sah, jammerte ihn
desselben; denn sie waren verschmachtet wie die Schafe, die keinen Hirten haben“
(Matthäus 9, 36).
Und mit
diesem Blick voll Erbarmen und rettender Liebe sieht der Herr auch heute noch
auf diese Welt – auch auf uns. Können wir unter diesem Blick bleiben, wie wir
sind? In einem finnischen Lied heißt es: „Jesu milde Augen sehen dich an.“ Ja,
so ist es.
Wir
sehn dein freundliches Angesicht
Voll
Huld und Gnade wohl leiblich nicht,
Aber
unsre Seele kann's schon gewahren;
Du
kannst dich fühlbar genug offenbaren,
Auch
ungesehn.
4.
Februar
Betet für mich, den Boten des Evangeliums in
der Kette, dass ich darin freudig handeln möge.
Epheser 6, 20
Christen
sind hochgemute, unüberwindliche Leute, wenn sie wirklich „in Christus“ sind.
Das wird an diesem ungeheuer großen Wort des Paulus deutlich.
„In der
Kette“ ist er, als Gefangener in Rom.
Das heißt,
er ist getrennt von der Gemeinschaft, die einem Christen Lebensbedürfnis ist.
Er hat nicht mehr die Möglichkeit, seine Brüder in Ephesus aufzusuchen, mit
ihnen zu reden und ihre Liebe zu erfahren. – Ist es wirklich so?
„Nein“,
sagt Paulus, „ich bin nicht getrennt von der Gemeinschaft. Meine Brüder beten
für mich. Vor dem Thron der Gnade treffen wir uns. Ihre Fürbitte ist ein
spürbares, lebendiges Band der Gemeinschaft.“
„In der
Kette“ ist Paulus. Er, der dem Herrn die Welt erobern wollte, ist lahm gelegt.
Lahm
gelegt? „Nein“, sagt Paulus, „ich bin in Amt und Dienst auch hier. Ich bin auch
in der Kette ein Bote des Evangeliums. Mit dem Zeugnis vor allen denen, die
mich sehen, und mit der Fürbitte für alle Gemeinden und für alle Menschen
richte ich meinen Dienst aus.“
„In der
Kette“ ist Paulus. Er ist ein Gefangener. Und Gefangenschaft ist schrecklich.
Sie ist ungeheuer schwer gewesen für so einen feurigen, temperamentvollen Menschen
wie Paulus. Und wie hat wohl sein Stolz als römischer Staatsbürger unter der
endlosen Haft gelitten!
Da sollte
man doch meinen, es sei genug, wenn Gott Tag für Tag Kraft gibt zum Leiden. „Nein“,
sagt Paulus, „der Herr gibt mehr. Ich darf und soll freudig handeln.“
Dass wir
doch durch Gottes Gnade zu so hochgemuten Leuten würden!
Sie
wandeln auf Erden und leben im Himmel,
Sie
bleiben ohnmächtig und schützen die Welt;
Sie
schmecken den Frieden bei allem Getümmel,
Sind
arm, doch sie haben, was ihnen gefällt.
Sie
stehen in Leiden und bleiben in Freuden,
Sie
scheinen ertötet den äußeren Sinnen
Und
führen das Leben des Glaubens von innen.
5.
Februar
Lass dir nicht grauen vor Ihnen; denn der
Herr, dein Gott, ist unter dir, der große und schreckliche Gott.
5. Mose 7, 21
„Lass dir
nicht grauen!“ sagt der Herr zu seinem alttestamentlichen Volk. Gott wird sie
also in solche Lagen kommen lassen, wo – menschlich gesprochen – die
Verzweiflung beginnt. So führt Gott seine Leute. In die tiefsten Tiefen können
sie kommen, wo die Nerven einfach versagen, wo man gar keinen Sinn und Verstand
in all dem Geschehen mehr sieht, wo – wie bei Israel – hinter uns die tödliche
Wüste und vor uns nur die unübersteigbaren Mauern Jerichos sind, – wo einem
entsetzlich aufgeht, was es heißt, in einer gefallenen Welt des Todes zu leben.
in solche
unheimlichen, schrecklichen Lagen können Gottes Kinder kommen.
Aber hier,
an der Grenze des Schreckens und des Grauens, wo das dunkle Reich der
Verzweiflung und des Wahnsinns beginnt, tritt uns der Herr entgegen, der große
und schreckliche Gott, unser Heiland und Vater in Jesus Christus: „Lass dir
nicht grauen!“
Wenn wir
den Herrn an dieser Grenze treffen, dann entdecken wir, dass auch um ihn her
Grauen und Entsetzen sind. Er ist ein „schrecklicher Gott“. Aber das Grauen und
der Schrecken,. die von ihm ausgehen, gelten ja nicht seinen erschrockenen und
gequälten Kindern. Die überschüttet er mit lauter Schutz, Trost, Frieden,
Gnade, Liebe, Freude und Seligkeit.
Schrecklich
aber ist er den Mauern Jerichos und allen seinen Feinden. Die Hölle und der
Teufel, die verlorene Welt und alle Feinde Jesu müssen vor ihm erschrecken.
Aber sein
Volk wird mitten in der Angst in den Hütten des Friedens wohnen.
Schenk
uns deinen Frieden
Alle
Tag hienieden;
Gib
uns deinen guten Geist,
Der
uns stets zu Christo weist!
6.
Februar
Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.
Psalm 119, 24
In einer
westdeutschen Stadt steht am Rathaus schön in Stein gehauen der Satz: „Geht dir
Rat aus – geh aufs Rathaus!“
Hübsch,
nicht wahr?! Und so einfach.
Ja, so
einfach! Zu einfach!
Denn die
Sache ist so: Wenn wir in Lagen kommen, wo uns wirklich der Rat ausgeht – da
hilft uns meist kein Rathaus mehr.
Oder an
welches Rathaus etwa hätte Joseph sich wenden sollen, als seine Brüder ihn als
Sklaven nach Ägypten verkauften? – An welches Rathaus hätte Mose sich wenden
können, als er mit dem verzweifelten Volk am Roten Meer stand, verfolgt von
Pharao? – An welches Rathaus wohl hätte David sich wenden können, als der
Prophet Nathan ihm seine Sünde vorhielt: „Du bist der Mann!“? – Und zu welchem Rathaus
hätte Petrus sich wenden können, als dort im Hofe des hohepriesterlichen
Palastes der Hahn zum dritten Male krähte? – An welches Rathaus soll sich ein
Sünder wenden, den die Fesseln der Sünde in Banden halten, dass er mit Paulus
bekennt: „Wollen habe ich wohl – aber vollbringen das Gute finde ich nicht!“?
Kurz, das
ist eben unsere Lage: Wo die wirklichen Verlegenheiten und Nöte anfangen, da
hilft uns kein Mensch mehr, da stehen wir ganz allein.
Aber nun
kommt der Sänger des 119. Psalmes und hat ein Zeugnis
abzulegen, ein fröhliches, jubelndes Bekenntnis: „Ich habe Lust zu deinen
Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.“
Ja, Gottes
Wort ist Rat für uns, wirklicher, guter Rat – Heilsrat Gottes. Hier ist unsere
Hilfe.
Hilf,
dass alle meine Wege
Nur
nach dieser Richtschnur gehn;
Was
ich hier zum Grunde lege,
Müsse
wie ein Felsen stehn,
Dass
mein Geist auch Rat und Tat
In
den größten Nöten hat.
7.
Februar
Ich aber sprach: „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu
jung.“
Jeremia 1, 6
Ein unendlicher
Schrecken befällt gerade die ernstesten Christen, wenn sie den Auftrag
bekommen, Zeugen ihres Herrn in einer widerstrebenden und gottlosen Welt zu
sein.
So ging es
auch Jeremia, als das Wort des Herrn zu ihm geschah. Jeremia ist zu Tode
erschrocken: „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“
„Ich bin
zu jung im Glauben“, sagen wir, wenn der Auftrag an uns ergeht, und wollen uns
erschrocken zurückziehen.
Und wie
war es bei Mose? Als der Herr ihn in der Wüste am Horeb berief, da entschuldigte
er sich: „ich habe eine schwere Zunge.“ – „Mir liegt das nicht“, sagen wir,
wenn der Ruf des Herrn an uns ergeht, seine Zeugen zu sein.
Wie gut
verstehen wir den Propheten Jona, der einfach die Flucht ergriff, als der Herr
ihn zum Zeugnis berief!
„Ich tauge
nicht!“ Selten wurde ein wahreres Wort gesprochen. Wer sollte auch wohl
tauglich sein, Gottes Mitarbeiter zu werden!
Aber
seltsam – so richtig dieses Wort ist –: Gott lässt es trotzdem nicht gelten.
Gott überwand den Jeremia und machte ihn zu einem gewaltigen Zeugen. Und so
überwand Gott den Mose. Und den Jona!
Und so lässt
auch uns der Herr nicht los mit seiner Forderung: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“
Und wenn wir tausendmal nicht taugen – durch diese Forderung macht der Herr
offenbar, dass er sein Reich bauen will mit untauglichen Mitteln und Leuten,
auf dass er allein den Ruhm habe.
Das ist
Gottes Art.
Das
war ja so dein Wesen
Von
alten Zeiten her,
Dass
du dir hast erlesen,
Was
arm, gebeugt und leer,
Dass
mit zerbroch'nen Stäben
Du
deine Wunder tatst
Und
mit geknickten Reben
Die
Feinde untertratst.
8.
Februar
Denn ich habe dir meine Sache befohlen.
Jeremia 11, 20
Da ist ein
Kaufmann. Sein Geschäft steht schlecht. Krampfhaft bemüht er sich, seine Sache
zu retten. Er geht viele schwere Wege. Unzählige Pläne wälzt er in schlaflosen
Nächten.
Aber eines
Tages ist der Bankrott da. Nun muss er die Hände in den Schoß legen. Und nun
kommen andere Hände und nehmen sich seiner notvollen Bücher an.
Das ist
der Weg der Christen. Es gibt wohl kaum einen unter ihnen, der es nicht
versucht hat, seine Sache vor Gott selbst in Ordnung zu bringen. Es ging ihnen
wie dem Apostel Paulus, der in Römer 7 die qualvolle Geschichte dieses „Selbst-fertig-werden-Wollens“ beschrieben hat: „Denn das
Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will,
das tue ich. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern,
das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und nimmt mich gefangen in der
Sünde Gesetz.“ Das ist der Weg der Christen, bis eines Tages der Bankrott
kommt. Ihr naiver Lebensoptimismus hat versagt. Ihre guten Vorsätze und ihr
Idealismus sind zerbrochen.
Was nun?
Da kommen
andere Hände und nehmen sich ihrer Sache an. Aber – und das ist nun das große
Wunder ihres Lebens – diese Hände besiegeln nicht die Verzweiflung. Diese Hände
bringen die Rettung. Es sind ja die Hände Jesu, die um unserer Rettung willen
durchbohrt wurden.
Nun wissen
sie einen neuen Weg: „Ich habe dir meine Sache befohlen.“ Nun sind ihr Leben
und ihre Sache in guten Händen, in den durchgrabenen
Händen ihres Heilandes Jesus Christus. Nun wandern sie fröhlich ihre Straße wie
Kinder: „Du führst die Sache meiner Seele.“
Ei nun,
mein Gott, so fall ich dir
Getrost
in deine Hände.
Nimm
mich und mach es du mit mir
Bis
an mein letztes Ende …
9.
Februar
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!
Jona 2, 7
Die
Menschen sind unbelehrbar. Jede Generation macht immer wieder die Fehler der Voreltern.
Und es gibt Irrtümer, die sind einfach nicht auszurotten.
Einer der
ältesten Irrtümer ist der, dass man meint, man könne vor Gott fliehen.
Das haben
Adam und Eva schon versucht, als sie sich im Garten Eden versteckten vor Gott.
Und wir probieren es auch immer wieder – und wissen doch, dass er uns einholt –
spätestens am Jüngsten Tage.
Der Jona
hat es auch versucht. Und es ist ihm dabei ergangen wie all den andern. Er ist
sehr unglücklich geworden. Er ist – wie er selbst sagt – dabei „ins Verderben“
geraten.
Wie froh
und selig war er, als er wieder Frieden mit Gott hatte! Obwohl er in einer
fürchterlichen Lage war, im Bauch des Fisches; obwohl er keinen Ausweg zur
Lebensrettung sah, jubelte er aus diesem Frieden mit Gott heraus: „Herr, mein
Gott, ich will dir Dank opfern …!“
Nun drängt
sich uns die Frage auf: „Wie hat denn Gott ihn aus dem ‚Verderben' errettet?“
Und da
können wir nur die seltsame Antwort geben: Durch das Verderben! Gott ließ ihm
seine Flucht nicht gelingen. Gott zerschlug ihm alle seine Planungen. Gott
führte ihn in tiefes äußeres Verderben. Dadurch suchte er ihn heim, so holte er
sich sein Kind zurück.
Wie hat
Jona seinem Gott danken können für diese schwere Führung! Da liegt der tiefe
Segen aller Nöte. Ein erfahrener Christ hat gesagt: „Alle Gerichte sind
eingewickelte Gnade.“
Die Not
ist Gottes Schäferhund, wodurch er seine verlaufenen Schäflein zur Herde
zurückbringt.
Leiden
bringt empörte Glieder
Endlich
zum Gehorsam wieder,
Macht
sie Christo untertan,
Dass
er die gebrochnen Kräfte
Zu
dem Heiligungsgeschäfte
Sanft
und still erneuern kann.
10.
Februar
Zion spricht: „Der Herr hat mein vergessen.“
Jesaja 49, 14
Fast
jeder, der eine Reise tut, ruft irgendwann im Verlauf dieser Reise: „Ach! Jetzt
habe ich doch etwas vergessen!“ Und dann handelt es sich meist um den
Regenschirm oder um die Zahnbürste.
Nun, solch
ein Schade kann behoben werden. Aber ein ewiger Schade, ein unersetzlicher und
furchtbarer Schade entsteht dadurch, dass so viele auf ihrer Lebensreise eine
geradezu leichtfertige Vergesslichkeit beweisen. Schon Jesaja sagt: „Du hast
vergessen des Gottes deines Heils.“ Und Jeremia klagt: „Vergisst doch eine
Jungfrau ihres Schmuckes nicht noch eine Braut ihres Schleiers; aber mein Volk vergisst
mein ewiglich.“
Darum
mahnt die Bibel: „Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Und Paulus
schreibt: „Halte im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den
Toten.“
O, diese
menschliche Vergesslichkeit ist ein arges Übel!
Aber im
Text ist nun die Rede von – Gottes Vergesslichkeit. Ja, gibt es denn das? Ist
das nicht lästerlich geredet? Kann Gott etwas vergessen?
„Ja“, sagt
die Bibel, „Gott kann auch vergessen“: nämlich erstens die Sünden, die vergeben
sind im Blute Jesu. Wenn ein Schiff versinkt im Ozean, wo er 8000 Meter tief
ist, wird es nie mehr gehoben. Und Gott – so sagt die Bibel – „wird unsere
Sünden in des Meeres Tiefe werfen“.
Und
zweitens wird Gott vergessen die Verlorenen. Man kann so verloren gehen, dass
Gott unserer nicht mehr gedenkt. „Sie sind wie Spreu, die der Wind zerstreut.“
Das ist die Hölle.
Aber sonst
kann Gott nichts vergessen. Und darum irrte Israel, als es sprach: „Der Herr
hat mein vergessen.“ Nie und nimmer, in Ewigkeit nicht, vergisst Gott sein
erwähltes und erkauftes Volk. Mitten in tiefster Dunkelheit darf es jauchzen: „Der
Herr denkt an uns und segnet uns!“
Seiner
kann ich mich getrösten,
Wenn
die Not am allergrößten;
Er
ist gegen mich, sein Kind,
Mehr
als väterlich gesinnt.
11.
Februar
Man wird sie nennen das heilige Volk.
Jesaja 62, 12
„Sie sind
ja ein wunderlicher Heiliger!“ sagte ein Herr spöttisch, als ein junger Mann
ihm ein Traktat anbot.
„Wunderlich
– vielleicht! Ein Heiliger – ja!“ erwiderte der junge Mann.
„Was! Sie
sind ein Heiliger?“ rief der Herr erstaunt. Der junge Mann nickte ernsthaft. Da
fing der Herr laut zu lachen an und sagte: „Na, ich werde mich mal bei Ihren
Verwandten erkundigen, ob Sie wirklich keine Fehler haben.“
Dieser
Herr machte deutlich, dass die meisten Menschen unserer Zeit gar nicht mehr
wissen, was denn nach der Meinung der Bibel „Heilige“ sind. Es sind ganz
bestimmt keine fehlerlosen Leute. Die rechten Heiligen halten sehr wenig von
sich selbst. Es sind ganz einfach die Leute, die wissen, dass sie Gott gehören.
Im Tempel
des Alten Bundes gab es goldene Geräte. Diese Pfannen und Kessel durfte der
Priester nicht mit nach Hause nehmen, wenn ihm gerade ein Kessel fehlte. Nein!
Diese Geräte waren „heilig“. Sie gehörten dem Herrn allein. Nun bin ich
überzeugt, dass diese Pfannen und Kessel im Laufe der Zeit manchen Kratzer und
etliche Beulen bekamen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass sie „heilig“
waren.
So ist es
mit den Menschen, die dem Herrn gehören. Sie haben sich ihrem Erlöser
ausgeliefert von ganzem Herzen. Und sie haben das Zeugnis des Heiligen Geistes
bekommen, dass sie von ihm angenommen sind. So sind sie „Heilige“ geworden.
Trotz ihres ernsten Willens, dem Herrn gehorsam zu sein, finden solche Leute
täglich mehr, wie böse ihr Herz ist. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass
sie dem Herrn gehören, der sie sich zum Eigentum erkauft hat. Jesus sagt von
diesen „Heiligen“: „Niemand soll sie aus meiner Hand reißen.“
Nun,
dies ist meine Freude,
Zu
hangen fest an dir,
Dass
nichts von dir mich scheide,
Solang
ich lebe hier.
12.
Februar
Man wird sie nennen das heilige Volk, die Erlösten des Herrn.
Jesaja 62, 12
Man muss
immer irgendwie umdenken, wenn man an die Bibel kommt. Bei ihr läuft alles in
anderen Gedankenbahnen, als wir es gewöhnt sind.
Wenn wir
vom „Volk“ reden, dann denken wir an das deutsche Volk oder an die Amerikaner,
die Franzosen, die Russen, die Chinesen. Aber in keiner Zeitung ist vom Volke
Gottes die Rede. Und in keinem Atlas werden wir seine Wohnstätten auffinden.
Die Bibel aber
spricht vorn Volke Gottes.
Was ist
denn das für ein Volk?
Wo wohnt es? Antwort: Überall auf der Erde, wo nur
Menschen sind. Es kümmert sich um keine Grenzen und auch um keine Fronten.
Welcher Rasse gehört dies Volk an? Antwort: Alle Rassen der Welt sind in
diesem seltsamen Volk vertreten. Die Bibel sagt: „Hier ist nicht Jude noch
Grieche …“
Ist es ein reiches oder ein armes Volk? Antwort: Es ist ein sehr, sehr reiches
Volk. Es bekommt alles, was es braucht, frei und aus Gnaden geschenkt. Der Herr
Himmels und der Erden ist sein väterlicher Fürst. Wie sollte ihm da etwas
fehlen!
Welche Konfession herrscht in diesem
wunderlichen Volk? Antwort:
Mancherlei Konfessionen. Jedes Glied dieses Volkes steht in der Konfession, in
die hinein es durch Geburt oder Führung kam. Aber es nimmt diese Unterschiede
nicht zu wichtig.
Wodurch wird denn dies verschiedenartige und
zerstreute Volk zusammengehalten? Antwort: Durch seinen Herrn. „Man wird sie nennen das heilige Volk.“ – „Heilig“
– das heißt: „dem Herrn gehörig“. Die Glieder dieses Volkes haben sich dem
Herrn verschrieben, und sie wissen: Er hat uns angenommen. Gehören wir zu
diesem Volke?
Er
hat uns ferner wohlbedacht
Und
uns zu seinem Volk gemacht,
Zu
Schafen, die er ist bereit
Zu
führen stets auf guter Weid.
13.
Februar
Jerusalem wird bewohnt werden ohne Mauern ...und
ich will, spricht der Herr, eine feurige Mauer umher sein.
Sacharja 2, 8 und 9
Wer einmal
eine mittelalterliche Stadt besucht hat wie etwa Rothenburg o.T., der weiß, welch ein
mächtiger Schutz die starken Mauern waren. Wie sicher fühlten sich die Bürger
hinter ihren Mauern! Und sie ließen sich ihre Mauern etwas kosten.
Jerusalem –
das ist die mit Blut erkaufte Gemeinde. Jesu Christi – hat je und dann auch so
fleischlichen Schutz gesucht. Ja, man hat es sich etwas kosten lassen, sichere „Mauern“
zu haben. Da hat man bei den Mächtigen der Erde Rückhalt gesucht. Man hat sich
der Zeitmeinung angepasst, um die Massen zu gewinnen. Man hat diese und jene „Mauer“
zur Sicherung gebaut.
Aber – es
hat immer zu viel gekostet. Es hat die Wahrheit des Evangeliums gekostet.
So geht es
nicht! Jerusalem soll eine Stadt „ohne Mauern“ sein. Die Gemeinde Jesu Christi
hat keine fleischlichen Sicherungen. Es wird und soll so bleiben, dass die Welt
immer meinen muss, es sei ein leichtes, diese Stadt zu überrennen.
Wenn sie
es dann aber versucht, wenn sie die Vernunftsweisheit
oder List oder Gewalt gegen die Stadt anrennen lässt, dann muss sie entdecken:
Diese mauerlose Stadt ist nicht schutzlos. Im Gegenteil! Sie hat einen
mächtigen und hohen Schutz. Sie hat Mauern, an denen die Welt und der Teufel
zuschanden werden. „Und ich will“, spricht der Herr, „eine feurige Mauer umher
sein.“ In ihm, ihrem Herrn, der sie erkauft hat, hat die Gemeinde ihre
Sicherheit.
Andre
traun auf ihre Kraft,
Auf
ihr Glück und Ritterschaft;
Deine
Christen traun auf dich,
Auf
dich traun sie festiglich.
Lass
sie werden nicht zuschand,
Bleib
ihr Helfer und Beistand,
Sind
sie dir doch all bekannt.
14.
Februar
Danach goss Jesus Wasser in ein Becken und
hob an, den Jüngern die Füße zu waschen.
Johannes 13, 5
Ein Freund
erzählte uns einmal eine hübsche Geschichte. Sein kleines Töchterchen musste
jeden Abend sich selber die Schuhe putzen. Das war ein langweiliges Geschäft.
So kamen dem kleinen Mädchen dabei allerlei wunderliche Gedanken.
Eines
Der Vater
kam ein wenig in Verlegenheit. Und so sagte er: „Ich denke, da werden wohl
viele Engel sich eine Ehre draus machen, dem lieben Gott die Schuhe putzen zu
dürfen.“
Wenige
Tage später saß dieser Vater über seiner Bibel. Auf einmal sprang er auf und
rief aufgeregt seine kleine Tochter: „Du hast mich neulich gefragt, wer Gott
die Schuhe putze. Nun denke nur – die Bibel sagt etwas Wunderbares. Sie sagt:
Gott putzt uns die Schuhe!“
Da staunte
das kleine Mädchen. Und der Vater las ihr nun die Geschichte vor, wie Jesus
seinen Jüngern die Füße wusch. Das ist das Evangelium: Gott dient in Jesus uns.
Er neigt sich zu uns Schmutzigen herab und dient uns, indem er uns reinigt.
Es ist ein
wunderbares und seltsames Evangelium. Und der Petrus konnte es auch nicht
fassen. Darum erklärte er: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen.“
So spricht
unser ungläubiges Herz auch immer wieder. Möge es uns gehen wie dem Petrus! Als
dem der Herr mit großem Ernst sagte: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du
kein Teil an mir“, war Petrus schnell bereit.
Wenn's
darauf ankommt, dass wir uns dienen lassen, damit wir Teil bekommen an Jesus
Christus – dann wohlan! Dann wollen wir mit Danken sein Dienen annehmen.
Du nimmst
auf deinen Rücken
Die
Lasten, die mich drücken
Viel
schwerer als ein Stein;
Du
wirst ein Fluch, dagegen
Verehrst
du mir den Segen,
Dein
Schmerzen muss. mein Labsal sein.
15.
Februar
Desselbigengleichen
nahm er auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: „Das ist der Kelch, das
neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird.“
Lukas 22, 20
Es liegt
dem Herrn Jesus so viel daran, dass seine Leute ihres Heils gewiss sind. Darum
hat er auch das heilige Abendmahl gegeben.
Ein
Beispiel soll uns den Sinn des Abendmahls verdeutlichen: Denken wir an eine
belagerte Stadt im Mittelalter. Sie kann sich gegen den Feind nicht mehr
halten. Und darum wird auf den Stadttoren die weiße Fahne, das Zeichen der
Ergebung, gezeigt.
Im
feindlichen Lager hat sich der Feldherr mit seinen Offizieren versammelt. Es
öffnet sich das Stadttor. Heraus kommt der Kommandant. Er überreicht dem
feindlichen Feldherrn den Schlüssel zum Haupttor der Stadt.
Dieser
Schlüssel ist dem Feldherrn das sichtbare Zeichen: „Die Stadt gehört mir.“
So hat
Jesus uns in Brot und Wein ein sichtbares Zeichen gegeben, dass er ganz uns
gehören will, dass er sein Leben ganz für unsere Erlösung gegeben hat, dass
sein Heil uns gehört.
Wie in dem
Schlüssel die ganze Stadt dem Feldherrn gegeben wird, so gibt sich der erhöhte
Herr wirklich und ganz uns im Brot und Wein des Abendmahls.
Wenn wir
uns das klarmachen, dann lernen wir verstehen, dass das Abendmahl in der ersten
Gemeinde eine Lob- und Dankfeier war. Das sollte es bei uns wieder werden. Beim
Abendmahl darf die Gemeinde fröhlich werden über dem gewissen Heil Gottes in
Jesus Christus für Sünder.
Will
hinfort mich etwas quälen
Oder
wird mir etwas fehlen
Oder
wird die Kraft zerrinnen,
So
will ich mich nur besinnen,
Dass
ich einen Heiland habe,
Der
vom Kripplein bis zum Grabe,
Bis
zum Thron, wo man ihn ehret,
Mir,
dem Sünder, zugehöret.
16.
Februar
Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten,
gingen sie hinaus an den Ölberg.
Matthäus 26, 30
Wunderbar
ist dieser Lobgesang mitten in der Leidensgeschichte! Vor und hinter diesem
Lobgesang steht viel Düsteres. Kurz vorher hat Judas den Jüngerkreis verlassen,
besessen vom Satan. Und jetzt geht der Weg nach Gethsemane, wo der Heiland
seine Anfechtung durchkämpfen muss und wo das Versagen der Jünger offenbar
wird.
Und mitten
darin steht der Lobgesang.
Die Jünger
Jesu müssen dem Herrn den dunklen Weg nachgehen. „Wer nicht sein Kreuz auf sich
nimmt“, sagt er, „und folgt mir nach, der ist mein nicht wert.“
Da wollen
wir es recht von unserm Heiland lernen, dass auf solchem Weg der Lobgesang
nicht vergessen werden darf. Unser Lobgesang darf nicht abhängig sein von unserer
Stimmung und auch nicht von den Verhältnissen, in die wir geführt werden.
Der
Lobgesang der Gemeinde Jesu Christi gehört auch auf den Passionsweg. Ja, dahin
gehört er gerade!
Denn die
Gemeinde des Herrn singt den Lobgesang ja nicht nur, weil der Herr ihr gute
Tage schenkt oder weil sie eben in guter Stimmung ist. Nein! Sie singt den Lobgesang,
weil der Herr groß, herrlich und allezeit anbetungswürdig ist.
Mitten im
Leiden dürfen wir ihn loben.
Sollt
ich meinem Gott nicht singen?
Sollt
ich ihm nicht dankbar sein?
Denn
ich seh in allen Dingen,
Wie
so gut er's mit mir mein.
Ist
doch nichts als lauter Lieben,
Das
sein treues Herze regt,
Das
ohn Ende hebt und trägt,
Die
in seinem Dienst sich üben.
Alles
Ding währt seine Zeit,
Gottes
Lieb in Ewigkeit.
17.
Februar
Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten,
gingen sie hinaus an den Ölberg.
Matthäus 26, 30
Es war
eine unheimlich bange Stunde.
Die Feinde
rüsteten zum Tode Jesu. Judas war fortgegangen, um
sich mit den Mördern zu treffen. Und Jesus sagte kurz nachher: „Meine Seele ist
betrübt bis an den Tod.“
Und da – in
dieser bangen Stunde – sprachen sie den Lobgesang.
Das war
groß! Der Herr Jesus riss seine Jünger mit zur Anbetung Gottes – auch in diesem
Augenblick, wo so Unheimliches sich vorbereitete. Ja, das war groß!
Aber noch
größer ist es, wie der Herr Jesus diesen Lobgesang fortsetzte.
„… gingen
sie hinaus an den Ölberg.“ Und dort, in dem dunklen Garten Gethsemane, sagte
der Herr Jesus nach heißem Ringen die Worte: „Nicht mein, sondern dein Wille
geschehe.“ Und das war die zweite Strophe des Lobgesanges, diese völlige
Hingabe seines Willens und des Lebens.
Wir beten
Gott wohl auch an mit Worten und mit Liedern. Aber – das ist oft alles. Unser
Leben preist nicht den Herrn. Und so wird dann unser Lob Gottes ein leeres
Geschwätz.
Da wollen
wir recht von unserm Herrn Jesus lernen. Wer das Lob Gottes auf seinen Altar
legt, der muss auch sein Herz, sein Leben und seinen Willen dazulegen. Wir
können Gott nicht als Herrn preisen und uns dann seiner Herrschaft entziehen.
Lasst uns
Gott loben mit unserm Munde und mit unserm ganzen Gehorsam! Das ist ein Lob,
das ihn wahrhaft ehrt.
Treib
unsern Willen,
Dein
Wort zu erfüllen;
Lehr
uns verrichten heilige Geschäfte,
Und
wo wir schwach sind, da gib du uns Kräfte:
Lobet
den Herren!
18.
Februar
Da sprach Jesus zu ihnen: „In dieser Nacht werdet ihr euch alle an mir
ärgern.“
Matthäus 26, 31
„Ach was!“
sagte mir einmal ein Mann, den ich zum Worte Gottes einlud. „Ach was! Das ist
doch alles Unsinn.“
„Unsinn?“
fragte ich erstaunt.
„Klar! Das
Evangelium haben sich die Jünger doch selber ausgedacht.“
Da konnte
ich nur erwidern: „Wenn die Jünger es sich ausgedacht hätten, erschiene Ihnen
das Evangelium sicher gar nicht als Unsinn. Denn die Jünger waren sehr kluge
Leute.“
Der Mann
stutzte. Dann sagte er: „Aber es ist doch Unsinn, das mit dem Kreuz und dem
leeren Grab. Mir kommt das jedenfalls immer sehr unsinnig vor.“
Hier
konnte ich nur sagen: „Den Jüngern kam es auch sehr, sehr unsinnig vor. Den
Jüngern auch!“
Das meinte
der Herr Jesus, als er auf dem Wege nach Gethsemane sagte: „In dieser Nacht
werdet ihr euch alle an mir ärgern.“
Jawohl,
die Jünger haben sich viel ausgedacht, wie es mit dem Heiland sein müsse. Aber –
es kam immer ganz anders.
Wir müssen
begreifen: Das Evangelium verläuft nicht in den Linien unserer Vernunft,
sondern in den Linien Gottes.
Und darum
kann es gar nicht anders sein, als dass die Vernunft sich ärgert. Die Vernunft
der Jünger hat sich an dem Kreuzweg Jesu geärgert. Und seit zweitausend Jahren
geht es allen, die das Evangelium hören, nicht anders.
Es ist
eben die Wahrheit Gottes. Und es ist die Kraft Gottes, die erretten kann. Und
darum möge unsere armselige Vernunft sich beugen und uns nicht aufhalten, wenn
unser Gewissen uns zu Jesus treibt.
Du
wertes Licht, gib uns deinen Schein,
Lehr
uns Jesum Christ kennen allein,
Dass
wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland,
Der
uns bracht hat zum rechten Vaterland.
Kyrieleis.
19.
Februar
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: „Wenn
sie auch alle sich an dir ärgerten, so will Ich doch mich nimmermehr ärgern.“
Matthäus 26, 33
Zu einem
gesegneten schwäbischen Prediger kam einmal ein wackerer Handwerksmeister und
erklärte: „Ich habe mich am Sonntag in ihrer Kirche recht geärgert, als es im
Sündenbekenntnis hieß: ‚Ich armer, elender, sündiger Mensch bekenne …' Das ist
zuviel! So bin ich nicht! Ich bin kein armer, elender Sünder!“
Da
erwiderte der Prediger: „Dann sprechen Sie nur beim nächsten Mal in Ihrem
Herzen: ‚Ich hochmütiger Schneider bekenne…“
Nun, das
war derb geantwortet. Und der Meister wusste nichts mehr zu sagen.
Aber – wir
können den Mann gut verstehen. Es geht eine gerade Linie von dem Petrus auf dem
Weg nach Gethsemane bis zu diesem Schneidermeister – und bis zu uns. Wir sind
alle miteinander Leute, die ihr eigenes Herz gar nicht kennen. Wir sind Leute,
die nicht wissen, wie unendlich schwach und böse und gottlos unser Herz ist.
