Wilhelm Busch

 

Der Herr ist mein Licht und mein Heil

Tägliche Andachten


Dieser Band, der seinen Titel „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ nach Psalm 27, 1 erhielt, bringt ausgewählte Andachten aus den bisherigen viel gelesenen Andachtsbüchern „Licht vom unerschöpften Lichte“ und „Lass dein Heil uns schauen“ von Pastor Wilhelm Busch.

In einem Vorwort zu einem dieser alten Andachtsbücher sagt der Verfasser:

„Es ist doch wundervoll, dass in dieser lauten Zeit überall Menschen sind, die ein paar Minuten still werden, um nachzudenken über das herrliche Heil, das Gott in Jesus geschenkt hat. Es ist wundervoll, dass überall Menschen sind, die sich nicht verlieren wollen in dem Vielerlei, sondern die trachten nach dem ‚Einen, was Not tut“.

Ich grüße alle diese Leser und wünsche ihnen, dass sie nicht meine, sondern die Stimme des Guten Hirten hören.“


1. Januar

 

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt.

Psalm 121, 1

 

Wenn unsere Väter eine Chronik schrieben, dann setzten sie vor die Jahreszahl ein „Anno Domini“. Das heißt auf Deutsch: „Im Jahre des Herrn“. Sie nannten ihre Jahre „Gottesjahre“.

Nun bricht das neue Gottesjahr an. Lasst uns dafür sorgen, dass es wirklich ein Gottesjahr wird.

Das Psalmwort spricht von unseren Augen. Ja, wohin sind unsere Augen gerichtet beim Beginn des neuen Jahres?

Der Weltmensch schaut ängstlich oder trotzig in das Dunkel, das seinen Weg verhüllt. Da sind die Augen nach vorwärts gerichtet. Und dann sind da die Alten. Deren Augen schauen zurück. Sie kramen in Erinnerungen. Und sie sind sehr einsam darin.

Was tun unsere Augen? „Ich hebe meine Augen auf.“

Die Christen schauen aufwärts, zu ewigen Höhen. Sie richten ihren Blick auf den, der in Jesus ihr lieber, gnädiger Vater ist.

In diesem Psalmwort ist alles gesagt, was über das neue Jahr zu sagen ist. Da kommt das Wörtlein „Hilfe“ vor. Oh gewiss, so wird es sein, dass wir Hilfe brauchen. Es wird gehen „durch Angst und Plagen“, durch Anfechtung, Not und Versuchung.

Aber das andere ist eben auch da, dass wir unsere Augen aufheben dürfen zu dem Herrn. Und ob wir das tun, davon hängt es ab, ob das neue Jahr für uns ein „Gottesjahr“ wird.

 

 

Wir gehn dahin und wandern

Von einem Jahr zum andern,

Wir leben und gedeihen

Vom alten bis zum neuen

 

Durch so viel Angst und Plagen,

durch Zittern und durch Zagen,

durch Krieg und große Schrecken,

Die alle Welt bedecken.

 

Gelobt sei deine Treue,

Die alle Morgen neue,

Lob sei den starken Händen,

Die alles Herzleid wenden.


2. Januar

 

Ich will den Herrn loben, solange Ich lebe.

Psalm 146, 2

 

Nun will ich euch erzählen, wie ich die ersten 10 Minuten des neuen Jahres zubringe. Ich könnte mir nämlich denken, dass die ersten 10 Minuten für das ganze Jahr entscheidend sind.

Der Kirchenvater Augustin hat gesagt: „Die erste Morgenstunde ist das Ruder des Tages.“ Er meinte: Wie wir die erste Morgenstunde zubringen, das bestimmt den ganzen Tag.

Nun, dann ist vielleicht die erste Viertelstunde das Ruder des neuen Jahres. Und darum also will ich euch erzählen, wie ich das neue Jahr anfange.

Da habe ich mit einer großen Schar junger Leute eine stille und feine Silvesterfeier gehabt. Wenn es 12 Uhr geschlagen hat – seltsam bewegender Augenblick! –, gehen wir hinaus in die Nacht.

Schnell haben die Posaunenbläser sich aufgebaut. Und dann singen und blasen wir: „Großer Gott, wir loben dich …“

Dies Lob Gottes in den ersten 10 Minuten ist herrlich, ja überwältigend! Ringsum, wo Geschrei und Feuerwerk war, wird’s auf einmal still. Die Leute hören zu.

Und ich muss denken: „So möchte ich das neue Jahr leben: erfüllt mit dem Lobe Gottes! So mitreißend, dass es alles hässliche Lärmen der Weit übertönt!“

„Dunkel liegt das neue Jahr vor uns.“ So fangen doch alle Neujahrs-Zeitungsartikel an. Und jedem leuchtet das ein.

Aber es ist nicht wahr! Uns jedenfalls gilt das nicht! Hell liegt das neue Jahr vor uns. Wir haben einen Herrn, den man immer loben kann. Und ihm vertrauen wir unser Leben an.

 

 

Großer Gott, wir loben dich!

Herr, wir preisen deine Stärke!

Vor dir neigt die Erde sich

Und bewundert deine Werke.

Wie du warst vor aller Zeit,

So bleibst du in Ewigkeit.


3. Januar

 

Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen.

2. Thessalonicher 3, 3

 

Woher weiß denn eigentlich der Paulus das so gewiss?

Wenn wir ihn fragen könnten, würde er uns antworten: „Das wissen wir aus der Erfahrung der Gemeinde.

Ein reicher Kaufmann rühmte sich einmal voll Stolz: „Unsere Firma ist alt. Darum hat sie ihre festen Erfahrungen.“

So kann die Gemeinde Jesu Christi auch sagen.

„Jawohl, der Herr ist treu; er hat uns gestärkt, dass wir einhergingen in der Kraft des Herrn, Herrn“, rühmt ein mächtiger Chor von Zeugen Gottes in der Bibel. Da ist der junge David, der ganz allein mit der Schleuder dem furchtbaren Riesen Goliath entgegentritt. Da ist der Prophet Elia, der als einziger auf dem Berge Karmel gegen Volk und König steht und den lebendigen Gott durch Wort und Tat bezeugt. Da ist der Prophet Jeremia. Als Gott ihn beruft, erschrickt er. Aber der Herr verheißt: „Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin bei dir und will dich erretten.“

Auch in der Bewahrung durch die Treue ihres Herrn hat die Gemeinde reiche Erfahrung. Eine Welt ging unter in der Sintflut. Aber der Herr verstand es, seinen Knecht Noah hindurchzuretten. Sodom und Gomorra gingen im Feuer unter. Aber der Herr rettete seinen Knecht Lot aus dem Untergang. Ägyptenland verlor in seinem Reichtum alle Zucht und Scham. Aber der Herr bewahrte den jungen Joseph vor der Sünde.

Unser Textwort spricht die reiche Erfahrung der Gemeinde Jesu Christi zu allen Zeiten aus. Die Treue unseres Herrn hat sich tausendfach bewährt. „Sollt ich sein der Erste, der zu Schanden ward?“

 

 

Unter deinem Schirmen

Bin ich vor den Stürmen

Aller Feinde frei.

Lass von Ungewittern

Rings die Welt erzittern,

Mir steht Jesus bei.

Ob's mit Macht

gleich blitzt und kracht,

obgleich Sünd und Hölle schrecken,

Jesus will mich decken.


4. Januar

 

…auf dass er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes.

Lukas 1, 79

 

Es war einmal ein hässlicher Mensch. Der war aber sehr eitel und ließ sich oft photographieren. Doch jedes Mal, wenn er das hässliche Bild sah, war er sehr unzufrieden und sagte: „Der Photograph kann nichts!“

So geht's den Menschen mit der Bibel. Sie zeigt dem natürlichen Menschen sein Bild. Ein erschütterndes Bild! Darum mag er das Bild nicht.

Auch in unserem Text ist ein Bild des Menschen ohne Christus dargestellt.

Wir richten unser Augenmerk auf das Wörtlein „sitzen“. „Er sitzt“ – damit bezeichnen wir im Deutschen die Lage eines Gefangenen. Ja, der Mensch ohne Erlösung „sitzt“. Er sitzt „in Finsternis und Schatten des Todes“.

Der Gefangene ist ohnmächtig. Er kann sich nicht selbst befreien. Ihm muss aufgeschlossen werden. So sitzt der natürliche Mensch „in Finsternis und Schatten des Todes“. Er kann sich selber kein Licht geben. Er kann sich nicht selbst Frieden geben. Er kann nicht selbst dem Todesschatten entrinnen.

O selig, wem der erscheint, der aufschließen kann und will: der Herr Jesus!

Das Wörtlein „sitzen“ hat aber noch einen anderen Sinn. Der Großpapa „sitzt“ am warmen Ofen. Der müde Spaziergänger „sitzt“ auf der Bank. Wer „sitzt“, der hat sich's bequem gemacht. Der ruht. Ein Krieger in der Schlacht sitzt nicht.

Nun „sitzt“ der Mensch „in Finsternis und Schatten des Todes“. Das ist das Furchtbare: Er hat sich's darin bequem gemacht. Er ist darin sicher und zufrieden. Er schläft in sein Verderben hinein.

Wie eine Fanfare ist Gottes Wort, wenn es ruft: „Stehe auf, der du schläfst, so wird dich Christus erleuchten!“

 

 

Erneure mich, o ewges Licht,

Und lass von deinem Angesicht

mein Herz und Seel mit deinem Schein

durchleuchtet und erfüllet sein.


5. Januar

 

Trübsal bringt Geduld; Geduld aber bringt Erfahrung; Erfahrung aber bringt Hoffnung; Hoffnung aber lässt nicht zu Schanden werden. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz.

Römer 5, 3-5

 

Von Natur sind wir nicht geduldig. Und weil wir so ungeduldig sind, können wir keine Erfahrungen mit unserem Gott machen. Die macht man nämlich in der Stille. Wir ungeduldigen Leute aber laufen Gott immer weg.

Weil der Herr es jedoch gut mit uns meint, hält er uns fest. Das Mittel, durch das er uns festhält, ist Trübsal.

Wenn der Herr uns in die Trübsal stellt, schlagen wir zuerst aus wie ein wildes Pferd. Aber Gott hält uns in der Trübsal fest, bis wir stille werden. „Trübsal bringt Geduld.“

Wenn das Herz still geworden ist und – vielleicht voll Angst, Not und Furcht – auf den harten Herrn schaut, der es in die Trübsal stellt, dann „bringt die Geduld Erfahrung“.