Aus meiner
Jugend hat sich mir ein kleines Erlebnis unauslöschlich eingeprägt: Da führte
ich – wie es Jungens eben so tun – etwas großsprecherische Reden. Mittendrin
unterbrach mich meine Mutter und sagte sehr ernst: „Bitte du nur deinen
Heiland: ,Herr, zeige mir mein Herz!“
Das ist
eine wichtige Bitte. Gott erhört sie auch. Und wenn wir dann in seinem Lichte
unser Herz sehen, dann werden wir ganz klein. Und dann werden wir froh, dass
Jesus ein Heiland der Sünder ist – auch für uns.
Fürwahr,
wenn mir das kommet ein,
Was
ich mein Tag begangen,
So
fällt mir auf das Herz ein Stein
Und
bin mit Furcht umfangen;
Ja,
ich weiß weder aus noch ein
Und
müsste stracks verloren sein,
Wenn
ich dein Wort nicht hätte.
20.
Februar
Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hofe, der
hieß Gethsemane, und sprach zu seinen Jüngern …: „Meine Seele ist betrübt bis
an den Tod.“
Matthäus 26, 36 und 38
Vielleicht
war Gethsemane ein sehr schöner Garten. Und vielleicht war es eine bezaubernde
Frühlingsnacht. Leise rauschten die Bäume. Und über ihnen funkelten in
herrlicher Pracht die Sterne. Ja, vielleicht war es eine solche Nacht, in der
junge Menschen schwärmen und die Dichter lyrisch werden.
Für den
Sohn Gottes aber beginnt in dieser Nacht und in diesem Garten der Weg – in die
Hölle. Ja, in die Hölle!
Wir denken
dabei gar nicht einmal an das körperliche Leiden, das er erdulden musste. Nein!
Was seine Seele betrübt bis in den Tod werden ließ, war etwas anderes.
Die Hölle –
das ist der Ort, wo Gott nicht mehr hinschaut. Die Hölle – das ist die Stätte,
wo der Mensch wirklich – im tiefsten Sinne des Wortes – gottverlassen ist.
Und in
diese Hölle hinein ging nun der Heiland. Darum war seine Seele betrübt bis an
den Tod. Der Sohn verlor den Vater, der Sohn Gottes wurde ausgestoßen.
Hier in
dem dunklen Garten konnte er noch beten: „Mein Vater …!“ Aber wenige Stunden
später war er in der Hölle angekommen. Da schrie er: „Mein Gott, du hast mich
verlassen.“
Im
Propheten Jesaja steht ein seltsames Wort. Das heißt: „Der Herr warf unser
aller Sünde auf ihn.“ Ich denke, das geschah in dieser Stunde. Der Reine belud
sich mit unserer Schuld. Der Sohn nahm die Hölle auf sich – für uns! Und sein
Mund stöhnte: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“
Dahin hat
unsere Sünde es gebracht!
O
du Abgrund aller Güte,
Zieh
durchs Kreuz in dich hinein
Geist,
Seel, Herz, Sinn und Gemüte,
Ewig
mit dir eins zu sein.
21.
Februar
Jesus betete und sprach: „Mein Vater, ist's
möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du
willst!“
Matthäus 26, 39
Als ich
ein junger Student war, fragte mich ein Freund: „ich finde es fürchterlich, dass
die Christen lehren, der Sohn Gottes hätte einen blutigen Tod sterben müssen.
Was muss das für ein furchtbarer Gott sein, der dies Opfer verlangte! Gab es
für ihn wirklich keinen anderen Weg, die Welt zu versöhnen?“
Die Frage
machte mir zu schaffen. Und ich vergesse nicht, wie ich eine ganze Nacht lang
durch die Berge gelaufen bin, um eine Antwort zu finden auf diese Frage: „Gab
es wirklich keinen anderen Weg?“
Da hat es
mich getröstet, dass den Heiland selber diese Frage bewegt hat. Das ist ja der
Sinn der Bitte, die er dort im Garten Gethsemane an seinen Vater stellte: „Gibt
es wirklich keinen anderen Weg, als dass ich diesen furchtbaren Leidenskelch
trinken muss?“
Jesus bekam
auf diese Frage keine lange Erklärung, sondern nur die Antwort: „Nein! Es gibt
keinen anderen Weg.“
Wir dürfen
uns getrost um Erklärungen bemühen. Es mag uns einleuchten, dass Gottes
unbeugsame Gerechtigkeit den Tod des Sünders erforderte – oder den Tod des Bürgen.
Aber einer
gläubigen Seele genügt die Antwort Gottes: Das Kreuz des Sohnes Gottes war die
einzige Möglichkeit zur Versöhnung der Sünder.
Wenn es so
steht, wenn das Kreuz Gottes einzige
und letzte Möglichkeit war, dann ist das Kreuz auch unsere einzige Möglichkeit, selig zu werden. Wir wollen uns gläubig
unter dies Kreuz stellen und dem Heiland danken, dass er den Kelch trank.
Seh
ich dein Kreuz
Den
Klugen dieser Erden
Ein
Ärgernis und eine Torheit werden:
So seis doch mir trotz allen frechen Spottes
Die
Weisheit Gottes.
22.
Februar
Und Jesus kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend.
Matthäus 26, 40
Leise
knirscht der Kies unter den Sandalen des einsamen Mannes, der zu seinen
Gefährten eilt. Er braucht jetzt seine Brüder, jetzt, in seiner unsagbaren Not.
Und dann
steht Jesus erschüttert vor dem armseligen Häuflein seiner schlafenden Jünger.
Verstehen
wir, was das bedeutet?
Hier, an
dieser einzigen Stelle, hatten Menschen die Gelegenheit, ein klein wenig
mitzuhelfen an dem großen Erlösungswerk. Hier konnten sie ihrem Heiland
beistehen.
Und diese
Gelegenheit verschliefen sie. Jesus blieb allein – bis zu dem Augenblick, wo er
das Haupt neigte und verschied. Ganz allein!
Die
Christenheit hat es gar nicht fassen wollen, dass der Sohn Gottes wirklich so
unsagbar allein war bei seinem Erlösungswerk. Darum hat sie die rührende Sage
erfunden von der Frau Veronika, die dem Heiland wenigstens den Schweiß
abwischte, als er sein Kreuz trug.
Aber die
Bibel berichtet nichts von dieser Veronika. Sie weiß nur von schlafenden
Jüngern. Sie sagt uns unüberhörbar: Jesus war allein.
Allein hat
er die Schuld weggetragen. Allein hat er das ewige Opfer vollbracht, durch das
wir mit Gott versöhnt werden. Allein hat er der Schlange den Kopf zertreten.
Unser Heil
hat er ganz allein gewirkt – ohne jede Menschenhilfe. Als er rief: „Es ist
vollbracht!“, da hatte er es allein getan.
Darum
steht nun auch unser Heil allein in ihm. Wir können jetzt erst recht nichts
mehr dazutun. Wir dürfen es – als sein völliges Werk – im Glauben annehmen und
danken.
Ach
großer König, groß zu allen Zeiten,
Wie
kann ich gnugsam solche Treu ausbreiten?
Keins
Menschen Herz vermag es auszudenken,
Was
dir zu schenken.
23.
Februar
Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?
Lukas 22, 48
Deutlich
sehen wir das Bild aus dem Garten Gethsemane vor uns: Hier die wilde Schar der
Männer, die ausgezogen ist, Jesus zu fangen – blutrot beleuchtet vom zuckenden
Fackellicht.
Dort
drüben, unter den alten Bäumen des Gartens, die andere Gruppe: Jesus und seine
Jünger.
Aber da
ist ja noch einer!?
Wo gehört
denn der hin? Man sieht ihn zwischen beiden Gruppen laufen. Er kam mit den
Feinden des Herrn Jesu. Also wird er wohl zu ihnen gehören.
Aber sieh,
er läuft hinüber zu der anderen Gruppe. Jetzt grüßt er den Herrn Jesus sogar
mit einem Kuss.
Wir haben
uns offenbar geirrt: Er gehört doch nicht zu den Feinden Jesu. Er ist doch wohl
einer von Jesu Jüngern.
Aber nun
sieh, er taumelt zurück, als habe er einen Schlag bekommen. „Verräter“, hat ihn
Jesus genannt.
O dieser
unglückliche Mann zwischen den Fronten! Er tut, als gehöre er Jesus an. Und
heimlich hält er zu der Welt. Sie gab ihm ja 30 Silberlinge, warum sollte er es
nicht mit ihr halten! Aber er wollte es auch mit Jesus nicht verderben. So
verriet er ihn nicht offen, sondern mit einem Kuss.
Erkennen
wir uns nicht wieder im Bild des Judas? Ein Mann, der einer Entscheidung aus
dem Wege gehen will!
Und nun
stoßen ihn beide von sich. Jesus nennt ihn Verräter. Und als er später bei der
Welt Trost sucht, da stößt auch die ihn von sich. Da nahm er sich das Leben.
Hüten wir
uns, dem Mann zwischen den beiden Fronten zu gleichen! Jesus hat sich ganz für
uns gegeben zur Erlösung. Nun will er uns auch ganz haben.
Ringe
recht, wenn Gottes Gnade
Dich
nun ziehet und bekehrt,
Dass
dein Geist sich recht entlade
Von
der Last, die ihn beschwert.
Ringe,
denn die Pfort ist enge,
Und
der Lebensweg ist schmal;
Hier
bleibt alles im Gedränge,
Was
nicht zielt zum Himmelssaal.
24.
Februar
Jesus aber sprach zu Judas: „Mein Freund …“
Matthäus 26, 50
Erschütternder
Augenblick!
Selbst die
rohen Kriegsknechte stehen eine Weile betroffen. Die Jünger begreifen noch gar
nicht recht, was hier eigentlich gespielt wird.
Und
zwischen all den vielen Menschen stehen in dem düsteren Fackellicht Jesus und
Judas einander gegenüber.
Judas hat
dem Heiland den Verräterkuss gegeben. Und nun sieht Jesus ihn an. Und sagt ein
kurzes Sätzlein – ein Sätzlein,
so ergreifend, dass es den Judas in Verzweiflung treibt: „Mein Freund …“
„Mein
Freund …“ Wer den Herrn Jesus kennt, der weiß: Jesus macht keine leeren Worte.
Er, der die Wahrheit ist, lügt auch nicht mit einer Silbe. Und nun nennt er den
Judas seinen Freund! Das ist also ernst gemeint. Er kündigt dem Judas die
Freundschaft nicht. Er hört nicht auf, dem Judas sein Herz zu schenken. Ströme
der Liebe, göttlicher Liebe, fluten dem Judas entgegen.
Aber Judas
ist nicht mehr imstande, sein Herz dieser Liebe zu öffnen. Er hat alle
Schleusen verrammelt und geschlossen.
So ist das
zwischen den Menschen und Jesus!
Jesus hört
nicht auf, uns zu lieben. Und wenn wir ihn verraten und aufs neue
kreuzigen! Er liebt uns – unermesslich.
Aber
sollten wir – wenn wir den Judas sehen – nicht erschrecken vor der Möglichkeit,
dass wir diese Liebe nicht mehr fassen können?
Dass uns
doch das Herz glühte über der Liebe des Sohnes Gottes!
Was
wir davon denken, was wir sagen können,
ist
ein Schatten nur zu nennen.
Tag
für Tag zu leiden, Tag für Tag zu dulden
So
viel Millionen Schulden
Und
dazu
Ohne
Ruh
Lieben
für das Hassen,
Herr,
wer kann das fassen?
25.
Februar
Da aber sahen, die um ihn waren, was da
werden wollte, sprachen sie zu ihm: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“
Und einer aus ihnen schlug des Hohenpriesters Knecht.
Lukas 22, 49 und 50
Eine
tumultuarische Szene im Garten Gethsemane!
Trauriges
Bild: Der Ton empört sich gegen den Töpfer; der Mensch nimmt seinen Heiland
gefangen.
Das
Traurigste ist aber, dass der Herr in dieser Stunde kämpfen muss mit der
Verkehrtheit seiner Jünger.
Petrus
zieht das Schwert. Er meint, er müsse den Herrn Jesus, seine Sache und sein
Reich retten, wie man wohl ein irdisches Reich rettet mit dem Schwert.
Gewaltiger Irrtum! Wir haben nicht einen Herrn, den wir retten müssten. Er
rettet vielmehr uns.
Petrus
hätte wohl wissen können, dass Jesu Weg der Kreuzesweg ist. Den Kreuzesweg aber
wollte er nicht. So kämpfte er in Wahrheit gegen den Heiland. Sein Kampf war
Flucht vor dem Kreuz. Unsere Art ist aber von Natur nicht anders als die des
Petrus.
Man muss
darauf achten, dass Petrus vor seinem Dreinschlagen den Herrn fragt: „Herr,
willst du, dass wir mit dem Schwert dreinschlagen?“
Aber ehe
eine Antwort erfolgt, legt er los. Er denkt ohne weiteres, sein Wille müsse
auch der Wille seines Herrn sein. Das meinen wir auch immer. Wenn wir etwas gut
meinen, dann soll es gleich auch Gottes Wille sein.
Aber so
ist es nicht. Petrus hat es noch sehr lernen müssen, seinem Herrn ganz gehorsam
zu werden. Und wir müssen es auch lernen.
Wie groß
ist Jesu Geduld, nicht nur mit der Welt, sondern auch mit seinen Jüngern!
Ich
will ans Kreuz mich schlagen
Mit
dir und dem absagen,
Was
meinem Fleisch gelüst't;
Was
deine Augen hassen,
Das
will ich fliehn und lassen,
Soviel
mir immer möglich ist.
26.
Februar
„Aber das ist alles geschehen, dass erfüllt
würden die Schriften der Propheten.“ Da verließen ihn alle Jünger und flohen.
Matthäus 26, 56
Wilde
Panik überfällt die Jünger. Sie sehen, wie Jesus sich widerstandslos verhaften lässt.
Es erfolgt kein Eingreifen von oben. Ja, Jesus verbietet sogar dem Petrus, das
Schwert zu fassen. Er ist also wirklich entschlossen zum Leiden.
Da ist es
mit dem Mut der Jünger zu Ende. Nun scheint ihnen alles verloren. Alle ihre
Hoffnungen auf das messianische Königreich brechen zusammen. „Da verließen ihn
alle Jünger und flohen.“
Das war
schade! Hätten sie doch das letzte Wort Jesu noch in Ruhe gehört! Dann wäre es
nicht zu dieser Panik gekommen. Dann wäre ihnen viel Furcht erspart geblieben.
Das letzte Wort Jesu hätten sie noch hören sollen: „Aber das ist alles
geschehen, dass erfüllt würden die Schriften der Propheten.“
Leider
haben die Jünger das nicht mehr aufgenommen. Und so hat der Herr ihnen später
einen Nachhilfe-Unterricht erteilen müssen. Nach seiner Auferstehung heißt es: „Da
öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden, und sprach
zu ihnen: Also ist's geschrieben, und also musste Christus leiden …“
Die lieben
Jünger hätten sich viel Furcht, Angst und Not erspart, wenn sie das Wort Jesu
gleich recht gehört hätten.
Und auch
wir hätten uns in unserm Leben manche Panik, manche Furcht und Sorge erspart,
wenn wir mehr im Glauben aus dem Worte Gottes gelebt hätten. Dass die Welt – ohne
Gottes Wort – von einer Unruhe in die andere kommt, ist sehr begreiflich. Wer
aber dem Worte glaubt, darf in der Führung und unter den Verheißungen des
lebendigen Gottes im Frieden leben.
Meine
Seele klaget nicht,
Denn
sie weiß von keinen Nöten,
Hängt
an Gottes Angesicht
Auch
alsdann, wenn er will töten.
Wo
sich Fleisch und Blut beklagt,
Wird
das Freudenlicht verjagt.
27.
Februar
Der Hohepriester stand auf und sprach zu
Jesus: „Antwortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugen?“ Aber Jesus
schwieg stille.
Matthäus 26, 62 und 63
Eine
ungeheure Spannung liegt über dem Saal, in dem der Hoherat
Israels sich in später Nachtstunde versammelt hat, um über Jesus Gericht zu
halten.
Ein Zeuge
nach dem andern tritt vor und beschuldigt Jesus. „Jesus aber schwieg stille.“
Warum
schwieg er? Warum rechtfertigte er sich nicht? Warum erklärte er nicht in
Geduld diesen Leuten Gottes Pläne?
Wir
verstehen das sofort, wenn wir vorher lesen: „Sie suchten falsches Zeugnis wider ihn.“
Man muss
dieses Wort zusammenhalten mit dem, was Jesus einige Stunden später dem Pontius
Pilatus sagte: „Wer aus der Wahrheit
ist, der höret meine Stimme.“
Das alles
gilt auch heute noch. Es ist immer noch so, dass der Unglaube allerlei gegen
Jesus vorbringt aus einem Herzen heraus, das ihn gar nicht will. Da tut man,
als habe man in Wahrheit Not, dies widerspruchsvolle Evangelium zu glauben.
Aber im Grunde will man einfach sein Leben nicht ändern.
Es kann
sein, dass Christenleute in rührender Geduld dem Unglauben auf solche
unehrliche Fragerei antworten. Aber Jesus tut es nicht. Er schweigt dazu.
Aber er
schweigt nicht, ganz bestimmt nicht, wo ein Herz in Wahrheit Frieden mit Gott
begehrt und das Heil sucht. Da hört man bald die Stimme des guten Hirten.
Richt
unsre Herzen,
Dass
wir ja nicht scherzen
Mit
deinen Strafen,
Sondern
fromm zu werden
Vor
deiner Zukunft
Uns
bemühn auf Erden:
Lobet
den Herren!
28.
Februar
Und der Hohepriester sprach zu Jesus: „Ich
beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seiest
Christus, der Sohn Gottes.“ Jesus sprach zu ihm: „Du sagst es.“
Matthäus 26, 63 und 64
Offenbar
war dieser Kaiphas doch ein ganzer Mann. Mit einem
Male ist ihm dieses Verhör Jesu unerträglich: Er mag die falschen Anklagen, die
er selber bestellt hat, nicht mehr hören.
So bricht
er kühn diese Komödie ab und stößt vor in die Welt der Wahrheit. Er stellt die
Frage, um die es geht, ob dieser Mann aus Nazareth der Messias Gottes ist.
Mehr! Er
fragt nicht nur, sondern er beschwört den Angeklagten, er solle nun klar sagen,
ob er der Sohn Gottes sei.
Jetzt
können die falschen Zeugen mit ihren albernen Aussagen abtreten. Jetzt ist man
an die eigentliche Sache gekommen.
Und sieh –
nun bricht Jesus das Schweigen. Er gibt eine gewaltige Antwort. Er bezeugt
seine Gottes-Sohnschaft und verkündet seine
Wiederkunft in Herrlichkeit.
Das ist
alles klar – auch für uns. Seit dieser Antwort Jesu gibt es im Grunde keine Diskussion mehr über Jesus, sondern
nur noch eine Entscheidung für oder gegen ihn.
Die
Mitglieder des Hohenrats begriffen das sofort. Sie spieen
ihm ins Gesicht und schrieen: „Er ist des Todes schuldig!“ Der junge Pharisäer
Saulus begriff es auch. Darum verfolgte er voll Hass die Christen – bis er
selber als Paulus ein Zeuge Jesu wurde.
Aber so
oder so: Es ging nicht mehr um einen Meinungsstreit, sondern um eine Entscheidung.
Das macht jede Begegnung mit dem Evangelium für uns so bedeutungsvoll.
Lass
mich deinen Ruhm
Als
dein Eigentum
Durch
des Geistes Licht erkennen,
Stets
in deiner Liebe brennen
Als
dein Eigentum,
Allerschönster
Ruhm.
29.
Februar
Etliche schlugen Jesus ins Angesicht und
sprachen: „Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“
Matthäus 26, 67 und 68
Ein
entsetzliches Bild: Ehrwürdige Ratsmitglieder vergessen jede Würde. Die einen
bespeien den Herrn. Die andern schlagen mit Fäusten auf ihn ein.
Und da
klingt auf einmal jene seltsame Frage auf: „Wer ist's, der dich schlug?“
Diese
Frage ist ja viel mehr als ein alberner, hasserfüllter Spott. Diese Frage ist
die entscheidende Frage der ganzen Passionsgeschichte: Wer ist es, der den Sohn
Gottes schändete, prügelte, geißelte und endlich an das Kreuz schlug? Wer ist
es?
Das Mittelalter
antwortete: Die Juden waren es! Und damit wurden dann die schändlichsten
Verfolgungen gerechtfertigt.
Das
liberale Zeitalter erklärte: Die religiösen Fanatiker waren es! Diese Fanatiker
verstehen nichts von toleranter Duldung. Darum muss man ihnen das Handwerk
legen.
Unsere
Zeit sagt: Ach, lasst uns mit dieser Frage in Ruhe! Sie interessiert uns nicht.
Es geht uns vielmehr darum zu wissen, wer uns
so geschlagen hat, dass es uns so übel geht.
Aber die
Frage steht da: „Christe, wer ist's, der dich schlug?“ – „Wer hat dich so
geschlagen, / Mein Heil, und dich mit Plagen / So übel zugericht't?“
fragt Paul Gerhardt in einem Lied.
Und er
gibt selber die Antwort, jene Antwort, die uns auch Gott in der Bibel gibt: „Ich,
ich und meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden
/ Des Sandes an dem Meer, / Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget …“
Das ist
es: „Ich, ich und meine Sünden …“!
Ich
bin's, ich sollte büßen,
An
Händen und an Füßen
Gebunden
in der Höll;
Die
Geißeln und die Banden
Und
was du ausgestanden,
Das
hat verdienet meine Seel.
1.
März
Etliche schlugen Jesus Ins Angesicht und
sprachen: „Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“
Matthäus 26, 67 und 68
Hart
fallen die Schläge in das Gesicht des Herrn Jesu. „Du bist doch Gottes Sohn,
wie du sagst!“ höhnt einer. „Dann bist du doch allwissend! Nun – dann sage uns –
von wem kam dieser Schlag – und dieser! – und dieser? Weissage uns, Christe,
wer ist's, der dich schlug?“
Eigentlich
muss man sich wundern, dass diesen Männern nicht über ihrer Frage etwas aufging
– nämlich dies, dass die Antwort auf ihre Spottfrage ja schon im Alten
Testament steht. Sie waren doch Schriftgelehrte in Israel! Sie waren Leute, die
das Alte Testament sehr gut kannten. Dass ihnen in dieser Stunde nicht jene Stelle
einfiel, wo Jesaja von dem leidenden Gottesknecht spricht und wo es heißt: „Der
Herr wollte ihn also zerschlagen“!
O, man
möchte diese Wildgewordenen Ratsherren Beiseiteschieben und ihnen zurufen: „Geht
weg, ihr Narren mit euren armen, schwachen Händen! Es ist eine andere Hand,
eine stärkere, eine unheimlich starke, über diesen Jesus gekommen. Die schlägt
ihn. Es ist die Hand des Vaters, des lebendigen Gottes.“
Das ist ja
nun das Schreckliche und Unfassbarste, was man sich nur denken kann: Gott steht
gegen seinen Sohn! Gott steht gegen – Gott! Wer kann das verstehen?
Man kann
es nur ahnen, wenn man liest, was Jesaja ein paar Verse vorher sagt über das
Leiden des Gottesknechts: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden
hätten.“ Gott schlägt seinen Sohn an unserer Statt.
Da sinkt
man in die Knie und betet an: Es geschieht alles uns zugute, „auf dass wir
Frieden hätten“!
Gott
ist gerecht, ein Rächer alles Bösen,
Gott
ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.
Dies
kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken
Am
Kreuz erblicken.
2.
März
Die Hohenpriester sprachen zu Judas: „Was geht uns das an? Da siehe du
zu!“
Matthäus 27, 5
Judas
erwacht plötzlich an einem Abgrund: „Mein Weg war verkehrt! Was habe ich getan!“
Der müsste
ja kein Mensch sein, der diese Schrecksekunden aus seinem Leben nicht kennt.
In solchen
Augenblicken erwacht aber die Frage: „Kann meine schuldige Vergangenheit
ausgelöscht werden?“
Vor dieser
unheimlich ernsten Frage steht Judas. Er trägt die Hoffnung in sich: Die schuldige
Vergangenheit ist ausgelöscht, wenn ich das Blutgeld zurückgebe.
Aber die
Hohenpriester machen ihm schnell deutlich: So wird die Vergangenheit nicht
ungültig gemacht.
Tausende
sind seitdem dem Beispiel des Judas gefolgt. Sie haben ihre Schuld „gutzumachen“
versucht. So schön und lobenswert das ist – vor Gott ist damit die Schuld nicht
ausgelöscht.
Der Mensch
ist darum auf einen einfacheren Weg verfallen, seine schuldige Vergangenheit zu
tilgen: Er breitet den Mantel des Vergessens darüber.
Damit aber
ist die Vergangenheit auch nicht gelöscht.
Wenn ich
eine ungeheuer große Rechnung vorgelegt bekomme, die ich nicht bezahlen kann,
dann kann ich wohl diese Rechnung in den Schreibtisch legen und die ganze Sache
vergessen. Aber eines Tages wird mein Gläubiger doch wieder die Schuld
anmahnen.
Die
Rechnung ist erst dann erledigt, wenn sie bezahlt ist.
Und nun
ist mir, als höre ich den Jubelschrei aus dem Neuen Testament: „Deine Rechnung
ist ja bezahlt! Ohne dein Zutun hat der Sohn Gottes am Kreuz deine Schuld
bezahlt.“
Im Glauben
an dies Bezahlen Jesu – durch Vergebung der Sünden – wird die schuldige
Vergangenheit ausgetilgt. Nur so! Aber – so wirklich!
Wie
gut ist's, von der Sünde frei,
Wie
selig, Christi Knecht!
Im
Sündendienst ist Sklaverei,
!n
Christo Kindesrecht.
3.
März
Die Hohenpriester sprachen zu Judas: „Was geht uns das an? Da siehe du
zu!“
Matthäus 27, 5
Wie
schnell können Menschen ihr Gesicht wandeln! Bisher sind diese Hohenpriester
dem Judas sehr freundlich begegnet. Aber nun wenden sie ihm auf einmal kühl den
Rücken, als er in seiner Gewissensnot zu ihnen kommt. „Was geht uns das an?“
Es hat
keinen Sinn, dass wir uns über diese harten Leute aufregen; denn in gewissem
Sinne haben sie Recht.
Judas hat
seinen Heiland verraten. Nun, als es zu spät ist, geht ihm die Größe seiner
Schuld auf.
Schuld
aber ist unser Allereigenstes. Da kann uns kein
Mensch helfen.
Wenn uns
das Haus abbrennt, dann können die Nachbarn uns beispringen und beim Aufbau
helfen. Wenn wir in Geldnot sind, können die andern uns unter die Arme greifen
und die Not mit uns teilen.
Aber die
Not des Gewissens kann uns kein Mensch abnehmen. Das ist unser Ureigenstes.
Judas nahm
sich das Leben. Er flüchtete in die Arme des Todes. Aber in solcher Not kann
uns nicht einmal der Tod helfen. Er macht uns von allem los: von Krankheit, von
unsern irdischen Sorgen, von bösen Menschen – aber nicht von Schuld! Die Schuld
nehmen wir mit in die Ewigkeit.
Darum – seht!
– ist das Evangelium so ungeheuer groß und herrlich, weil es uns den Einen
zeigt, der uns da keifen kann: den Herrn Jesus Christus, der für unsere Schuld
am Kreuze starb.
Das ist
das Geheimnis des Glaubens: Jesus kann mir so erstaunlich nah werden, dass
meine Schuld seine Schuld wird. Und seine Gerechtigkeit vor Gott wird meine
Gerechtigkeit.
Darin aber
besteht die eigentliche Erlösung des Menschen.
Herr
Jesu Christ, dein teures Blut
Ist
meiner Seele höchstes Gut;
Das
stärkt, das labt, das macht allein
Mein
Herz von allen Sünden rein.
4.
März
Jesus aber stand vor dem Landpfleger.
Matthäus 27, 11
Diese
Stunde war wie eine Verheißung: Jesus stand vor dem Heiden!
Bisher
hatte Jesus sich auf Israel beschränkt. Als das kanaanäische
Weib ihm nachlief, sagte er, man dürfe den .Kindern nicht das Brot wegnehmen
und es vor die Hunde werfen. Und damit meinte er, er sei nur für die Kinder des
Alten Bundes, für Israel, da.
Und seine
Jünger hatte er einst, als er sie aussandte, geheißen: „Gehet nicht auf der
Heiden Straße!“
Aber dann
hatte er doch auch Andeutungen gemacht, dass sein Reich sich in die weite Welt
ausbreiten werde: „Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem
Stall.“ Dabei war sein Blick in die Heidenwelt gegangen.
Nun stand
er vor einem einflussreichen Heiden. Welch bedeutsame Stunde! Es ist, als
wollten sich die Türen in die Welt leise auftun.
Und doch –
es war noch nicht ganz soweit.
Einst
waren die Heiden zu den Jüngern gekommen und hatten gebeten, sie wollten Jesus
gerne sehen. Da hatte Jesus abgewehrt mit der Begründung: „Erst muss das Weizenkorn
in die Erde fallen und ersterben. Dann bringt es Frucht.“ Erst musste sein
Leiden und Sterben zu Ende gekommen sein, erst musste er wie ein Weizenkorn
ersterben – dann! Ja, dann!
Und so
geschah es! Pilatus fand noch nicht zu Jesus. Aber sechs Stunden später, als
das Weizenkorn erstorben war, als Jesus den letzten Schrei getan hatte – da war
es ein Heide, der die Türen aufstieß. Der römische
Hauptmann unter dem Kreuz glaubte und bekannte: „Dieser ist Gottes Sohn!“
Und
seitdem stehen die Türen offen. Aus allen Nationen sammelt sich Jesu Volk, das
seinen König anbetet.
Beleb,
erlaucht, erwärm, entflamme
Doch
bald die ganze weite Welt
Und
zeig dich jedem Völkerstamme
Als
Heiland, Friedefürst und Held.
5.
März
Und da Pilatus auf dem Richtstuhl saß,
schickte sein Weib zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit
diesem Gerechten!“
Matthäus 27, 19
Die
Spannung ist auf das Höchste gestiegen vor dem Palast des Pilatus. Er hat die
Tausende gefragt, ob sie ihre Stimme nicht für Jesus abgeben wollen.
Und – furchtbar!
– nicht eine einzige arme Stimme meldete sich.
Da wird
die Verhandlung unterbrochen. Ein Bote tritt zu Pilatus, geschickt von dessen
Frau. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier melde sich nun doch eine
Stimme für Jesus; eine Stimme, mit der niemand gerechnet hat.
„Er ist ein
Gerechter!“ lässt die Frau sagen. Ja, das klingt positiv. Aber – was sagt der
Bote noch? „Habe du nichts zu schaffen mit ihm!“
Und jetzt
steht die Frau Pilatus auf einmal vor uns, recht als der Typ des
abendländischen Menschen. Der sagt: „Jesus? Ja gewiss! Wir sind doch alle
christlich. Natürlich! Aber – wie? Ich soll vor aller Welt meine Stimme für ihn
abgeben? Ich soll ihn als König und Herrn anerkennen? Ich soll eine
Entscheidung treffen? Unmöglich. Da halte ich mich heraus!“
„Da halte
ich mich heraus!“ Das ist die Lebensparole der meisten. „Pilatus, halte dich
heraus!“ lässt die kluge Frau sagen. Die kluge Frau? O die Närrin!
Pilatus
soll sich heraushalten! Wie denn?
Und da
wird etwas Unheimliches deutlich: Gott erlaubt es uns nicht, uns aus der Sache seines
Reiches herauszuhalten. Pilatus wollte neutral bleiben, er wusch seine Hände in
Unschuld. Aber so wurde er der Mörder Jesu.
Welch ein
Zeichen für uns!
O
nein, ich will und kann nicht mehr,
Mein
Freund, betrüben dich.
Dein
Herz verbindt mich allzusehr,
Ach
bind mich ewiglich.
6.
März
Pilatus sprach zu ihnen: „Was soll ich denn machen mit Jesus?“
Matthäus 27, 22
Es geht
wirklich wunderlich zu in der Leidensgeschichte Jesu!
Immer
wieder lesen wir, dass man den Herrn Jesus verspottet hat. Man hat alles getan,
um ihn lächerlich zu machen. Die Kriegsknechte zum Beispiel haben in der albernsten
Weise seinen Königsanspruch verhöhnt. Sie haben eine Krone auf sein Haupt
gedrückt – aber es war eine Krone aus Dornen. Sie haben ihm einen roten Mantel
umgehängt, wie ihn die Könige tragen – doch es war ein alter Soldatenmantel.
Als aber
Jesus in diesem Aufzug vor dem Volke erschien, rief Pilatus erschüttert: „Seht,
ein Mensch!“ Und das hieß: „All die Menschen, die ich bisher erlebt habe, waren
ja Tiere, Bestien, Affen, Pfauen und Tiger. Jetzt – ich muss es bekennen – sehe
ich zum ersten Mal einen Menschen!“
Offenbar
war es nicht gelungen, Jesus lächerlich zu machen. Und so ging es weiter.
Unendlicher Spott traf den Herrn Jesus, als er am Kreuze hing. Aber das Ende
war, dass ein Hauptmann bekannte: „Dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Die Welt
hat seitdem immerzu versucht, Jesus und das Evangelium lächerlich zu machen.
Das ist nie gelungen.
Aber – und
das ist das andere, was die Passionsgeschichte zeigt – die Menschen, die ihn
verachten, werden vor ihm lächerlich. Seht nur den Pilatus! Er ist Richter. Und
statt zu richten, fragt er hilflos den Pöbel: „Was soll ich denn machen mit dem
Angeklagten?“ Einen armseligeren Richter und hilfloseren Mann hat es nie wieder
gegeben – als diesen stolzen Römer. O Pilatus!