Da tut Gott sein Herz auf und zeigt der erschrockenen Seele seine Liebe, seine Barmherzigkeit, sein Heil in Jesus. Das sind selige Erfahrungen.

Und aus solchen Erfahrungen lernt das Herz die Trübsal gering achten. Es lernt: Es geht dem Herrn nicht um die Trübsal, sondern um mein Heil. Die Trübsal ist nur ein vorübergehendes „Mittel zum Zweck“. Ja, sie geht vorüber.

So kommt aus der Erfahrung der Liebe Gottes die Hoffnung. Das ist aber keine trügerische Scheinhoffnung. Denn sie gründet sich ja auf die Liebe Gottes, die am Kreuze offenbar wurde und in unser Herz ausgegossen ist: Er wird's gut zu Ende bringen mit mir und mit seiner Gemeinde.

Selige Stufenleiter! Von Segen zu Segen!

 

 

Wunderanfang, herrlich Ende,

wo die wunderweisen Hände

Gottes führen ein und aus.

Wunderweislich ist sein Raten,

Wunderherrlich seine Taten,

Und du sprichst: Wo will’s hinaus?


6. Januar

 

Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an der Welt Ende.

Jesaja 49, 6

 

In einem Buch, in dem die Geschichte der deutschen Missionen dargestellt wird, steht ganz am Anfang ein Abschnitt über die Entstehung der Mission. Da wird ganz köstlich berichtet, wie Gott dem Grafen Zinzendorf keine Ruhe ließ über der Not und Finsternis der Heiden. Und nun ordnet er Brüder als Missionare ab. Die ziehen los, ohne Sprachkenntnis, ohne Geld, ohne Kenntnis des Reiseweges. Streiter Jesu Christi!

Und doch – wenn wir die Anfänge der Mission feststellen wollen, müssen wir weiter zurückgehen, vor diese merkwürdigen und kühnen Männer.

Wo liegt der Ursprung der Mission?

Unser Bibelwort sagt es: im Herzen Gottes selbst. Der Vater sagt in der Ewigkeit zum Sohne: „Ich habe dich zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an das Ende der Welt.“

Das muss nun aber ein herrliches, wunderbares und großes Werk sein, das seinen Ursprung im Herzen Gottes hat. Und darum ist die Mission das eigentliche Werk der Gemeinde. Es ist einfach nicht möglich, dass ein Kind Gottes das Missionswerk nicht als seine eigene Sache und Ehre ansähe.

Weil die Mission ihren Ursprung im Herzen Gottes hat, darum ist sie auch frei von Wohlwollen oder Missfallen der Welt. Es wird sich allerdings meist um Missfallen handeln. Denn wie sollte eine gottlose Welt Wohlgefallen haben an dem, was aus dem Herzen Gottes kommt!

Um ihres Ursprungs willen hat die Mission so große Verheißungen. Und wer hier mithilft und mitbetet, der läuft so recht in den Bahnen Gottes.

 

 

Ach lass dein Wort recht schnelle laufen;

Es sei kein Ort ohn dessen Glanz und Schein.

Ach führe bald dadurch mit Haufen

Der Heiden Füll zu allen Toren ein.

Ja, wecke doch auch Israel bald auf

Und also segne deines Wortes Lauf.


7. Januar

 

Gehet hin in alle Welt …

Markus 16, 15

 

Als ich noch zur Schule ging, führte mich mein Schulweg an dem Verwaltungsgebäude einer großen Firma vorüber, die in allen Erdteilen ihre Ingenieure hatte. über diesem Gebäude standen, in Stein gehauen, ein Europäer, ein Indianer, ein Neger, ein Asiate und ein Australier. Und darüber die stolzen Worte: „Die Welt ist mein Feld.“

Das Wort hat damals dem kleinen Jungen mächtig imponiert. „Die Welt ist mein Feld.“ Welcher Stolz spricht aus diesem Wort des wagenden Kaufmannes und Technikers!

„Die Welt ist mein Feld“, so sagen erst recht wir Jünger Jesu. Seitdem der Herr Jesus auf dem Berge der Himmelfahrt seinen Jüngern den Befehl gab: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium“, seitdem muss es in der Gemeinde Jesu heißen: „Die Welt ist mein Feld.“

Es ist im Laufe der Zeiten je und dann so gewesen, dass der Blick, der Gemeinde sich verengte. Eigene Nöte, Sorgen und Kämpfe nahmen sie gefangen, dass sie ihre Welt-Aufgabe nicht mehr sah. Aber dann hat der Herr immer selbst wieder eingegriffen und den Missionsgeist neu erweckt. Da war es, als schrecke die gläubige Gemeinde aus dem Schlaf auf, dass sie wieder hörte das Wort und den Befehl ihres Herrn: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium.“

„Die Welt ist mein Feld.“ Jünger Jesu – heraus aus den Unterständen! Reibt euch die Augen! Schaut euch um! In allen Erdteilen wehen die Kreuzesfahnen unseres Königs. Überall sind heiße Schlachten im Gange zwischen Licht und Finsternis. Auf vielen Straßen ziehen die Boten unseres Heilandes.

Es ist unsere Sache! Wir sind gerufen teilzunehmen. Es geht uns an! Wir dürfen mithelfen zu beten, zu kämpfen und – zu lieben.

 

 

O, dass doch bald dein Feuer brennte,

O möcht es doch in alle Lande gehn.

Ach Herr, gib doch in deine Ernte

Viel Knechte, die in treuer Arbeit stehn.

O Herr der Ernte, siehe doch darein:

Die Ernt' ist groß, die Zahl der Knechte klein.


8. Januar

 

Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

Johannes 1, 9

 

Seltsames Wort! Ist das denn wahr?

Es ist doch nur die „kleine Herde“, die sich von dem Licht erleuchten lässt.

Wie kann Johannes schreiben, Jesus sei das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet?

An diesem Wort aber geht uns – wenn wir es fassen – gerade das Heil recht auf. Dies Wort sagt uns: Das Heil ist da! Ganz abgesehen von unserem Glauben oder Unglauben, von unserem Gehorsam oder unserer Sünde ist das Heil für alle Menschen da.

Wie die Sonne aufgeht, so ist „der Aufgang aus der Höhe“ gekommen. Ja, wie die Sonne aufgeht! Sie scheint über alle und „erleuchtet alle“. Nun können natürlich Eulen sich verkriechen und Menschen, die das Dunkel lieben, die Läden zumachen. Ja, wenn einer ganz närrisch ist, kann er sogar behaupten, der Sonnenschein sei nur Einbildung. Wer will den Narren daran hindern?

Die Sonne nicht. Sie widerlegt Eulen und Finsterlinge und Narren einfach, indem sie scheint und leuchtet und strahlt.

So ist es mit Jesus. Das ist allerdings das Unheimliche und Furchtbare, das es so viel Eulen, Finsterlinge und Narren gibt, dass „die Menschen die Finsternis mehr lieben als das Licht“.

Aber das Licht ist da. Es feuchtet für alle. Es ist strahlend aufgegangen in der Krippe, es ist hell geworden auf Golgatha und leuchtet seit der Auferstehung in lebenschaffendem, herrlichem Glanz.

Lasst uns doch im Licht wandeln!

 

 

Dunkelheit die musste weichen,

Als dies Licht kam in die Welt,

Dem kein andres zu vergleichen,

Weiches alle Ding erhellt.

Die nach diesem Glanze sehen,

Dürfen nicht im Finstern gehen.


9. Januar

 

So ich im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht.

Micha 7, 8

 

Welch eine Paradoxie! Welch ein unmöglicher Gegensatz! Die Vernunft sagt: „Wie kann ich im Finstern sitzen und doch ‚Licht’ haben?“

Es ist schon so, dass der Verstand des unerleuchteten Menschen dies Wort nie begreifen kann.

Und doch: Es spricht die tiefste, seligste Erfahrung des Christenstandes aus.

„Wenn ich im Finstern sitze …“ – ja, das wird immer mehr der Platz derer, die Gott zum ewigen Leben erwählt hat. Ob sich auch das Herz entsetzt – es geht hinein ins Dunkel. Liebgewordene Pläne zerschlagen sich. Menschen bekommen Gewalt, uns Herzeleid anzutun. Der Tod nimmt uns die, ohne die wir fast nicht leben zu können glauben. Krankheit lähmt unser Schaffen.

Ach! Wenn das alles wäre! Es gibt ein viel, viel tieferes Dunkel. Das ist die Finsternis der Gerichtswolke Gottes. Unser Gewissen will nicht mehr schweigen. Wir schauen zurück auf unseren Weg, suchen etwas Gutes, was uns helfen, uns decken könnte. Aber da sind nur Versäumnisse, Schulden, Verfehltes. Alle unsere Sünden gehen über unser Haupt.

In dies Dunkel führt Gott die, die er retten will. – Die er retten will? Muss es nicht heißen: die er verderben will? – Nein, die er retten will! „…ist doch der Herr mein Licht.“ Denn hier in der Finsternis wartet Jesus auf uns, das Licht der Welt, voller Gnade, der Erbarmer, der Heiland.

„So ich im Finstern sitze …“ – es wird immer dunkler bis zum Ende – „so ist doch der Herr mein Licht.“ Lasst uns um des herrlichen Lichtes willen getrost ins Dunkle gehen und darin bleiben!

 

 

Ach, mein Herr Jesus, dein Nahesein

Bringt großen Frieden ins Herz hinein;

Und dein Gnadenanblick macht uns so selig,

Dass Leib und Seele darüber fröhlich

Und dankbar wird.


10. Januar

 

Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.

Jesaja 60, 1

 

In einem großen Krankenhaus lagen zwei junge Männer. Als ich an das Bett des einen trat, sagte der: „Bei der Arbeit wurde mir die Wirbelsäule verletzt. Wenigstens zwei Jahre muss ich so liegen.“ Der andere murmelte: „Es ist vom Krieg. Völlig aussichtslos!“

Ich stand erschüttert: Zwei junge Männer, die schaffen und leben wollen – Opfer der Arbeit und des Krieges. Mir blieb das Wort in der Kehle stecken.

Da fiel mein Blick auf den Nachttisch. Darauf hatte die Schwester ein Kärtlein gestellt mit dem Wort: „Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“ Ich konnte nur stumm auf dies Kärtlein zeigen. Da meinte einer: „Ja, wenn man das liest, dann gehen einem die Augen über.“

Gehen auch uns die Augen über?