Wer Jesus
verachtet, wird lächerlich, furchtbar lächerlich. Denn in Gottes Wort steht: „Der
im Himmel sitzt, lacht ihrer.“ Das ist schrecklich, dies Lachen!
Wir
danken dir, Herr Jesu Christ,
Dass
du für uns gestorben bist
Und
hast uns durch dein teures Blut
Gemacht
vor Gott gerecht und gut.
7.
März
Da nahm Pilatus Wasser und wusch die Hände
vor dem Volk und sprach: „Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten!“
Matthäus 27, 24
O Pilatus!
Nun bist du soweit, dass ein kleines Kind über dich lachen kann!
Ein
Richter, der feierlich erklärt, dass der Angeklagte ein „Gerechter“ ist – und
diesen Gerechten zugleich zum Tode verurteilt – und dann eine kleine Aufführung
veranstaltet, um zu sagen, er sei unschuldig an dem Justizmord –: Das ist in
der Tat hoffnungslos albern!
Und
trotzdem lohnt es sich, einen Augenblick über diesen Satz des Pilatus
nachzudenken. „Ich bin unschuldig am Tode Jesu!“ – das ist ein Satz, den kein
einziger Mensch in der Welt sagen kann.
Es gibt
nur eine einzige Gemeinsamkeit unter den Menschen: Sie sind alle schuldig am
Tode Jesu. Im Alten Testament heißt es: „Der Herr warf unser aller Sünden auf
ihn.“
Hört es: „Unser
aller Sünden“! Da kann sich keiner
ausschließen. Die Menschen sind unheimlich zertrennt in Völker, Rassen,
Kulturen, politische Überzeugungen, Lebensalter und Stände. Aber eins verbindet
heimlich alle: Wir sind schuldig am Blute dieses Gerechten!
Wohl dem,
der das begreift, zugibt und bekennt! Dann darf er nämlich lernen, diesen Satz
des Pilatus ein wenig zu verändern. Und so verändert wird der Satz zum Bekenntnis
des Glaubens: „Ich bin unschuldig durch
das Blut dieses Gerechten.“ Denn „sein Blut macht uns rein von aller Sünde“.
Christen
dürfen fröhlich bekennen: „… alle, alle meine Sünde hat sein Blut hinweg getan!“
Dein
Blut, mein Schmuck, mein Ehrenkleid,
Dein
Unschuld und Gerechtigkeit,
Macht,
dass ich kann vor Gott bestehn
Und
zu der Himmelsfreud eingehn.
8.
März
… und führten Jesus hin, dass sie ihn kreuzigten.
Matthäus 27, 31
Die
Leidensgeschichte zeigt uns alle Beteiligten in einer aufgeregten und
fieberhaften Tätigkeit.
Der Hoherat hält Nachtsitzung; Ratsherren mischen sich unter
das Volk und hetzen; Pilatus macht eine kleine, wunderliche Aufführung: wäscht
sich die Hände und beteuert seine Unschuld; die Jünger bringen sich in
Sicherheit; Judas quält sich, um seinem armen Leben ein Ende zu bereiten;
Häscher marschieren durch nächtliche Straßen; das Volk rennt, schreit, brüllt
und spottet… Kurz, alle sind außerordentlich beschäftigt, Außerordentliches zu
tun.
Nur ein
einziger tut nichts – Jesus. Um ihn dreht sich alles. Aber er selbst leidet,
schweigt und lässt alles mit sich geschehen.
So
schildern es die Berichte der Evangelien: Jesus ist still und tut nichts!
Tut er
wirklich nichts?
Lasst uns
einmal forschen in den übrigen Büchern der Bibel! Dann finden wir: Jesus ist
der einzige, der wirklich etwas tut. Er vollendet eine große Tat. Eine Menge
Worte reden von seiner Aktivität:
„Er hat
unsere Sünden hinaufgetragen auf das Holz.“ – „Er hat der Schlange den Kopf
zertreten.“ – „Seine Seele hat gearbeitet.“ – „Er hat den Zaun abgetan, der
zwischen Juden und Heiden war.“ – „Er hat sich selbst geopfert.“
Das sind
nur ein paar Worte, die von Jesu Tun zeugen. Gott schenke uns offene Augen, dass
wir in dem stillen, leidenden Lamm den erkennen, der alles getan hat, was wir
nicht tun konnten – zu unserm ewigen Heil!
Doch
du hast für mich besieget
Sünde,
Tod und Höllenmacht,
Du
hast Gottes Recht genüget,
Seinen
Willen ganz vollbracht
Und
mir eben zu dem Leben
Durch
dein Sterben Bahn gemacht.
9.
März
Da fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein
Kreuz trug.
Matthäus 27, 32
Das Herz
dieses Simon hat gewiss zuerst rebelliert und rumort über solche Gewalttat und
Willkür der römischen Soldaten.
Erst
später, als er ein Jünger Jesu geworden war, ging es ihm auf, dass er hier an
der einzig richtigen Stelle war. Denn der Herr Jesus hat einmal gesagt: „Wer
mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“
Das ist
ein Wort, das man einem Weltmenschen überhaupt nicht erklären kann. Wer aber
ein Jünger Jesu wird, versteht es sofort. Denn er weiß, dass unsere alte,
gottlose Natur nicht in Gottes Reich hineinpasst. Die muss „mit Christo gekreuzigt
werden“. Gottes Wort sagt: „Die Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch
samt den Lüsten und Begierden.“
Wie der
Herr Jesus am Kreuz unsere verlorene Sache zu der seinigen gemacht hat, so
macht nun ein Jünger in der Nachfolge das Kreuz Jesu zu dem seinigen. Kurz: Er
trägt dem Heiland das Kreuz nach.
Und dabei
geht es nie ohne Zwang ab. Den Simon musste man zwingen, dem Herrn Jesus das
Kreuz nachzutragen. Und unsere alte Natur muss man ebenso zwingen. Das ist der
eigentliche Kampf eines Christenlebens, dass man seine Natur zwingt, dem Herrn
das Kreuz nachzutragen. Alle anderen Kämpfe und Nöte, die von außen kommen,
schlägt ein ernster Jünger nicht so hoch an.
Mein
Kreuz und meine Plagen,
Sollt's auch sein Schmach und Spott,
Hilf
mir geduldig tragen;
Gib,
o mein Herr und Gott,
Dass
ich verleugne diese Welt
Und
folge dem Exempel,
Das
du mir vorgestellt.
10.
März
Da fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein
Kreuz trug.
Matthäus 27, 32
Dass
dieser Mann aber auch ausgerechnet Simon hieß! Da muss man ja sofort an den
andern Simon denken, an den Simon Petrus.
Und dann
fällt uns ein, dass dieser Simon Petrus eigentlich hierher gehört hätte; dass
er eigentlich der Mann hätte sein sollen, der hinter Jesus her nach Golgatha
ging; dass er von Rechts wegen dem Herrn Jesus das Kreuz hätte nachtragen
müssen. Denn dieser Simon Petrus hatte ein paar Stunden vorher feierlich und
vor Zeugen erklärt, dass er lieber sterben wolle als Jesus verlassen.
Aber nun
war der Simon Petrus nicht da, als es galt, dem Heiland das Kreuz nachzutragen.
Doch unser Gott kommt nicht in Verlegenheit durch unsere Untreue. Ein anderer
Simon nimmt nun den Platz des Simon Petrus ein.
Diese
Sache ist wohl wert, dass wir über sie nachdenken. Wenn Simon Petrus
ausscheidet, tritt Simon von Kyrene ein. Wenn Judas
fällt, beruft der Herr einen Paulus zum Apostel. Wenn – im Alten Bund – der
König Saul ungehorsam wird, dann erwählt der Herr sich einen David.
Das heißt:
Er hat uns nicht nötig. Und wenn wir unsern Platz im Gefolge des Gekreuzigten
verachten, beruft er einen andern an unsere Stelle.
Er ist
nicht auf uns angewiesen. Es ist Ehre, wenn wir ihm folgen, dienen und das
Kreuz nachtragen dürfen.
Ich
bin, mein Heil, verbunden
All
Augenblick und Stunden
Dir
überhoch und sehr;
Was
Leib und See! vermögen,
Das
soll ich billig legen
Allzeit
an deinen Dienst und Ehr.
11.
März
Da sie Jesus aber gekreuzigt hatten …
Matthäus 27, 35
Vielleicht
verstehen wir recht wenig von der Bedeutung des Kreuzes Jesu. Eins aber können
wir doch alle lassen: Wie viel hat es Gott gekostet, uns zu helfen! Wie schlimm
muss es um uns stehen, dass Gott solch eine umständliche Veranstaltung treffen musste,
um uns selig zu machen!
Als ich
noch ein kleiner Kerl war, bekam ich Diphtherie. Ich hatte keine Ahnung, was
das für eine Krankheit sei. Sonst, wenn eins von uns Kindern krank war, machte
meine Mutter wenig Umstände. Aber nun, bei dieser
neuen Krankheit, entstand eine gewaltige Unruhe um mich: Mein Bett wurde aus
dem Kinderzimmer in ein abgelegenes Zimmer getragen. Ein Arzt machte sich
mitten in der Nacht mit mir zu schaffen.
Ich weiß
noch, wie mich auf einmal der Schrecken packte: „Wenn die großen Leute so viel
mit mir anstellen, muss es wohl sehr schlimm um mich stehen!“
Und nun: Wie
viel Umstände macht sich doch Gott um uns! Er sendet seinen eingeborenen Sohn.
Die Engel kommen zu den Menschen und rütteln sie auf mit der Botschaft von
seiner Geburt. Dieser Sohn wird gekreuzigt und wieder auferweckt.
Ja, wenn
ich gar nichts von all dem verstünde – eins wäre mir klar: Es muss schlimm um
mich stehen, dass so viel nötig war zu meinem Heil. Und auch das würde ich
begreifen: Wie ernst ist es Gott um mich zu tun!
Herr, „lass
mir nie kommen aus dem Sinn, / Wie viel es dich gekostet, / Dass ich erlöset
bin“!
Drum
sag ich dir von Herzen
Jetzt
und mein Leben lang
Für
deine Pein und Schmerzen,
O
Jesu, Lob und Dank,
Für
deine Not und Angstgeschrei,
Für
dein unschuldig Sterben,
Für
deine Lieb und Treu.
12.
März
Auf dass erfüllt würde die Schrift, die da
sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über meinen Rock
das Los geworfen.“ Solches taten die Kriegsknechte.
Johannes 19, 24
Da sind
die römischen Soldaten!
Lachend
teilen sie die geringe Beute. Es war Sitte, dass sie die Kleider der
Gerichteten bekamen. Nun sitzen sie und würfeln um den Rock Jesu.
Über ihren
Häuptern kämpfte und starb der Sohn Gottes. Kämpfend und sterbend riss er die
Tür zum Paradiese auf, die seit dem Sündenfall verschlossen war. Ja, über ihnen
öffneten sich die Gnadenpforten. Gott breitete in Jesus seine Arme aus nach
Sündern.
Aber die
Kriegsknechte sahen von all dem nichts. Ein wenig irdischer Tand war ihnen
wichtiger.
Wie viele
gibt es, die um der irdischen Dinge willen ihre Seligkeit verspielen und verwürfeln.
Gewiss sind die irdischen Sorgen nicht unwichtig. Aber wehe uns, wenn wir um
des „Kinderspiels am Wege“ willen die Errettung versäumen! Lasst uns nicht so
stumpf sein wie die Kriegsknechte!
Um Jesu
Kleid war ihnen zu tun. Wenn wir einmal sterben, legen wir alle Kleider ab. Und
am Jüngsten Tage stehen wir arm, nackt und bloß vor Gott. Wie furchtbar, so
bloß vor Gott zu stehen!
Nicht alle
stehen bloß vor Gott. Die Offenbarung sagt von den Jüngern Jesu: „Ihnen ward
ein weißes Kleid gegeben. Das ist die Gerechtigkeit der Heiligen.“ Selig, wer
im Gericht sich kleiden kann in Jesu Gerechtigkeit!
Die
Kriegsknechte zankten um den armen Rock. Und das Kleid der Gerechtigkeit, das
Jesus ihnen geben wollte, verachteten sie. – und wir? „Trachtet am ersten nach
dem Reiche Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“
Christi
Blut und Gerechtigkeit,
Das
ist mein Schmuck und Ehrenkleid,
Damit
will ich vor Gott bestehn,
Wenn
ich zum Himmel werd' eingehn.
13.
März
Und sie saßen allda und hüteten sein.
Matthäus 27, 36
Hier ist
jetzt alles auf den Kopf gestellt!
Menschenkinder,
die so unendlich gefährdet sind an Leib und Seele, spielen sich als Hüter auf.
„Der Hüter
Israels“ aber hängt am Kreuz und wird behütet. Da ist nun wirklich alles
umgedreht.
Doch so
ist es auf Golgatha:
Der
Unschuldige zittert unter dem Zorn Gottes. Die Sünder aber gehen frei aus.
Der Sohn
Gottes ist verworfen und ruft: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen!?“ Die
Verworfenen aber werden begnadigt.
Auf dem Sohne
Gottes, dem alle Ehre gebührt, sammelt sich alle Schmach. Aber der Schächer,
schmachbedeckt und verachtet, wird angenommen als Kind des lebendigen Gottes.
Die
frommen Pharisäer und Schriftgelehrten spotten über den sterbenden Heiland. Der
heidnische Hauptmann aber bekennt: „Dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Man könnte
noch lange weitermachen. Das Kreuz ist wirklich ein Geschehnis, das alles auf
den Kopf stellt. So könnte man es zeigen.
Aber – die
Sache ist vielmehr so, dass durch den Sündenfall alles verkehrt wurde. Und es
hat Gott gefallen, durch dies Kreuz alles Verkehrte wieder umzudrehen, richtig
zu stellen und in Ordnung zu bringen.
Seltsames
Geschehen!
Wie
wunderbarlich ist doch diese Strafe!
Der
gute Hirte leidet für die Schafe,
Die
Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,
Für
seine Knechte.
16.
März
Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger
dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das
ist dein Sohn.“
Johannes 19, 26
Es ist
seltsam, wie Jesus hier seine Mutter anredet: „Weib!“
Bis zu
dieser Stunde war Jesus der Sohn Marias, der Mann aus Nazareth, der Bruder
seiner Brüder. Nun aber löst er sich aus dem natürlichen Lebenskreis. Er sagt: „Weib,
ich bin nicht mehr dein Sohn. Du hast jetzt keine natürlichen Ansprüche mehr an
mich.“
Jesus
wurde in dieser Stunde in Wahrheit zum Heiland der Welt.
Wir können
uns die Bedeutung des Sterbens Jesu gar nicht umfassend genug vorstellen. Sein
Tod ist das Heil für alle Jahrhunderte, für alle Völker und Erdteile, für alle
Menschen.
Der
Schächer am Kreuz kam zum Frieden mit Gott durch den gekreuzigten Herrn Jesus.
Aber ebenso gibt es für uns Menschen im modernen Zeitalter der Technik keinen
anderen Weg zum Seligwerden als Jesu Kreuz.
Es gibt
für uns kein anderes Heil als das, welches auch für die Chinesen gilt: der
Opfertod Jesu für Sünder.
Der gelehrteste Akademiker und der Schwachbegabteste, der
reichste Milliardär und der ärmste Bettler müssen denselben Weg gehen, wenn sie
Frieden mit Gott und Vergebung der Sünden wollen: den Weg über Golgatha.
Man hat je
und dann gesagt: „Wie, wenn auf anderen Sternen Menschen wären? Wie würden die
denn selig?“ Wir wissen nur eine
Antwort: „Wir müssten sehen, dass wir ihnen so schnell wie möglich verkündigen:
Jesus errettet alle Welt.“
Jesus ist
der Heiland aller Welt. Darum – Gott sei Dank! – auch unserer.
Jesu,
der du wollen büßen
Für
die Sünden aller Welt
Durch
dein teures Blutvergießen,
Der
du dich hast dargestellt
Als
ein Opfer für die Sünder,
Die
verlornen Adamskinder:
Ach,
lass deine Todespein
Nicht
an mir verloren sein.
17.
März
Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger
dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das
ist dein Sohn.“
Johannes 19, 26
Das ist so
wunderbar: In derselben Stunde, in der Jesus zum Heiland der Welt wird – in
derselben Stunde zeigt er: Es geht mir um den einzelnen Menschen.
Im
politischen Leben ist es umgekehrt. Da ist der einzelne nichts. Das Volk ist
alles!
Ganz
anders ist es im Reiche Gottes. Es geht Jesus um Maria, um Johannes, um dich
und um mich.
Als der
Heiland am Kreuze hing, starb er zur Versöhnung der ganzen Welt. Da überschaute
er im Geiste Völker und Erdteile, Jahrhunderte und Jahrtausende, für die er der
Erlöser sein wollte.
Aber in
den Jahrtausenden und in den Völkern sah er den einzelnen. Ein Sänger, der das
recht verstanden hat, bezeugt in einem Lied so herrlich: „Und dann auch an mich
gedacht, / Als er rief: Es ist vollbracht.“
Johannes
ist der einzige, der diese kleine Episode unter dem Kreuz erzählt. Selbst Lukas,
der doch „mit Fleiß“ alles zusammengetragen hat, hielt sie nicht für
erwähnenswert. Aber Johannes hat sie berichtet. Denn er selbst erfuhr es
beglückend: „Der Heiland der Welt hat mich sterbend angesehen.“
„Er hat
mich angesehen!“
So dürfen
auch wir wissen, glauben und bekennen.
Wir sind
nicht nur „ein bald verwelkt Geschlechte, ein Blum' und fallend Laub“. Nein,
wir sind angesehen von Jesus, geliebt mit einer ewigen Liebe; wir sind wert
geachtet über alles.
Ewig
soll er mir vor Augen stehen,
Wie
er als ein stilles Lamm
Dort
so blutig und so bleich zu sehen,
Hängend
an des Kreuzes Stamm,
Wie
er dürstend rang um meine Seele,
Dass
sie ihm zu seinem Lohn nicht fehle,
Und
dann auch an mich gedacht,
Als
er rief: „Es ist vollbracht!“
18.
März
Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie
tun!“
Lukas 23, 34
Tobender
Lärm um das Kreuz. Spott, Hass, Gelächter! Zankend teilen die Kriegsknechte die
ärmliche Beute. Andere stehen von ferne und schauen unbeteiligt zu.
Da öffnet
Jesus den Mund: „… sie wissen nicht, was sie tun.“
„… was sie
tun“! Wer sind denn die „sie“? Nur die Juden? O nein, auch die Römer, in deren
Legionen damals viele Deutsche standen. – Wer sind die „sie“? Nur der Pöbel? O
nein, auch die Angesehenen des Volkes. – Wer sind die „sie“? Nur die Gottlosen?
O nein, auch die Frommen und Schriftgelehrten. – Wer sind die „sie“? Nur die
Menschen von damals? O nein, auch die Menschen von heute – wir!! „Ich, ich und
meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des
Sandes an dem Meer, l Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget …“
Über uns
alle ruft Jesus sein Urteil: „Sie wissen nicht, was sie tun.“
Entsetzen
spricht aus diesem Wort, abgrundtiefes Entsetzen!
Warum dies
Entsetzen?
Weil Jesus
den Menschen kannte vor dem Sündenfall.
Er war dabei, als Gott den Menschen schuf „ihm zum Bilde“, den freien Menschen,
der „wusste, was er tat“.
Und nun
sieht Jesus den Menschen so, wie die Sünde ihn gestaltet hat: blind, getrieben
von Leidenschaften, unwissend in der Erkenntnis Gottes, entzündet von der
Hölle.
Ja, wir
sind heilsbedürftig!
Du,
ach du hast ausgestanden
Lästerreden,
Spott und Hohn,
Speichel,
Schläge, Strick und Banden,
Du
gerechter Gottessohn,
Nur
mich Armen zu erretten
Von
des Teufels Sündenketten.
Tausend-,
tausendmal sei dir,
Liebster
Jesu, Dank dafür.
19.
März
Jesus aber sprach: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie
tun!“
Lukas 23, 34
Ja,
Entsetzen spricht aus diesem Wort Jesu: „Was hat der Abfall von Gott aus dem
Menschen gemacht!“
Aber
gerade in diesem Wort offenbart sich uns das Wunder der Liebe Jesu – das unfassbare
Wunder der Barmherzigkeit Jesu.
Vielleicht
haben wir uns schon einmal über einen Menschen entsetzt, der uns unbegreiflich
und ganz unbegründet Unrecht zufügte. Vielleicht haben wir uns schon einmal
entsetzt über die unvorstellbare Gemeinheit und Bosheit, die aus einem
Menschenherzen kommen kann.
Dann
wissen wir auch, dass Entsetzen die Liebe tötet. Solch ein Entsetzen ist wie
ein Eishauch, der jedes Mitgefühl, der die guten Blümlein der Liebe mordet.
Jesus
entsetzt sich über uns. Wir könnten verstehen, wenn er die Hände aus den Nägeln
risse und vom Kreuze spränge und riefe: „Vater, lass sie dahinfahren! Sie
wissen nicht, was sie tun! Sie sind ganz und gar verstockt, verblendet, verloren!“
Aber höre:
So ruft Jesus nicht. Was ruft er? „Vater, vergib ihnen!“
Das Wunder
ist geschehen: Das Entsetzen hat die Liebe nicht getötet. Das Entsetzen hat die
Barmherzigkeit nicht getilgt.
„Darum
preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir
noch Sünder waren“
(Römer
5, 8).
Ja – in
der Tat! – „diese Liebe kann erretten“.
Ich
bete an die Macht der Liebe,
Die
sich in Jesu offenbart;
Ich
geb’ mich hin dem freien Triebe,
Womit
ich Wurm geliebet ward;
Ich
will, anstatt an mich zu denken,
Ins
Meer der Liebe mich versenken.
20.
März
Und da wurden zwei Mörder mit Jesus
gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.
Matthäus 27, 38
Trennend
steht das Kreuz des Sohnes Gottes zwischen den beiden Mördern.
Diese
Männer haben früher gewiss recht fest zusammengehört. Zusammen waren sie lustig
gewesen. Gemeinsame Verbrechen hatten sie verbunden. Zusammen hatten sie
gefrevelt. Zusammen hatten sie vor Gericht gestanden. Zusammen waren sie
verurteilt worden.
Aber – nun
waren sie auf einmal getrennt. Das Kreuz Jesu stand zwischen ihnen. Und von
dieser Stunde ab ging ihr Weg auseinander – für alle Ewigkeit! Denn im
Lukas-Evangelium lesen wir, dass der eine dieser Mörder dort am Kreuze zur
Umkehr kam, Buße tat, an den Herrn Jesus glaubte, ihn anrief und errettet
wurde. Jesus verhieß ihm in Vollmacht: „Heute wirst du mit mir im Paradiese
sein.“
Der andere
aber verstockte sein Herz, lästerte den Herrn Jesus und fuhr schließlich in
seinen Sünden dahin.
So ging
der Weg dieser zwei Kumpane für die Ewigkeit auseinander. Das Kreuz Jesu war
zwischen sie gekommen.
So steht
das Kreuz Christi heute noch trennend zwischen den Sündern.
Sünder
sind wir vor Gott alle. Da ist keiner, der nicht „des Ruhms
ermangelte, den wir bei Gott haben sollten“. Nicht einer ist vorhanden, der
erhobenen Hauptes vor Gott treten könnte.
Und
zwischen diese Sünder hat Gott das Kreuz Jesu Christi gestellt – als die große
Trennung. Am Kreuze Christi scheiden sich die Sünder: Die einen kommen hier zur
Erkenntnis ihrer Sünde, zur Buße und zum Glauben – die andern verstocken ihr
Herz und gehen ewig verloren. Wie gewaltig ist dies Kreuz!
Kommt,
groß und kleine Sünder, doch,
Die
ihr mühselig seid:
Dies
liebend Herz steht offen noch,
Das
euch von Sünd befreit.
21.
März
Und da wurden zwei Mörder mit Jesus
gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.
Matthäus 27, 38
Es ist
wirklich erstaunlich: Die ganze Passionsgeschichte berichtet von der Blindheit
der Menschen dem Sohne Gottes gegenüber. Aber dazwischen ist es immer wieder,
als hätten sie den Herrn Jesus doch verstanden.
Da
nagelten sie ihn an das Kreuz und stellten dies Kreuz zwischen zwei hingerichtete
Mörder. Sie hängten den Heiland zwischen die Sünder.
Natürlich –
sie taten das in Hass und Blindheit. Und doch – sie konnten gar nichts Besseres
tun. Denn – dort gehörte Jesus hin. Dort wollte er sein – mitten zwischen den
Sündern.
So fing ja
schon seine Laufbahn an: Da ging er an den Jordan, wo Johannes die Sünder
taufte. Jesus stellte sich mitten in den Schwarm der Menschen mit beladenen
Gewissen und ließ sich auch taufen. Mitten zwischen den Sündern!
Und dann
lesen wir immer wieder, dass viele „Zöllner und Sünder“ zu ihm kamen, ja, dass
er sich sogar von ihnen zum Essen einladen ließ. Da murrten die Pharisäer und
sprachen: „Dieser nimmt die Sünder an und isset mit
ihnen.“ Man kann doch die Verwunderung dieser Pharisäer gut verstehen!
Und nun
ist der Tod Jesu am Kreuze dieses seines Lebens würdig. Er hängt zwischen den
Sündern.
Da kann ja
wohl jeder, auch der Einfältigste, begreifen, dass
Jesus es mit Sündern und ihrer Schuld zu tun hat.
Kein
Wunder, dass alle selbstgerechten Leute ratlos vor diesem Evangelium stehen.
Wem aber das Gewissen erwacht ist, dass er seine Sünde fühlt, der horcht
freudig auf.
Wer
hat dich so geschlagen,
Mein
Heil, und dich mit Plagen
So
übel zugericht't?
Du
bist ja nicht ein Sünder
Wie
wir und unsre Kinder,
Von
Übeltaten weißt du nicht.
22.
März
Dieser hat nichts Unrechtes getan.
Lukas 23, 41
„Wenn
diese schweigen, dann werden die Steine schreien!“ So hatte Jesus den Obersten
seines Volkes erklärt, als sie ihn aufforderten, den Lobpreis seiner Jünger
abzustellen.
Nun
schwiegen die Jünger. Nun war es Zeit, dass die Steine schrieen und Jesus
lobten. Und sieh! Es geschieht. Oder, vielmehr etwas, was noch viel stummer und
härter ist als die Steine, erhebt seine Stimme zu einem Zeugnis für Jesus: ein
hartes, in der Sünde hart gewordenes Menschenherz. Der Schächer, der neben
Jesus am Kreuz hängt, legt laut ein Zeugnis für ihn ab.
„Dieser
hat nichts Unrechtes getan!“ Damit ergriff er Partei für Jesus gegen alle die,
die unter dem Kreuz standen, gegen Römer und Pharisäer und Hohepriester.
Das ist
etwas Großes. Man ist es gewohnt, dass ein Verurteilter seine Unschuld
beteuert. Das ist weiter nichts Verwunderliches. Aber das tut dieser Schächer
nicht. Seine Sünde hat er bekannt: „Wir
empfangen, was unsere Paten wert sind.“ Aber nun rühmt er Jesus: „Der ist gut!
Der ist heilig! Der ist rein!“ Wahrlich, die Steine schreien für Jesus!
„Dieser
hat nichts Unrechtes getan!“ sagt der Schächer. Warum er selbst da hängt, weiß
er nur zu gut. Aber warum hängt der Unschuldige am Kreuz?
„Ich trage
meine Schuld“, denkt der Schächer. „Aber wessen Schuld trägt der dort, der
Reine, der Unschuldige?“
Und durch
sein Herz zieht eine Erinnerung an alte Bibelworte, die er in seiner Jugend
hörte, von einem, „der der Welt Sünde trägt“, von einem, „auf den Gott unser
aller Sünde wart“.
Und er erfasst
glaubend: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten“ (Jesaja 53).
Wie
wunderbarlich ist doch diese Strafe!
Der
gute Hirte leidet für die Schafe,
Die
Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,
Für
seine Knechte.
23.
März
Wir zwar sind billig darin, denn wir empfangen, was unsere Taten wert
sind.
Lukas 23, 41
Golgatha,
ein Ort voller Wunder!
Oder ist
es kein Wunder: Der Gesetzlose verkündet
das Gesetz! Der Rechtlose verkündigt das Recht!?
Der
Schächer, der neben Jesus am Kreuz hing, war ein Gesetzloser. Er hatte nicht
nur das menschliche Gesetz, sondern auch das Gesetz Gottes verachtet und mit
Füßen getreten. Er hatte sich außerhalb der göttlichen Ordnungen und Rechte gestellt.
Und nun – welche
Veränderung hat Gott im Herzen dieses Mannes bewirkt. Dieser. Gesetzlose
verkündet das Gesetz: „Der Sünder hat das Gericht und den Tod verdient.“
Nicht als
eine theoretische Erkenntnis spricht er das aus. O nein! Er selbst beugt sich
unter das göttliche Gesetz: „Ich, der Sünder, habe das Gericht Gottes und den
Tod verdient.“
Unter dem
Kreuze standen viele Menschen. Wo war einer, der solche Erkenntnis gehabt
hätte? Der so sich unter Gottes Gerichtsurteil gebeugt hätte? Der so Gott recht
gegeben hätte?
Weil sie
das nicht taten, konnten sie auch Gottes Heil in Jesus nicht erkennen.
Denn nur
wo ein Mensch Gott Recht gibt, wo ein Mensch seinen verlorenen Zustand erkennt
und Buße tut, kann auch rechte Heilserkenntnis anbrechen.
So wird
dieser aufrichtige Schächer für uns zum Bußprediger. Dass wir doch mit ihm
sprechen lernten: „Herr, wir haben deine Gerichte verdient. Unsere Taten taugen
nicht vor dir.“ Dann dürfen wir auch mit ihm an Jesus froh werden.
Erbarm
dich deiner bösen Knecht;
Wir
flehe um Gnad` und nicht um Recht;
Denn
so du, Herr, den rechten Lohn
Uns
geben wollt'st nach unserm Tun,
So
müsst die ganze Welt vergehn,
Und
könnt kein Mensch vor dir bestehn.
24.
März
Und er sprach zu Jesus: „Herr, gedenke an
mich, wenn du in dein Reich kommst.“
Lukas 23, 42
Golgatha!
Wunderbare
Dinge geschehen dort: Der Verirrte
findet den richtigen Weg.
Ja, ein
Verirrter war er, der Mann dort neben Jesus am Kreuz. Er hatte den rechten Weg
und jeden Halt verloren. Dunkle Leidenschaften hatten ihn mitgerissen, falsche
Freunde hatten ihn verführt – so war das Schiff seines Lebens steuerlos dahin getrieben.
Nun kam
der Schlussstrich – ein Leben versinkt in ewiger Finsternis!
Aber nein –
da geschieht die Wendung, die Rettung! Neben dem Verirrten, dessen Fuß nie
einen geraden Weg fand, hängt ein anderer. Der hat ein paar Stunden vorher
gesagt: „Ich bin der Weg … niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ Der Schächer
hat es nicht gehört. Aber es ist, als habe er es gehört. Er erkennt es, glaubt
es, fasst es und – geht den einzigen Weg, der zum Vater führt.
Keinem unter all
denen, die unter dem Kreuz stehen, sind so hell die Augen aufgetan. Keiner
sieht so klar den guten Weg zum Vater wie – der Verirrte.
Wie ist
das möglich?
Ach, die
anderen haben alle noch genug an ihren eigenen Wegen; sie sind noch zu
zufrieden und sicher auf ihren selbst gewählten Pfaden. Wie sollten sie
begreifen, dass ihre Wege verloren sind!
Aber der,
welcher keinen Weg mehr sieht, dessen Pfad in Nacht versinken will, der sieht:
Es gibt nur einen rechten Weg. Und
das ist der Weg, den Gott in Jesus gegeben hat. Möchten wir ihn sehen und
gehen!
Ich
lief verirrt und war verblendet,
Ich
suchte dich und fand dich nicht,
Ich
hatte mich von dir gewendet
Und
liebte das geschaffne Licht.
Nun
aber ist's durch dich geschehe,
Dass
ich dich hab’ ersehn.
25.
März
Jesus sprach zu ihm: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“
Lukas 23, 43
Hier sehen
wir das größte Wunder von Golgatha: Der
Ausgeschlossene schließt auf!
Ausgeschlossen
ist Jesus, wie nie ein Mensch ausgeschlossen war. Die Menschen haben ihn aus
ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen. „Die Menschen liebten die Finsternis mehr
als das Licht.“ Die Erde hat keinen Raum mehr für den Sohn Gottes. Schon bei
der Geburt blieb ihm nur der geringste Raum: ein Stall. Nun ist er ganz ausgeschlossen:
Zwischen Himmel und Erde hängt der Sterbende.
Und auch
der Himmel hat ihn ausgestoßen. Gott warf unser aller Sünden
auf ihn. Nun ruft der Sündenbeladene – und doch Schuldlose: „Mein Gott, mein
Gott, warum hast du mich verlassen!“ Ja – es ist unfassbar und doch wahr: Auch
der Himmel hat ihn, den Sohn, ausgeschlossen, damit er an unserer Statt ganz
von Gott verlassen sei.
So war
niemals ein Mensch ausgeschlossen von Himmel und Erde, von Gott und Menschen
wie Jesus, als er am Kreuze hing.
Und dieser
Ausgestoßene schließt dem bußfertigen Schächer den Himmel auf!
Er tut es.
Und er ist der einzige, der es tun kann. „Er hat die Schlüssel Davids. Er tut
auf, und niemand schließt zu. Und er schließt zu, und niemand tut auf“, sagt
Offenbarung 3 von Jesus.
Es gibt
auch für uns keinen anderen, der uns wirklich auftun könnte, als „das Lamm
Gottes, das der Welt Sünde trägt“.
Ach,
sucht doch den, lasst alles steten,
Die
ihr das Heil begehret;
Er
ist der Herr und keiner mehr, Der euch das Heil gewähret.
Sucht
ihn all Stund'
Von
Herzensgrund,
Sucht
ihn allein,
Denn
wohl wird sein
Dem,
der ihn herzlich ehret.
26.
März
Und von der sechsten Stunde an ward eine
Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.
Matthäus 27, 45
Als der
Sohn Gottes in die Welt kam, wurde die dunkle Nacht erleuchtet.
Als aber
der Sohn Gottes am Kreuze starb, da ward der helle Tag verdunkelt.
Das hatte
eine tiefe Bedeutung: Jesus ist das Licht der Welt. Die Verwerfung Jesu
bedeutet schreckliche Finsternis.
Es ist
unheimlich, wie der Teufel alles verdreht. Aller Kampf gegen Christus ist immer
geführt worden unter der Parole: „Wir wollen endlich die Finsternis vertreiben
und Licht bringen.“
Darum ist
es so wichtig, dass wir die Botschaft jener dunklen Stunde vom Karfreitag
hören: Die Verwerfung Jesu bedeutet Finsternis.
Das
christliche Abendland ist Schritt für Schritt weitergegangen auf dem, Wege der
Verachtung Jesu. Und wurde der Weg der letzten Jahrhunderte nicht ein Weg in
die Nacht?
Aber da
gibt es nun eine kleine eindrucksvolle Geschichte: Als Pharao, der König
Ägyptens, gegen Gott kämpfte, sandte Gott seine Plagen, als eine von denen eine
furchtbare Finsternis.
Aber – so
heißt es in der Bibel – „in den Häusern des Volkes Gottes war es licht“. Mag
die Welt durch die Verwerfung Jesu noch so finster werden, so wird doch in den
Häusern der Kinder Gottes allezeit Licht genug sein – weil da Jesus ist.
Du
bist ein Licht und wohnst im Licht.
Ach
mach mich licht und rein,
Zu
schauen, Herr, dein Angesicht
Und
dir vereint zu sein!
27.
März
Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss
in zwei Stücke von obenan bis unten aus.
Matthäus 27, 51
Das gab
eine Aufregung und ein Staunen in Jerusalem, als bekannt wurde: Gerade in dem
Augenblick, als Jesus draußen vor der Stadt auf Golgatha starb, da zerriss ohne
einen äußeren ersichtlichen Anlass der riesige Vorhang im Tempel.
Der große
Vorhang! Hinter dem war das „Allerheiligste“ des Tempels. Hinter dem großen
Vorhang war das tiefe Dunkel, in dem Gott wohnte. Hinter diesen Vorhang durfte
nur ein einziges Mal im Jahr der Hohepriester gehen, um am Versöhnungsfest das
Blut des Versöhnungsopfers zu sprengen. Dieser Vorhang war nun von oben bis
unten zerrissen!
Vielleicht
sagte ein kleiner Junge erstaunt zu seinem Vater: „Da kann ja nun jeder zu Gott
Reinlaufen!“
Und dieser
kleine Junge hätte die Wahrheit getroffen. Das wollte Gott sagen: Seitdem der
Heiland für die Sünder gestorben ist, kann jeder zum Herzen Gottes „Reinlaufen“.
Daran
ändert auch nichts, dass die verblendeten Priester sofort wieder einen neuen
Vorhang anschafften. Die blinde Welt ist ja dauernd beschäftigt, den suchenden
und zerbrochenen Herzen den Weg zum Herzen Gottes zu versperren. Aber Jesu Tod
hat endgültig den Vorhang zerrissen. Der Weg zum Vater ist für alle jetzt
aufgetan.
Welch eine
Botschaft ist das, die der zerrissene Vorhang verkündet! Als ich kürzlich einen
hohen Beamten sprechen wollte, hieß es: „Das wird sich kaum machen lassen.
Vielleicht verhandeln Sie mit dem Sekretär!“
Aber der
Weg zum Herrn aller Herren, zum lebendigen Gott, ist frei und offen! Offen
durch das Sterben des Sohnes! Welch eine Botschaft! Lasst uns durch den
zerrissenen Vorhang gehen!
Heut
schleußt er wieder auf die Tür
Zum
schönen Paradeis;
Der
Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott
sei Lob, Ehr und Preis!
28.
März
Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen.
Matthäus 27, 52
Das
Unheimlichste und Quälendste in der Leidensgeschichte
Jesu ist das Schweigen Gottes.
Als der
Sohn Gottes sein Wirken begann, da zeugte Gott von ihm: „Dies ist mein lieber
Sohn …“ Aber in der Passion schweigt Gott.
Bis zum
letzten Atemzug umgab den Heiland nur das Reden, Rufen, Schwätzen und Plappern
der Menschen. Menschen redeten! Menschen richteten! Menschen spotteten! – Und
Gott schwieg!
Nun hat
der Herr Jesus den letzten Schrei getan. Und da – da beginnt Gott zu reden. Nun
ergreift er das Wort. Mit dem Zerreißen der Felsen beginnt es. Und damit, dass
er den Fürsten des Lebens aus den Toten ruft, geht es weiter. Und dann folgt an
Pfingsten die Ausgießung des herrlichen starken Gottesgeistes. Das alles begann
mit dem Erdbeben. Nun hat Gott das Wort.
Es wird
immer wieder solche Zeiten geben, wo die Menschen mit ihrem Wesen einen großen
Lärm machen. Wie alles übertönend wird es erst sein, wenn einmal der Antichrist
kommt in der letzten Zeit! Das ist die „Stunde des Menschen“.
Aber – Gottes
Volk, sei getrost! Der Mensch behält nicht das letzte Wort. Handle du in
solchen Zeiten nach dem Rat, den Gott dir durch Jesaja gibt: „Geh hin, mein
Volk, in deine Kammer und schließ die Tür nach dir zu; verbirg dich einen
kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe.“
Es
erscheint gewiss die Stunde, wo Gott das Wort bekommt, wo die Felsen zerreißen
und das arme Geschwätz der Menschen untergeht in seiner gewaltigen Rede.
Gott
der Herr regiert;
Ihm
allein gebührt
Ehre,
Macht und Reich.
Völker,
bücket euch,
Bücket
euch vor ihm
Auf
den Cherubim!
Seht,
die Erde bebet,
Wenn
er sich erhebet!
29.
März
Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen.
Matthäus 27, 52
Das
geschah in demselben Augenblick, als der Herr Jesus am Kreuze den letzten
Schrei getan hatte.
Da
zerrissen Felsen!
Es ist,
als wenn Gott uns damit etwas über das Kreuz hätte sagen wollen.
„Das Wort
vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig
werden, ist es eine Gotteskraft“, heißt es in der Bibel.
„Gottes-Kraft“.
Im Griechischen steht das Wort „dynamis“. Davon kommt
„Dynamit“. Dynamit also ist das Wort vom Kreuz. Mit Dynamit sprengt man Felsen.
Mir
scheint, dies wollte Gott deutlich machen, als beim Tode Jesu die Felsen
zerrissen. Das Wort vom Kreuz ist mehr als das: Es zersprengt, was viel härter
ist als Felsen: Es sprengt Menschenherzen.
In einem
schwäbischen Ort lebte ein reicher, harter, selbstgerechter Bauer. In dies Dorf
nun kam ein Pfarrer, dem es ein heiliges Anliegen war, Menschen dem Herrn
zuzuführen, damit sie vom ewigen Verderben errettet würden.
Es gab
eine große Bewegung. Nur der reiche Bauer spottete. Aber aus Neugier ging er
doch auch eines Tages mit in die Kirche. Als er sich setzte, flüsterte er
seinem Nachbarn zu: „Jakob, mi kriegt er net!“ Selbstsicher und stolz saß er da, als der Pfarrer auf
die Kanzel trat.
In großer
Geistesvollmacht redete der nun von Gottes Gericht. Und dann wies er in
lieblichen Worten auf das Kreuz Christi zur Errettung.
Da wurde
der Bauer unruhig. Und schließlich beugte er sich zu seinem Nachbarn und
flüsterte unter Tränen: „Jakob, jetzt hot er mi!“ Und
mit dem „er“ meinte er nicht den Pfarrer, sondern den gekreuzigten Herrn.
Ja, das
Wort vom Kreuz sprengt Felsen.
Dein
Wort bewegt des Herzens Grund,
Dein
Wort macht Leib und See! gesund,
Dein
Wort ist's, das mein Herz erfreut,
Dein
Wort gibt Trost und Seligkeit.
30.
März
Da aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott.
Lukas 23, 47
Unzählige
sind es, die den Lobgesang unter dem Kreuz anstimmen, die fröhlich geworden
sind über der Erkenntnis:
„Ich
glaube, dass Jesus Christus mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat,
erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels…
mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und
Sterben.“
So hat es
Luther bekannt. Und so rühmt die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten.
Habt ihr
einmal daran gedacht, wer dies Bekenntnis unter dem Kreuz Christi zuerst
gesprochen hat?
Ein
heidnischer Hauptmann war es. „Da aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries
er Gott.“
Lobgesänge
und Anbetung unter dem Kreuz? Während die Jünger sich erschrocken verstecken,
während die Menge verstört heimeilt, während die Schriftgelehrten in Hass sich
verstocken – „preist er Gott“.
Wie kommt
er dazu? „Da der Hauptmann sah, was da geschah …“ Der Hauptmann sah. Ja, das ist es: „Sehet auf mich,
aller Welt Enden, so werdet ihr errettet“, sagt der Herr.
Der
Hauptmann blieb nicht allein. Seit 2000 Jahren haben viele auf das Kreuz
gesehen, wie das alttestamentliche Gottesvolk in der Wüste auf die eherne
Schlange sah. Und sie wurden errettet.
Es ist
rettende Kraft im Kreuz. Und darum werden sie nie mehr verstummen, die
Lobgesänge unter dem Kreuz.
Es
ist das Lied vom Lamme,
Das
herrlich neue Lied,
Das
von dem Kreuzesstamme,
Durch
Ewigkeiten zieht,
Das
Lied von Jesu Wunden,
Von
Jesu Sieg und Macht,
Wie
er ein Heil gefunden,
Das
hier schon selig macht.
31.
März
Man wird sie nennen die Erlösten des Herrn.
Jesaja 62, 12
Als ich
noch ein kleiner Junge war, führte mich mein Vater einmal durch eine alte
Stadt. Da kamen wir auch an den „Schuldturm“.
„Sieh!“
erklärte mir mein Vater, „wenn in alter Zeit ein Mann Schulden gemacht hatte,
die er nicht bezahlen konnte, dann wurde er in diesen Turm gesperrt und so
lange darin festgehalten, bis er die Schulden bezahlte.“
Erschüttert
schaute ich auf das alte Gemäuer. „Vater“, sagte ich, „in dem Turm konnte er
doch erst recht nichts verdienen. Da kam er ja sein Leben lang nicht heraus.“
„Doch!“
erwiderte mein Vater, „wenn ein anderer für ihn bezahlte und ihn loskaufte.“
Können wir
nachfühlen, wie solch einem Gefangenen zumute war, wenn da auf einmal die
rostige Tür aufging? Wie mag solch ein Mann seinem Wohltäter um den Hals gefallen
sein! Können wir uns das vorstellen?
Rechte
Christen können es sich vorstellen. Denn dies ist ja ihre Geschichte. „Man wird
sie nennen die Erlösten des Herrn.“ Wörtlich heißt es da: „… die Losgekauften
Gottes“.
Das sind
die Leute, denen eines Tages erschreckend aufging, dass man Gottes Gebote
halten müsse. Und dann entdeckten sie mit Entsetzen, dass sie mit ihrer bisherigen
Gleichgültigkeit ja schon so viel schuldig geblieben waren. Nun versuchten sie,
es besser zu machen. Aber – es gelang nicht. An keinem Tag erfüllten sie ihr „Soll“.
Die Schuld stieg von Tag zu Tag.
Und dann –
ja, dann erfuhren sie die frohe Kunde: Ein anderer hat für dich bezahlt: der
Sohn Gottes selbst, als er für dich starb. Das haben sie geglaubt und sind
dankbar und froh in die Freiheit der Kinder Gottes gegangen. Nun sind sie „Losgekaufte
Gottes“. Selige Leute!
Ich
will dein Diener bleiben
Und
dein Lob herrlich treiben
Im
Hause, da du wohnest
Und
Frommsein wohl belohnest.
1.
April
Jesus ist um unserer Sünden willen
dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.
Römer 4, 25
In einem
Wort sind hier die großen Taten Gottes zu unserem Heil zusammengefasst.
An den
Extern-Steinen im Teutoburger Wald ist ein uraltes Steinbild aus der Zeit, als
das Evangelium zu unseren Vorfahren kam. Man muss es recht lange studieren, bis
man versteht, was der Steinbildhauer mit diesem Steinbild sagen wollte.
Da sieht
man zunächst, wie Jesus vom Kreuz genommen wird. Jesu Gestalt ist gebeugt und
zusammengebrochen. Es sieht aus, als wenn unsichtbare, riesige Lasten ihn
erdrückt hätten.
Aber auf
demselben Bild sieht man denselben Heiland noch einmal. Da schaut er königlich
und strahlend und schwingt in seiner Hand eine Siegesfahne.
Was wollte
der alte Bildner damit sagen? Er wollte seinen Landsleuten damit predigen, dass
sie den ganzen Rat Gottes zu unserem
Heile in eins sehen sollten: Jesu Tod für uns und Jesu Auferstehung gehören
zusammen.
Es gibt
Menschen, die kennen nur Jesu Kreuz, aber nicht seine Auferstehung. So aber
kann man die Heilsbedeutung des Kreuzes Jesu nicht verstehen. Wir müssen
wissen, dass der Jesus, der starb, auch auferstanden ist. Nur dann können wir
begreifen, dass sein Tod unsere Versöhnung und unsere Errettung ist.
Und es
gibt andere Christen, die wollen sich nur am erhöhten, siegenden Heiland freuen
und wollen einen Bogen um das Kreuz herum machen. So aber kommt es in unserem
Leben zu keiner Buße. Und damit auch zu keinem rechten, fröhlichen
Heilsglauben.
Jesus
starb für uns und – Jesus lebt für uns. Darin steht unser Heil.
Ich
trau auf dich, o Gott, mein Herr;
Wenn
ich dich hab, was will ich mehr?
Ich
hab ja dich, Herr Jesu Christ,
Du
mein Gott und Erlöser bist.
2.
April
Und sie sprachen untereinander: „Wer wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür?“
Markus 16, 3
O, unsere
Sorgen! Im „Faust“ sagt Frau Sorge: „… in verwandelter Gestalt üb' ich grimmige Gewalt.“
Auch über
diese Frauen übte die Sorge „grimmige Gewalt“. Sie kamen von einer Not in die
andere. Erst der schreckliche Karfreitag! Dann die Angst um das eigene Leben!
Und als sie nun die letzte Liebespflicht an Jesus erfüllen wollten – „Wer wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür?“
Und doch
lag eine leise Hoffnung in ihrer Frage: „Es findet sich vielleicht ein starker
Mann, der uns hilft.“ Aber hier irrten sich die Frauen. Nicht von Menschen kam
ihnen die Hilfe. „Sie sahen dahin und wurden gewahr, dass der Stein abgewälzt
war.“ Der lebendige Gott selbst hatte eingegriffen.
Das Schöne
an der Geschichte ist, dass der Stein schon abgewälzt war, während die Frauen
sich noch sorgten. Sie hätten sich die Sorge sparen können.
Dem
gesegneten Gottesmann J. P. Diedrichs klagten einmal ein paar Freunde ihre
Sorgen. Da erwiderte er: „Ich machte kürzlich mit Freunden eine Kutschfahrt.
Ich saß auf dem Rücksitz. Als wir eine Straße mit Schlaglöchern und Steinen
passiert hatten, stöhnten die Freunde: ,Das war ja
schrecklich! Wir dachten beim Anblick der schlechten Straße, der Wagen ginge zu
Bruch!' – Ich aber hatte die Fahrt genossen. Das lag daran, dass ich rückwärts
fuhr. Ich sah die Löcher erst, wenn wir drüber weg waren.“ – Dann wendete er
das aufs Geistliche an: „Ein Christ überlässt die Sorgen um das Kommende dem
Heiland. Er fährt gleichsam rückwärts. Er betrachtet, durch wie viel Nöte ihn
sein Herr herrlich hindurchgeführt hat. Und darüber wird sein Herz voll Lob und
Dank.“
Quält
dich ein schwerer Sorgenstein,
Dein
Jesus wird ihn heben;
Es kann
ein Christ bei Kreuzespein
In
Freud und Wonne leben.
Wirf
dein Anliegen auf den Herrn
Und
sorge nicht; er ist nicht fern,
Weil
er ist auferstanden.
3.
April
Er ist auferstanden!
Markus 16, 6
In der
russischen Kirche gibt es eine merkwürdige Ostersitte: das Ostergelächter. Da
stimmt man ein gewaltiges Gelächter an. Und mit diesem Gelächter verspottet man
den Teufel, die Welt und das eigene kleine Herz, die den Sieg des Sohnes Gottes
aufhalten wollen und doch seine Auferstehung nicht hindern können.
Als dem
Abraham ein Sohn geboren worden war, sagte Sara: „Der Herr hat mir ein Lachen
zugerichtet.“
So rühmt
die Gemeinde Jesu Christi an Ostern auch: „Der Herr hat uns ein Lachen
zugerichtet.“
Wie bang
und armselig sah es in dem kleinen Häuflein der Gemeinde Jesu Christi wenige
Stunden vorher aus! Da fürchtete man sich vor der schrecklichen, unheimlichen
Macht der Menschen, die den Heiland von den Jüngern weggerissen und ans Kreuz
geschlagen hatten. Da fürchtete man sich vor der Not des eigenen Herzens. Diese
Jünger und Jüngerinnen kamen sich wie von Gott verlassen vor. Frierend und
einsam standen sie in der entgotteten Welt, als man den Heiland ins Grab
gesenkt hatte. Wie verlassene Kinder. Und wenn man diese Geschichten liest, ist
es, als sei ein Geist der Schwermut über die Jünger gekommen, wie er je und
dann aus den Tiefen der finsteren Welt aufsteigt und sich über unbeschirmte
Herzen legt.
Und mit
einem Schlage ist alles verändert. „Gott hat uns ein Lachen zugerichtet.“ Der Schlange ist der Kopf zertreten. Verflogen ist alle
Schwermut, zum Spott geworden alle Menschenmacht. Denn Jesus ist auferstanden!
Dieses
Ostergelächter sollte die ganze Christenheit der Welt und dem Teufel zum Trotz
wieder anstimmen.
Der
dänische Philosoph Kierkegaard sagt: „Es muss ja alles gut werden, weil Jesus
auferstanden ist.“
Der
Feind wird schaugetragen
Und
heißt nunmehr ein Spott;
Wir
aber können sagen:
Mit
uns ist unser Gott.
4.
April
Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot.
Matthäus 28, 4
Hier sehen
wir die Welt der Verlorenen.
Sie wird
in der Ostergeschichte dargestellt durch die Kriegsknechte. O, wie trotzig
stehen sie da mit ihren Schwertern und Spießen! Denn das ist ja das Wesen der
verlorenen Welt, dass sie sich auf ihre Macht verlässt.
Aber mit ihrer Macht waren die Kriegsknechte
verloren.
Unser
Geschlecht hat es erschütternd erlebt, wie machtlos alle Macht ist, wie Gott „Bogen
zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt“.
Aber wer
lernt daraus? Nach wie vor rennt alles nach Einfluss und Macht. Wohl dem, der
mit David glaubend bekennt: „Der Herr ist meine Macht und mein Heil.“
Die Hüter
bewachten Jesu Grab. Er sollte tot bleiben. Das ist auch so ein Kennzeichen der
verlorenen Welt, dass sie den Herrn Jesus im Grabe halten will. Sie mag Jesus
nicht. Sie empfindet ihn als einen Fremden.
O
närrische Welt! „Wüssten's doch die Leute, / Wie's
beim Heiland ist, / Sicher würde heute / Mancher noch ein Christ!“
„Die Hüter
wurden vor Furcht, als wären sie tot.“ Wenn jemand ohnmächtig daliegt, dann
springen doch alle mitleidigen Seelen sofort herbei, um zu helfen. Gibt es nun
einen Mitleidigeren als den Herrn Jesus?
Aber – wie
erstaunlich ist das: Er geht gleichgültig an ihnen vorüber und sucht seine
weinenden Jünger.
Das ist
erschütternd. Es gibt eine Grenze der Verstockung und des inneren Todes, wo uns
Jesus nicht mehr sucht. Da darf man, wie die Hüter nachher taten, machen, was
man will. Man darf lügen und betrügen. Das Gewissen rumort nicht mehr. Und über
allem steht das Wort „verloren“.
Gnadenlose,
verlorene Welt! Dass wir doch aus ihr errettet würden!
Das
stille Lamm jetzt nicht mehr schweigt,
Sich
mutig als ein Löwe zeigt;
Kein
harter Fels ihn hält und zwingt,
Grab,
Siegel, Riegel vor ihm springt. Halleluja.
5.
April
Aber der Engel sprach zu Maria Magdalena und
der anderen Maria: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den
Gekreuzigten, suchet… Er ist auferstanden…
Matthäus 28, 5 und 6
Hier sehen
wir die Welt der Geretteten.
Zwei
einfache Frauen sind es. Das ist keine imponierende Sache. Die Gemeinde der
Erretteten wird der Welt nie Eindruck machen. Jesus selbst sagt, es sei eine „kleine
Herde“. Und doch: Lieber bei der kleinen Schar, die selig wird, als bei der
großen Masse, die verloren geht.
Diese
Frauen suchen Jesus. Und zwar Jesus, den „Gekreuzigten“.
Sie
suchten nicht einen edlen Menschen, ein Vorbild in der Tugend, einen
Religionsstifter oder einen genialen Lehrer. Nein, sie suchten Jesus, den
Gekreuzigten.
Er ist es,
den auch wir brauchen. Wo sollten wir sonst unser beladenes Gewissen abladen
können?! Wo sollten wir Vergebung der Sünden finden?! Wo Frieden mit Gott?!
Aber die
Frauen suchten ihn am falschen Platze. Wenn sie früher besser auf seine Worte
geachtet hätten, so hätten sie ihn nicht im Grabe gesucht. Da sehen wir, dass
auch die Geretteten, solange sie in dieser Welt leben, vor falschen Wegen nicht
sicher sind. O ja, sie irren manches Mal. Und die Welt hat eine große Freude
daran, wenn die Kinder Gottes Fehltritte tun. Aber der Engel des Herrn weist
diese Frauen auf das Wort des Herrn hin, dass er auferstehen werde. So ist es:
Das Wort Gottes sorgt dafür, dass Kinder Gottes wieder zu ihrem Heiland finden
und den Weg zum ewigen Leben nicht verfehlen.
Das
Schönste aber ist das Wort des Engels: „Fürchtet euch nicht!“ Gerade vorher ist
erzählt, dass die Hüter vor Furcht wurden, als wären sie tot. Aber: „Fürchtet
euch nicht!“, das ist nicht ihnen gesagt, sondern diesen Frauen und allen
Kindern Gottes. Und was die Hüter und die Welt verzweifeln macht, das tröstet
sie.
O
Wunder groß, o starker Held!
Wo
ist ein Feind, den er nicht fällt?
Kein
Angststein liegt so schwer auf mir,
Er
wälzt ihn von des Herzens Tür. Halleluja.
6.
April
Es liefen aber die zwei miteinander, und der
andere Jünger lief zuvor, schneller denn Petrus, und kam am ersten zum Grabe.
Johannes 20, 4
Das war
ein wunderlicher Wettlauf!
Da jagen
der alte Petrus und der junge Johannes aus dem Stadttor hinaus. Es war klar, dass
der junge Johannes den Wettlauf gewinnen musste. Petrus kam später. Dafür ging
er dann gründlicher zu Werk. Der leichtfüßige Johannes war vor dem Grabe stehen
geblieben. Petrus untersuchte das Grab genau.
Zwei
grundverschiedene Temperamente. Und doch – beiden geht es nicht auf, dass Jesus
auferstanden ist. Es gibt besinnliche Leute; man sollte meinen, die wären von
Natur aus eher für das Evangelium veranlagt als etwa oberflächliche Charaktere.
Es gibt Leute, von denen man sagt, dass sie „religiös veranlagt“ seien. Und
andere wieder sind stolz darauf, ganz und gar unreligiös zu sein. An den
Jüngern sehen wir, dass alle gleich weit vom Evangelium entfernt sind. Es gibt
keine natürliche Anlage, die uns das Evangelium leichter oder schwerer erfassen
ließe.
Das
natürliche Temperament und die natürliche Veranlagung des unerleuchteten Menschen
schaffen nicht den Eingang in das Reich Gottes.
Der
bedächtige Petrus wie der jugendlich-schnelle Johannes – beide hätten den
auferstandenen Heiland nicht gefunden, wenn – der Herr Jesus nicht sie gesucht und gefunden hätte.
Das ist
es: Der Gottloseste und der Frömmste, der Besinnliche und der Leichtlebige
werden Gleicherweise dann zum Heilsglauben kommen, wenn der Herr Jesus selbst
sie sucht. Er sagt: „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch
erwählt.“
Darum
müssen wir ungeheuer Acht geben, wenn der Herr Jesus uns sucht, wenn seine
Stimme unser Gewissen trifft.
Hältst
du dich nicht zuerst an mich gehangen,
Ich
wär von selbst dich wohl nicht suchen gangen;
Drum
sucht’st du mich und nahmst mich voll Erbarmen
In
deine Arme.
7.
April
Da ging Simon Petrus hinein in das Grab und
sieht die Leinen gelegt und das Schweißtuch … zusammengewickelt an einem besonderen
Ort.
Johannes 20, 6 und 7
Da stehen
die beiden Jünger in der leeren Grabeshöhle. Sie machen die Augen weit auf. Sie
sehen auch mancherlei: Sie sehen die Leinen schön zusammengelegt. Sie sehen das
Kopftuch besonders gelegt. Sie sehen, dass hier „was los war“, dass hier die
Engel dem Herrn Jesus – wie Albrecht Bengel so schön sagt – „aufgewartet haben“.
Aber die Jünger können sich keinen Vers darauf machen.
Die Sinne
können eben das Evangelium nicht erfassen.
Ein
Forscher durchquerte einst die Wüste. Jeden Tag dreimal breiteten seine
mohammedanischen Begleiter ihre Gebetsteppiche aus zum Gebet. Der Forscher
verspottete sie: „Habt ihr euren Gott je gesehen oder betastet?“ – „Nein!“ – „Dann
seid ihr Narren, dass ihr an diesen Gott glaubt.“
Als sie
eines Morgens aus ihrem Zelt traten, sagte der Gelehrte beiläufig: „Heute Nacht
ist hier ein Kamel vorbeigekommen.“ Da blitzte es in den Augen eines Arabers
auf: „Haben Sie dieses Kamel gesehen oder betastet?“ – „Nein!“ – „Dann sind Sie
ein Narr, dass Sie an ein Kamel glauben, das Sie weder gesehen noch betastet
haben.“ – „O, man sieht doch die Spuren hier im Sande“, sagte der Gelehrte. – In
dem Augenblick stieg die Sonne mit herrlichem Glanz empor. Der Araber zeigte
auf die überwältigende Pracht: „Und hier sehe ich die Spur des Gottes, den ich
anbete.“
Seht, das
können die Sinne: die Spuren erkennen. Die Jünger sahen auch die Spuren der
Auferstehung. Aber – weiter kommen die Sinne nicht. Gottes Herz und sein Heil
erkennen sie nicht.
Und darum
muss eine große Erleuchtung unseres Inwendigen stattfinden. Der Herr wolle uns
erleuchtete Sinne geben zu seiner Erkenntnis!
Lass
deines guten Geistes Licht
Und
dein hellglänzend Angesicht
Erleuchten
mein Herz und Gemüt,
O
Brunnen unerschöpfter Güt.
8.
April
Und sie gingen wieder vom Grabe und
verkündigten das alles den elf Jüngern und den anderen allen. Und es deuchten
sie ihre Worte eben, als wären’s Märlein.
Lukas 24, 9 und 11
Die armen
Jünger! Das war eine ihrer dunkelsten Stunden! Alle ihre religiösen Erwartungen
vom Reiche Gottes waren zusammengebrochen, als Jesus, ihr Meister, am Kreuze
starb. Nun sitzen sie am hellen, lichten Ostermorgen hinter verschlossenen
Türen.
Da klopft
es. Zögernd machen sie auf. Ein paar Frauen stehen da und erzählen ihnen
atemlos: „Jesus lebt!“
Die Jünger
winken ab: „Weibererzählungen! Das sind ja Märlein!“
Ach, wie
elend und trostlos sah es bei diesen Jüngern aus. Aber das Merkwürdige war, dass
sie sich dabei sicher noch sehr erhaben, klug und weise vorkamen, als sie die
Berichte der Frauen als Märlein abtaten.
Und die
Frauen, die doch den Herrn selbst gesehen hatten, werden sich sicher recht
verwundert haben über solchen Unverstand, der sich selber noch klug und erhaben
vorkam.
So wie die
Jünger damals waren, so ist die blinde Welt zu allen Zeiten bis auf unsere
Tage: ungläubig, blind und aufgeblasen gegenüber den großen Taten Gottes.
Und da ist
es schon eine große und frohe Tatsache, dass der Herr Jesus seine Jünger nicht
in ihrer Finsternis ließ. Als er unter sie trat und sprach: „Friede sei mit
euch“, da wurden sie beschämt und überfroh zu gleicher Zeit.
Und ich
weiß auch für uns nichts Herrlicheres, als dass der Herr in unsere Nacht
hereinbricht und sich offenbart als der Lebendige.
Wach
auf, mein Herz, die Nacht ist hin,
Die
Sonn’ ist aufgegangen.
Ermuntre
deinen Geist und Sinn,
Den
Heiland zu empfangen,
Der
heute durch des Todes Tür
Gebrochen
aus dem Grab herfür,
Der
ganzen Welt zur Wonne.
9.
April
Und als Maria das sagte, wandte sie sich
zurück und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus
zu ihr: „Weib, was weinest du? Wen suchest du?“
Johannes 20, 14 und 15
„Wen
suchest du?“
Das ist
eine Frage, die unser Leben in die Klarheit führen kann. Sie kann sehr
beschämend für uns werden. Denn wir müssen vielleicht antworten: „Ach Herr, ich
suche mich selbst.“ Und dann wird auf einmal die ganze Armseligkeit unseres
Lebens offenbar.
Als der
auferstandene Herr Jesus unerkannt der weinenden Maria diese Frage vorlegte,
kam Maria keinen Augenblick in Verwirrung. Ihr Herz suchte nur Jesus.
Ein
Missionar, der in Indien arbeitete, erzählt: Eines Tages erschien schmutzig und
verkommen ein indischer Straßenjunge in der Missionsschule und fragte
aufgeregt: „Wohnt hier Jesus?“ – „Was willst du denn von dem?“ – „Ich möchte
ihn sehen und ihm alles sagen. Ich lüge, ich stehle, ich tue Böses. Aber ich
fürchte mich vor der Hölle. Und nun habe ich einen weißen Mann sagen hören, dass
der Herr Jesus von der Hölle erlösen kann. Darum möchte ich ihn sprechen.“
Wen suchen
wir?
Wenn es
uns geht wie der Maria, dass wir von Herzen den Heiland suchen, dann dürfen wir
seine Frage einmal umdrehen und dürfen ihn
fragen: „Herr, wen suchst du?“ Und
da antwortet er: „Ich suche dich.“
Das ist in
unserer Textgeschichte offenbar geworden, als der Herr Jesus Maria mit Namen
ruft: „Maria!“
Seht,
darum kann ein Herz, das aufrichtig den Herrn Jesus sucht, ihn gar nicht
verfehlen. Denn er selbst hat sich aufgemacht, uns zu suchen. Er verspricht: „So
ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden fassen.“
Ich
bete an, Herr Jesu Christ,
Und
sage: Ich bin dein!
Nimm
mich zu dir; denn wo du bist,
Soll
auch dein Diener sein.
10.
April
Spricht Jesus zu ihr: „Weib, was weinest du?“
Johannes 20, 15
Hier
lernen wir, was dem Sohne Gottes das Allerwichtigste ist.
Es ist am
Morgen seiner Auferstehung. Die Heilstat von Golgatha ist vollbracht. Nun
beginnt ein Kriegszug von geradezu gigantischem Ausmaß. Denken wir nur einmal
daran, welch ein Kampf um das Evangelium in aller Welt heute gekämpft wird. Nun
seht den großen, siegreichen Feldherrn am Auferstehungsmorgen!
Wo finden
wir ihn? Finden wir ihn etwa auf dem Marktplatz von Jerusalem, wo er Tausende
mit hinreißenden Worten zu einem heiligen Feldzug aufruft? Oder sehen wir ihn
umgeben von seinen Getreuen über die Landkarten der Welt gebeugt in ernster
Beratung?
Nichts
dergleichen! Er ist in den stillen Garten des Joseph zurückgekehrt, weil das
Weinen der Magdalena ihn gezogen hat.
Eine
weinende Seele, ein Herz, das sich nach ihm sehnt, ein zerbrochenes Herz und
ein zerschlagenes Gemüt – das geht bei dem Herrn Jesus allem andern vor.
Es müsste
der Welt doch unheimlich werden, in weich souveräner Hoheit Jesus an ihr, ihrer
Art und ihren Anliegen vorübergeht und sich in abgründiger Barmherzigkeit einer
weinenden Seele zuwendet.