Ich treffe einen Bekannten. „Wie geht es?“ – „Ach, schlecht! Mir geht alles schief.“ – „Ja, es ist ein mühseliges Leben …“ Und dann klagen wir uns unser Leid, schelten über die bösen Zeiten. Schließlich verabschiede ich mich. Wir geben uns die Hand. Und – da – in diesem Augenblick – fällt mir das Kärtchen aus dem Krankenhaus ein – auf der Straße – im Regen – bei verdrießlicher Laune! Und ich muss sagen – es fährt mir so heraus: „Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über uns!“

Betroffen sieht er mich an. „Ja, das ist …“ Nachdenklich geht er fort. In mir aber ist es auf einmal hell geworden.

Ja: Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir und deinem grauen Alltag!

 

 

Ihr Armen und Elenden

Zu dieser bösen Zeit,

Die ihr an allen Enden

Müsst haben Angst und Leid:

Seid dennoch wohlgemut,

Lasst eure Lieder klingen,

Dem König Lob zu singen,

Der ist euer höchstes Gut.


11. Januar

 

Ich will die Finsternis vor Ihnen her zum Licht machen.

Jesaja 42, 16

 

Auf den ersten Blick scheint das ein sehr tröstliches Wort zu sein. Aber bei näherem Zusehen entdecken wir: Da sagt unser Herr etwas, was unserer alten Natur ganz und gar nicht gefällt.

Wir Menschen haben gern übersichtliche Verhältnisse. Wir geben uns viel Mühe, unser Leben auf ferne Tage hinaus zu sichern. Als ich einem arbeitslosen Jungen eine Stelle bei einem Bauern vermitteln wollte, sagte er vorwurfsvoll: „Und was soll da im Alter aus mir werden?“ Der Junge war 15 Jahre alt!

So sind wir! Wir wollen Pläne auf lange Sicht machen. Wir wollen unsern Weg auf eine weite Strecke hin übersehen.

Und hier sagt uns nun der Herr, dass er es anders mit uns vorhat. Er will seine Kinder ins Dunkel führen. Da will er sie wohl nicht verlassen. Er wird ihnen für jeden Tag Licht geben. Aber – und das ist wieder hart! – eben nur für einen Tag und einen Schritt: „Ich will das Dunkel vor ihnen her zum Licht machen.“

„Vor ihnen her“! Der Herr Jesus hat das einmal so ausgedrückt: „Sorget nicht für den anderen Morgen. Es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“ Da sieht man nicht den ganzen Weg; aber man hat Licht genug, um weiterzugehen.

Es gibt ein schönes Bild von Rudolf Schäfer: Ein Mann wandert durch die Nacht. Und vor ihm geht ein gewaltiger Engel Gottes. Der trägt eine Laterne. Und in diesem Licht geht nun der Mann. Er hat Licht nur für einen einzigen Schritt.

So wandern Kinder Gottes. Sehr zaghaft! Und doch – sehr sicher! Denn sie wissen: Auch für morgen ist wieder Licht da. Und am Ende – am Ziel – wird es ganz hell sein.

 

 

Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl,

Das macht die Seele still und friedevoll.

Ist's doch umsonst, dass ich mich sorgend müh,

Dass ängstlich schlägt mein Herz, sei's spät, sei's früh.


12. Januar

 

Das Licht scheint in der Finsternis.

Johannes 1, 5

 

Ein schreckliches Geheimnis muss ich euch sagen. Um es zu verstehen, wollen wir etwas ausholen: Unser Bibelwort ist nur die erste Hälfte eines Satzes. Diese erste Hälfte ist lieblich und schön. Aber die zweite Hälfte ist schrecklich. Der ganze Satz heißt so:

„Das Licht scheint in der Finsternis,

und die Finsternis hat's nicht begriffen.“

Diese zweite Satzhälfte rollt gleichsam einen Vorhang auf, und wir sehen die Menschenwelt, wie sie wirklich ist: dumpf, blind für Gottes Gnade, stumpf gegen Gott!

„Das Licht scheint in der Finsternis …“ Sooft ich dies Wort höre, meine ich, man könne ihm auch eine andere Fortset­zung geben. Und diese ist das schreckliche Geheimnis:

Das Licht scheint in der Finsternis,

und die Finsternis hat's – ganz genau begriffen.

So, da ist jetzt von uns und unserer geheimsten Not die Rede. Jetzt ist die Rede von der zähen Finsternis in Herzen, die das Evangelium wohl kennen; von Herzen, die gern selig werden möchten; aber …!

Das ist die Anfechtung der Christen: dass sie das Licht kennen und lieben, aber doch immer wieder magisch angezogen werden von dem lockenden Geheimnis der Finsternis.

Ja, ist das nicht eigentlich das Geheimnis Satans? Er weiß, dass in keinem andern Heil ist als in Jesus. Er kennt das Licht und – bleibt doch Finsternis.

Und so ist die Finsternis in Christenherzen. Sie weiß, dass sie mit Jesus an das Kreuz muss; sie weiß, dass das Licht scheint – und gerade darum versucht sie, noch einmal in uns alle Macht zu gewinnen.

Gott muss seine ganze Macht einsetzen, damit ein Mensch selig wird.

 

 

Dein' Erscheinung müss erfüllen

Mein Gemüt in aller Not.

Dein' Erscheinung müsse stillen

Meine Seel auch gar im Tod.

Herr, in Freuden und im Weinen

Müsse mir dein Licht erscheinen.


13. Januar

 

Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.

Jesaja 8, 23

 

„Die in Angst sind“.

Wer ist denn damit gemeint?

Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard erzählte eine seltsame Geschichte von einem Vater und seinem Sohn:

„Ein paar Mal geschah es, dass der Vater mit sorgenvollem Gesicht betrachtend stand und sagte: Armes Kind, du gehst in einer stillen Verzweiflung! – Und als der Vater gestorben und der Sohn erwachsen war, da vernahm er in seiner Einsamkeit des Vaters Stimme und dieselben Worte. Denn der Vater war ja der einzige, der ihn verstanden hatte …“

Wer diese Geschichte nachdenklich liest, der wird sofort sagen: Das ist ja meine Geschichte.

Und so ist es.

Nun wissen wir auch, wer gemeint ist mit dem Wort: „… die in Angst sind.“ Wir sind gemeint.

Dann aber sind auch wir gemeint mit der Verheißung: „Es wird nicht dunkel bleiben.“

Wir müssen darauf achten, dass hier nicht steht: „Sie werden nicht im Dunkeln bleiben.“ Nein! Das wird nicht gesagt. Es kann sehr wohl sein, dass wir mit all unserer heimlichen Verzweiflung doch im Dunkeln bleiben. Das aber liegt dann an uns und nicht an Gott.

Denn der will uns aus der stillen Verzweiflung und aller Angst herausretten. „Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.“

Gott lässt ein helles, tröstliches, wunderbares Licht über allen aufgehen. Die Engel haben gejauchzt, als dies Licht in die Welt kam. Damit keiner im Zweifel bliebe, was mit diesem lieben Licht gemeint ist, hat der Herr Jesus deutlich gesagt: „Ich bin das Licht der Weit.“ Er macht aller stillen und aller lauten Verzweiflung ein Ende.

 

 

Ein Arzt ist uns gegeben,

Der selber ist das Leben:

Christus, für uns gestorben,

Der hat das Heil erworben.


14. Januar

 

Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.

Jesaja 8, 23

 

Die Psychologie (Seelenkunde) geht von der Voraussetzung aus: Was man vom Menschen wahrnimmt, ist nur die Fassade. Dahinter kommt erst das Eigentliche. Hinter dem Äußeren sieht es ganz anders aus.

Als die Psychologie nun anfing, den Menschen hinter der Fassade zu studieren, entdeckte sie immer neue Abgründe.

Und im allerletzten Abgrund der Seele – da sitzt die Angst.

Es ist wie in einer der Höhlen auf der Schwäbischen Alb. Wenn man da hineingeht, findet man herrliche Grotten und seltsame Gänge. Aber immerzu wird man begleitet von einem unheimlichen Rauschen. Irgendwo in den Tiefen ist ein verborgener Fluss. Es hat ihn noch keiner gesehen. Aber man hört sein Rauschen.

So rauschen tief in unserer Seele die Ströme der Angst.

Die Bibel erzählt von einem König Saul. Wir sehen ihn gewappnet inmitten seiner Kriegerscharen. Wer könnte auf den Gedanken kommen, dass bei ihm in der Tiefe die Angstströme rauschen?

Aber in der Nacht vor dem Kampf schleicht er verkleidet zu einer Wahrsagerin, zu der Hexe von Endor. Dieser furchtgepeinigte Mann - das ist der wirkliche Mensch!

Und in diese Menschenwelt hinein klingt nun die Verhei­ßung Gottes: „Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.“

Ein Licht geht auf. Die Angst muss weichen bei denen, die in dies Licht kommen. Das Licht heißt: Jesus!

 

 

Aber wie hervorgegangen

Ist der Aufgang aus der Höh,

Haben wir das Licht empfangen,

Welches so viel Angst und Weh

Aus der Welt hinweggetrieben,

Dass nichts Dunkles überblieben.


15. Januar

 

Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter Ihren Flügeln; und Ihr sollt … hüpfen wie die Mastkälber.

Maleachi 3, 20

 

Es ist mir unvergesslich, wie ich als Junge in meiner Heimatstadt Frankfurt zum ersten Mal das Gemälde eines expressionistischen Malers sah. Es war ein tolles Bild: in wildem Durcheinander eine Geige, ein halbes Gesicht, ein Weinglas, ein Kirchturm, ein grünes Band …

Ich stand mit meinen Freunden davor. „Verrückt!“ meinte einer lachend. „Da ist etwas explodiert!“ rief ein anderer.

„Jawohl!“ erwiderte ruhig einer, der etwas von der Sache begriff, „die Fülle der Gedanken ist dem Künstler explodiert!“

An diese Geschichte muss ich denken bei dem heutigen Text. Ist dies Bibelwort nicht wie so ein modernes Gemälde? Da sehen wir die Sonne mit Flügeln! Es ist die Rede von Mastkälbern und von Menschen, die Furcht haben, aber vor Freude hüpfen! Und das alles in einem Satz!

Es ist ein gewaltiges Wort. In Bildern will es zu uns sprechen. Und doch sprengt der Inhalt jedes Bild.

Zunächst bleibt gar nichts anderes übrig, als dass man einmal den Gesamteindruck dieses Wortes aufnimmt: „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln; und ihr sollt hüpfen wie die Mastkälber.“

Da wird doch eins deutlich: Den Leuten, die Gott ernst nehmen, soll etwas widerfahren, was ihr Leben dem Alltag entreißt und sie in überschwänglicher Weise beschenkt und fröhlich macht. Christenstand ist nicht eine kleine religiöse Verbrämung des Alltags, ist nicht ein dünner Trost für solche, die sonst nichts haben. Christenstand ist vielmehr unbändige Freude, neue Existenz, Leben in Kraft!

 

 

Wohlauf, mein Herze, sing und spring

Und habe guten Mut!

Dein Gott, der Ursprung aller Ding,

Ist selbst und bleibt dein Gut.


16. Januar

 

Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.

Maleachi 3, 20

 

Es gibt mancherlei Arten, die Menschen einzuteilen. Etwa in Kapitalisten und Ausgebeutete. Oder in Gebildete und Ungebildete - Männer und Frauen -- Alte und Junge.

Nun, das sind menschliche Einteilungen. Gott teilt anders ein.

Wenn man eine Umfrage anstellen wollte, wie wohl Gott die Menschen einteile, dann würden gewiss die meisten antworten: In Gute und Böse. Oder es hieße: In Christen und Heiden.

Aber die Bibel setzt uns immer wieder in Erstaunen. Die göttliche Einteilung ist ganz anders. Sie entscheidet: Es gibt solche, die Gottes Namen fürchten - und alle andern!

Von dem heidnischen römischen Hauptmann Cornelius sagt Gott im 10. Kapitel der Apostelgeschichte, er sei ihm angenehm, weil er Gott fürchte. Das war ein Heide. Von der Kirche aber im Alten Bund klagen die Propheten, dass „keine Furcht Gottes im Lande“ sei. Wie ist es wohl bei uns?

„Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet ...“ Mit diesem Wort nimmt Gott die kleine Schar, die ihn fürchtet, an sein Herz und erklärt sie zu seinem Liebling. Ja, zu seinen Erwählten, für die er eine ganz besondere Freude bereitge­stellt habe: „ ...euch soll aufgehen die Sonne der Ge­rechtigkeit.“

Da ist der Sohn Gottes, der Herr Jesus, der Heiland ge­meint.

Ja, er ist so recht der Heiland für die, welche Gott fürchten. Sie wissen sich als Schuldige: Er bringt Vergebung der Sünden. Sie wissen, dass keine Kraft zum Guten in ihnen ist: „Er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und zur Ge­rechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung.“

 

 

Jesu, reines Licht der Seele,

Du vertreibst die Finsternis,

Die in dieser Sündenhöhle

Unsern Tritt macht ungewiss,

Jesu, deine Lieb und Segen

Leuchten uns auf unsern Wegen.


17. Januar

 

Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter ihren Flügeln.

Maleachi 3, 20

 

Es war im Krieg. Kurz nach einem schrecklichen Fliegerangriff kam ich in einen Häuserblock, der zu meiner Freude völlig unversehrt war. Umso mehr war ich erstaunt, als ich merkte: Die Häuser sind ja alle verlassen und geräumt. Nur ab und zu sah ich einzelne Menschen eiligst in eines der Häuser rennen und irgendetwas herausholen.

Endlich erwischte ich einen Mann: „Was ist denn hier los?“ Er erklärte mir: „Dort im Hof liegt eine Bombe mit Zeitzünder!“ Ja, dort lag das unheimliche Ding. Und – nun musste ich doch lachen – ein Haufen Spatzen spielte munter rings um die Bombe. „Die sind aber mutig!“ sagte ich. „Nein! Dumm!“ erwiderte der Mann.

Nun möge man mir dies unpassende Bild verzeihen. Aber es zeigt, um was es geht:

Gott ist viel gefährlicher als eine Bombe mit Zeitzünder. In der Bibel steht: „Wo er zerbricht, da hilft kein Bauen.“ Und: „Schrecklich ist's, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“

Und wenn wir ihn nicht fürchten, sind wir – dümmer als die Spatzen. Furchtlosigkeit kann nämlich auch Dummheit sein.

Ich hörte von zwei Menschen, die miteinander vor der Schwelle einer schweren Sünde standen. Da sagte auf einmal der eine: „Ich kann nicht! Ich habe Angst vor Gott!“ Es mag manchem erstaunlich klingen – aber es war so –, dass der andere antwortete: „Ich beneide dich!“ Dies Menschenkind begriff: Gott nicht fürchten – das ist grauenvoller Seelentod.

Wo man aber Gott fürchtet, da erkennt man die Sonne Jesus und findet das „Heil“ unter seinen Flügeln.

 

 

Furcht muss man vor Gott stets tragen,

Denn er kann mit Leib und See!

Uns zur Hölle niederschlagen;

Er ist’s, der des Geistes Öl

Und, nachdem es ihm beliebt,

Wollen und Vollbringen gibt.

O so lasst uns zu ihm gehen,

Ihn um Gnade anzuflehen.


18. Januar

 

Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.

Maleachi 3, 20

 

„Sonne der Gerechtigkeit“!

Was soll denn das bedeuten?

„Sonne“ – ja, das verstehen wir ohne weiteres. Die Gegenwart des Herrn ist hell, freundlich, lebenspendend.

Aber – „Sonne der Gerechtigkeit“? Was will das sagen?

Wenn wir von „Gerechtigkeit“ reden, denken wir meist an die Gerechtigkeit, die ein Richter ausübt. Auch in diesem Sinne spricht die Bibel von Gerechtigkeit: „Gott ist ein gerechter Richter.“ Darauf können wir uns verlassen!

Aber viel häufiger ist in der Bibel die Rede von der Gerechtigkeit, die der Angeklagte hat – oder vielmehr haben sollte.

Wenn kein Mensch und kein Gesetz einen Vorwurf gegen mich erheben könnten, so wäre ich vor Menschen gerecht. Nun male ich mir einmal aus, es kämen alle Menschen zusammen, die mich kennen. Und jeder würde gefragt, ob er etwas gegen mich vorzubringen wüsste. Das gäbe ein Anklagen!

Da wird uns klar: Die Gerechtigkeit vor Menschen fehlt uns.

Und gar die „Gerechtigkeit vor Gott“! Wir fühlen es ganz deutlich, wie sehr die uns fehlt.

Nun ist Jesus die „Sonne der Gerechtigkeit“. Das bedeutet: die Fülle der Gerechtigkeit. Weder Menschen noch Gott können an ihm etwas Böses finden. Keiner kann etwas gegen ihn vorbringen.

Ja – wie die Sonne mit ihren Strahlen das Dunkle erhellt, so kann Jesus von seiner Gerechtigkeit abgeben. Am Kreuz hat er eine solche Fülle von Gerechtigkeit erworben, dass er für alle Sünder genug hat. Paulus sagt jubelnd: „Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist.“

 

 

Ach sinke du vor seinem Glanz

In tiefste Demut ein

Und lass dein Herz erleuchten ganz

Von solchem Freudenschein!


19. Januar

 

Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter Ihren Flügeln.

Maleachi 3, 20

 

Das gehört zu den unbegreiflichen und wunderbaren Dingen in dieser Welt, wie deutlich die Propheten des Alten Bundes durch den Heiligen Geist den Herrn Jesus gesehen haben.

Ihren Zeitgenossen müssen die Verheißungen sehr unverständlich gewesen sein. Uns aber geben sie viel Licht.

Hier wird Jesus eine Sonne genannt. Ja, eine strahlende, sieghafte Sonne, die über aller Welt aufgeht.

Aber – so sagt der Prophet – diese Sonne hat Flügel. Und unter diesen Flügeln ist das Beste verborgen, so dass nur wenige es finden.

So ist Jesus! Er ist offenbar und sehr heimlich zugleich.

Eine Sonne ist er! Er selbst nennt sich „das Licht der Weit“. Seine Strahlen gehen über die ganze Welt. Auf allen Kontinenten ringen diese Lichtstrahlen Jesu mit der Finsternis, die aus den Menschenherzen kommt.

Als der Heiland die ersten Jünger berief, haben die wohl kaum geahnt, wie gewaltig dieser Mann aus Nazareth die ganze Welt erfüllen und erleuchten werde. In alle Welt ist der Schall der Botschaft von Jesus gedrungen. In der Tat, er ist wie eine Sonne aufgegangen.

Aber das Beste, was dieser Jesus, dieser Sohn Gottes, zu bringen hat, ist doch verborgen „unter den Flügeln“. Unser Textwort sagt: sein „Heil“!

Da müssen wir schon suchen, wenn wir Gottes Heil in Jesus finden und erkennen wollen. Es ist so verborgen, dass wir es gar nicht finden, wenn nicht der Heilige Geist uns die Augen öffnet für dies Heil.

O Herr! Lass es uns finden!

 

 

O König aller Ehren,

Herr Jesu, Davids Sohn,

Dein Reich soll ewig währen,

Im Himmel ist dein Thron;

Hilf, dass allhier auf Erden

Den Menschen weit und breit

Dein Reich bekannt mög werden

Zur Seelen Seligkeit.


20. Januar

 

Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter Ihren Flügeln; und ihr sollt aus und eingehen und hüpfen wie die Mastkälber.

Maleachi 3, 20

 

… und ihr sollt hüpfen wie die Mastkälber.“ Wörtlich übersetzt heißt es: „Ihr kommt mit Sprüngen wie Kälber aus dem Stall.“

Das ist ja ein unerhörtes Bild!

Die Kälber, die den Winter lang im dumpfen Stall standen, brechen hervor, weil nun Frühling ist. Und damit also wird die Gemeinde des Herrn verglichen!

Es gibt eine göttliche Freudigkeit und Vitalität. Die ist dort, wo man – von den Fesseln der Welt und der Gesetzlichkeit befreit – durch die Rechtfertigung des Sünders Frieden mit Gott hat. Der Römer-Brief sagt: „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“ Wo man das sagen kann, da entsteht diese göttliche Vitalität.

Vor Jahren hatte ich eine Jungmänner-Freizeit in Holland. Da geschah es, dass eines Nachts die ganze Schar an meine Zimmertür klopfte: „Wir können nicht schlafen vor Herzensunruhe. Gott hat uns unsere Schuld aufgedeckt.“

Nun gab es ein langes Ringen am nächsten Tag. Dann endlich sahen sie die Sonne Jesus. Sie erkannten auch das „Heil unter seinen Flügeln“. Sie fanden ihn als den, von dem gesagt ist: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Und durch seine Wunden sind wir geheilt.“

Am Abend dieses Tages sagte ein alter Mann: „Was ist mit diesen jungen Männern los? Sie erinnern mich an das Wort aus dem Alten Testament: Ihr werdet hüpfen wie die Mastkälber.“

„Ja“, erwiderte ich, und mir kamen vor Bewegung die Tränen, „dies Wunder hat sich an ihnen erfüllt.“

Möge es sich auch an uns erfüllen!