So ist
Jesus. Das ist die frohe Botschaft für die Elenden: Wenn jemand ganz in der
Tiefe ist, wenn alle Sünden gegen einen aufstehen, wenn ein Herz verzweifeln
will, weil Gott so schrecklich ferne zu sein scheint – dann ist der Heiland da
und beugt sich herab: „Was weinest du?“
Herr,
mein Hirt, Brunn aller Freuden,
Du
bist mein,
Ich
bin dein,
Niemand
kann uns scheiden!
Ich
bin dein, weil du dein Leben
Und
dein Blut
Mir
zugut
In
den Tod gegeben.
11.
April
Spricht Jesus zu ihr: „Ich fahre auf zu
meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Johannes 20, 17
Man muss
darauf achten, dass der Auferstandene nicht sagt: „Ich fahre auf zu meinem
Vater.“ Mit großem Nachdruck sagt er: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Hiermit
sagt Jesus etwas Wunderbares: dass seine Jünger zum lebendigen Gott dasselbe
Verhältnis haben dürfen wie er selbst. Wir dürfen zu Gott stehen wie Jesus! Das
ist die Frucht seines Todes, wo er unsere Sünde weggetragen und uns versöhnt
hat.
Um das
recht zu verstehen, müssen wir zurückdenken an die Anfänge: Nach dem Sündenfall
trieb Gott die Menschen aus dem Garten Eden. Das Tor zu Gott ward verschlossen.
Als aber
Jesus in die Welt kam, da tat sich das Tor auf. Wir singen an Weihnachten: „Heut
schleußt er wieder auf die Tür / Zum schönen Paradeis …“
Und als
Jesus zurückkehrte zum Vater, da ließ er nach seiner Himmelfahrt die Türe
hinter sich offen.
Darum
spricht Paulus von dem „offenen Zugang zu dieser Gnade, darin wir stehen“. Und
der Hebräer-Brief sagt: „So wir nun haben die Freudigkeit zum Eingang in das
Heilige durch das Blut Jesu, so lasset uns hinzugehen.“
Christen
sind Leute, die eine offene Tür zum Himmel haben. Sie wandeln im „Morgenglanz
der Ewigkeit“, der aus der offenen Tür bricht. Und sie wissen, dass sie selbst
einmal hindurchgehen werden.
Drum
sei Gott Lob, der Weg ist gmacht,
Uns
steht der Himmel offen.
Christus
schließt auf mit großer Pracht,
Vorhin
war alls verschlossen.
Wer’s
glaubt, des Herz ist freudenvoll,
Dabei
er sich doch rüsten soll,
Dem
Herren nachzufolgen. Halleluja.
12.
April
Spricht Jesus zu ihr: „Ich fahre auf zu
meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Johannes 20, 17
Was ist
das für ein Jubel, wenn Matrosen nach langer Reise den Heimatwimpel setzen. „Nach
Hause!“
Solcher
Jubel klingt aus dem Wort Jesu: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem
Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Glaubt
ihr, dass Jesus, der Sohn Gottes, Heimweh gehabt hat, solange er auf Erden war?
O ja! Schon als Zwölfjähriger blieb er im Tempel Gottes zurück und sagte zu
Maria: „Muss ich nicht sein in dem, was meines Vaters ist?“ Dieses Heimweh Jesu
spüren wir, wenn er nächtelang in die Einsamkeit der Berge ging, um mit dem
Vater zu reden. Und dies Heimweh brach erschütternd heraus, als er am Kreuz
rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“
Nun aber
ist das Werk der Erlösung vollbracht: „Ich fahre auf!“
Dies Wort
wurde zuerst zu Maria Magdalena gesprochen. Die Magdalena hätte erschrocken
denken können: „Und was soll denn aus mir werden? Und aus den Jüngern? Und aus
all denen, die Jesus lieb haben? Sollen wir traurig zurückbleiben?“
Es ist
merkwürdig, dass weder Maria Magdalena noch die anderen Jünger, denen Jesus
erschien, so dachten oder sagten. Sie begriffen: Die große Liebe, die den Sohn
Gottes in die Welt Hereintrieb, die den König des Himmels in Tod und Grab
brachte, die wird das angefangene Werk auch zu Ende führen.
Der
Heiland, der als Erniedrigter die Seinen geliebt hat bis ans Ende, der wird
auch als Erhöhter die Hand nicht ablassen von den Seinen, bis er alles zum
letzten Ziel gebracht hat.
Zeuch
uns nach dir
Nur
für und für
Und
gib dass wir nachfahren
Dir
in dein Reich,
Und
mach uns gleich
Den
auserwählten Scharen.
13.
April
Am Abend aber desselben ersten Tages der
Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor
den Juden, kam Jesus.
Johannes 20, 19
Eigentlich
hatte Jesus gar keine Veranlassung, zu seinen Jüngern zu kommen.
Sie hatten
ihn doch in Gethsemane schmählich im Stich gelassen. Ja, Petrus hatte ihn
dreimal ganz offen verleugnet.
Und wie ungehorsam
waren sie! Ausdrücklich hatte er seinen Jüngern befohlen, sie sollten nach dem
Norden des Landes, in die Einsamkeit von Galiläa, gehen. Dort sollten sie ihn
sehen. Stattdessen saßen sie hier in Jerusalem.
Und wie
ungläubig waren sie! Wie oft hatte Jesus ihnen gesagt, dass „des Menschen Sohn
solches leiden müsse und dass er am dritten Tage auferstehen werde“.
Und wie
furchtsam waren sie! Statt auf ihren siegreichen Herrn zu vertrauen, dachten
sie nur an die Gefahren, die ihnen drohten.
Man könnte
es wahrhaftig verstehen, wenn der Herr Jesus diese ungetreue Jüngerschar ganz
und gar hätte fallen lassen. Und nicht nur diese Jüngerschar, sondern auch uns;
denn der Unglaube und die Menschenfurcht und der Ungehorsam sind ja bei uns
genauso zu finden wie bei den Jüngern.
Aber – wie
treu ist Jesus! Er geht seinen Jüngern nach. Er lässt sie nicht fallen. Er
sucht sie immer und immer wieder auf. Er zerbricht das zerstoßene Rohr nicht
und löscht den glimmenden Docht nicht aus.
Von Rechts wegen hätte unser Heiland uns
längst verstoßen müssen. Aber es geht bei ihm von Gnaden wegen. Was würde aus uns, wenn Jesus nicht so treu wäre!
Gelobt sei der gute Hirte seiner Schafe!
Auf
Gnade darf man trauen,
Man
traut ihr ohne Reu;
Und
wenn uns je will grauen,
So bleibes: Der Herr ist treu.
14.
April
Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.
Lukas 24, 34
Es war
wohl eine späte Nachtstunde, als die Emmaus-Jünger froh bewegt in Jerusalem in
den Kreis der Jünger traten, um den Ängstlichen und Betrübten ihre wundersame
Begegnung mit dem Auferstandenen zu berichten.
Aber sie
kamen zuerst gar nicht zu Wort. Gar nicht mehr ängstlich und betrübt, sondern
voll Siegesfreude finden sie die Jünger vor. Und es war wohl ein rechter
Tumult, als es jeder zuerst berichten wollte: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden
und dem Simon erschienen.“
Was liegt
nicht alles in dem Wörtlein „wahrhaftig“!
Da spricht
die Vernunft, die sich lange, fange
gewehrt hat und sich nun geschlagen gibt vor der Wirklichkeit des lebendigen
Gottes: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Da spricht
die Seele. Lange hieß es: „Wie der
Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir!“ Nun
hat Gott geantwortet. Und sein herrliches Tun unter den Menschenkindern schenkt
uns den Retter und Todesüberwinder. Nun heißt es: „Mein Leib und Seele freuen
sich in dem lebendigen Gott.“
Da spricht
das Herz. Es hat gezittert und sich
gefürchtet, als es am Karsamstag so aussah, als wollten Menschenmacht und
Menschenbosheit triumphieren. Nun ist das Herz froh und getrost: „Mein Herze
geht in Sprüngen / Und kann nicht traurig sein, / Ist voller Freud und Singen,
/ Sieht lauter Sonnenschein.“
Da spricht
der Mund, der nicht mehr schweigen
kann, der es aller Welt bezeugen muss: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“
Christ
ist erstanden
Von
der Marter alle;
Des
soll'n wir alle froh sein,
Christ
will unser Trost sein.
Kyrieleis.
Wär er
nicht erstanden,
So wär die Welt vergangen;
Seit
dass er erstanden ist,
So lob’n wir den Vater Jesu Christ.
Kyrieleis.
15.
April
Jesus … spricht zu ihnen: Friede sei mit
euch. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite … Da
sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch.
Johannes 20, 19 bis 21
Einen
unbeschreiblichen Frieden bringt der Herr Jesus in Herz und Haus. Dass wir doch
alle davon ein reichliches Teil bekämen!
Aber
dieser Friede ist nicht ein seliges, grundloses Gefühl.
O nein!
Dieser Friede Jesu hat seinen Grund. Und er wird erfahren im Gewissen. Jesus
bringt ihn nur zu denen, die die Ursache ihrer Friedlosigkeit sehen und sehen
wollen: die Wirklichkeit der Sünde.
Der
Friede, den Jesus bringt, hat seinen tiefen Grund in der Vergebung der Sünden.
Weil der Friede Jesu aus der Vergebung der Sünden kommt, darum wird er im
Gewissen erfahren.
Wollen wir
Vergebung? – Dann müssen wir sehen, wie Jesus in unserem Text sich zeigt: „Da
zeigte er ihnen die Hände und seine Seite.“
Was zeigte
denn Jesus da? Er zeigte seine durchgrabenden Hände. Diese Hände haben die
Handschrift zerrissen, die gegen uns war. Diese Hände haben unsere Sünde ans
Kreuz getragen. Diese Hände wurden um unsertwillen durchbohrt.
Es ist
nicht von ungefähr, dass Jesus zweimal sagt: „Friede sei mit euch!“ Und dass er
dazwischen seine Nägelmaie zeigt. Der gekreuzigte Heiland der Sünder – der ist
es, der den Frieden bringt. Der allein. Der aber wirklich. Gelobt sei er!
Deinen
Frieden gib
Aus
so großer Lieb
Uns,
den Deinen, die dich kennen
Und
nach dir sich Christen nennen;
Denen
du bist lieb, Deinen Frieden gib.
16.
April
Da sie aber davon redeten, trat er selbst,
Jesus, mitten unter sie … sie erschraken aber und fürchteten sich, meinten, sie
sähen einen Geist.
Lukas 24, 36 und 37
Unverständliches
Verhalten der Jünger!
Die zwei
traurigen Emmaus-Jünger waren dem auferstandenen Herrn Jesus begegnet. Eilig
liefen sie zurück und suchten die Freunde auf. Aber ehe sie ihren Bericht loswerden
konnten, erzählten die ihnen ganz aufgeregt: Wir wissen alles, „der Herr ist
wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen“. Und dann erzählen die beiden
den aufhorchenden Jüngern ihr Emmaus-Erlebnis: ihre
Begegnung mit dem Manne Jesus, der von den Toten auferstanden ist.
„Und als sie
noch davon redeten …“ – so erzählt der Text – „trat er selbst, Jesus, mitten
unter sie.“
Man sollte
doch nun wirklich annehmen, diese Jünger seien nach all den Berichten genügend
vorbereitet gewesen auf das Erscheinen Jesu. Die Auferstehung war ihnen
verkündigt. Sie hatten der Verkündigung geglaubt. Sie redeten davon.
Nun trat
Jesus mitten unter sie. Jetzt müsste der Bericht doch weitergehen: „Sie aber
jubelten, fielen ihm zu Füßen …“
Zu unserem
Erstaunen aber hören wir etwas ganz anderes: „Sie erschraken … meinten, sie
sähen einen Geist.“ Und es dauerte sehr lange, bis der Herr Jesus sie von der
Wirklichkeit seines Lebens und damit von der Wirklichkeit ihres Heils
überzeugen konnte.
Diese
Jünger sind ein Bild der Christenheit. Man weiß von Jesus. Man weiß von Sünde
und Errettung. Aber man weiß davon eben nur theoretisch, nur vom Hörensagen.
Wie würden wir erschrecken, wenn Jesus jetzt unter uns träte! Und wir werden
erschrecken. Denn er kommt wieder.
Wir
brauchen ein Christentum der göttlichen Wirklichkeiten, wo man den lebendigen
Herrn wirklich kennt und in ihm seines Heils gewiss geworden ist.
Er
ist erstanden von dem Tod,
Hat
überwunden alle Not;
Kommt,
seht, wo er gelegen hat!
Halleluja.
17.
April
Da sie aber noch nicht glaubten vor Freuden
und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: „Habt ihr hier etwas zu essen?“
Lukas 24, 41
Der
Schriftsteller Josef Wittig schreibt so köstlich in
seinem Buch „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“ von der
Auferstehung Jesu: „Er hätte aufwachend die ganze Apostel- und Jüngerschar, das
ganze Priester-Kollegium von Jerusalem samt der römischen Beamtenschaft um das
Grab versammeln können, um vor aller Augen die Tür zu sprengen und glorreich
aus dem Grabe hervorzugehen … Ich zum Beispiel, da ich noch so sehr von dieser
Welt bin, hätte mir gleich eine polizeiliche oder wenigstens pfarramtliche
Bescheinigung verschafft, schon um meinen späteren Verteidigern ihre großen
Mühen zu erleichtern.“
Jesus hat
es nicht getan. Gestorben ist er so, dass es in die Akten der Weit kam.
Auferstanden ist er so, dass es in die Akten des Glaubens kommt.
Aber wie
ungläubig ist das Menschenherz! Wie wenig ist es imstande, die großen Taten
Gottes zu begreifen! Als die Jünger Jesus sahen, glaubten sie zuerst nicht aus
Furcht, es sei ein Gespenst. Nachher glaubten sie nicht aus Freuden.
Aber der
Herr Jesus ruhte nicht, bis er ihren Unglauben überwunden und sie zur Gewissheit
geführt hatte. Er ließ sich betasten. Er aß und trank vor ihnen.
Denn es
liegt ihm soviel daran, dass wir gewiss werden. Gewissheit müssen wir haben im
Kampf des Lebens, Gewissheit in den Anfechtungen, Gewissheit, wenn das Gewissen
uns verklagt, Gewissheit im Sterben.
Uns zeigt
sich Jesus nicht mehr wie seinen Jüngern. Aber wir haben das gewisse Zeugnis
der Apostel. Und wir haben einen Heiligen Geist, der es in unseren Herzen
versiegelt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Für
diesen Trost, o großer Held,
Herr
Jesu, dankt dir alle Welt.
Dort
wollen wir mit größ’rem Fleiß
Erheben
deinen Ruhm und Preis.
Halleluja.
18.
April
Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.
Psalm 16, 10
Als
Abraham einst seine Zelte im Hain Mamre aufgeschlagen hatte, kam abgehetzt ein
Bote zu ihm und verkündete: „Mächtige Feinde haben die Stadt Sodom überfallen
und alle Einwohner weggeschleppt, darunter auch deinen Neffen Lot.“
Sofort
bewaffnete Abraham 318 Knechte, brach mit ihnen auf, folgte den Feinden in
Eilmärschen. Und bei Nacht überfiel er das Lager der Feinde. Die waren so
bestürzt, dass sie entsetzt flohen und alle Beute zurückließen (1. Mose 14).
Wer wäre
da nicht gern der Bote gewesen, der zu den Gefangenen eilte und ihnen
verkündete: „Ihr seid frei. Ein Stärkerer hat euren starken Feind besiegt!“?
Solch ein
Freuden- und Siegesbote will das Osterfest sein. Es gibt einen schauerlichen
und starken Feind, der uns alle davon schleppt, den Tod. Aber hier in der
Ostergeschichte steht die ungeheure Sieges- und Freudenkunde: Der Tod ist
überwunden!
Das ist
allerdings eine ungeheuerliche Botschaft. Denn die Macht des Todes ist nicht
auszusprechen. Wie unbarmherzig fährt er drein! Und wie respektlos ist der Tod!
Er schleppt nicht nur die Alten und Elenden davon. Er fällt den Jüngling in der
Blüte. Er reißt dem König die Krone vom Haupt. Er jagt den planenden
Großindustriellen von seinen Projekten.
Aber nun
wird dem alles beherrschenden Tod ein mächtiges „Halt!“ zugerufen – vom
lebendigen Gott. Christus sagt schon im Alten Bund: „Du wirst meine Seele nicht
dem Tode lassen.“ Und er hat Recht behalten.
In der
Auferstehung Jesu ist gleichsam eine Durchbruchsschlacht geschehen durch die
Front des Todes. Und hinter dem auferstandenen Herrn her strömen die an ihn
glaubenden Scharen ins ewige Leben.
Schwing
deine Siegesfahne
Auch
über unser Herz,
Den
Lebensweg uns bahne
Vom
Grabe himmelwärts.
19.
April
Gott hat mir ein Lachen zugerichtet.
1. Mose 21, 6
Der
Schweizer Schriftsteller und Pfarrer Nikolaus Bolt erzählt
in seinem Buch „Wege und Begegnungen“, wie er einmal in einem Schweizer
Lazarett bunt eingebundene Bibelbüchlein verteilt habe. Die Soldaten hätten sie
gern genommen, und dann habe einer gesagt: „Das gfallt
üs, dass das Büchli nümme schwarz ibunda fisch.“ – Vielleicht
wollte der Soldat sagen, in der Bibel ist so viel von Freude die Rede, dass die
gewöhnliche schwarze Einbandfarbe schlecht dazu passt.
Nun, auf
den Einband kommt's nicht an. Aber das stimmt: Es ist viel von Freude die Rede
in der Bibel. Sehr viel!
Umso
seltsamer ist es, dass die Bibel so wenig vom „Lachen“ spricht. Vielleicht
darum, weil das Lachen oft der Ausdruck einer oberflächlichen Freude ist. Die
Freude eines Christen aber, die Freude eines versöhnten Gewissens ist eine
tiefe, wurzelhafte Sache. – Vielleicht liegt's auch
daran, dass die Freude. der Christen meist eine „Freude unter Tränen“ ist, weil
Kinder Gottes durch viel Anfechtung und Leid gehen müssen.
Aber eine
Frau gibt's in der Bibel, von der zweimal berichtet wird, dass sie lachte. Das
war Abrahams Weib. Als der Herr dem alten Abraham einen Sohn verhieß, „da
lachte Sara hinter der Türe“. Das war ein ungutes Lachen. Ein Lachen, mit dem
die Vernunft Gottes Verheißung verspottete. Sara schämte sich später auch
dieses Lachens.
Aber dann
hat Sara noch einmal lachen müssen: als Gott sein Wort wirklich wahr machte und
ihr einen Sohn schenkte. Das war ein stolzes, dankbares Lachen. „Gott hat mir
ein Lachen zugerichtet“, sagt Sara.
Ja, das
ist es, was Christen lachen macht mit einem Lachen, davor die Hölle erschrickt,
das Wissen: Gott macht sein Wort wahr. Wie wird dies frohe Lachen in der
Ewigkeit erklingen, wenn alle Verheißungen erfüllt sind! „Dann wird unser Mund
voll Lachens und unsere Zunge voll Rührens sein.“
Wenn
alles wankt, dein Zeugnis nicht,
Du hältst,
was deine Huld verspricht,
Drum
sucht dein Volk, das dir sich weiht,
Hier
seinen Schmuck in Helligkeit.
20.
April
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.
Psalm 84, 5
Eine
unbändige und nie versiegende Freude haben die Kinder Gottes an ihrem Herrn und
Heiland die loben dich immerdar.“
„Immerdar“!
Wie ein gehetztes Wild musste David sich vor seinen Feinden verstecken in den
Höhlen des Felsgebirges. Er hat da den 57. Psalm gedichtet, wo er von seinem „Jammer“
spricht.
Aber mitten
in dem Psalm heißt es auf einmal: „Mein Herz ist bereit, mein Herz ist bereit, dass
ich singe und lobe.“ Da bricht einfach die unbändige Freude an seinem Heiland
durch und bringt alles andere zum Schweigen.
Ich finde,
es gibt so entsetzlich viel langweilige und gewissermaßen staubige Menschen.
Die brauchen dann Rausch, um ihrem armen Leben einen kümmerlichen Glanz zu
geben.
Auf
rechten Christen aber liegt, auch wenn sie alt werden – ja, je älter sie
werden, desto mehr –, der Glanz eines taufrischen Maimorgens. Das kommt von
dem: „… die loben dich immerdar.“
Kurz ehe
ich dies schrieb, traf ich einen armen, invaliden Bergmann. Meine Seele war
etwas matt, weil ich den ganzen Morgen nur Klagen gehört hatte. „Wie geht's?“
fragte ich. Und setzte gleich hinzu: „Es sind harte Zeiten!“ Da erwiderte er
mit fröhlichen Augen: „Wir haben einen Heiland!“ Nichts weiter! Aber es lag wie
Anbetung in seiner Stimme: „… die loben dich immerdar.“
Es ist gewiss
so, dass der Teufel und die Welt es darauf anlegen, diese Melodie bei uns zu
ersticken. Aber keine Angst: Recht gesehen ist unser Text nicht nur die Feststellung
einer Tatsache, sondern eine Verheißung. Der Herr sorgt dafür, dass seine
Kinder ihn loben können.
Wie
sollt ich nun nicht voller Freuden
ln
deinem steten Lobe steten?
Wie
sollt ich auch im tiefsten Leiden
Nicht
triumphierend einhergehn?
Und
fiele auch der Himmel ein,
So
will ich doch nicht traurig sein.
21.
April
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.
Psalm 84, 5
Es gibt
also richtige „Hausgenossen Gottes“ (Epheser 2, 19).
Sind wir
das? Mit weniger sollten wir uns nicht zufrieden
geben.
Wir
gehören gewiss nicht zu den Feinden Gottes. Denn die pflegen ja im Allgemeinen
keine Andachtsbücher zu lesen. Aber auch wenn man kein Feind Gottes ist, ist
man noch lange kein „Hausgenosse Gottes“.
„… die in
deinem Hause wohnen …“! in jedem rechten Haus gibt es Gäste. Die sind recht vertraut mit den Hausgenossen, ja, sogar mit
dem Hausvater. Aber – sie gehören nicht zur Familie. Vielleicht sind wir je und
dann Gottes Gäste, welche die Verbindung nicht ganz abreißen lassen. Aber – das
ist zuwenig. Kinder Gottes sollten
wir werden!
in jedem
Haus gibt es auch Lieferanten.
Zweimal in der Woche kommt ein Bäcker und bringt Brot. Er ist ein lieber und
wertgeschätzter Mann. Aber – Hausgenosse ist er nicht. Vielleicht sind wir
Gottes Lieferanten. Wir liefern ihm in gewissen Abständen ein Gebetlein ab oder einen Kirchenbesuch oder gar eine gute
Tat. Die Pharisäer waren geradezu Großlieferanten Gottes. Es ist nichts dagegen
zu sagen als das eine: Es ist zuwenig. Kinder
Gottes sollten wir werden!
Ja, wie
wird man das denn?
Das geht
nur durch den Herrn Jesus. Er hat einmal (Johannes 10, 9) gesagt: „Ich bin die
Tür.“ Wer durch diese Tür geht, von dem gilt es: „Wohl denen, die in deinem
Hause wohnen!“
Wir können
es noch besser so klarmachen: Er ist der Sohn Gottes. Wenn er mein Bruder ist –
und was möchte er lieber! –, dann bin ich in die Gottesfamilie aufgenommen,
dann bin ich Kind Gottes und Gottes Hausgenosse. Dann stimme ich dem von Herzen
zu: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen!“
So
wird die Freude ewig sein;
Denn
du, mein Bruder, führst mich ein
Dahin,
wo ich, was du getan,
Im
höhern Chor besingen kann.
22.
April
Gelobet sei der Herr, mein Hort, … meine
Güte und meine Burg, mein Schutz und mein Erretter, mein Schild, auf den ich
traue.
Psalm 144, 1 und 2
Ein
eigenartiger Mann war dieser David, von dem die Bibel uns sehr viel zu
berichten weiß.
Was hat er
nicht alles erlebt! Vom Schafhirten hat er es bis zum König gebracht. Das ist
immerhin eine nicht alltägliche Laufbahn. Und welche Abenteuer hat er
bestanden! Einmal hat er – als Junge noch – mit dem Riesen Goliath gekämpft und
ihn besiegt. Als junger Mann musste er jahrelang fliehen vor dem König Saul.
Was wäre aus dieser Zeit nicht alles zu berichten: Wie er einst in einer Höhle
übernachtete und vorne in der Höhle nichts ahnend seine Gegner lagerten; oder
wie er sich einst in das Lager Sauls schlich …
Kurz, das
ganze Leben dieses David ist randvoll gefüllt mit den interessantesten und
erzählenswertesten Erlebnissen.
Aber nun erzählt die Bibel nicht nur von David,
sondern sie lässt ihn auch selbst zu Worte kommen. Es gibt viele Kapitel, in
denen David selbst spricht.
Und da
sollte man ja nun meinen: In diesen Abschnitten wird David von seinen
Erlebnissen berichten; da wird er – wie ein Weltreisender oder ein alter
Kriegsteilnehmer – den bunten Film seines Lebens vor uns abrollen.
Aber – und
das ist wirklich seltsam! – das tut er nicht. Wo er selbst zu Worte kommt, da
spricht er – von seinem Gott. Wie die Sterne verschwinden, wenn die Sonne aufgeht,
so werden ihm seine Erlebnisse unwichtig vor der großen Wirklichkeit Gottes.
Ja, er selbst wird sich unwichtig. Nur Gott ist wichtig.
„Gelobet
sei der Herr …!“ Das ist eigentlich alles, was er zu sagen hat. Aber er wird
nicht müde, das zu sagen mit immer neuen Worten. Und – eigentlich ist das ja
auch das einzige, was zu sagen sich lohnt.
Dankt
unserm Gott, lobsinget ihm!
Lobsinget
ihm mit lauter Stimm,
Dankt
und lobsinget allesamt!
Gott
loben, das ist unser Amt.
23.
April
Und es ward eine große Freude in derselben Stadt.
Apostelgeschichte 8, 8
Als ich
einst einem jungen Mann die Herrlichkeit des Christenstandes pries, da meinte
er pfiffig: „Mit Speck fängt man Mäuse!“
Er war der
Überzeugung – und diese Überzeugung teilt er mit sehr vielen Leuten –, dass ein
von Gott gelöster Weltmensch in herrlicher, sonniger Freiheit lebe. Und nun versuchen
die Christen mit vielen süßen Worten, diese herrlich freien Leute in einen finsteren
Keller zu locken, wo man nur noch den Kopf hängen lassen kann und ein recht
trübseliges Leben führt.
O was für
eine Verkehrung der Tatsachen! Ich habe damals dem jungen Mann ins Gesicht
gelacht und ihm gesagt: „Die Sache steht genau umgekehrt, wie Sie sie sehen. Der unbekehrte Mensch sitzt in einem sehr
dunklen Keller, den er sich mit allerlei künstlichen Lichtlein
zu erhellen sucht. Dabei aber ist draußen der helle Tag angebrochen, seitdem
der Herr Jesus in die Welt gekommen ist Und nun bitte ich Sie: Springen Sie
doch aus Ihrem finsteren Keller in den hellen Sonnenschein der Gnade Jesu
Christi!“
Ob er es
getan hat, weiß ich nicht. Aber die Leute in jener samaritanischen
Stadt taten es, als Philippus ihnen das Heil Gottes in Jesus verkündigte. In Scharen
verließen sie den dunklen Keller ihres alten Lebens und liefen in den
Sonnenschein und in die Freude und in das wirkliche Leben.
Ich habe
einmal in meinem Jugendkreis gesagt: „ich biete eine Million demjenigen, der
mir jemand nachweist, der es bereut hat, dass er sich zum Herrn Jesus bekehrt
hat. Gewiss, ich habe die Million gar nicht. Aber ich kann diese Prämie getrost
aussetzen. Denn einen solchen Menschen wird niemand auf der weiten Welt
auftreiben können. Wohl aber kann man auf Sterbebetten viele finden, die es
sehr bereuen, dass sie Jesus verachtet haben.“
Bei ihm
ist „große Freude“!
Er
ist dein Schatz, dein Erb und Teil,
Dein
Glanz und Freudenlicht,
Dein
Schirm und Schild, dein Hilf und Heil,
Schafft
Rat und lässt dich nicht.
24.
April
Ich will den Herrn loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem
Munde sein.
Psalm 34, 2
Wann soll
ein Christ seinen Herrn loben?
Die
Vernunft sagt: „Natürlich dann, wenn man dazu in Stimmung ist, wenn es sich aus
einer allgemeinen fröhlichen Gemütsstimmung ergibt.“
Oder: „Dann,
wenn man eine besondere Durchhilfe des Herrn erfahren
hat, dann soll und kann der Christ seinen Herrn loben.“
So sagt
die Vernunft. David aber ist durch den Heiligen Geist anders belehrt worden: „Ich
will den Herrn loben allezeit. Sein
Lob soll immerdar in meinem Munde
sein.“
„Allezeit“
und „immerdar“ sollte ein Christ seinen Herrn loben.
Ja, ist
denn so etwas möglich? Ist denn das nicht zuviel verlangt? Es gibt doch so
viele graue Alltage, wo das Herz gar nicht auf „Lob“ gestimmt ist. Es gibt doch
so viele dunkle Tage, wo schwere Wolken am Himmel unseres Lebens sind. Es gibt
doch Nächte des Leides und der Traurigkeit. Es gibt doch so viel Kampf, Not,
Sünde, Tränen, Herzeleid. – Ist es da nicht überspannt, so zu reden: „Ich will
den Herrn loben allezeit“?
Nun, David
ist durch den Heiligen Geist so belehrt worden. Und wir müssen da achten auf
die Worte: „den Herrn“. Der Herr Jesus ist immer und allezeit anbetungswürdig.
Er gibt das Wasser des Lebens auch im grauesten
Alltag. Er ist der „Stern in allen
Nächten“ und „der Held in jedem Streit“. Es gibt keine Lage, wo wir nicht Jesus
loben könnten und sollten.
Weicht,
ihr Trauergeister,
Denn
mein Freudenmeister,
Jesus,
tritt herein.
Denen,
die Gott lieben,
Muss
auch ihr Betrüben
Lauter
Freude sein.
Duld'
ich schon
Hier
Spott, und Hohn,
Dennoch
bleibst du auch im Leide,
Jesu,
meine Freude.
25.
April
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass
es die Elenden hören und sich freuen. Preiset mit mir den Herrn und lasst uns
miteinander seinen Namen erhöhen.
Psalm 34, 3 und 4
Wenn man
einen Stein in das stille Wasser eines Sees wirrt, dann gibt's Kreise. Diese
Kreise dehnen sich aus, wachsen in die Weite. Und es ist am Schluss nicht mehr
recht festzustellen, wo sie eigentlich zu Ende gehen.
Mit jedem
durch Jesus erretteten Kind Gottes ist es ebenso. Tief im Herzen fängt es an,
das Licht der Heilserkenntnis, das der Geist Gottes anzündet. Aber dann bricht
es heraus, wird zum Zeugnis. Das Zeugnis erreicht andere Menschen; immer
weitere Kreise zieht dies neue Leben. Und nur Gott sieht, wo die Grenzen und wo
das Ende der Wirkungen eines solchen Zeugnisses sind.
In unserem
Psalmwort spricht David hiervon: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.“ Tief
im Herzen beginnt es. Die Seele, die erschrocken war vor Gott und begraben lag
unter der Sündenschuld, hat den Retter erkannt. Wer könnte davon schweigen?
„… dass es
die Elenden hören“. Sind nicht die anderen Seelen in gleicher Lage? Hört es,
ihr Elenden: „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude!“
„… und sich
freuen.“ Jetzt wird es da und dort hell in anderen Herzen. „Wollt ihr nun
schweigen?“ fragt David. „Auf, preiset mit mir den Herrn!“
Und nun
entsteht die Gemeinde Jesu, die Gemeinde geretteter und durch Jesu Blut
erkaufter Menschenkinder, in der man „miteinander seinen Namen erhöht“.
Ist es um
uns her ruhig und tot? Es liegt an uns! Sorgen wir dafür, dass unser Zeugnis
Kreise zieht! Der Herr will es!
Ich
singe dir mit Herz und Mund,
Herr,
meines Herzens Lust;
Ich
sing und mach auf Erden kund,
Was
mir von dir bewusst.
26.
April
Ich wandle fröhlich, denn ich suche deine Befehle.
Psalm 119, 45
Ein
lieblicher Morgen. Der Tau glitzert auf allen Gräsern.
Da klingt's fern, ein frohes Lied fröhlicher Gesellen: „Wer
recht in Freuden wandern will, / Der geh' der Sonn' entgegen …“
Wir sind
ja alle miteinander auf einer Wanderung. Unser ganzes Leben ist „ein Wandern
zur großen Ewigkeit“.
Frisch und
fröhlich marschieren die einen. „Der Himmel hängt ihnen voller Geigen.“ Sie
wissen noch nichts von mittagheißen Straßen und von dunklen Nächten des Leides.
– Trotzig und verbissen marschieren andere daher. Sie sind entschlossen, allen
Widerständen zum Trotz, „ihren“ Weg
zu gehen. – Und wieder andere schleppen sich müde daher. – Und dann die
Gedankenlosen, die mit dem großen Haufen auf ausgetretenen Bahnen dahertrotten –
so rechte Alltagsmenschen!