 

 

Wohlauf, ihr Heiden,

Lasset das Trauern sein,

Zur grünen Weiden

Stellet euch willig ein;

Da lässt er uns sein Wort verkünden,

Machet uns ledig von allen Sünden.


21. Januar

 

Da Jesus geboren war … zur Zelt des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland.

Matthäus 2, 1

 

Bis vor kurzem war kein großer Unterschied gewesen zwischen diesen Weisen und dem König Herodes. Der König sowohl wie die Weisen waren Leute, die ohne Gott in der Welt gelebt hatten.

Aber nun wurde es anders. Jesus trat zwischen sie.

Das Kommen des Sohnes Gottes hat dem Herodes den Anstoß gegeben zur Verstockung – den Weisen zum Glauben.

So ist es noch heute. Wo Jesus in seinem Worte hinkommt, da trennen sich die Menschen. Die einen verstocken ihr Herz, die andern ergreifen ihn zum ewigen Leben.

Was aber nun in unserer Geschichte der Sache ein besonderes Gewicht gibt, ist dies:

Wenn man einen unvoreingenommenen Menschen gefragt hätte: „Was meinst du, wer wohl zu Jesus kommen wird, Herodes oder die Weisen?“, dann hätte der sicher geantwortet: „Natürlich Herodes!“

Ja, Herodes war aufgewachsen in den Überlieferungen Israels. Er kannte die Verheißungen des Alten Bundes. Er gehörte zu der Kirche des Alten Testaments.

Die Weisen aber waren Heiden, gefangen in dem düsteren Magiertum des Orients. Sie waren fern von dem Volke, dem Gott die Verheißung gegeben hatte. Und wenn ein Messias kam, hatten nach allgemeiner Ansicht die Weisen kein Teil an ihm.

Und was geschieht nun?

Herodes, der dem Reiche Gottes so nahe war, wird ein Feind des Sohnes Gottes. Die Weisen aber, die so fern waren, werden angenommen. Jesus sagt: „Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ Das ist sehr wichtig zu wissen für uns, die wir in der Christenheit groß wurden.

 

 

Drum mache dich behende auf,

Befreit von aller Last,

Und lass nicht ab von deinem Lauf,

Bis du dies Kindlein hast.


22. Januar

 

Die Weisen sprachen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern. gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.“

Matthäus 2, 2

 

Das gab eine Ratlosigkeit an den Toren Jerusalems!

Da standen die fremdartigen Männer und fragten nach dem „neugeborenen König“. Kein Mensch hatte etwas davon gehört.

Aber es gab noch andere Dinge, welche die Leute aufregen konnten, z. B. die Sache mit dem Stern! Wer hatte schon je einmal so etwas gehört!

Das Aufregendste aber war gewiss dies: Diese Männer erklärten, sie wollten den neuen König anbeten.

Sicher ging es von Mund zu Mund: „Was wollen sie? Anbeten? Da hört doch alles auf!“

Das wusste nämlich in Israel jedes kleine Kind, dass man nur Gott anbeten darf. Und nun wollten diese Männer einen König anbeten!

Die Weisen standen gewiss sehr verlegen inmitten dieser allgemeinen Aufregung. Und doch ließen sie sich nicht verwirren. Dabei sollten wir wohl einen Augenblick still stehen!

Wenn wir beten, dann heißt das für gewöhnlich für uns „bitten“. Für die Weisen aber „anbeten“.

Nein! Die Weisen wollten nichts erbitten. Wahrscheinlich hätten sie dazu gar nicht den Mut gehabt. Er, den sie suchten, war ja „der König Israels“. So sagten sie selbst.

Aber anbeten wollten sie den, den Gott als helle Offenbarung in diese dunkle Welt gesandt hat. Das erschien ihnen überwältigend groß.

So ist das, wenn die Augen geöffnet werden.

 

 

Von deinem Reich auch zeugen

Die Leut aus Morgenland;

Die Knie sie vor dir beugen,

Weil du ihn'n bist bekannt.

Der neu Stern auf dich weiset,

Dazu das göttlich Wort.

Drum man dich billig preiset,

Dass du bist unser Hort.


23. Januar

 

Da beriet Herodes die Weisen heimlich und erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre.

Matthäus 2, 7

 

Herodes atmete auf!

Also in dem kleinen Nest Bethlehem sollte dieser „neugeborene König“ zu finden sein? Nun, dann war die Sache ja furchtbar einfach. Das gab bestimmt nicht viel Verwicklungen. Da musste man das Kind nur finden – und dann ein stilles Kommando, um das Kind zu „liquidieren“ – so sagt man doch heute! –, und die Sache war erledigt.

Jetzt musste man also nur noch die Weisen „ausholen“ – so sagt man doch heute!

Also berief Herodes die Weisen heimlich und fragte sie aus.

Wer die Geschichte richtig miterlebt, der möchte hier den Weisen eine Warnung zukommen lassen: „Vorsicht! Nichts sagen! Der Herodes ist voll Hinterlist!“

Aber diese Weisen plauderten in großer Einfalt alles aus. Zwei Welten treffen sich hier: Die Welt der satanischen Klugheit und die der göttlichen Einfalt. Die Einfalt des Glaubens begegnet der listigen Klugheit der Welt.

Und – die göttliche Einfalt ist unterlegen. Herodes kann heimlich fachen: „Wie dumm sind diese Leute!“

So ist's immer gewesen. Und es ist begreiflich, dass die Kinder Gottes immer wieder versucht waren, die göttliche Einfalt über Bord zu werfen und klug zu werden nach der Weise der Welt. Denkt nur daran, wie Abraham seine Frau als seine Schwester ausgab!

Aber unsere Geschichte zeigt uns: Das ist nicht nötig. Herodes bekam das Kind doch nicht in die Hände. Denn für die Wahrhaften und im Glauben Lauteren kämpft Gott selbst. Er führt ihre Sache und bewahrt ihre Wege.

 

 

Einfalt denkt nur auf das Eine,

In dem alles andre steht;

Einfalt hängt sich ganz alleine

An den ewigen Magnet.


24. Januar

 

Herodes wies die Weisen gen Bethlehem und sprach: „Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein.

Matthäus 2, 8

 

Man muss beinahe lachen, wenn man sich die Situation vorstellt:

Da steht dieser König mit dem biedersten Gesicht von der Welt und erklärt den Weisen: „Das ist eine gute Sache, dass ihr den ‚neugeborenen König' suchen und anbeten wollt. Forscht fleißig nach ihm!“

Und dann lässt er sie gehen – und denkt nicht daran, sich an dieser guten Sache irgendwie zu beteiligen.

Da fallen mir jene zahlreichen Männer ein, die in schlichter Freude erklären: „Ich bin sehr dafür, dass meine Frau in die Kirche geht.“ Aber selber tun sie nicht einen Schritt, ihren Erlöser zu suchen.

Oder jene Eltern, die erklären: „Natürlich müssen unsere Kinder in den Konfirmanden-Unterricht.“ 'Aber sie selber suchen und kennen den Heiland nicht von ferne.

Als ich einst einem jungen Manne sagte, ich hielte jede Woche eine Bibelstunde, erklärte er harmlos: „Ich will es unserer Großmutter bestellen.“ Für die Großmutter war Jesus gewiss sehr recht. Aber für ihn selbst kam diese Sache Gottes nicht in Frage.

O Herodes, du hast heute viele Jünger!

Paulus spricht einmal sehr ernst davon, dass man „andern predige und doch selbst verwerflich werde“.

Wie hart kann das Menschenherz sein! Da hört dieser Herodes, dass Gott seine Versprechungen wahr gemacht und der Welt einen Heiland gegeben hat. Er sieht die Weisen diesem Erlöser zuziehen. Und es zieht ihn nicht mit!

Herr, erbarme dich über unser hartes, totes Herz!

 

 

Auf, Seele, auf und säume nicht,

Es bricht das Licht herfür;

Der Wunderstern gibt dir Bericht,

Der Held sei vor der Tür!


25. Januar

 

Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.

Matthäus 2, 10

 

Es war ja so etwas ganz und gar Neues, was diese Weisen aus dem Morgenland erlebten. Gewiss, sie hatten auch Religion. Wahrscheinlich sogar eine sehr tiefsinnige und ernsthafte Religion. Aber dabei war es doch immer so, dass der Mensch sich Gedanken über Gott machte – doch Gott schwieg. Es war so, dass der Mensch Gott anrief und suchte – doch Gott schwieg. Es war, als wenn man in ein feierliches, leeres Gewölbe hineinriefe. Das einzige Echo war – die eigene Stimme.

Und nun war diesen Weisen aus dem Morgenland ein Neues begegnet. Gott schwieg nicht mehr. Er rief. Er rief sie in der Sprache, die diese Astronomen verstanden: durch den Stern.

Und Gott rief nicht nur: Er führte. Er führte durch den Stern, und er führte sie durch das Wort, das ihnen geschenkt wurde: „Du Bethlehem Ephrata, aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk ein Herr sei.“

Das Wort weist sie, und der Stern führt sie. Das war etwas Gewaltiges und Neues. Sollten sie nicht fröhlich sein über diesem Ziehen, Rufen und Führen des lebendigen Gottes!? Sollten sie diesem Rufen und Führen nicht folgen bis hin zu der Offenbarung Gottes, dem König des Volkes Gottes: zu Jesus!?

Auch unter uns hat Gott so sein Werk. Er redet durch sein Wort und ruft und führt durch seinen Geist. Aber – und das ist traurig und beschämend – dies lebendige Wirken Gottes macht nicht nur „hoch erfreute“ Leute. O nein, es findet Widerstand und Widerstreben. Auch bei uns?

Es ist ja so groß, dass Gott uns zu Jesus führen will, dass wir alles stehen und liegen lassen sollten, wenn er ruft, und „hoch erfreut“ folgen sollten bis zum seligen Finden des Heiles Gottes in Jesus.

 

 

Zieh mich, o Vater, zu dem Sohne,

Damit dein Sohn mich wieder zieh' zu dir;

Dein Geist in meinem Herzen wohne

Und meine Sinne und Verstand regier,

Dass ich den Frieden Gottes schmeck' und fühl'

Und dir darob im Herzen sing und spiel.


26. Januar

 

Da die Weisen den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.

Matthäus 2, 10

 

Man könnte. meinen, diese Freude der Weisen aus dem Morgenlande sei doch etwas verfrüht gewesen. Sie hatten das Kind ja noch nicht gefunden. Sie waren ja erst auf dem Wege.