Da redet
nun in unserem Bibelwort ein Mann, der das Lied: „Wer recht in Freuden wandern
will …“ sicher nicht kannte. Aber – und das ist viel wichtiger – er konnte „recht
in Freuden wandern“. Sein Leben war nicht mehr ein naiver Lebensrausch. Es war
aber auch nicht ein müdes Trotten oder trotziges Rennen. „Ich wandle fröhlich.“
– Warum? – „Denn ich suche deine Befehle.“ Da spricht einer, der mit seinem
Gott in Ordnung gekommen ist. Da spricht einer, der „seine“ Wege aufgegeben hat. Und er hat sich und sein Leben, Lust
und Leid in die ewigen Hände der Gnade gegeben, wo Vergebung, Freiheit und
Frieden sind.
Das ist
der Weg zum fröhlichen Wandern. Auch für uns!
Wohl
einem Haus, da Jesus Christ
Allein
das All in altem ist.
Ja,
wenn er nicht darinnen wär,
Wie
elend wär's, wie arm und leer!
So mach'
ich denn zu dieser Stund'
Samt
meinem Hause diesen Bund:
Wenn
alles Volk vom Herrn abwich,
Doch
dienen wir ihm ewiglich.
27.
April
Ihr habt das Wort aufgenommen unter vielen Trübsalen mit Freuden.
1. Thessalonicher 1, 6
Ist das
denn möglich? Schließen sich „Trübsal“ und „Freude“ nicht gegenseitig aus? Ist
es nicht so: Je mehr Freude – desto weniger Trübsal?
Nun, so
mag ein Weltmensch denken, der von den geistlichen Dingen nichts versteht und
nichts ahnt von dem Reichtum und – der Paradoxie eines rechten Christenstandes.
Im
Christenstand ist es tatsächlich wunderlich: Je mehr Trübsal, desto mehr Freude
im Heiligen Geist. Und: Je mehr Freude am Herrn, desto größere Trübsal.
Wo das
Evangelium aufgenommen wird, da erweckt es Trübsal. Da verliert nämlich der
Mensch alle eigene Gerechtigkeit, alle eigene Weisheit, alle eigene Kraft. Er
wird an sich ganz zuschanden; denn er wird vor Gott offenbar als ein armer,
verschuldeter, sehr erlösungsbedürftiger Sünder. – Zugleich aber erhebt sich
Trübsal von außen: Not, Feindschaft der Welt, Schwierigkeiten aller Art. Als
sei „die Hölle los“. Ja, sie ist auch los. Der Teufel hasst nichts mehr als ein
erwachtes, zerschlagenes, Heilsverlangendes Gewissen. Darum will er es in den
alten Todeszustand zurückscheuchen.
Aber wer
durchbricht, erfährt nun „die Freude“. Der Sohn Gottes tritt auf den Plan,
Jesus. Er heilt das Gewissen. Er schenkt Kraft, Trost, neues Leben. Er geht als
Sonne hell auf.
So nimmt
man „das Wort auf unter vielen Trübsalen mit Freuden“. Und so bleibt’s im Christenstand. Je dunkler es von außen und
innen ist, desto größer wird die Freude im Herrn. Es ist ein Geheimnis. Aber
man kann es erfahren.
So
scheint uns nichts ein Schade,
Was
man um Jesum misst;
Der
Herr hat eine Gnade,
Die
über alles ist.
28.
April
Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber
hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe.
Jesaja 38, 17
Es gibt
soviel bedrückte und trostbedürftige Leute.
Es gibt
aber auch soviel „leidige Tröster“ – wie die Bibel sagt. Ja, sind nicht alle
Menschen „leidige Tröster“?
Ein
erfahrener Christ erzählte: „Ich war einst durch den Tod eines Kindes tief
verwundet und betrübt. Da kamen sehr viele liebe Menschen und sagten gute und ,Tiefempfundene' Worte. Aber ich merkte zu meinem
Schrecken: Diese Worte erreichten mich gar nicht. Sie drangen gar nicht
hinunter in die Tiefe, in der ich war. Trotzdem bin ich getröstet worden. Ich
fand das Wort Jesu: ,Den Frieden lasse ich euch,
meinen Frieden gebe ich euch.' Da habe ich gesagt: ,Herr
Jesus, dann gib deinen Frieden auch mir.' Und er hat ihn mir gegeben.“
Seht, so
ist Jesus der Mann, der trösten, heilen und verbinden kann. Wie viele werden es
einmal in der Ewigkeit jauchzend bekennen: „Du hast dich meiner Seele herzlich
angenommen.“
Da war
einmal vor den Toren Jerichos ein großes Menschengedränge. Tausende von
Neugierigen hatten sich eingefunden, um Jesus zu sehen. Oben in einem Baum aber
saß der Mann Zachäus, der Mann, dessen Leben durch die Sünde im Tiefsten
beunruhigt war. Sein Herz schrie nach dem Heiland. Aber sein Mund war stumm.
Es gehört
zu dem Wunderbaren, dass Jesus unter der lärmenden Menge das heimliche Schreien
dieses Herzens härte. Er beachtete nicht die laute Menge, aber O wie versteht
er die tiefsten Nöte und das geheime Seufzen unserer Seele, und wie herrlich
nimmt er sich unser an!
Seiner
kann ich mich getrösten,
Wenn
die Not am allergrößten;
Er
ist gegen mich, sein Kind,
Mehr
als väterlich gesinnt.
29.
April
Und es ward eine große Freude in derselben Stadt.
Apostelgeschichte 8, 8
In einer
Stadt Samarias gab es eine Erweckung. Wir wissen
nicht einmal den Namen dieser Stadt. Sie wird wohl in der Weltgeschichte keine
große Rolle gespielt haben. Ja, „bei Licht besehen“ wird sie wohl ein recht
elendes „Nest“ gewesen sein.
Überhaupt:
Samaria! Dies Mischvolk dort war ja so verachtet bei Heiden und Juden. Da lohnt
es wirklich nicht, um irgendein Städtlein dieses elenden Landes viel Worte zu
verlieren.
Aber unser
Gott sieht das Verachtete an. Wie oft hat er erwählt, was die Welt verachtet!
Und so hat er dieser samaritanischen Stadt eine
herrliche Erweckung geschenkt, als Philippus das Wort vom Kreuz predigte. Da
gab es zerbrochene Herzen. Da wurden böse Sünden aufgedeckt. Da schaute man in
Herzensnot auf zum Kreuz Jesu Christi und glaubte es von Herzen: „Das Blut Jesu
Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.“
Und nun
wurden alte Feindschaften begraben, zerrüttete Familien neu belebt, gestohlenes
Gut wurde zurückgebracht, denn „die unsauberen Geister fuhren aus“ (V. 7).
Wenn das
geschieht, gibt es Freude, mehr als das schönste Fest sie geben kann. Das sind
die wahren Gottesfeste.
Wie gerne
möchte Gott uns solche Freude bereiten!
Wenn
Gottes Winde wehen
Vom
Thron der Herrlichkeit
Und
durch die Lande gehen,
Dann
ist es sel'ge Zeit.
Wenn
Scharen armer Sünder
Entfliehn
der ew'gen Glut,
Dann
jauchzen Gottes Kinder
Hoch
auf vor gutem Mut.
30.
April
Da sie aber davon redeten …
Lukas 24, 36
Es gibt
ein Bibelwort, das heißt: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“
Wovon
reden wir?
Es gibt
Leute, die reden immer nur von sich selbst: wenn sie alt sind – von ihren
Krankheiten, wenn sie jung sind – von ihren Taten. Da ist das Herz ganz erfüllt
von sich selbst. Angenehm sind solche Leute nicht.
Andere
gibt es, deren Herz ist erfüllt mit Unkeuschheit. Ihr Mund geht über von Zoten
und schmutzigen Witzen. Sie sind eine Plage und ein Verderben für ihre
Umgebung. Und mancher Mutter Sohn wurde durch sie verdorben.
Wieder
andere wissen nur von Eierpreisen zu reden und von Essen und Trinken. Ihr Herz
ist der reinste Lebensmittelladen, angefüllt mit Alltagsdingen. Und wieder
andere verstehen sich auf den Klatsch. Da wird mit ernster Miene der Nächste
durchgehechelt. Und solches Reden verrät ein armseliges Herz.
Im Text
heißt es: „Da sie davon redeten …“ Wovon redeten diese Jünger? – Sie sprachen
miteinander von den großen Taten Gottes, vom Kreuz und von der Auferstehung
Jesu. Welch herrliches Gesprächsthema!
Diese
Jünger waren Leute wie wir. Die Alltagsdinge bewegten sie auch. Aber es ging
ihnen wie einem nächtlichen Wanderer. Der sieht die Sterne und freut sich
daran. Aber auf einmal geht die Sonne auf, und dann sind die Sterne unwichtig.
Da kamen die großen Taten Gottes, da kam Jesus in ihr Leben. Und alles wurde
überstrahlt von diesem hellen Licht.
Lasst uns
doch miteinander von den großen Taten Gottes reden!
O
komm, du Geist der Wahrheit,
Und
kehre bei uns ein,
Verbreite
Licht und Klarheit,
Verbanne
Trug und Schein.
Gieß
aus dein heilig Feuer,
Rühr
Herz und Lippen an,
Dass
jeglicher getreuer
Den
Herrn bekennen kann.
1.
Mai
Freuet euch nicht, dass euch die Geister
untertan sind. Freuet euch aber, dass eure Namen Im Himmel geschrieben sind.
Lukas 10, 20
Große
Erfolge – wie erheben sie die Seele!
Das
erlebten die Jünger, die Jesus als seine Boten ausgesandt hatte. Sie erfuhren
es erst auf diesem Wege recht, welch mächtigem Herrn sie dienten. Ganz
aufgeregt kamen sie zurück: „Herr, es sind uns auch die Dämonen untertan in
deinem Namen.“
Unser
Heiland kennt das Menschenleben. Er weiß, wie schnell nach dem Erfolg der Misserfolg
kommt. Und er kennt das Menschenherz, das bald „himmelhochjauchzend“
und bald „zu Tode betrübt“ ist. Und er will uns unvergängliche Freude schenken.
Darum sagt
er ein wundervolles Wort. Dies Wort bricht nichts ab von der Freude der Jünger
an ihren Siegen. Aber es stellt alles in ein neues Licht: „Freuet euch nicht
darüber, dass euch die Geister untertan sind.“ Es zittert in seinen Worten
etwas von der Sorge um seine Jünger. Er weiß ja, wie oft noch die Macht der
Finsternis siegen wird über die Schwachheit seiner Leute. Und dann wird nur ein
anderes ihnen Trost und unvergängliche Freude sein: „Freuet euch, dass eure
Namen im Himmel geschrieben sind.“
Es gibt
nichts, was uns in Lebenskampf und Todesnot mehr trösten könnte, als dass durch
Jesu Gnade der Name armer Sünder im Lebensbuch stehen darf.
Schreib
meinen Nam' aufs beste
Ins
Buch des Lebens ein,
Und
bind mein See! fein feste
Ins
schöne Bündelein
Der'r,
die im Himmel grünen
Und
vor dir leben frei,
So
will ich ewig rühmen,
Dass
dein Herz treue sei.
2.
Mai
Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken
und lobsingen deinem Namen, du Höchster, des Morgens deine Gnade verkündigen …
Psalm 92, 2 und 3
Ein alter,
erfahrener Christ wurde einst gefragt: „Wie machen Sie es nur, dass Sie so
fröhlich und sicher durch den Alltag gehen?“
Da
antwortete der: „Dies Geheimnis will ich Ihnen gerne verraten. Jeden Morgen, wenn
ich erwache, falte ich meine Hände und spreche: ,Ich
danke dir, Herr Jesus, dass du mich mit deinem Blute erkauft hast. Ich danke
dir, dass ich dein Eigentum sein darf. Amen. – Und dann fuhr er lächelnd fort: „Sehen
Sie, so stelle ich mich zu Beginn des Tages auf den Boden der Gnade. Und ich
beginne den Tag mit der tiefsten Freude, die es gibt: mit der Freude über das
Heil Gottes in Jesus.“
Ja, „es
ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken … des Morgens seine Gnade verkündigen.“
Unsere
Tage sind oft so arm, kümmerlich und gedrückt. So ein „köstlich Ding“, so ein
Höhepunkt, ein heller Glanz fehlt ihnen. Unsere Tage sind so oft „grau in grau“.
Hier wird
uns ein „köstlich Ding“ gezeigt, das unser Leben froh macht und unsere Alltage
heiligt – ein „köstlich Ding“, das unser Alltagsleben mit Ewigkeitslicht überstrahlt
und jeden Tag zum „Gottestag“ macht. „Dem Herrn danken … des Morgens seine
Gnade verkündigen“!
Und das
werden wir erfahren: Bei dem Herrn Jesus ist jedes Danken ein neues Nehmen. Und
jedes Nehmen führt in neues Danken für erfahrene Gnade.
Du
meine Seele, singe,
Wohlauf
und singe schön
Dem,
welchem alle Dinge
Zu
Dienst und Willen steten.
Ich
will den Herren droben
Hier
preisen auf der Erd';
Ich
will ihn herzlich loben,
Solang
ich leben werd'.
3.
Mai
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten.
Psalm 84, 6
Woran
liegt es denn, dass es in unserem Leben gar nicht so recht stimmt? Dass über
unserem Leben ganz und gar nicht das Wort steht: „Wohl den Menschen…!“
Es liegt
an uns. Es liegt daran, dass wir in völliger Verkennung unseres armen und
verlorenen Zustandes uns selbst für unsere Stärke halten.
„Wohl den
Menschen, die den Herrn für ihre Stärke halten“! Was heißt denn das? Eine
kleine, alltägliche Geschichte soll es uns deutlich machen:
Jungen
balgen sich auf der Straße. Ein großer, starker Junge hat einem kleinen Kerl
den Ball weggenommen. Und als der ihn wieder an sich reißen will, bekommt er
noch Prügel. Weinend zieht er ab. Aber auf einmal versiegen die Tränen.
Triumphierend dreht er sich um: „Wart, ich habe einen großen Bruder; der hilft
mir!“
Der Kleine
hielt nach seiner schmerzlichen Erfahrung nicht mehr sich selbst für seine
Stärke. Aber er war doch siegesgewiss. Er hielt seinen Bruder für seine Stärke.
„Ich habe
einen großen Bruder, der führt meine Sache!“ So triumphieren die Jünger Jesu
gegen Satan. und Welt, gegen Fleisch und Blut, ja gegen ihr eigenes,
anklagendes Herz. „Ich habe einen großen Bruder!“ Das ist der Herr Jesus, der
sich nicht schämt, uns Schwache, Arme, Schuldbeladene seine Brüder zu heißen.
Wir sind
schwach. Wie sollten wir allein fertig werden! Aber wohl uns, die wir den Herrn
für unsere Stärke halten dürfen!
Wenn
ich mein' Hoffnung stell zu dir,
So
fühl ich Fried und Trost in mir;
Wenn
ich in Nöten bei und sing,
So
wird mein Herz recht guter Ding.
Dein
Geist bezeugt, dass solches frei
Des
ew'gen Lebens Vorschmack
sei.
4.
Mai
Wohl den Menschen, die von Herzen dir nachwandeln.
Psalm 84, 6
Dass wir
uns nur keine falschen Vorstellungen vom Christenstand machen!
Wir denken
uns die Sache meist so: Wir wollen unseren
Weg, der uns wohlgefällt und den wir uns ausgedacht
haben, gehen. Und dann wollen wir den Herrn bitten, dass er mit uns gehe und
uns in unseren Wegen segne und
behüte.
Solange
wir noch so stehen, werden wir schwere Enttäuschungen erleben. Der Herr wird
nicht mit uns gehen. Er wird uns nicht segnen, sondern uns die bitteren Früchte
unserer Torheit essen lassen. Er wird uns nicht behüten, sondern uns fallen
lassen.
Denn er
denkt gar nicht daran, uns auf unseren
Wegen nachzuwandeln. Solange wir so stehen, haben wir keine Verheißung; solange
steht das „Wohl den Menschen…“ nicht über unserem Leben.
Nicht er
will mit uns ziehen, sondern wir sollen mit ihm ziehen. Nicht darum geht es, ob
Jesus unsere Wege mitgehen will, sondern darum, ob wir Jesu Wege mitgehen wollen.
„Jesus von
Herzen nachwandeln“ – das heißt: seine eigenen Wege drangeben und fragen: „Herr,
was willst du, dass ich tun soll?“
„Jesus von
Herzen nachwandeln“ – das heißt: sich nicht fürchten vor dem schmalen Weg, der
zum ewigen Leben führt. Das heißt: sich nicht scheuen vor dem Kreuz, ohne das
man auf Jesu Weg nicht gehen kann.
„Jesus von
Herzen nachwandeln“ – das heißt: alles können außer dem einen: einen Schritt
tun ohne ihn. Lasst es uns lernen! Dann gilt uns das „Wohl den Menschen …“
Jesu,
geh voran
Auf
der Lebensbahn,
Und
wir wollen nicht verweilen,
Dir
getreulich nachzueilen;
Führ
uns an der Hand
Bis
ins Vaterland.
5.
Mai
Er tut alles fein zu seiner Zeit.
Prediger 3, 11
Wettläufer
sind angetreten zum Wettlauf.
Da steht
seitwärts der Mann mit der Stoppuhr. Alle sehen auf ihn. Da – der Startschuss
knallt. Er drückt auf die Uhr – die Läufer rennen los.
Wie dieser
Mann es mit den Läufern macht, so möchten wir es gern mit Gott machen. Wir
sehen auf unsere Uhr und –: „Jetzt, lieber Gott, ist es Zeit zum Eingreifen!
Jetzt ist es Zeit zu helfen! Jetzt ist es Zeit, die Bösen zu strafen!“
Gott denkt
aber gar nicht daran, sich von uns vorschreiben zu lassen, wann er handeln
soll: „Er tut alles fein zu seiner
Zeit.“ Und wer Gottes Macht erfahren will, der muss es lernen, seine Uhr
wegzulegen und sich nach Gottes Uhr zu richten.
Gottes Uhr
geht meist langsamer als unsere Uhr. Manchmal auch schneller. Aber jedenfalls
meist anders als unsere Uhr. Er hat seine
Zeit. Und er tut alles nach seiner Zeit.
Und zwar
tut er alles „fein“ zu seiner Zeit. Ach, was gäbe das für Unheil, wenn Gott
sich nach unserer Ungeduld richten wollte! Weil er das nicht tut, darum
geschieht alles „fein“, was durch ihn geschieht.
Ein
Beispiel: Wenn es nach den Jüngern Jesu gegangen wäre, hätte Gott schon im
Garten Gethsemane eingreifen müssen. Aber das war nicht seine Stunde. „Das ist
eure Stunde“, sagt Jesus zu seinen Häschern.
Seine Stunde kam erst am Ostermorgen. Und dadurch wurden wir erlöst und
erkauft, „von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels“.
Das darf
uns trösten und gewiss machen in dunklen Nächten, wo wir nichts fühlen von
seiner Macht: „Er tut alles fein zu seiner Zeit.“
Bleibt
gleich die Hilf' in etwas lange,
Wird
sie dennoch endlich kommen;
Macht
dir das Harren angst und bange,
Glaube
mir, es ist dein Frommen.
Was
langsam schleicht, fasst man gewisser,
Und
was verzeucht, ist desto süßer.
Gib
dich zufrieden.
6.
Mai
Abraham dachte: Gott kann auch wohl von den Toten erwecken.
Hebräer 11, 19
Ich saß
einmal zusammen mit einem frommen Landwirt, und wir tauschten. unsere Sorgen
aus um unsere Kirche. Mir war das Herz schwer über allerlei traurigen Dingen,
die geschehen waren. Und es standen noch finstere Wolken am Himmel.
Da zog der
Landwirt seine Bibel aus der Tasche, schlug das Glaubenskapitel im
Hebräer-Brief auf und las Vers 19 a: „Abraham dachte: Gott kann auch wohl von
den Toten erwecken.“ Dann sagte er: „Sehen Sie, hier habe ich mir zwei Wörtlein
unterstrichen, die mir schon oft ein großer Trost geworden sind: ,Gott kann'.“
„Gott
kann.“ Das sollten wir nicht nur in unseren Bibeln, sondern auch in unseren
Herzen unterstreichen und hervorholen in Tagen des Kampfes und der Not.
Luther
übersetzt hier: „Abraham dachte“. Wörtlich übersetzt heißt es: „Abraham
rechnete: Gott kann.“
Die Welt
rechnet und kalkuliert anders. Der Glaube aber jubiliert: „Gott kann.“ Ja, Gott
kann Tote auferwecken. Unser Gott kann seinem Volk Wege in den Meeresfluten
geben. Unser Gott kann sein Volk speisen in der Wüste. Unser Gott kann das
stolzeste Herz demütigen. Unser Gott kann den hoffnungslosesten Zweifler
erleuchten. Unser Gott kann den gebundensten Sünder
befreien.
Darum
kommt alles darauf an, dass wir diesen Gott, der so Herrliches kann, zum Freunde
haben. Denn es ist hoffnungslos und schrecklich, den zum Feinde zu haben, dem
niemand widerstehen kann. Sind wir aber durch Jesus mit ihm versöhnt, dann sind
wir gut dran, auch auf schweren Wegen, wie sie Abraham gehen musste, als er
seinen Sohn zum Opferaltar führte.
Dein
ewge Treu und Gnade,
O
Vater, weiß und sieht,
Was
gut sei oder schade
Dem
sterblichen Geblüt;
Und
was du dann erlesen,
Das
treibst du, starker Held,
Und
bringst zu Stand und Wesen,
Was
deinem Rat gefällt.
7.
Mai
Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!
Psalm 103, 2
In einer
westdeutschen Großstadt steht an einer der Hauptgeschäftsstraßen eine alte
Kreuzigungsgruppe. Ein frommer Meister hat vor Jahrhunderten dies Bild in Stein
gehauen und aufgestellt.
Jetzt ist
es schon recht verwittert und geschwärzt. Große Bauten sind ringsherum
entstanden. Aber das Kreuz steht noch da.
Tausende
laufen täglich daran vorbei. Fröhliche und beschwerte Herzen gehen daran
vorüber, Gute und Böse. Hohe Leute in Autos fahren vorbei, und müde Bettler mit
zerrissenen Schuhen lehnen sich einen Augenblick daran.
Aber wer
von all diesen sieht das Kreuz?!
Ist es mit
dem wirklichen Kreuz Jesu nicht ebenso? Das hat Gott mitten in der Menschenwelt
aufgerichtet. Es ist der Ort, wo wir alle unsere Lasten ablegen dürfen, wo das
beladene Gewissen Vergebung findet und das unruhige Herz den Frieden.
Aber die
Menschen sind so erfüllt mit ihren Dingen, dass sie an dem großen Heil Gottes
in Jesus vorüberhasten. Ja, viele denken – wie bei jenem Kreuz in der Großstadt
–: „Das Wort vom Kreuz passt nicht mehr in unsere Zeit hinein. Es ist nur noch
eine Erinnerung an alte Zeiten.“
„Vergiss
nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Ja, vergiss es nicht! Im Kreuz ist Heil,
Frieden, Gnade Gottes, Leben, ewiges Leben. Halte ein in deinem Rennen, bleibe
stehen vor dem Kreuze Jesu, und sieh, was er dir Gutes getan hat!
Mein
Lebetage will ich dich
Aus
meinem Sinn nicht lassen,
Dich
will ich stets, gleich wie du mich,
Mit
Liebesarmen fassen;
Du
sollst sein meines Herzens Licht,
Und
wenn mein Herz in Stücke bricht,
Sollst
du mein Herze bleiben.
Ich
will mich dir, mein höchster Ruhm,
Hiermit
zu deinem Eigentum
Beständiglich
verschreiben.
8.
Mai
Gott, der Herr, ist Sonne und Schild.
Psalm 84, 12
Als die
Jugendbewegung viele junge Menschen in Deutschland ergriff, hörte man oft ein
Lied, in dem immer wieder vorkam: „… uns geht die Sonne nicht unter!“
Es mag
viele geben, die dies Lied nicht kennen. Aber das junge Herz singt es doch
allezeit fröhlich: „… uns geht die Sonne nicht unter!“
Und nun
möchte ich einmal die fragen, die dies Lied einst gesungen haben: „Sagt, ist
euer Leben auf dieser Höhe geblieben? Ist euch die Sonne nicht untergegangen?“
Und ich
weiß, viele werden stille werden. Und die meisten werden anfangen zu klagen und
zu erzählen, wie das Leben ihnen Enttäuschungen gebracht hat, wie die Ideale
der Jugend zerbrochen sind, wie die Sonne in ihrem Leben untergegangen ist. Und
viele werden verbittert schweigen.
Ich stand
einmal an einem Krankenbett. Eine bedeutende Frau, die in ihrem Leben viel heiße Kämpfe durchgefochten hatte, lag im Sterben. Da
bat sie die Umstehenden, man möchte ihr ihren Lieblingsvers singen. Es ist mir unvergesslich,
wie dann an diesem Sterbebett es jubelnd erklang: „Die Sonne, die mir lachet, /
ist mein Herr Jesus Christ. / Das, was mich singen machet, / Ist, was im Himmel
ist.“
Ja, es
gibt eine Schar von Menschen, denen in Wahrheit die Sonne nicht untergeht. Das
sind die, die erfahren haben: „Gott, der Herr, ist Sonne!“ – die das lebenschaffende Licht dieser Sonne in Jesus Christus, ihrem
Herrn und Heiland, gefunden haben.
Wir
Christen rühmen: „Uns geht die Sonne nicht unter.“
Ich
will von deiner Güte singen,
Solange
sich die Zunge regt;
Ich
will dir Freudenopfer bringen,
Solange
sich mein Herz bewegt;
Ja,
wenn der Mund wird kraftlos sein,
So
stimm ich noch mit Seufzen ein.
9.
Mai
Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen
Nöten.
Psalm 34, 7
Beim Gebet
hängt so viel von der rechten Herzensstellung ab.
Als der
Herr Jesus am Kreuz hing, riefen beide Übeltäter, die mit ihm gekreuzigt
wurden, ihn an.
Der eine
forderte frech und höhnisch: „Bist du Christus, so hilf dir selbst und uns!“
Der redete, als hätte er ein Recht, etwas zu fordern. Und während er forderte,
sprach doch aus jedem Wort der Unglaube. Es war, als wenn er sagen wollte: „Ich
will dir, Herr Jesus, mal eine Gelegenheit geben, Glauben zu wecken oder doch
dich beliebt zu machen. Aber ich vermute, es wird wohl nichts werden.“
Auf dies
Gebet hat der Herr nicht geantwortet. „Da dieser Stolze rief, hörte der Herr
nicht und ließ ihn in allen seinen Nöten.“ So könnten wir sinngemäß das
Psalmwort umkehren.
Auf die
Forderungen ungebeugter Herzen antwortet der Herr mit Schweigen.
Aber dem
anderen Schächer, der gebeugten Herzens ihn anrief, öffnete er die Tore des
Himmelreichs. „Da dieser Elende
rief, härte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten.“
Darauf
kommt alles an, ob wir klein geworden sind in unseren eigenen Augen. Darauf
sieht Gott, ob einer zerschlagenen und elenden Herzens ist.
Das
freche, stolze Reden des Pharisäers im Tempel war ein vergebliches Reden. Aber
das Rufen aus der Tiefe eines Sünderherzens, das Gebet des Zöllners: „Gott sei
mir Sünder gnädig!“ ward erhört.
Die Gebete
aus der Tiefe hört unser Gott gern.
Ich
begehre nichts, o Herre,
Als
nur deine freie Gnad',
Die
du gibest,
Den
du liebest
Und
der dich liebt in der Tat.
Lass
dich finden,
Lass
dich finden,
Der
hat alles, der dich hat.
10.
Mai
Und es geschah, da Jesus seine Jünger
segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an
und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude.
Lukas 24, 51 und 52
„Kinder!“
pflegte unsere Mutter zu sagen, wenn wir am Himmelfahrtsmorgen erwachten, „heute
ist der Tag der Thronbesteigung unseres Heilandes. Wenn Könige diesen Tag
feiern, dann darf man von ihnen etwas Besonderes erbitten. So wollen wir es bei
unserm Heiland auch machen!“
Nun weiß
ich zuwenig über Könige Bescheid, um nachprüfen zu können, ob es so ist. Und
ich glaube auch nicht, dass man diese Behauptung meiner Mutter biblisch belegen
kann.
Aber
jedenfalls lernten wir, das Fest der Himmelfahrt als einen Freudentag
ohnegleichen anzusehen.
Thronbesteigung
des Sohnes Gottes! „Er hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.“
Den Jüngern
bebte das Herz vor Freude. Nach der Niedrigkeit des Leidens, nach der Schmach
des Kreuzes wurde ihr geliebter Heiland nun herrlich erhöht. „Sie beteten ihn
an.“
Wer den
Herrn Jesus liebt, der wird sich voll Freuden im Geist neben den Aposteln
niederwerfen: „Siegesfürst und Ehrenkönig, / Höchst verklärte Majestät, / Alle
Himmel sind zuwenig, / Du bist drüber hoch erhöht. / Sollt ich nicht zu Fuß dir
fallen / Und mein Herz vor Freuden wallen, / Wenn mein Glaubensaug'
betracht' / Deine Glorie, deine Macht!“
Ein
bedeutender Mann klagte vor einiger Zeit über die „schwindenden Positionen des
Christentums“. Ach, du liebe Zeit! Es kann sein, dass unsere Positionen immer mehr schwinden, weil wir immer gott-loser
und haltloser werden. Aber Jesus hat die
Position aller Positionen: „Sein Thron steht ewig!“
Gen
Himmel aufgefahren ist, Halleluja,
Der
Ehrenkönig Jesus Christ. Halleluja.
Er
sitzt zu Gottes rechter Hand, Halleluja,
Herrscht
über Himmel und alle Land. Halleluja.
11.
Mai
Und es geschah, da Jesus sie segnete, schied
er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Lukas 24, 51
Das steht
so einfach da: „Er fuhr gen Himmel.“
„Ach,
lieber Lukas“, möchte man ausrufen, „weißt du denn nicht, dass diese
Himmelfahrt für die Vernunft eine unfassbare Sache ist? Weißt du nicht, dass
eine Menge Fragen auftauchen, naturwissenschaftliche und philosophische und
theologische Fragen? Weißt du das nicht, Lukas?“
Wir
bekommen keine Antwort auf all diese Fragen. Der Bericht des Lukas geht
königlich darüber hinweg. Das ist der gewaltige Stil der Bibel: „Er fuhr auf
gen Himmel.“
So erzählt
kein Märchenerzähler. So spricht einer, der eine erschütternde Tatsache
berichtet, die er nur einfach hinstellen kann und die ihn selber überwältigt.
Wie
wunderbar ist Christus! Luther sagt dazu in einer Auslegung des Himmelfahrtpsalmes (110. Psalm): „Was sind nun alle Könige
und Fürsten mit all ihrer Macht und Regiment gegen diesen, der da sitzt und
regiert in dem Stuhl göttlicher Majestät? Es sind arme Bettler und elende
Menschen, die sich selbst nicht raten und helfen können.“
„Und fuhr
auf gen Himmel.“
Und die
Feinde? Der kühle Pontius Pilatus und der hasserfüllte Hoherat
und das spottende Volk?
Auch über
sie geht der Bericht hinweg. Was soll man da noch von den Feinden Christi
sagen, wo es heißt: „Und er fuhr auf gen Himmel“?
Calvin
sagt: „Wie auch die Welt rast, so reichen ihre Hände doch nicht so weit,
Christus von der Rechten des Vaters herabzuziehen; und weil Christus nicht für
sich regiert, sondern zu unserem Besten, werden wir unter der Hut dieses unbesieglichen Königs sicher und unversehrt sein.“
Nun
freut sich alle Christenheit
Und
singt und springt ohn alles Leid.
Gott
Lob und Dank im höchsten Thron,
Weil
unser Bruder Gottes Sohn. Halleluja.
12.
Mai
Und es geschah, da er sie segnete, schied er
von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Lukas 24, 51
Der letzte
Eindruck!
Wie mag
sich den Aposteln dies Bild ihres Herrn und Heilandes eingeprägt haben: „Da er
sie segnete …“
In
mancherlei Lagen hatten sie ihn gesehen: Sie hatten ihn zornig gesehen, als er
den Tempel reinigte. Gewaltig hatte er vor ihnen gestanden, als er den Sturm
stillte. Als das „Lamm, das seinen Mund nicht auftut“, war er ihnen am
Karfreitag erschienen. In herzlicher Liebe hatte er unter ihnen geweilt, als er
ihnen das Abendmahl austeilte.
Der letzte
Eindruck aber war so: durchgrabene Hände, aufgehoben
zum Segnen. Unauslöschlich hat sich dies Bild ihnen eingeprägt. Und wir
verstehen, dass sie dann „mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehrten“.
„Mit
großer Freude“! Denn es ist eine herrliche Sache, unter den aufgehobenen
Segenshänden des Herrn Jesu zu stehen.
Es werden
nachher in der Apostelgeschichte seltsame Dinge von diesen Männern erzählt:
Furchtlos trotzen sie der Welt und ihren Drohungen; in Gefängnissen singen sie
Loblieder; getröstet gehen sie in den Tod; freudig greifen sie eine ganze Weit
an; mutig tragen sie Jesu Fahnen unter die Völker.
Das kann
man ja nur begreifen, wenn man versteht: Sie wussten sich unter diesen
segnenden, durchgrabenen Händen Jesu.
Und dort
dürfen auch wir stehen und zum Frieden kommen. Es gibt keinen besseren,
sichereren, fröhlicheren Platz als unter diesen Segenshänden.
Nun
ist dieses dein Geschäfte
In
dem obern Heiligtum,
Die
erworbnen Segenskräfte
Durch
dein Evangelium
Allen
denen mitzuteilen,
Die
zum Thron der Gnaden eilen,
Nun
wird uns durch deine Hand
Heil
und Segen zugewandt.
13.
Mai
Jesus ist aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.