Und doch – es steht hier: „Sie wurden hoch erfreut.“ Dass wir es einmal so sagen: Um Jesus her ist eine Zone der Freude. Die Weisen standen jetzt unter dem Wort aus dem Propheten Jesaja: „Dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“

Und da beginnt schon die Freude.

Zum Schönsten in der Missionsgeschichte gehört das Erleben des rheinischen Missionars Krumm bei den Kopfjägern auf Nias:

Im Jahre 1897 hatte er dort seine Arbeit begonnen. Zuerst ging es durch viel Nöte. Aber dann kam jener Tag, da sie ihn in die Burg des „Neunflammigen“, des heidnischen Priesterkönigs, einluden.

„Trommelwirbel tönten, eine Donnerbüchse krachte. Einer hielt eine Rede, die begann: Gott hat die Irauno lieb. – Und sie schloss: Früher waren wir Feinde. Nun sind wir Brüder. Solago aber mahnte: Du musst uns jetzt das Wort Gottes verkündigen!“

Welch eine Stunde, als sie ihre Götzen in den Abgrund warfen und ein selbstgedichtetes Lied zu singen begannen:

 

„Es ist gleich, als wenn die Sonne aufgeht über unsern Bergen, es wird hell bei uns, weil man uns das Wort Gottes verkündigt. Auch uns hat erreicht Lowolangi (Gott). Es ist zu uns gekommen der Herr …“

 

„Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.“ Ja, um Jesus her ist eine Zone der Freude. Wie groß wird die Freude erst, wenn man ihn selbst gefunden hat!

 

 

Er gebe uns ein fröhlich Herz,

Erfrische Geist und Sinn

Und wert all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz

Ins Meeres Tiefe hin.


27. Januar

 

Es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen.

Matthäus 2, 13

 

Das sagt Gott, als er dem Joseph befiehlt, das Kind Jesus in Ägyptenland in Sicherheit zu bringen.

„Es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, es umzubringen.“ Eine einfache, sachliche Feststellung. Und doch lässt uns dies Wort tief hineinschauen in Gottes Herz.

Es zeigt uns Gottes Geduld. Es wäre ihm ja ein Geringes, den Herodes auf seinem bösen Wege aufzuhalten. Er tut es nicht. Er macht dem Herodes gleichsam die Bahn frei. Er weicht ihm still aus. Gott lässt dem Bösen Zeit auszureifen.

Dies Wort Gottes an Joseph zeigt uns Gott auch als Herzenskündiger. Noch hat Herodes keinem Menschen von seinem furchtbaren Mordplan etwas gesagt. Er konnte schweigen. Im Gegenteil – er hat sich als Freund Jesu aufgespielt. Aber Gottes Augen haben ihn erkannt – wie sie uns erkannt haben mit den geheimsten Wünschen, Regungen und Plänen unseres Herzens.

Und ist es uns nicht doch, als sei in diesem Sätzlein Gottes ein Verwundern: „Es ist vorhanden …“ Nun erreicht die Rebellion des Menschen gegen den lebendigen Gott den Höhepunkt, dass der Mensch den Sohn Gottes aus dem Wege räumen will. An den Knechten Gottes hat der rebellische Mensch sich schon seit Abels Zeiten immer vergriffen. Aber nun geht es an den Sohn. – Das ist der Mensch, den Gott zu seinem Ebenbild schuf! O Jammer! Bis zu diesem Tage ist es „vorhanden“, dass Menschen diesen Jesus aus dem Wege räumen wollen.

Auf den Armen Josephs zieht das Kind Jesus in die Fremde. Es ist der Anfang des Kreuzesweges. Joseph zieht mit. Und Maria. Und alle, die Jesus lieb haben.

 

 

Mein Kreuz und meine Plagen,

Sollt’s auch sein Schmach und Spott,

Hilf mir geduldig tragen;

Gib, o mein Herr und Gott,

Dass ich verleugne diese Welt

Und folge dem Exempel,

Das du mir vorgestellt.


28. Januar

 

Sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben standen.

Matthäus 2, 20

 

So steht es immer am Ende, wenn irgendwo der Kampf gegen Jesus begonnen wurde: „Sie sind gestorben…“

Es war ein anderer Herodes, der den Jakobus hinrichten ließ und den Petrus ins Gefängnis warf. Aber am Ende heißt es doch: „Da schlug ihn der Engel des Herrn, darum dass er Gott nicht die Ehre gab. Und er ward gefressen von den Würmern und gab den Geist auf. Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich“ (Apostelgeschichte 12, 23f.).

Wo sind sie alle: Nero, Diokletian, die Inquisitoren, der Bischof Firmian und wie sie alle heißen, die den Kampf gegen Jesus begannen? „Sie sind gestorben…“

So wird auch einmal der letzte, große Streit des Antichristen gegen den Herrn der Herrlichkeit ausgehen.

Wie sollte es auch anders sein? Dies „Kind“ ist ja nicht irgendeiner, sondern der, zu dem Gott gesagt hat: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berge Zion“ (Psalm 2).

Weil die Gemeinde Jesu das weiß, geht sie sehr getrost in solche Kämpfe und auch in das Leiden.

Wir haben ja gar nie die Sorge, was aus der Sache Jesu werden soll. Diese Sache Jesu ist ein für allemal entschieden. Nein, wir haben eine ganz andere Sorge: dass wir bei Jesus bleiben; dass die Stürme der Zeit und die drohenden Herodesse uns nicht verführen oder unser Herz weich machen, dass wir ihn verlassen.

Seine Sache ist schon gerettet. Es geht nur darum, dass er uns errettet, dass wir nicht mit jenen sterben.

 

 

Verzage nicht, du Häuflein klein,

Obschon die Feinde willens sein,

Dich gänzlich zu verstören,

Und suchen deinen Untergang,

Davon dir wird recht angst und bang;

Es wird nicht lange währen!


29. Januar

 

Ein Mensch war zu Jerusalem mit Namen Simeon… Dem war eine Antwort geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.

Lukas 2, 25 und 26

 

In Württemberg gibt es einen köstlichen Ausdruck für Leute, die sich um Kleinigkeiten verzanken. Da sagt man zu solchen Leuten: „Du bist ein Kleinigkeitskrämer!“ Dieser Ausdruck will sagen: Du verlierst das Große aus dem Auge und bist einer, der sich in Kleinigkeiten verliert.

Wer möchte wohl gern ein „Kleinigkeitskrämer“ sein? Wohl keiner! Und doch: Die meisten Menschen sind kümmerliche Kleinigkeitskrämer. Lasst uns nur einmal eine Rundfrage veranstalten: „Was ist dir in deinem Leben die Hauptsache?“ Ja, was?! Beförderung? Ehre bei Menschen? Eine sichere Stellung? Geld? Vergnügen? Lust?

Ach, das sind ja Kleinigkeitskrämereien! Wir sollten beten lernen: „Ewigkeit, / In die Zeit / Leuchte hell herein, / Dass uns werde klein das Kleine / Und das Große groß erscheine, / Selge Ewigkeit!“ Dem Simeon war das Große groß geworden, ihm war die Hauptsache: Friede mit Gott für Zeit und Ewigkeit.

Es steht da im Text: „Ihm war eine Antwort geworden.“ Wo eine Antwort ist, ist gefragt worden. Ja, der Simeon hatte geforscht und gefragt und gerungen, wie man Frieden mit Gott bekommen könnte.

Und er bekam eine vorläufige Antwort: „Den Frieden mit Gott kannst du dir nicht erringen. Den bringt dir einer frei und umsonst: der Christus Gottes.“

Und nun geht es diesem Mann ein Leben lang um die Hauptsache: um den Christus Gottes. Und als er ihn gesehen hat, da jubelt er: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“

Gott mache aus uns Kleinigkeitskrämern Leute, wie der Simeon einer war!

 

 

Seele, was ermüdest du dich

In den Dingen dieser Erden,

Die doch bald verzehren sich

Und zu Staub und Asche werden?

Suche Jesum und sein Licht,

Alles andre hilft dir nicht.


30. Januar

 

Hanna trat auch hinzu zu derselben Stunde.

Lukas 2, 38

 

Das war die Stunde, die Gott der Hanna schon lange zugedacht hatte. Die Maria trägt ahnungslos das Kind Jesus in den Tempel. Sie weiß nicht, dass das die Gottesstunde für die alte Hanna ist. Die Gottesstunde, wo Gott der Hanna den Heiland zeigt und schenkt und offenbart. Die Stunde, wo Gott dieser treuen Magd die letzte Tür aufschließt, dass sie eingehen darf als Kind Gottes, wo die Gnade sie umfängt.

O diese Stunde, die Gott einem Menschen bereitet, wo er einem Menschen selber die Tür zum Himmelreich öffnet! Die Hanna hat demütig auf diese Stunde gewartet und sich nach ihr ausgestreckt. Sie war also gerüstet und bereit für diese ihre Gnadenstunde.

Der Erweckungsprediger Henhöfer, der im vorigen Jahrhundert wirkte, brauchte einmal dafür ein drastisches Beispiel. Damals gab es noch keine Eisenbahnen. Einmal am Tag fuhr die Postkutsche. Die steht bereit und wartet auf Fahrgäste. Da kommen ein paar rechtzeitig und steigen ein. Jetzt muss der Postillon eigentlich abfahren. Aber er denkt: „Vielleicht hat sich einer verspätet.“ Also macht er langsam. Er nimmt dem Pferd die Decke ab. Richtig, da kommt einer gelaufen.

Jetzt setzt sich der Postillon auf den Bock. Da kommt noch einer gerannt und steigt ein. – Der Postillon zögert. Er nimmt sein Horn und bläst noch ein Stücklein. Dann fährt er ab.

Kaum ist der Wagen zum Stadttor hinaus, kommen noch zwei gerannt. Sie hatten sich In der Stadt aufhalten lassen. Da stehen sie nun. Die Post ist weg. Es ist zu spät. So ist es mit dem Gnadenwagen deines Heilandes! Er wartet lange auf dich. Er zögert deine Stunde hinaus, so lange er kann. Aber es kann auch zu spät sein.

Die Hanna war bereit zu ihrer Stunde.

Erkenne die Zeit, darin der Herr dich heimsucht!

 

 

Wahr ist's: Gott ist wohl stets bereit

Dem Sünder mit Barmherzigkeit;

Doch wer auf Gnade sündigt hin,

Fährt fort in seinem bösen Sinn

Und seiner Seele selbst nicht schont,

Dem wird mit Ungnad' abgelohnt.


31. Januar

 

Hanna trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries den Herrn.