Epheser 4, 10
Es gibt
ein Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff mit dem Titel „Himmelfahrt“. Das
beginnt:
„Er war ihr eigen dreiunddreißig Jahr.
Die Zeit ist hin, ist hin!
Wie ist sie doch nun alles Glanzes bar,
Die öde Erd', auf der ich atm' und bin …“
Wenn es
wirklich so wäre, dann könnte man eines in den evangelischen Berichten nicht
verstehen: nämlich die Freude, die nach der Himmelfahrt die Herzen der Jünger erfüllte.
So sehen doch die Leute nicht aus, die Abschied genommen haben. Nein! Diese
Apostel hatten nicht von Jesus Abschied genommen. Er war ihnen nun auf ewig
geschenkt.
Es ist ein
eigenartiges Wort, in dem Paulus diese Tatsache den Ephesern schreibt: „Er ist
aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.“ Damit ist gesagt: „Nun
ist die Welt voll Jesus.“ Der Satz klingt wohl merkwürdig. Aber so bezeugt der
Paulus durch den Heiligen Geist. Und so verstanden es alle Apostel: „Die Welt
ist voll Jesus.“
Und wenn
nun die Menschen auf all das graue Elend sehen, wenn sie uns sagen: „Die Weit
ist voll Tränen, voll Jammer, voll Ungerechtigkeit, voll Schuld, voll Not“,
dann wollen wir ihnen in fröhlichem Glauben antworten: „Ja, aber die Welt ist
auch voll Jesus.“
Sie ist
nicht „alles Glanzes bar, die öde Erd', auf der ich atm' und bin“. Sie ist voll
Jesus. Und das ist Trost, Leben, Gnade und Hoffnung.
Du
kannst alles allerorten
Nun
erfülln und nahe sein;
Meines
armen Herzens Pforten
Stell
ich offen, komm herein!
Komm,
du König aller Ehren,
Du musst
auch bei mir einkehren;
Ewig
in mir leb und wohn
Als
in deinem Himmelsthron.
14.
Mai
Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes
empfangen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein zu
Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Apostelgeschichte 1, 8
Hier wurde
der größte und seltsamste Kriegszug beschlossen, den die Weitgeschichte je
gesehen hat.
Jesus, der
Sohn Gottes, hat sein Leben für die Weit dahingegeben.
Jetzt nimmt er den Kampf um die verlorene Welt auf. Nachdem er selbst auf
Golgatha den Einbruch in das Reich der Finsternis gemacht hat, sendet er nun
seine Streiterscharen aus.
Eine seltsame
Armee ist es, die auszieht zum Kampf! Schon die Zahl ist auffallend: elf
Männer! Noch nie hat eine so kleine Streiterschar einen so großen Krieg
begonnen. Aber es sind elf Männer mit Jesus. Elf Männer – das wäre nichts. Aber
elf Männer mit Jesus – das ist eine große Macht.
Und die
Ausrüstung dieser Streiterschar? „Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes
empfangen“! Das ist keine Ausrüstung, die die Weit
fürchtet oder ernst nimmt. Aber es ist eine göttliche Ausrüstung von oben. Und
darum ist sie machtvoll.
Und die
Taktik dieser Streiterschar Jesu? „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Die Gemeinde
Jesu hat keine andere Taktik und darf keine andere haben als die, dass sie überall
und immer, zur Zeit und zur Unzeit, ihren Herrn und
sein Kreuz und Auferstehen verkündigt und bezeugt.
Und der
Kriegsschauplatz? „Bis an die Enden der Erde.“ So weit die Erde ist, so weit
gehen auch die Aufgaben und das Ziel der Gemeinde Jesu Christi.
Bis in
unsere Tage geht dieser Kriegszug. Auch wir sind gerufen zum Streit.
In
deiner Kraft wir liegen ob,
Dass
weit erschall dein' Ehr' und Lob
Und
alle Welt des innewerd',
Dass
du noch lebst und herrschst auf Erd'.
Halleluja.
15.
Mai
Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben.
Hesekiel 36, 26
Überall
wird auf Pfingsten gerüstet. Bei manchen ist noch großer Hausputz. Die Jungen
richten ihr Rad für eine Pfingstfahrt. Das junge Mädchen läuft zur Näherin, ob
das Frühlingskleid fertig ist. Und alle schauen jeden Morgen zum Himmel, ob
denn nun wirklich die Frühlingssonne da sei.
Überall
Zurüstung für Pfingsten! Es ist nichts zu sagen gegen diesen fröhlichen Eifer.
Aber wir Christen sollten wissen, dass es an Pfingsten um mehr geht als um zwei
freie Tage. Es geht um den Heiligen Geist. Und darum besteht alle rechte Pfingstzurüstung
darin, dass wir uns bereit machen für diesen Heiligen Geist.
Wenn man
einen Blick tut über die Christenheit in Deutschland, dann muss man wohl
dankbar sagen: Es ist viel Fragen nach Gott vorhanden, viel Liebe zu Jesus und
viel Opferbereitschaft für die Werke des Reiches Gottes.
Und doch –
wir gleichen so vielfach den Jüngern nach Ostern. Bei denen war auch Liebe zu
Jesus und Bereitschaft zu Opfer und Dienst. Aber es fehlte ihnen die neu
gestaltende Kraft des Heiligen Geistes, die das Herz wirklich neu macht und
feste Heilsgewissheit gibt. Wir sind trotz allem dürres Land. Aber dürres Land,
auf das Gott den Regen seines Geistes gießen will.
Ja, Gott
will. An ihm fehlt es nicht: „Ich will euch ein neues Herz und einen neuen
Geist in euch geben.“ Die Frage ist nur, ob wir wollen. Da fehlt es meist. Wir
fürchten uns vor der ganzen totalen Gottesherrschaft in unserem Leben. Dass wir
doch wollten!
Komm,
o komm, du Geist des Lebens,
Wahrer
Gott von Ewigkeit,
Deine
Kraft sei nicht vergebens,
Sie
erfüll uns jederzeit;
So
wird Geist und Licht und Schein
In
dem dunklen Herzen sein.
16.
Mai
Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.
Apostelgeschichte 2, 21
Das muss
schon ein besonderes Wort sein!
Es steht
nämlich dreimal in der Bibel. Und da die Bibel mit den Worten sehr sparsam ist
(man denke nur, wie knapp die aufregende Ostergeschichte berichtet wird!), so
ist dieses Wort von besonderer Wichtigkeit.
Wir wollen
uns diese Bedeutsamkeit am Gegenteil deutlich machen. Im „Faust“ hat Goethe ein
Glaubensbekenntnis formuliert, das seitdem das Bekenntnis von Tausenden
geworden ist. Ja, es ist vielleicht unser Verhängnis, dass jeder „Gebildete“
dem großen Dichter dies Bekenntnis nachplappert. Da sagt Faust zu Gretchen: „Und
wenn du ganz in dem Gefühle selig bist / Nenn es dann, wie du willst / Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! / Ich habe keinen Namen /
Dafür! Gefühl ist alles; / Name ist Schall und Rauch / Umnebelnd Himmelsglut.“
So sagt Goethe!
Gottes
Wort sagt genau das Gegenteil. Gottes Wort sagt: „Das Gefühl hat keinen Wert.
Gib nichts drum! Aber der Name! Auf den Namen kommt alles an! Wer den Namen des
Herrn anrufen wird, soll selig werden.“
Es kommt
alles darauf an, dass wir den rettenden, starken, Seligmachenden Namen Jesus kennen und anrufen.
Da wird so
deutlich, wie die Bibel uns aus dem Dunst unserer nebelhaften Gefühle in eine
göttliche, Klarheit führt.
Darum
mahnt uns der Apostel Paulos nicht: „Folge nur dem Drang deiner blinden
Gefühle!“, sondern: „Wachset in der Erkenntnis Jesu Christi.“ Je mehr wir darin
zunehmen, je klarer wir seine unendliche Liebe, seine Stellvertretung für
Sünder, sein völliges Heil, die Kraft seines Blutes, die Herrlichkeit seiner
Auferstehung erkennen, desto freudiger und gewisser werden wir diesen Namen
anrufen und darin die wunderbarsten Erfahrungen machen.
Wer
ist wohl wie du,
Jesu,
süße Ruh?
Unter
vielen auserkoren,
Leben
derer, die verloren,
Und
ihr Licht dazu;
Jesu
süße Ruh.
17.
Mai
Von Herzen begehre ich dein des
Jesaja 26, 9
Ein Mann
in Herzensunruhe!
In der
Nacht hat sie ihn überfallen „wie ein Gewappneter“.
Aber – dieser
Mann kann beten. Es ist das Schreckliche in unseren Tagen, dass die Menschen in
ihrer Herzensunruhe die Fähigkeit zum Beten verloren haben. Es ist eigentlich
alles schon gut und uns ist geholfen, wenn wir beten können.
Als man in
der Schweiz den Gotthard-Tunnel baute, fing man gleichzeitig im Süden und
Norden an, die Stollen Vorzutreiben. Als sie sich einander näherten, vernahm
man in dem einen Stollen die dumpfen Sprengungen des anderen.
Auch Gott
arbeitet sich zu uns heran. Vielleicht haben wir in stillen Stunden oder in
besonderen Ereignissen schon sein Klopfen gehört. Und vielleicht ist auch unser
Herz auf dem Weg und sehnt sich nach dem lebendigen Gott. Und doch gibt es noch
kein Gespräch zwischen ihm und uns, weil Felsmauern zwischen uns sind.
Es muss so
ein letzter Durchbruch geschehen wie dort bei dem Gotthard-Tunnel. Da kam
nämlich ein Augenblick, in dem eine Sprengung die letzte Felsmauer öffnete. Und
durch das Loch reichte ein Staubbedeckter Arbeiter seinem Kameraden, der vom
anderen Stollen herantrat, die Hand.
Das ist
eine selige Stunde, wenn die letzte Mauer zwischen unserem Gott und uns fällt
und wir es ihm sagen können: „Von Herzen begehre ich dein.“
Die Bibel
berichtet von einem Zöllner, der in dieser Stunde betete: „Gott, sei mir Sünder
gnädig!“ Ein Wort, hineingesprochen in das Angesicht und Herz Gottes, der sich
in Jesus durch alles hindurch zu uns hingearbeitet hat.
Nun
ergreif ich dich,
Du
mein ganzes Ich;
Ich
will nimmermehr dich lassen,
Sondern
gläubig dich umfassen,
Weil
im Glauben ich
Nun
ergreife dich.
18.
Mai
Herr, du bist vormals gnädig gewesen deinem
Lande. Willst du uns denn nicht wieder erquicken?
Psalm 85, 2 und 7
Ein
bekümmertes Gemüt spricht hier. Vielmehr: Es
sprach vor zweieinhalbtausend Jahren. Aber dieses Wort könnte ebenso heute
gesprochen sein. Die Welt hat sich gewandelt. Doch die Dunkelheit und Not der
Herzen ist geblieben. Ein Strom von Kümmernis rauscht unheimlich durch diese
dunkle Welt.
Aber
diesem Strom kommt ein anderer Strom entgegen: Der Strom des herzlichen
Erbarmens unseres Gottes. Dieser herrliche Strom entspringt im Herzen Gottes.
Und in Jesus strömt er gewaltig in die Welt hinein. „Wohin dieser Strom sich
nur immer ergießt, / Da jubelt und jauchzet das Herz, / Das nunmehr den
köstlichen Segen genießt, / Erlöset von Sorgen und Schmerz.“
Das
bekümmerte Herz, das in unserem Psalmwort spricht, weiß davon. Und so wirft es
sich mit all seinem Jammer an das Herz des Heilandes. Wenn wir in die Bibel hineinschauen,
finden wir überall solche Menschen, die ihre Kümmernis nicht bei sich behalten,
sondern sie hineinwerfen in den Strom der Liebe Jesu.
Die
meisten Menschen stauen ihre Bekümmernis in ihrem Herzen. Das gibt ein rechtes
Elend. Da geht es zu wie bei einer Talsperre, bei der alle Abflüsse gesperrt
sind: Der Druck wird zu stark. Und schließlich fließt es über die Staumauer als
Verbitterung, Stumpfheit oder als verzweifelter Leichtsinn. Und die Ärzte reden
von Neurose oder Komplexen.
Wohl dem,
der Jesu Liebe kennt und alle Kümmernis in sein Heilandsherz werfen kann! Wo
vorher die Kümmernis herrschte, wohnt dann sein Friede.
Wir
liegen hier vor dir im Staube,
O
Vater, mit zerknirschtem Geist;
Uns
hält und stärkt allein der Glaube,
Dass
du noch der Erbarmer seist.
Ach
hast du noch ein Vaterherz,
So
siehe doch auf unsern Schmerz!
19.
Mai
… auf dass ihr erfüllet werdet mit allerlei
Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles, das wir bitten
…
Epheser 3, 19 und 20
Ein
deutsches Sprichwort sagt: „Bescheidenheit ist eine Zier.“ Und das ist bestimmt
wahr. Aber es gibt auch ein gegenteiliges Sprichwort. Das heißt: „Nur die
Lumpen sind bescheiden.“
Es ist ein
tiefer Sinn auch in diesem derben Wort. Es besagt, dass es Fälle gibt, wo
Bescheidenheit fehl am Platze ist. Ja, noch mehr: „Nur
die Lumpen sind bescheiden“ – das will heißen: „Wer ein böses Gewissen hat, der
kann nicht mit Freudigkeit bitten.“
Das gilt
nun namentlich für das geistliche Leben eines Christen. O, da sind wir so
bescheiden, so anspruchslos: Ein ganz klein bisschen Liebe zum Herrn, ein
Fünkchen Glauben, ganz geringe Erkenntnis, eine unbestimmte Hoffnung auf „ein
besseres Jenseits“, das ist alles, was wir haben.
Warum
wollen wir nicht mehr? Warum
erbitten wir nicht mehr? Das böse
Gewissen ist die Ursache. Wenn wir mit der Sünde ganz brechen und die
Versöhnung in Jesus ganz ergreifen, werden wir freudig, mehr zu erbitten.
Seht nur
einmal auf den Apostel Paulus! In Vers 14 fängt er an: „Ich beuge meine Knie
vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi …“ Und dann erbittet er der Gemeinde
in Ephesus die herrlichsten Dinge: Kraft, Einwohnung Christi, Glauben, Liebe,
Erkenntnis – sechs ganze Verse lang. Und er schließt mit der Bitte: „… dass ihr
erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle“! Das ist doch viel! Das ist doch
genug!
Aber
Paulus geht noch weiter. Jetzt fährt er fort: „Gott kann aber überschwänglich
mehr geben, als wir erbitten.“ „Überschwänglich mehr“!
O dass wir
nicht so bescheiden wären in geistlichen Dingen!
Wohl
mir, dass ich dies Zeugnis habe;
Drum
bin ich voller Trost und Freudigkeit
Und
weiß, dass alle gute Gabe,
Die
ich von dir verlanget jederzeit,
Die
gibst du und tust überschwänglich mehr,
Als
ich verstehe, bitte und begehr.
20.
Mai
Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie
von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen.
Apostelgeschichte 2, 3
Vor meinem
Hause ist auf dem Bürgersteig ein unebener Stein. Lange Zeit bin ich jedes Mal
über ihn gestolpert.
Und so
kommt mir dieser Vers vor. Sooft ich diese Geschichte las, stolperte ich über
das Wörtlein „er“. Das ist ja gar kein richtiges Deutsch! Entweder ist von den
Zungen die Rede, dann muss es heißen: „Sie setzten sich.“ Oder es geht um das
Feuer. Dann müsste da stehen: „Es setzte sich.“
Aber nun
heißt es hier: „Er setzte sich auf einen jeglichen.“ Wer ist dieser „er“, der
hier zunächst gar nicht mit Namen genannt ist?
Da ist der
Heilige Geist gemeint. Und durch dieses auffällige, ja geradezu entschlossene „er“
will der Schreiber sagen, dass der Heilige Geist eine Person ist, die dritte
Person der Dreieinigkeit.
Es ist
nichts Verschwommenes in der Offenbarung Gottes. Der Heilige Geist ist auch
nicht irgendein blinder, dumpfer Geist. Er hat nichts gemein mit den
Geistesströmungen, die je und dann die Menschen zu den seltsamsten Taten
fortreißen.
Der
Heilige Geist ist Person. Darum ist es sinnvoll, dass unsere Pfingstlieder ihn
betend ansprechen: „O heilger Geist, kehr bei uns ein
…“ – „Du Quell, draus alle Weisheit fließt …“
Der
Heilige Geist ist Person. Darum weiß er auch, was er will. Er hat ein klares, zielbewusstes
Wollen. Und mit diesem Wollen setzt er sich durch gegen alle Torheit und gegen
jeden Widerstand der Menschen. Der Heilige Geist will Jesus verklären. Darum
deckt er die Herzen auf, dass sie ihren verlorenen Zustand erkennen und zu
Jesus eilen. Wo Jesus verklärt wird, da ist der Heilige Geist am Werk. Möchte
er auch an uns sein gutes Werk vollenden!
Du
unerschöpfter Quell des Lebens,
Allmächtig
starker Gotteshauch,
Dein
Feuermeer ström nicht vergebens,
Ach
zünd in unsern Herzen auch.
21.
Mai
Sie entsetzten sieh aber alle.
Apostelgeschichte 2, 7
Ob wir
nicht doch die Pfingstgeschichte missverstehen?
„Pfingsten!“
– Da klingt uns im Ohr Goethes Gesang: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald …“
Ja, sind
nicht auch in unserm Gesangbuch fast alle Lieder auf diesen Klang gestimmt:
Pfingsten – das liebliche Fest? „Schmückt
das Fest mit Maien, / Lasset Blumen streuen, / Zündet Opfer an …“
Seltsam –
in der Pfingstgeschichte herrscht ein ganz anderer Ton: „Da kam die Menge
zusammen und wurde bestürzt …“ Und ein paar Sätze weiter: „Sie entsetzten sich
aber alle und verwunderten sich …“ Und noch einmal: „Sie entsetzten sich alle
und wurden irre und sprachen einer zum andern: Was will das werden?“
Die Menge,
die da am ersten Pfingsttag zusammenkam, hatte offenbar gar nicht den Eindruck
von einem „lieblichen Fest“. Nein, nicht einmal von einem Fest! Sie machten
viel eher den Eindruck von Leuten, die einer Katastrophe beiwohnen; von Leuten,
die unversehens in einen sehr großen Schrecken geraten sind.
Jawohl!
Eine Katastrophe erlebten diese Leute: Sie wurden vom Heiligen Geist vor den
lebendigen Gott gestellt.
Es waren
ja wohl fromme Leute. Sie waren zu einem der Tempelfeste nach Jerusalem
gekommen. Die Bibel sagt sogar ausdrücklich, es seien „gottesfürchtige Leute“
gewesen.
Aber es
ist doch etwas anderes, wenn man plötzlich vor den Lebendigen gestellt wird. Da
entsetzt sich der Mensch. Da wird das Gewissen erschreckt.
Aber
gerade das will der Heilige Geist. Denn nur ein erschrockenes Gewissen kann
recht Jesu Stimme hören.
Geist
der Weisheit, gib uns allen
Durch
dein Licht
Unterricht,
Wie
wir Gott gefallen.
Lehr
uns, recht vor Gott zu treten,
Sei
uns nah
Und
sprich Ja,
Wenn
wir gläubig beten.
22.
Mai
Sie entsetzten sich aber alle … und sprachen
einer zu dem andern: Was will das werden? Die andern aber hatten ihren Spott.
Apostelgeschichte 2, 12 und 13
Als ich
nachdenklich die Pfingstgeschichte las, fiel mir etwas auf. Da heißt es: „Sie
entsetzten sich alle.“ „Alle“ – da
gibt es keine „anderen“. Aber gleich darauf heißt es: „Die andern hatten ihren
Spott.“ Müsste es nicht heißen: „Die einen
entsetzten sich – die andern
spotteten“?
„Alle“ und
„die andern“ – das gibt es doch logischerweise gar nicht. Und man könnte im
ersten Augenblick denken: „Hier liegt eine Flüchtigkeit des Verfassers vor.“
Aber der
Heilige Geist hat wohl gewusst, warum er das so schreiben ließ. Es liegt ein
tiefer, ja erschreckender Sinn darin:
„Alle“,
die für Gott in Betracht kommen, wurden vom Wirken des Heiligen Geistes
beeindruckt. Die andern liegen für Gott unter dem Blickfeld, sie sind
eigentlich gar nicht erwähnenswert. Sie zählen für Gott gar nicht mit.
Wie
erschreckend für die Spötter! Sie hielten sich für so klug und überlegen. Wie
wären sie erschrocken, wenn sie gewusst hätten, dass sie für Gott nur „die
andern“ neben „allen“ sind! Das ist die Stellung der Bibel auch sonst. Im Psalm
1 heißt es: „Sie sind wie die Spreu, die der Wind verstreut.“
Diese
ganze Sache ist darum verwunderlich, weil die „alle“ in der Bibel auch die „kleine
Herde“ genannt sind. Aber Zahlen spielen vor Gott keine Rolle. Ihm gilt nur die
kleine Herde. Hier sind sie ihm „alle“, mögen die Spötter nach Millionen
zählen.
Das ist
erschreckend: Dass wir doch ja nicht so an den Rand von Gottes Blickfeld
geraten! – Das ist tröstlich: Wie ruht doch Gottes Blick mit Liebe auf denen,
die von seinem Geist bewegt werden!
O
heiliger Geist, o heiliger Gott,
Erleucht
uns durch dein göttlich Wort;
Lehr
uns den Vater kennen schon,
Dazu
auch seinen lieben Sohn.
O
heiliger Geist, o heiliger Gott!
23.
Mai
… den habt ihr angeheftet und erwürgt.
Apostelgeschichte 2, 23
Wie viel seltsames
enthält die Pfingstgeschichte! Da wird berichtet, dass lauter Fremde,
Festpilger aus aller Herren Länder, sich um die Apostel scharten. Leute aus
Jerusalem waren zunächst wohl nur wenige dabei.
Diesen
Fremden predigt Petrus von Jesus. Und da sagt er zweimal: „… den habt ihr erwürgt und angeheftet und
gekreuzigt.“
Man möchte
den Petrus unterbrechen: „Petrus, was redest du für Unsinn! Die allermeisten
von diesen Leuten waren ja am Karfreitag gar nicht dabei!“
Ich habe
einmal an einer Versammlung teilgenommen, die sehr schlecht besucht war. Und da
hat der Redner schrecklich gescholten, dass nur so wenige gekommen seien. Er
hat die Anwesenden gescholten dafür, dass die andern nicht anwesend waren. Ein
ungeschickter Redner!
So will
uns auch der Petrus hier vorkommen, als er den Fremden sagt: „Ihr habt Jesus
erwürgt.“ Und man erwartet einen heftigen Protest der Hörer.
Aber was
geschieht? „Da ging's ihnen durchs Herz.“ Das ist die Wirkung des Heiligen
Geistes, dass man weiß: „Ich habe den Heiland ans Kreuz gebracht mit meinen
Sünden.“
Der
Dichter Paul Gerhardt lebte im 17. Jahrhundert. Er war also am Karfreitag nicht
bei denen, die schrieen: „Kreuzige ihn!“ Und doch sang er: „Ich, ich und meine
Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des Sandes
an dem Meer, / Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget,
/ Und das betrübte Marterheer.“
Seht, dies
zeigt der Heilige Geist: Das Kreuz Christi ist meine Schuld. Aber auch meine
Errettung.
Doch
lass mich ja nicht allein
Deine
Marter sehen,
Lass
mich auch die Ursach fein
Und
die Frucht verstehen.
Ach,
die Ursach war auch ich,
Ich
und meine Sünde.
Diese
hat gemartert dich,
Dass
ich Gnade finde.
24.
Mai
Gott ist’s aber, der uns befestigt samt euch
In Christum und uns gesalbt und versiegelt und In unsere Herzen das Pfand, den
Geist, gegeben hat
2. Korinther 1, 21 und 22
Was für
eine Sprache wird in diesem Bibelwort gesprochen!
Ein
moderner Normalmensch, der in der Atmosphäre von Radio und Fernsehen lebt, kann
sie gar nicht verstehen. Das, was hier von dem Apostel Paulus gesagt wird, ist
den meisten so unverständlich wie – Chinesisch.
Ein alter
Christ legte einem jungen Manne nahe, er möge doch die Bibel lesen. Da erklärte
der empört: „Das habe ich einmal versucht. Aber ich habe es schnell aufgegeben.
Denn schon die Sprache und erst recht die Fragestellung der Bibel sind uns
Heutigen ja so fremd, dass man uns wirklich solch ein Buch nicht mehr zumuten
kann.“
Darauf
erwiderte der Alte: „Sehen Sie! Wenn ich in der Zeitung einen Fußball- oder
einen anderen Sportbericht finde, dann bin ich ganz außerstande, die Sache zu
verstehen. Das wimmelt von Fachausdrücken, die mir fremd sind. Die Sportberichter aber geben sich gar keine Mühe, ihre Sache
für mich verständlicher zu machen. Sie denken: Wenn dieser Alte sich für unsern
Sport interessiert, dann möge er gefälligst unsere Sprache lernen! – Nun gut!
Sollte Gott für sein Wort das nicht noch mehr beanspruchen? Wer ein Kind Gottes
werden will, der muss sich schon in die Bibel hineinlesen und ihre uns armen
Gegenwartsmenschen so fremde Sprache lernen.“
Dass uns
die Sprache der Bibel oft so fremd vorkommt, ist nur ein erschreckender Beweis
dafür, wie ferne unser ganzes Denken dem Denken Gottes
ist
Dass wir
doch unser „zeitgemäßes“ Denken richten ließen von den göttlichen Gedanken der
Bibel! Wir haben einen guten Sprachmeister, der uns die biblische Sprache verstehen
lehrt. Das ist der Heilige Geist. Um den dürfen wir bitten.
Unser
Wissen und Verstand
Ist
mit Finsternis umhüllet,
Wo
nicht deines Geistes Hand
Uns
mit hellem Licht erfüllet;
Gutes
denken, tun und dichten
Musst
du selbst in uns verrichten.
25.
Mai
Gott ist’s aber, der uns gesalbt hat.
2. Korinther 1, 21
Richtige
Christen sind anders als andere Leute. Sie haben etwas, was die Welt sonst
nicht hat und nicht kennt. Nämlich eine „Salbung“ durch den Heiligen Geist.
Die Bibel
erzählt eine Geschichte von dem Hirtenjungen David, der als der Jüngste unter
seinen großen Brüdern eine bescheidene Rolle spielte.
Dieser
David wurde eines Tages vom Felde weg in das Haus seines Vaters gerufen. Dort
stand der Prophet Samuel. Der salbte ihn in aller Stille zum König.
David ging
nun weiter aufs Feld. Und zunächst änderte sich nichts in seinem Leben. Aber – er
war ausgezeichnet. Er war gesalbt.
So steht
es mit den wahren Christen. Sie haben in der Stille über dem Lesen der Bibel
und beim Gebet eine Salbung bekommen. Sie sind auserlesene Leute!
Das klingt
sehr stolz. Darum muss es noch ein wenig deutlich gemacht werden.
„Auserlesen“!
Wenn wir dies Wort von einem Menschen sagen, dann denken wir an seine
vorzüglichen Eigenschaften und besonderen Qualitäten. Ein genialer Dichter, ein
kluger Politiker, ein großer Redner – das sind in unseren Augen „auserlesene
Leute“.
Die Bibel
versteht darunter etwas ganz und gar anderes. Wenn sie von „auserlesenen“
Leuten spricht, dann denkt sie nicht an menschliche Eigenschaften und
Qualitäten, sondern vielmehr an die Taten Gottes. Auserlesene Leute nach der
Bibel sind Menschen, die Gott erwählt hat, die er im Blute Jesu gereinigt und
die er mit dem Heiligen Geist erfüllt hat.
Ja, so
sind Christen gesalbte, erlesene Leute. in sich selbst sind sie nichts als
Sünder, Elende, Arme. Aber die Gnade hat sie zu Söhnen des lebendigen Gottes
gesalbt.
Schaff
in mir, Herr, den neuen Geist,
Der
dir mit Lust Gehorsam feist’t
Und
nichts sonst, als was du willst, will;
Ach
Herr, mit ihm mein Herz erfüll.
26.
Mai
Gott ist's aber, der uns befestigt samt euch
in Christum und uns gesalbt und versiegelt und in unsere Herzen das Pfand, den
Geist, gegeben hat.
2. Korinther 1, 21 und 22
Wenn wir
einen Fragebogen ausfüllen, dann schreiben wir in die Rubrik „Konfessionsstand“
z. B. das Wörtlein „evangelisch“.
Schreiben
wir das mit Recht, oder ist das eine böse Fälschung? Wir sind schnell bei der
Hand zu sagen: „Es stimmt.“ Doch meist nehmen wir die Maßstäbe aus unserm
eigenen Herzen. Das aber ist verkehrt. Nur ganz allein Gottes Wort kann uns
sagen, was rechter Christenstand ist. Und da ist obiges Wort so wichtig, weil
es uns klar darüber Auskunft gibt, worin ein rechter Christenstand besteht.
Als ich
einst einem Manne das Evangelium bezeugen wollte, wehrte er ab: „Ich bin doch
ein Christ! Ich glaube doch auch an den Herrgott!“
Tausende
denken so. Aber dies ist kein Christenstand. Der Apostel Jakobus schrieb einmal
für solche Leute den Satz: „Du glaubst, dass ein einiger Gott sei? Du tust wohl
daran; die Teufel glauben's auch und – zittern.“ Da
ist ja wahrhaftig der „Glaube“ der Dämonen noch ernsthafter als der jenes
Mannes. Denn die zittern wenigstens vor Gott, was ich bei jenem Manne und
seinesgleichen nie bemerkt habe.
Es ist
schon so: Wir müssen uns von dem Worte Gottes belehren lassen, was ein
richtiger, Seligmachender und wahrer Christenglaube sei.
Unser
Bibelwort sagt Großes aus: „Befestigt in Christus.“ „Gesalbt mit dem Heiligen
Geist der Gnade und Wahrheit.“ „Versiegelt zum ewigen und unbestreitbaren
Eigentum des lebendigen Gottes.“ „Beschenkt mit dem Geist eines innigen
Herzensfriedens als Vorschmack zukünftiger
Herrlichkeit!“
Das sind
große Dinge. Sie machen einen wahren, seligen Christenstand aus.
Erwecke,
läutre und vereine
Des
ganzen Christenvolkes Schar
Und
mach in deinem Gnadenscheine
Dein
Heil noch jedem offenbar.
27.
Mai
Gott ist's aber, der uns befestigt samt euch in Christus.
2. Korinther 1, 21
Unsere
Zeit hat ein seltsames Wörtlein geschaffen, das Wort „stur“. Das ist ja nun
eigentlich ein Schimpfwort.
Aber es
kommt mir vor, als wenn in unserem Textwort der Apostel Paulus eine Art
Sturheit geradezu rühmt und preist.
Es gibt
wohl zweierlei Sturheit: Die eine aus Dummheit oder Fanatismus (das ist sehr
oft dasselbe). Die andere aber kommt daher, dass man einen Weg und ein Ziel
gefunden hat und sich davon auf keinen Fall abbringen lassen will. Und um diese
zweite Art geht es hier. Wenn ein Wanderer auf einem schmalen Pfad durch ein
Moor geht, wäre er sehr töricht, wenn er nicht unbeirrt seinen Weg weiterginge.
Davon ist
hier die Rede. „Gott hat uns befestigt in Christus.“ Im griechischen Text heißt
es wörtlich: „Gott ist es, der uns die feste Richtung auf Christus gibt.“
Hier
handelt es sich einfach darum, wo in unserem Leben der Herr Jesus steht.
Bei den
meisten Menschen steht der Herr Jesus hinter dem Rücken, so dass man ihn gar
nicht sehen kann. Dann gibt es solche, die ein bisschen christlich geworden
sind. Sie haben eine halbe Wendung gemacht. Nun steht Jesus irgendwo an der
Seite, so dass man gelegentlich einen Blick auf ihn werfen kann.
Bei
richtigen Christen aber steht Jesus vorn. „Gott gibt uns die feste Richtung auf
Christus.“ Da ist es so, dass man ihn immer vor Augen hat. Bei jedem Schritt
steht man vor ihm und kann ihm nicht ausweichen. Wenn man aufsieht, sieht man
ihn. Wenn man geht, ist er da. Wenn man stürzt, fällt man in seine Arme.
In einem
Liede heißt es: „Der Fürst meines Friedens ist nahe, / Sein Antlitz ruht
strahlend auf mir.“
Liebe,
die mich hat gebunden
An
ihr Joch mit Leib und Sinn,
Liebe,
die mich überwunden
Und
mein Herz hat ganz dahin:
liebe,
dir ergeb ich mich,
Dein
zu bleiben ewiglich.
28.
Mai
Gott ist's aber, der uns versiegelt hat.
2. Korinther 1, 22
Ja, gewiss!
Es ist für unser stolzes Herz nicht sehr schmeichelhaft, dass der Apostel
Paulus hier einen Ausdruck gebraucht, den man auf den Sklavenmärkten des
Altertums hören konnte.
Die
reichen Römer hatten damals riesige Ländereien und Güter, auf denen sie
Hunderte von Sklaven beschäftigten. Diesen Sklaven nun wurde ein Zeichen
eingebrannt auf Schulter oder Stirn, das sie als Eigentum ihres Herrn auswies.
So „brennen“ heute reiche Bauern ihr Vieh.
An dieses
Siegel denkt Paulus, wenn er uns beschreiben will, wie ein richtiger
Christenstand beschaffen ist.
Christen
tragen dies Brandzeichen allerdings nicht äußerlich auf der Haut, sondern
inwendig in Herz und Gewissen. Und dies Versiegeln der Kinder Gottes ist eines
der lieblichsten Geschäfte des Heiligen Geistes.