Lukas 2, 38

 

Früher einmal heißt es von dieser Hanna: „Sie diente Gott mit Beten und Fasten Tag und Nacht.“ Das klingt wie ein Seufzen. Es war ein Ringen um Gott. Da war die tägliche Furcht vor ihm. Es war die Angst, man könne ihm missfallen und verloren gehen. Ja, viel Tränen und Furcht stehen hinter diesem ernsten Gottesdienst.

Wie anders heißt es jetzt! „Sie pries den Herrn.“

Jetzt hat sie gelernt: ich kann meine Seligkeit nicht schaffen und verdienen. „Es ist doch unser Tun umsonst / Auch in dem besten Leben.“ Aber – so weiß jetzt Hanna – der Herr Jesus, den ich da gefunden habe, hat mir mein Heil und meine Seligkeit frei und aus Gnaden gebracht.

Das heißt ja glauben: Man schaut nicht mehr auf sich, nicht auf seine Tüchtigkeit und seine guten Werke – auch nicht auf sein Elend und seine Sünde. Man schaut auf den Heiland, den Erlöser und Seligmacher, und preist Gott.

Es gibt viele so genannte Christen, die kommen innerlich nicht weiter, weil sie immer bei sich selbst stehen bleiben, weil sie immer wieder sich ansehen. Gelingt es ihnen ein wenig, den Willen Gottes zu tun, dann werden sie gleich stolz und sicher. Hat es aber eine Niederlage in ihrem Leben gegeben, dann sind sie verzweifelt. Die Bibel jedoch lehrt uns (Römer 4, 5): „Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“

Ein Liederdichter sagt: „Wenn ich mich selbst betrachte, / So wird mir angst und weh. / Wenn ich auf Jesum achte, / So steig ich in die Höh`. / So freut sich mein erlöster Geist, / Der durch das Blut des Lammes / Gerecht und selig heißt.“

Lasst uns täglich den Herrn preisen, dass wir Verlorenen einen Heiland haben!

 

 

Aus Gnaden! Merk dies Wort: Aus Gnaden!

So oft dich deine Sünde plagt,

So oft dir will der Satan schaden,

So oft dich dein Gewissen nagt.

Was die Vernunft nicht fassen kann,

Das beut dir Gott aus Gnaden an.


1. Februar

 

Darum so seht euch vor vor eurem Geist!

Maleachi 2, 16

 

Eine Warnungstafel wird hier aufgerichtete „Achtung! Vorsehen!“ – Nun, das Leben ist ja so bedroht, dass wir es gelernt haben, uns vorzusehen vor allerlei Gefahren: vor schnell fahrenden Autos und vor Bazillen, vor Ansteckung und vor Unglücksfällen.

Nun wird hier noch eine Warnungstafel aufgerichtet. Wer sie besinnlich liest, stutzt: „Wie? Vor meinem Geist soll ich mich vorsehen? Alle Gefahren kommen doch von außen! Wie sollte mein Geist für mich eine Gefahr sein?“

Aber diese Warnungstafel ist sehr, sehr ernst gemeint. Der lebendige Gott selbst hat sie aufgerichtet. Darum können und dürfen wir nicht an ihr vorübergehen.

„Darum so seht euch vor vor eurem Geist!“ – Da sagt uns Gott also, dass unser eigener Geist uns in große Gefahr bringen kann. Unser Geist ist wohl imstande, große technische Fragen zu lösen. Er kann die Vergangenheit erforschen und uns zu tüchtigen, fähigen Leuten im Leben machen.

Aber nun fängt unser Geist an, uns über Gott zu belehren. Er denkt sich einen harmlosen Gott aus und betrügt uns mit diesem Götzen, der doch nicht der lebendige Gott ist. Ja, unser Geist fängt an zu bestimmen, was gut und böse sei. Und wenn unsere Sünden gen Himmel schreien, dann ist unser Geist nicht faul, schwarz „weiß“ zu nennen und alles zu erklären und zu entschuldigen. Unser Geist denkt sich gar einen Weg zur Seligkeit aus und meint, Gott müsse „Ja“ dazu sagen.

So betrügt uns unser Geist um Gott und sein ewiges Heil. „Darum so seht euch vor vor eurem Geist!“ Wir wollen Gott bitten, dass er uns gebe „den Geist der Wahrheit und der Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis“, den Heiligen Geist, der uns in alle Wahrheit leitet.

 

 

Geist der Weisheit, gib uns allen

Durch dein Licht

Unterricht,

Wie wir Gott gefallen.

Lehr uns, recht vor Gott zu treten,

Sei uns nah

Und sprich Ja,

Wenn wir gläubig beten.


2. Februar

 

Das Geheimnis des Herrn Ist unter denen, die ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen.

Psalm 25, 14

 

Es gehört zu der wundersamen Botschaft der Bibel, dass Gott sich gern Menschen anvertrauen möchte. So hat sich Gott dem Abraham anvertraut, als er mit Abraham auf dem Wege vom Hain Mamre nach Sodom war: „Wie kann ich Abraham verbergen, was ich tue!“ sagt er. (1. Mose 18, 17) – So hat sich Gott dem Mose anvertraut, wenn er mit ihm redete „wie ein Freund mit seinem Freunde redet“.

Auch unter uns sucht Gott Menschen, denen er sich anvertrauen kann, denen er sein „Geheimnis“ mitteilen kann, die er „seinen Bund wissen“ lassen kann.

Nun ist es uns wohl allen klar: Gott kann sich nicht jedem Beliebigen anvertrauen. Er sagt uns selbst, dass dazu wenigstens eine Voraussetzung erfüllt sein muss.

Das ist ja nun eine überaus wichtige Frage: Welche Voraussetzung müsste bei mir erfüllt werden, dass Gott in meinem armen Leben das Wunder tun könnte, dass er mich seinen Vertrauten sein lässt?

Gott sieht dabei nicht darauf, welche Stellung einer in der Welt einnimmt. Er fragt auch nicht danach, ob wir besonders klug sind oder welchen Bildungsgang wir haben. Er sieht auch nicht auf unsere „moralischen Qualitäten“. Er sieht nur nach einem: ob man ihn fürchtet. Die Furcht vor Gott spielt eine große Rolle im geistlichen Leben. Sie ist der Schlüssel zum Heiligen.

Gott verschließt sich den Oberflächlichen, den Selbstgerechten, den Schwätzern, den Kraftmeiern, den Sicheren. Aber die erschrockenen Gewissen und aufrichtigen Herzen, die Bußbereiten und die, weiche aus der Wahrheit sind, erfahren sein Geheimnis: dass er in Jesus einen Bund gemacht hat und in Jesus eine Gemeinde der Zukunft sammelt für eine neue Welt. Möchten wir doch zu Gottes Vertrauten gehören!

 

 

Schaft in mir, Herr, den neuen Geist,

Der dir mit Lust Gehorsam feist`t

Und nichts sonst, als was du willst, will;

Ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.


3. Februar

 

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.

1. Mose 1, 31

 

Im Morgenglanz der ersten Schöpfungstage lag die neue Welt lichtgebadet vor den Augen Gottes. „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.“

Und wieder sah Gott. Der 14. Psalm erzählt davon: „Der Herr schaut vom Himmel auf die Menschenkinder.“

Was sehen Gottes Augen diesmal? Ein furchtbares Bild: „Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer!“

Wie war solche Veränderung möglich? Wie oft ist wohl diese Frage gestellt worden aus seufzenden oder zweifelnden Herzen: „Wie kam die Sünde in die Welt?“

Wir lesen in der Schritt: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde.“ Die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott bestand darin, dass der Mensch sich frei entscheiden konnte zwischen „gut“ und „böse“.

Und der Mensch wählte – das Böse. Und Gott sah: „… da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.“

Und wieder sah Gott. Diesmal nicht, wie es im 14. Psalm heißt, „vom Himmel“. Diesmal war er mitten unter seinen verlorenen Geschöpfen in Jesus. „… und da er das Volk sah, jammerte ihn desselben; denn sie waren verschmachtet wie die Schafe, die keinen Hirten haben“ (Matthäus 9, 36).

Und mit diesem Blick voll Erbarmen und rettender Liebe sieht der Herr auch heute noch auf diese Welt – auch auf uns. Können wir unter diesem Blick bleiben, wie wir sind? In einem finnischen Lied heißt es: „Jesu milde Augen sehen dich an.“ Ja, so ist es.

 

 

Wir sehn dein freundliches Angesicht

Voll Huld und Gnade wohl leiblich nicht,

Aber unsre Seele kann's schon gewahren;

Du kannst dich fühlbar genug offenbaren,

Auch ungesehn.


4. Februar

 

Betet für mich, den Boten des Evangeliums in der Kette, dass ich darin freudig handeln möge.

Epheser 6, 20

 

Christen sind hochgemute, unüberwindliche Leute, wenn sie wirklich „in Christus“ sind. Das wird an diesem ungeheuer großen Wort des Paulus deutlich.

„In der Kette“ ist er, als Gefangener in Rom.

Das heißt, er ist getrennt von der Gemeinschaft, die einem Christen Lebensbedürfnis ist. Er hat nicht mehr die Möglichkeit, seine Brüder in Ephesus aufzusuchen, mit ihnen zu reden und ihre Liebe zu erfahren. – Ist es wirklich so?

„Nein“, sagt Paulus, „ich bin nicht getrennt von der Gemeinschaft. Meine Brüder beten für mich. Vor dem Thron der Gnade treffen wir uns. Ihre Fürbitte ist ein spürbares, lebendiges Band der Gemeinschaft.“

„In der Kette“ ist Paulus. Er, der dem Herrn die Welt erobern wollte, ist lahm gelegt.

Lahm gelegt? „Nein“, sagt Paulus, „ich bin in Amt und Dienst auch hier. Ich bin auch in der Kette ein Bote des Evangeliums. Mit dem Zeugnis vor allen denen, die mich sehen, und mit der Fürbitte für alle Gemeinden und für alle Menschen richte ich meinen Dienst aus.“

„In der Kette“ ist Paulus. Er ist ein Gefangener. Und Gefangenschaft ist schrecklich. Sie ist ungeheuer schwer gewesen für so einen feurigen, temperamentvollen Menschen wie Paulus. Und wie hat wohl sein Stolz als römischer Staatsbürger unter der endlosen Haft gelitten!

Da sollte man doch meinen, es sei genug, wenn Gott Tag für Tag Kraft gibt zum Leiden. „Nein“, sagt Paulus, „der Herr gibt mehr. Ich darf und soll freudig handeln.“

Dass wir doch durch Gottes Gnade zu so hochgemuten Leuten würden!