Das Bild
ist großartig und eindrucksvoll. Wie die Sklaven gekauft wurden, ohne dass sie
einen Pfennig dazutaten, so wissen sich Kinder Gottes von Gott erkauft durch
den köstlichsten Kaufpreis. „Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber
oder Gold erkauft seid …, sondern mit dem teuren Blut Christi“, sagt der
Apostel Petrus.
Und der
Herr versiegelt seine Knechte. Brennend schreibt es der Heilige Geist in ihr
Herz: „Du bist angenommen als ewiges Eigentum Gottes.“
Wenn solch
ein Sklave sein Brandsiegel ansah, hatte er keinen Zweifel darüber, wem er
gehörte. So will der Apostel hier sagen: „Die Krönung eines Christenstandes ist
es, dass man ganz gewiss wissen darf: Ich gehöre dem Herrn!“
Allerdings
– das muss noch gesagt werden: In einem stimmt das Bild nicht: Sklaverei war
ein trauriger Stand. Sklave Gottes zu sein aber ist herrlich!
Seiner
Hand entreißt mich nichts;
Sollt
ich ihn mit Kleinmut schmähen?
Mein
Erbarmer selbst verspricht’s;
Sollt
ich ihm sein Wort verdrehen?
Nein,
er lässt mich ewig nicht;
Das
ist meine Zuversicht.
29.
Mai
Gott ist's aber, der uns versiegelt und in
unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.
2. Korinther 1, 21 und 22
Paulus war
ein Mann mit einem hohen Geist. Und es ist rührend, wie dieser gelehrte Mann
hier ein Bild um das andere sucht, um sich den einfachen Leuten in Korinth verständlich
zu machen. Es hieß eben bei ihm immer: „Die Liebe Christi dringet uns also.“
Wo Luther
hier „Pfand“ übersetzt, da steht im griechischen Text ein Wort, das eigentlich „Anzahlung“
bedeutet.
Das Wort „Anzahlung“
ist uns heute ja wieder sehr geläufig: Da will sich ein armer Mann eine
Kücheneinrichtung kaufen, weil er heiraten will. Er kann aber die Summe nicht
auf einmal erlegen. So geht er in ein „Anzahlungsgeschäft“, wie sie massenweise
in unsern Großstädten zu finden sind. Da kauft er nun seine Küche und macht
eine Anzahlung. Den Rest der großen Kaufsumme erlegt er erst später, wenn er
dazu in der Lage ist.
Eigentlich
ist das ein unerhörtes Bild. Denn der Mann, der die Anzahlung macht, ist ja
Gott. Er hat seinen Kindern ein völliges Heil zugedacht: völlige Freude,
völligen Frieden, völlige Ruhe, völlige Freiheit von der Sünde, völlige
Freiheit vom Tode und von Leid und Schmerz.
Das alles
will er uns bezahlen. Er, der uns doch ganz und gar nichts schuldig ist. Ja,
wir können dies unerhörte Bild gar nicht anders verstehen, als dass der große
Gott sich durch seine unendliche Liebe zu unserm Schuldner macht. Seine Liebe
macht ihn zum Schuldner der Sünder! Das ist groß]
Und nun
kann er uns noch nicht alles geben. Nicht weil er arm wäre. Sondern weil er's
uns als Erbe in einer ganz neuen Welt zugedacht hat. Inzwischen aber gibt er
den Seinen die Anzahlung durch den Heiligen Geist. So ist das Herz der Christen
schon voll Freude auf das, was noch kommen soll.
Wie
bist du mir so zart gewogen,
Und
wie verlangt dein Herz nach mir!
Durch
Liebe sanft und tief gezogen,
Neigt
sich mein Alles auch zu dir.
Du
traute Liebe, gutes Wesen,
Du
hast mich und ich dich erlesen.
30.
Mai
Gott ist's aber, der uns versiegelt und in
unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.
2. Korinther 1, 21 und 22
Wie
glücklich waren wir Kinder vor Weihnachten! Da war ein verschlossenes Zimmer.
Und wir wussten: Darin sind die schönsten Geschenke für uns. Wir hatten sie
noch nicht. Und doch – sie gehörten uns schon.
So ist es
mit denen, die dem Herrn Jesus angehören: Sie gehen herrlichen Dingen entgegen.
Die haben sie noch nicht. Aber die gehören ihnen schon. Durch den Heiligen
Geist haben sie schon eine Anzahlung der künftigen Herrlichkeit.
Wir wollen
uns das an ein paar Stücken klarmachen: Gottes Wort sagt, dass in der
zukünftigen Weit Gott unter seinem Volke wohnen wird. Nun, das steht noch aus.
Aber der Heilige Geist gibt den Gläubigen hier schon einen durchdringenden
Eindruck von der Gegenwart ihres Herrn.
Kierkegaard
ließ auf seinen Grabstein einen Vers schreiben, indem es heißt: „… da werd ich
ewiglich mit Jesus sprechen.“ Mit Jesus sprechen von Angesicht zu Angesicht!
Das wird herrlich sein. Aber solange das noch aussteht, besteht das Angeld darin, dass der Heilige Geist uns beten lehrt. So
dürfen wir jetzt schon im Glauben unser Herz vor ihm ausschütten.
Die Bibel
sagt: „Der Herr wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ Darauf freuen wir
uns. Aber hier schon haben wir ein Angeld: dass der
Geist uns mit Trost erfüllt mitten im Leid.
Alle
Sünde, „die uns anklebt und träge macht“, wird in der neuen Welt von uns
genommen sein. Das wird schön! Aber inzwischen haben wir das Angeld, dass der Heilige Geist uns je und dann Sieg schenkt
über uns selbst.
Völlige
Freude wird uns einst umgeben. Aber auch das Angeld
ist schön, dass wir uns hier schon freuen dürfen im Herrn.
Kurz – Christen
sind reiche Leute! Und das Eigentliche kommt noch. Wie sollten wir nicht
fröhlich sein!
Ich
bin zufrieden,
Dass
ich die Stadt gesehn,
Und
ohn Ermüden
Will
ich ihr näher gehn
Und
ihre hellen, goldnen Gassen
Lebenslang
nicht aus den Augen lassen.
31.
Mai
Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
Römer 8, 14
Wenn ein
reicher Mann ein armes Findelkind adoptiert, dann nimmt er sich auch um dies
Kind an. Er nimmt ihm seine Lumpen und kleidet es lieblich und schön. Er
schickt es in die Schule und lässt ihm eine sorgfältige Erziehung angedeihen.
Nicht
anders macht es unser Gott.
In Jesus,
unserem Heiland, macht er uns zu seinen Kindern. Aus verlorenen „Kindern des
Zorns“ werden wir durch Jesu Verdienst zu versöhnten Gotteskindern – durch den
Glauben.
Aber nun
soll nur ja keiner meinen, das ginge ohne eine ganze Umstellung unseres Lebens.
Nun bilde sich nur ja keiner ein, der starke Herr lasse seine Kinder einfach in
ihrem alten, elenden und gottlosen Wesen weitermachen! O nein!
Wer ein
Kind Gottes geworden ist, der kommt nun recht in die Erziehung und Schule des
guten Heiligen Geistes.
Dieser
Heilige Geist Gottes ist ein recht ernster und beunruhigender Lehrmeister. Die
Bibel sagt: Er „treibt“ uns. Er nimmt es genau. Er lässt uns über keiner Sünde
und Unart ruhig werden. Er mahnt, und er straft. Er zerbricht und demütigt. Und
zugleich führt er uns immer tiefer in die Erkenntnis des Heiles
Gottes, immer tiefer in das Verständnis des Wortes Gottes, immer tiefer in das
Meer des Friedens und der Liebe Jesu.
Wie ein
Bildhauer ein Modell vor Augen hat, nach dem er arbeitet, so hat der Heilige
Geist in all seinem Wirken, Tun und „Treiben“ ein Bild, nach dem er uns
gestalten will: das Bild Jesu. Gebe Gott, dass wir uns völlig in die Zucht des
Heiligen Geistes geben!
Zieh
ein, lass mich empfinden
Und
schmecken deine Kraft,
Die
Kraft, die uns von Sünden
Hilf'
und Errettung schafft.
Entsünd’ge
meinen Sinn,
Dass
ich mit reinem Geiste
Dir
Ehr und Dienste leiste,
Die
ich dir schuldig bin.
1.
Juni
Jesus antwortete und sprach zu Nikodemus: „Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so
kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
Johannes 3, 3
Ist dieser
Satz Jesu nicht unerträglich?
Wenn
irgendein Verbrecher oder gemeiner Kerl vor ihm gesessen hätte, dann würde uns
sein Wort von der Wiedergeburt wohl einleuchten.
Aber da
saß ja ein edler Mann vor ihm. Dieser Nikodemus war ein Idealist, ein Mann, der
„stets strebend sich bemühte“, das Gute, Edle und Wahre zu tun.
Ja, ist
denn das nichts? Sollte so ein Mann denn nicht vor Gott bestehen können? Ist es
nicht einfach unfassbar, dass Jesus gerade diesem Mann das Wort von der
Notwendigkeit der Wiedergeburt sagt?
Ein
Beispiel soll es uns klarmachen: Da kommt ein Reisender aus Holland nach
Deutschland zurück. Er hat in seinem Geldbeutel noch einen holländischen
Gulden. Das ist ein gutes Geld, und er kann in Rotterdam allerlei dafür kaufen.
Aber als
er nun in einer deutschen Stadt den Gulden ausgeben will, wird er abgewiesen: „Gewiss,
der Gulden ist gut. Aber er gilt hier nicht. Hier gilt nur Geld, welches das
deutsche Hoheitszeichen trägt.“
So ist es
mit dem Reiche Gottes. „Nikodemus“, sagt Jesus, „du bist gewiss ein edler Mann.
Aber im Reiche Gottes gilt nur das Herz, in das der Heilige Geist mein Bild geprägt
hat. Darum musst du wiedergeboren werden.“
Dies Wort
spricht das Urteil über all unseren menschlichen Hochmut und treibt uns in die
Arme Jesu.
Schaff
in mir, Herr, den neuen Geist,
Der
dir mit Lust Gehorsam Ieist't
Und
nichts sonst, als was du willst, will;
Ach
Herr, mit ihm mein Herz erfüll.
2.
Juni
Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Kolosser 1, 18
Stellen
wir uns einmal vor, unsere Glieder fingen eines Tages an zu streiken. Sie
beschlössen, sie wollten sich der Befehlsgewalt und Herrschaft des Gehirns
entziehen und selbständig werden.
Du liebe
Zeit! Das gäbe ein Gehampel und Gestrampel; das gäbe ein Durcheinander und
Elend! Ganz gewiss würden wir ein Gelächter und Gespött für die ganze Welt!
Nun, so lächerlich
diese Vorstellung ist – sie hat eine ernste Seite. „Jesus ist das Haupt des
Leibes, nämlich der Gemeinde"! Das bedeutet: Wenn die Gemeinde Jesu nicht
vor Menschen und Engeln mit Recht zum Gespött werden soll, dann muss das Haupt
die ganze und volle Befehlsgewalt haben. Dann muss auch das kleinste Glied der
Gemeinde Jesu ganz gehorsam sein.
Sind wir
Glieder am Leibe Jesu? Das ist die erste und entscheidende Frage!
Sind wir
Glieder am Leibe Jesu? Dann geht es nicht an, dass wir irgendein Gebiet unseres
Lebens dem Gehorsam unter Jesus entziehen – etwa unsere Ehe, oder unser
Berufsleben, oder unsere Geldverhältnisse, oder unsere freie Zeit. Sonst werden
wir kranke, ja sterbende Glieder am Leibe Christi.
Dieser
Gehorsam in großen und alltäglichen Dingen ist schwer. Unser natürliches Wesen
will sich immer regen und selbständig sein. Es will Rebellion machen gegen das
Haupt.
Wie gut, dass
der Herr uns seinen guten Heiligen Geist gegeben hat. Möchte er durch den recht
Sieg haben in unserem Leben, dass wir willig ihm, dem Haupt, dienen!
Gib
Freudigkeit und Stärke,
Zu
stehen in dem Streit,
Den
Satans Reich und Werke
Uns
täglich anerbeut;
Hilf
kämpfen ritterlich,
Damit
wir überwinden
Und
ja zum Dienst der Sünden
Kein
Christ ergebe sich.
3. Juni
Er ist
das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Kolosser 1, 18
Wundersam ist die Verbindung in unserem Leib zwischen Gliedern und
Haupt!
Wenn dem kleinen Finger nur der kleinste Schmerz zugefügt
wird, dann wird das sofort durch die Nerven dem Gehirn mitgeteilt. Es gibt
keinen Schmerz, keine Wunde, an der das Haupt nicht teilhätte.
Das gilt auch für die Gemeinde Jesu, die des Herrn Leib ist.
Er, Jesus, ist das Haupt. Er thront nicht in den Wolken, unberührt und unbekümmert um die
Nöte und Kämpfe der
Seinigen, „in olympischer Ruhe".
O nein! Er ist in engster und nahester Verbindung mit
einem jeden Glied seiner Gemeinde. Trifft irgendein Glied eine Not, ein Leid,
ein Schmerz: Jesus nimmt daran teil. Unser Leid ist sein Leid, unser Schmerz
ist sein Schmerz, unsere Not ist seine Not.
„Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen." Dies Wort vom
Leiden Jesu dürfen wir auch in diesem Sinne verstehen.
Das ganze Neue Testament zeugt davon. Jesus hörte das
Rufen der bedrängten Gemeinde. Und als sie betete, bewegte sich die Stätte. Jesus
tröstete den sterbenden Stephanus überschwänglich und ließ den Petrus aus des
Todes Rachen befreien.
Jedes Glied des Leibes Christi ist dem Haupt gleich nahe.
Und sei es das kleinste und geringste – es ist nie allein mit irgendeinem
Schmerz. Jesus, das Haupt, weiß darum. Welch reicher Trost!
Er ist voll Güt und Freundlichkeit,
Voll Lieb und Treu zu
jeder Zeit.
Sein' Gnade währet dort
und hier
Und seine Wahrheit für
und für.
4.
Juni
Wir können's ja
nicht lassen, das wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben.
Apostelgeschichte 4, 20
Eine
erstaunliche Wendung in einem seltsamen Prozess! Der Hohe Rat: kluge Köpfe,
aber bekümmert und sorgenvoll!
Da hat man
diesen Jesus endlich zu Tode gebracht. Es war nicht leicht gewesen. Aber dann
hatten sie gesiegt. Jesus war tot! Bewacht im Grabe noch! Nun wird's wohl Ruhe
geben!
Aber es
gab keine Ruhe. Im Gegenteil! Immer neue Unruhe. Da kamen zuerst die
Kriegsknechte mit der ungeheuerlichen Nachricht: „Dieser Jesus hat das Grab
gesprengt!“
Kaum zwei
Monate später bekennen 3000 Menschen in Jerusalem sich zum Gekreuzigten.
Und nun
stehen hier zwei kleine Handwerker vor Gericht. Sie sind auf frischer Tat ertappt
worden, wie sie im offiziellen Tempel diesen Jesus verkündigten.
Da muss
ernsthaft durchgegriffen werden. „Man wird doch wohl mit diesen kleinen Leuten
fertig werden!“ Also werden sie ernstlich bedroht, jetzt doch abzulassen von
diesem Jesus: Sie kämen damit doch nicht durch. Und man sei zum Äußersten
entschlossen.
So, das
wird genügen! Da richtet sich Petrus auf und sagt einfach: „Wir können's ja nicht fassen …“ – Armer, blinder Hoher Rat! Wer
will das Lebenswort von Jesus aufhalten?! Dies Wort – es „läuft den Weg gleich
als ein Held“. Gewalt, List, Drohung, Überredung – die ganze Weit und die Hölle
vermögen nicht, das Evangelium aufzuhaften. Und solange die Welt sein wird,
wird es Sünder froh und selig machen und die Gemeinde Jesu sammeln.
Wort
des Lebens, stark und rein,
Alle
Völker harren dein;
Walte
fort, bis aus der Nacht
Alle
Welt zum Tag erwacht.
5.
Juni
Da sie das hörten, hoben sie ihre Stimme auf einmütig zu Gott.
Apostelgeschichte 4, 24
Nun war es
entschieden!
Der Hohe
Rat hatte der Gemeinde den Krieg erklärt. Vor der versammelten Gemeinde standen
Petrus und Johannes und berichteten.
Jetzt
begann die Not.
Was ist
nun zuerst zu tun? Soll man diese ganze Sache mit Jesus nicht lieber lassen?
Oder soll man nicht wenigstens schnell eine Sitzung anberaumen? Oder man könnte
eine Protestschrift aufsetzen; oder – vielleicht hat ein einflussreiches Glied
der Gemeinde „gute Beziehungen“, die man jetzt bemühen müsste; oder …
Die
Gemeinde tut nichts dergleichen. Sie weiß viel Besseres: Sie breitet ihre Not
aus vor dem Herrn. „Sie hoben ihre Stimme auf einmütig zu Gott.
So hat es
Mose gemacht, der große Beter. – So tat es auch Hiskia, als er den Brief seiner
grimmigen Feinde im Heiligtum vor dem Herrn ausbreitete (2. Könige 19, 14). – So
handelten alle großen Gottesmenschen, von denen uns die Bibel berichtet. – Und
so taten alle, die in ihren Spuren gingen.
In Psalm
69 sagt David: „Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und in den Zechen singet
man von mir. Ich aber bete.“
„Ich aber
bete.“
Da wird
das Herz getröstet, da wird der Mut neu gestärkt, da beruhigen sich die
zitternden Nerven, da lernt das Herz den rechten Weg, wenn man seine Not vor
dem Herrn ausbreitet, vor dem Herrn, „der Himmel und Erde gemacht hat“.
Kann
ein einiges Gebet
Einer
gläubgen Seelen,
Wenn's
zum Herzen Gottes geht,
Seines
Zwecks nicht fehlen:
Was
wird's tun,
Wenn
sie nun
Alle
vor ihn treten
Und
zusammen beten!
6.
Juni
Und nun, Herr, siehe an ihr Drohen und gib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu reden dein
Wort.
Apostelgeschichte 4, 29
In
höchster Bedrängnis betet die erste Gemeinde. Wie betet sie?
Zuerst
besinnt sie sich darauf: Wir sind ja des Herrn Eigentum. „Deine Knechte“ nennen
sie sich vor des Herrn Angesicht. Sie erinnern den Herrn und sich selbst daran,
dass sie sein mit Blut erkauftes Eigentum sind.
Sollte der
Herr nicht über seinem Eigentum wachen? Jawohl, er wird sein Wort wahr machen: „Ich
will mich meiner Herde selbst annehmen.“
Wenn man
so aus aller Furcht erst heraus ist und wieder einmal den Felsenboden des Heils
unter den Füßen hat, dann kann man auch so weiterbeten wie diese bedrohte,
bedrängte Gemeinde.
Wie betet
sie weiter? In der Tat, dies Gebet ist seltsam. „Herr, sieh an ihr Drohen und …“
Nun werden wir erwarten, dass es so weitergeht: „… und gib uns wieder Frieden!“
Oder: „… rette uns vor unseren Feinden!“ Oder: „… verstopfe den Wölfen den
Rachen!“
So beten
sie nicht. Sie bitten nicht, dass ihnen Kampf und Leiden erspart bleiben. Sie
bitten vielmehr, dass sie sich im Leiden als rechte Jünger Jesu und Zeugen des
Herrn erweisen möchten: „… und gib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu
reden dein Wort!“
So wollen
wir beten lernen! Nicht um satte Ruhe wollen wir bitten, sondern darum, dass
wir rechte, tapfere, geheiligte Bekenner und Zeugen werden.
Wach
auf, du Geist der ersten Zeugen,
Die
auf der Mau'r als treue Wächter steten,
Die
Tag und Nächte nimmer schweigen
Und
die getrost dem Feind entgegengehn,
Ja,
deren Schall die ganze Welt durchdringt
Und
aller Völker Scharen zu dir bringt.
7.
Juni
Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Apostelgeschichte 9, 4
Tod und
Verderben über der Gemeinde Jesu! „Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider
die Jünger des Herrn“, erzählt die Bibel.
Es ist,
als höre man es aus diesen Worten: das Stöhnen Gefesselter, das Schluchzen der
Frauen, das Jammern der Kinder, Todesschreie – und das Hohnlachen der Schergen.
„Tod und
Verderben!“ denkt Saulus. „Es ist mir Gottesdienst, sie zu vernichten! Ein
Gottesdienst!!“
Welch ein
düsteres Bild! Da rast ein blinder Tor, ein wilder Fanatiker gegen den Herrn
und seine Gemeinde. Muss da nun nicht Feuer vom Himmel fallen und den Lästerer
vernichten?! Muss nun Gott nicht auch antworten mit Tod und Verderben?!
Ja, der
Herr antwortet. Aber nicht mit Feuer vom Himmel! Er antwortet ganz anders, als
die Vernunft sich das hätte ausdenken können. Er antwortet dem Saulus mit – Barmherzigkeit.
Er fällt seinen Feind mit – Gnade.
„Saul!
Saul!“ So ruft der Herr den Saulus an, dass der erschrocken zu Boden stürzt.
Gewiss, in
diesem Ruf Jesu war das Gericht über Saulus. Und doch – in diesem Ruf klingt
die Stimme des guten Hirten: „Saul! Saul …“ Er kennt auch ihn mit Namen. Auch
dieser Name eines verlorenen Sohnes leuchtet vor ihm. Zweimal ruft er ihn bei
seinem Namen mit einer Liebe, vor der der starke Trotz des Saulus zerbricht.
Und
während Saulus blind wird, geht ihm im Herzen das Licht auf: „O Abgrund der
Barmherzigkeit!“ So liebt der Herr seine Feinde.
Denk
ich, wie ich dich verlassen,
Wie
ich häufte Schuld auf Schuld,
So
macht ich vor Scham erblassen
Ob
der Langmut und Geduld,
Womit
du, o Gott, mich Armen
Hast
getragen mit Erbarmen.
Tausend-,
tausendmal sei dir,
Großer
König, Dank dafür!
8.
Juni
Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Apostelgeschichte 9, 4
Es war
einmal ein stürmischer Tag. Düstere Wolken jagten am Himmel.
Da – auf
einmal – zerriss die Wolkendecke. Die Sonne brach durch. So leuchtend, dass auf
einmal alle Vögel anfingen zu singen und alle Menschen fröhlich wurden.
So geschah
es hier in der Geschichte, aus der unser heutiges Wort stammt. Düstere Wolken
von Not lagerten über der Gemeinde Jesu. Der Sturm umbrauste sie: „Saulus
schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn.“
Aber in
die Dunkelheit hinein bricht die „wahre Sonne“, die Liebe und Barmherzigkeit
des Herrn Jesus, unseres Heilandes. in der einen Frage an Saulus zeigt er, wie
er seine Gemeinde liebt.
„Diese
Gotteslästerei! Diese widerspenstigen Geister!“ tobt Saulus und droht und
mordet. Da tritt ihm bei Damaskus der Herr entgegen: „Saulus, was verfolgst du …“
Wir denken, nun müsste es weitergehen: „… was verfolgst du meine Gemeinde?“
Aber der Herr fragt: „… was verfolgst du mich?“
Der Herr
erklärt sich also ganz und gar solidarisch mit seiner Gemeinde. Hier erfährt
Paulus zum ersten Mal, was er später selbst im Epheser-Brief lehrt: dass die
Gemeinde „Christi Leib“ ist. Wer die Gemeinde antastet, tastet ihn an. Wer die
Gemeinde verlässt, verlässt ihn.
So nimmt
sich der Herr selbst seiner Herde an. Er schämt sich nicht, sie Brüder zu
heißen. Er bekennt sich zu den Seinen, die er mit Blut erkauft hat. Er lässt
sie wohl in Todesnot kommen. Aber niemand darf sie aus seiner Hand reißen.
Die
Sach und Ehr, Herr Jesu Christ,
Nicht
unser, sondern dein ja ist;
Darum
so steh' du denen bei,
Die
sich auf dich verlassen frei.
9.
Juni
Petrus ward zwar im Gefängnis gehalten; aber
die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
Apostelgeschichte 12, 5
Die Lage
war verzweifelt und völlig hoffnungslos.
Auf das
Ernsteste war die Gemeinde in Jerusalem bedroht. Jakobus war zum Märtyrer
geworden, Petrus zum Tode verurteilt.
Es war das
alles wider jedes Recht geschehen. Aber nirgendwo war einer der Mächtigen
aufgestanden für die Gemeinde. Sie war vogelfrei.
So lag
Petrus in schweren Ketten hinter eisernen Türen. Sechzehn auserlesene
Kriegsknechte bewachten ihn bis zur Hinrichtung.
Doch nun
steht hier ein „Aber“ im Text. Und
dies „Aber“ berichtet uns von dem Glauben der ersten Gemeinde.
Zwar war die Lage hoffnungslos. Jawohl, für die Vernunft! Aber: „Wir haben einen Gott, der da
hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet“
(Psalm 68, 21). Die Gemeinde warf alle Bedenklichkeit über Bord und warf sich
selbst ihrem Gott in die Arme.
Mit diesem
„Aber“ stellt sich die Gemeinde in herrlichem Glaubenstrotz gegen die ganze
Welt. Was kümmert es sie, dass diese „Welt“ die Sache der Gemeinde verloren
gibt. Sie denkt nicht daran, die Waffen zu strecken und sich zu ergeben. „Alle
Heiden umgeben mich“, so lasen sie in ihrer Bibel im Psalm 118, „aber im Namen des Herrn will ich sie
zerhauen.“
Zinzendorf
singt: „Gelobet sei die Tapferkeit / Der Streiter unsres Fürsten! / Verlacht
sei die Verwegenheit, / Nach ihrem Blut zu dürsten.“
Dieses „Aber“
des Glaubens ist eine Frucht ganzer Hingabe an den Herrn. Wo man ihm ganz
gehört, da lehrt der Heilige Geist das Wort Jesu: „Niemand soll sie mir aus
meiner Hand reißen.“
So
wahr Gott Gott ist und sein Wort,
Muss
Welt, Teufel und Höllenpfort
Und
was dem tut anhangen
Endlich
werden zu Schand und Spott;
Gott
ist mit uns und wir mit Gott,
Den
Sieg woll'n wir erlangen.
10.
Juni
Petrus ward zwar im Gefängnis gehalten; aber
die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
Apostelgeschichte 12, 5
„Ohne
Aufhören“ betete die Gemeinde.
Man musste
sehr viel Geduld mitbringen und immer mehr Geduld lernen. Man musste abwarten
lernen, wann es dem Herrn wohl gefiel einzugreifen. Denn unser Herr hat seine Stunde. Und es hieß auch hier wie
bei der Hochzeit zu Kana: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
In solcher
Lage kann die Gemeinde eben nur „ohne Aufhören“ im Gebet bleiben.
Da muss
man es üben, alles stürmische eigene Wünschen, alle zappelnde Ungeduld, alles
Zerren der Nerven in den Tod zu geben und zu lernen: „Es ist ein köstlich Ding,
geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen.“
Wer kann
denn so beten?
Nur die „Gemeinde“!
Es wird ja hier und da in der Welt auch gebetet. Aber das ist, als wenn bei
einem Zugunfall einer an der Notbremse reißt. Da tritt der Mensch herrisch vor
Gott und verlangt die Erfüllung seines Willens.
Hier aber
betet die „Gemeinde“, Menschen, die
durch Jesus begnadigt, die durch Jesus versöhnt sind; Menschen, die Frieden mit
Gott haben; Menschen, die im Namen „Jesus“ vor den Vater treten; Menschen,
denen der Geist Zeugnis gibt, dass sie Kinder Gottes sind.
Solche
Menschen können geduldig und „ohne Aufhören“ beten; denn sie kennen den Vater,
und ihr Rufen aus tiefster Not hat schon immer den Jubel in sich: „Vater, ich
danke dir, dass du mich hörst.“
Und
ob es währt bis in die Nacht
Und
wieder an den Morgen,
Doch
soll mein Herz an Gottes Macht
Verzweifeln
nicht noch sorgen.
So
tu Israel rechter Art,
Der
aus dem Geist erzeuget ward,
Und
seines Gott's erharre.
11.
Juni
Der Herr sprach zu Abram: „Gehe aus deinem Vaterland.“
1. Mose 12, 1
Der
Weltmensch sagt: „Das mag ja für den Abram eine recht einschneidende Sache
gewesen sein. Aber was geht uns Menschen im zwanzigsten Jahrhundert diese doch
sehr alte Geschichte noch an?“
O, die geht
uns sehr viel an:
Da ist
eine Stadt durch ein Erdbeben zerstört. Klagend und planlos irren die Bewohner
über die Trümmer. Eines Tages kommt ein Baumeister der Regierung. Er besichtigt
den Schaden. Und dann lässt er an einer Stelle beginnen mit dem Neuaufbau.
Da sind
Leute, deren zerstörte Wohnung liegt weit ab von der Stelle des Neuaufbaues.
Aber nun wissen sie doch: „Dieser Anfang geht uns an.“ Es ist für sie eine
Verheißung: Man lässt uns nicht verkommen; man baut auf.
Diese
zerstörte Stadt ist ein Bild der Welt. Über die Welt ging Schlimmeres als ein
Erdbeben. In dieser Welt geschah der Sündenfall. Und die Sünde hat schauerlich
und furchtbar das Angesicht der Welt entstellt.
Aber Gott lässt
seine entstellte und gefallene Schöpfung nicht fallen. Er fängt, neu an. Als er
Abram berief, da machte er an einer Stelle den Neuanfang. Und darum ist diese
Berufung Abrams eine Verheißung für die ganze Welt.
Wie hat
doch Gott diesen Neuanfang herrlich weitergeführt in Jesus Christus! Und er
wird ihn vollenden: „Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.“
Nun
freut euch, lieben Christen gmein,
Und
lasst uns fröhlich springen,
Dass
wir getrost und all in ein
Mit
Lust und Liebe singen,
Was
Gott an uns gewendet hat
Und
seine süße Wundertat;
Gar
teur hat er's erworben.
12.
Juni
Ich bin dein sehr großer Lohn.
1. Mose 15, 1
„Warum
sind Sie denn aus Ihrer letzten Stellung weggelaufen?“ wurde ein junger Mann
gefragt. „Ich habe zuwenig verdient“, war die Antwort.
Nun, man
kann das verstehen. Wenn man sich mit seiner Arbeit quält, dann will man auch
einen entsprechenden Lohn haben.
Es braucht
ja nicht immer Geld zu sein. Es ist vielmehr so: An dem Lohn, den wir für
unsere Lebensarbeit beanspruchen, wird unsere Herzensgesinnung offenbar. Wer
immer nur Geld! Geld! will, der ist eben vom Gott „Mammon“ beherrscht. – Der
Ruhmsüchtige will als Lohn für seine Anstrengungen die Anerkennung der Mit- und
Nachwelt. So soll Alexander der Große gesagt haben: „O wie sauer lasse ich mir’s werden, dass man nur in Athen von mir spreche!“ – Dem
Genusssüchtigen ist es der schönste Lohn seiner Arbeit, wenn er „was vorn Leben
hat“.
So ist's:
Wir offenbaren unser Herz, wenn wir sagen, was unser schönster Lohn ist.
Nun war da
ein Mann namens Abram. Den hatte Gott aus seinem Vaterland, aus seiner
Freundschaft und aus seinem Elternhaus herausgerufen. Und der war um Gottes
willen ein einsamer, bedrängter Mann geworden.
Ihm sagt
der Herr: „Sieh deinen Lohn an! Dein Lohn – bin ich!“
Ja,
darüber lächelt ein moderner Mensch wohl verächtlich und sagt: „Das wäre mir
zuwenig! Davon habe ich nichts Greifbares.“ Aber damit offenbart er nur sein
eigenes ungeistliches Herz, das Gottes Herrlichkeit nicht kennt. Und so wird
deutlich: Man muss neu, geistlich, wiedergeboren sein, um diesen Lohn zu begehren
und sich an ihm zu freuen.
Du
bist allein nur liebenswert,
Du
Bräutigam der Seelen.
O
selig, wer nur dein begehrt!
Wer
könnt was Höhres wählen?
Nichts
reicht an deiner Liebe Wert;
Du
bist allein nur liebenswert.
13.
Juni
Ich bin dein sehr großer Lohn.
1. Mose 15, 1
„Lohn“? – Steht
da wirklich „Lohn“?
Ja, es
steht da! Es steht da, dass Gott einen ganz unermesslich großen Lohn geben will
– nämlich sich selbst.
Ja, aber „Lohn“?!
Lohn hat doch nur der zu bekommen, der einem anderen etwas geleistet hat. Der
Arbeiter, der auf dem Feld oder in der Fabrik gearbeitet hat, der bekommt
seinen Lohn. Und wer nichts getan hat, der bekommt eben nichts. Das ist doch
klar.
Und nun
redet Gott von „Lohn“. Wem in aller Welt will er denn Lohn geben? Wer hat ihm
denn etwas geleistet? Wer könnte denn vor Gott hintreten und Lohn fordern? „Wer
hat ihm etwas zuvor gegeben, dass ihm werde wiedervergolten?“
(Römer 11, 35).
Ja, was
könnten wir ihm überhaupt tun? Er braucht uns ja in keiner Weise. Gottfried
Daniel Krummacher sagt: „Will ihm jemand ein Haus bauen
wie David, dann sagt er: ‚Was soll das für eines sein, da die ganze Erde meiner
Füße Schemel ist?' – Will jemand durch Psalter und Lieder Gott ein Vergnügen
machen, dann heißt es: ,Tu von mir das Geplärr deiner
Lieder!' – Will jemand Gott einen Dienst tun mit Beten, dann sagt er: ,Ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht.“`