 

 

Sie wandeln auf Erden und leben im Himmel,

Sie bleiben ohnmächtig und schützen die Welt;

Sie schmecken den Frieden bei allem Getümmel,

Sind arm, doch sie haben, was ihnen gefällt.

Sie stehen in Leiden und bleiben in Freuden,

Sie scheinen ertötet den äußeren Sinnen

Und führen das Leben des Glaubens von innen.


5. Februar

 

Lass dir nicht grauen vor Ihnen; denn der Herr, dein Gott, ist unter dir, der große und schreckliche Gott.

5. Mose 7, 21

 

„Lass dir nicht grauen!“ sagt der Herr zu seinem alttestamentlichen Volk. Gott wird sie also in solche Lagen kommen lassen, wo – menschlich gesprochen – die Verzweiflung beginnt. So führt Gott seine Leute. In die tiefsten Tiefen können sie kommen, wo die Nerven einfach versagen, wo man gar keinen Sinn und Verstand in all dem Geschehen mehr sieht, wo – wie bei Israel – hinter uns die tödliche Wüste und vor uns nur die unübersteigbaren Mauern Jerichos sind, – wo einem entsetzlich aufgeht, was es heißt, in einer gefallenen Welt des Todes zu leben.

in solche unheimlichen, schrecklichen Lagen können Gottes Kinder kommen.

Aber hier, an der Grenze des Schreckens und des Grauens, wo das dunkle Reich der Verzweiflung und des Wahnsinns beginnt, tritt uns der Herr entgegen, der große und schreckliche Gott, unser Heiland und Vater in Jesus Christus: „Lass dir nicht grauen!“

Wenn wir den Herrn an dieser Grenze treffen, dann entdecken wir, dass auch um ihn her Grauen und Entsetzen sind. Er ist ein „schrecklicher Gott“. Aber das Grauen und der Schrecken,. die von ihm ausgehen, gelten ja nicht seinen erschrockenen und gequälten Kindern. Die überschüttet er mit lauter Schutz, Trost, Frieden, Gnade, Liebe, Freude und Seligkeit.

Schrecklich aber ist er den Mauern Jerichos und allen seinen Feinden. Die Hölle und der Teufel, die verlorene Welt und alle Feinde Jesu müssen vor ihm erschrecken.

Aber sein Volk wird mitten in der Angst in den Hütten des Friedens wohnen.

 

 

Schenk uns deinen Frieden

Alle Tag hienieden;

Gib uns deinen guten Geist,

Der uns stets zu Christo weist!


6. Februar

 

Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.

Psalm 119, 24

 

In einer westdeutschen Stadt steht am Rathaus schön in Stein gehauen der Satz: „Geht dir Rat aus – geh aufs Rathaus!“

Hübsch, nicht wahr?! Und so einfach.

Ja, so einfach! Zu einfach!

Denn die Sache ist so: Wenn wir in Lagen kommen, wo uns wirklich der Rat ausgeht – da hilft uns meist kein Rathaus mehr.

Oder an welches Rathaus etwa hätte Joseph sich wenden sollen, als seine Brüder ihn als Sklaven nach Ägypten verkauften? – An welches Rathaus hätte Mose sich wenden können, als er mit dem verzweifelten Volk am Roten Meer stand, verfolgt von Pharao? – An welches Rathaus wohl hätte David sich wenden können, als der Prophet Nathan ihm seine Sünde vorhielt: „Du bist der Mann!“? – Und zu welchem Rathaus hätte Petrus sich wenden können, als dort im Hofe des hohepriesterlichen Palastes der Hahn zum dritten Male krähte? – An welches Rathaus soll sich ein Sünder wenden, den die Fesseln der Sünde in Banden halten, dass er mit Paulus bekennt: „Wollen habe ich wohl – aber vollbringen das Gute finde ich nicht!“?

Kurz, das ist eben unsere Lage: Wo die wirklichen Verlegenheiten und Nöte anfangen, da hilft uns kein Mensch mehr, da stehen wir ganz allein.

Aber nun kommt der Sänger des 119. Psalmes und hat ein Zeugnis abzulegen, ein fröhliches, jubelndes Bekenntnis: „Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.“

Ja, Gottes Wort ist Rat für uns, wirklicher, guter Rat – Heilsrat Gottes. Hier ist unsere Hilfe.

 

 

Hilf, dass alle meine Wege

Nur nach dieser Richtschnur gehn;

Was ich hier zum Grunde lege,

Müsse wie ein Felsen stehn,

Dass mein Geist auch Rat und Tat

In den größten Nöten hat.


7. Februar

 

Ich aber sprach: „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“

Jeremia 1, 6

 

Ein unendlicher Schrecken befällt gerade die ernstesten Christen, wenn sie den Auftrag bekommen, Zeugen ihres Herrn in einer widerstrebenden und gottlosen Welt zu sein.

So ging es auch Jeremia, als das Wort des Herrn zu ihm geschah. Jeremia ist zu Tode erschrocken: „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“

„Ich bin zu jung im Glauben“, sagen wir, wenn der Auftrag an uns ergeht, und wollen uns erschrocken zurückziehen.

Und wie war es bei Mose? Als der Herr ihn in der Wüste am Horeb berief, da entschuldigte er sich: „ich habe eine schwere Zunge.“ – „Mir liegt das nicht“, sagen wir, wenn der Ruf des Herrn an uns ergeht, seine Zeugen zu sein.

Wie gut verstehen wir den Propheten Jona, der einfach die Flucht ergriff, als der Herr ihn zum Zeugnis berief!

„Ich tauge nicht!“ Selten wurde ein wahreres Wort gesprochen. Wer sollte auch wohl tauglich sein, Gottes Mitarbeiter zu werden!

Aber seltsam – so richtig dieses Wort ist –: Gott lässt es trotzdem nicht gelten. Gott überwand den Jeremia und machte ihn zu einem gewaltigen Zeugen. Und so überwand Gott den Mose. Und den Jona!

Und so lässt auch uns der Herr nicht los mit seiner Forderung: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“ Und wenn wir tausendmal nicht taugen – durch diese Forderung macht der Herr offenbar, dass er sein Reich bauen will mit untauglichen Mitteln und Leuten, auf dass er allein den Ruhm habe.

Das ist Gottes Art.

 

 

Das war ja so dein Wesen

Von alten Zeiten her,

Dass du dir hast erlesen,

Was arm, gebeugt und leer,

Dass mit zerbroch'nen Stäben

Du deine Wunder tatst

Und mit geknickten Reben

Die Feinde untertratst.


8. Februar

Denn ich habe dir meine Sache befohlen.

Jeremia 11, 20

 

Da ist ein Kaufmann. Sein Geschäft steht schlecht. Krampfhaft bemüht er sich, seine Sache zu retten. Er geht viele schwere Wege. Unzählige Pläne wälzt er in schlaflosen Nächten.

Aber eines Tages ist der Bankrott da. Nun muss er die Hände in den Schoß legen. Und nun kommen andere Hände und nehmen sich seiner notvollen Bücher an.

Das ist der Weg der Christen. Es gibt wohl kaum einen unter ihnen, der es nicht versucht hat, seine Sache vor Gott selbst in Ordnung zu bringen. Es ging ihnen wie dem Apostel Paulus, der in Römer 7 die qualvolle Geschichte dieses „Selbst-fertig-werden-Wollens“ beschrieben hat: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz.“ Das ist der Weg der Christen, bis eines Tages der Bankrott kommt. Ihr naiver Lebensoptimismus hat versagt. Ihre guten Vorsätze und ihr Idealismus sind zerbrochen.

Was nun?

Da kommen andere Hände und nehmen sich ihrer Sache an. Aber – und das ist nun das große Wunder ihres Lebens – diese Hände besiegeln nicht die Verzweiflung. Diese Hände bringen die Rettung. Es sind ja die Hände Jesu, die um unserer Rettung willen durchbohrt wurden.

Nun wissen sie einen neuen Weg: „Ich habe dir meine Sache befohlen.“ Nun sind ihr Leben und ihre Sache in guten Händen, in den durchgrabenen Händen ihres Heilandes Jesus Christus. Nun wandern sie fröhlich ihre Straße wie Kinder: „Du führst die Sache meiner Seele.“

 

 

Ei nun, mein Gott, so fall ich dir

Getrost in deine Hände.

Nimm mich und mach es du mit mir

Bis an mein letztes Ende …


9. Februar

 

Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!

Jona 2, 7

 

Die Menschen sind unbelehrbar. Jede Generation macht immer wieder die Fehler der Voreltern. Und es gibt Irrtümer, die sind einfach nicht auszurotten.

Einer der ältesten Irrtümer ist der, dass man meint, man könne vor Gott fliehen.

Das haben Adam und Eva schon versucht, als sie sich im Garten Eden versteckten vor Gott. Und wir probieren es auch immer wieder – und wissen doch, dass er uns einholt – spätestens am Jüngsten Tage.

Der Jona hat es auch versucht. Und es ist ihm dabei ergangen wie all den andern. Er ist sehr unglücklich geworden. Er ist – wie er selbst sagt – dabei „ins Verderben“ geraten.

Wie froh und selig war er, als er wieder Frieden mit Gott hatte! Obwohl er in einer fürchterlichen Lage war, im Bauch des Fisches; obwohl er keinen Ausweg zur Lebensrettung sah, jubelte er aus diesem Frieden mit Gott heraus: „Herr, mein Gott, ich will dir Dank opfern …!“

Nun drängt sich uns die Frage auf: „Wie hat denn Gott ihn aus dem ‚Verderben' errettet?“

Und da können wir nur die seltsame Antwort geben: Durch das Verderben! Gott ließ ihm seine Flucht nicht gelingen. Gott zerschlug ihm alle seine Planungen. Gott führte ihn in tiefes äußeres Verderben. Dadurch suchte er ihn heim, so holte er sich sein Kind zurück.

Wie hat Jona seinem Gott danken können für diese schwere Führung! Da liegt der tiefe Segen aller Nöte. Ein erfahrener Christ hat gesagt: „Alle Gerichte sind eingewickelte Gnade.“

Die Not ist Gottes Schäferhund, wodurch er seine verlaufenen Schäflein zur Herde zurückbringt.

 

 

Leiden bringt empörte Glieder

Endlich zum Gehorsam wieder,

Macht sie Christo untertan,

Dass er die gebrochnen Kräfte

Zu dem Heiligungsgeschäfte

Sanft und still erneuern kann.


10. Februar

 

Zion spricht: „Der Herr hat mein vergessen.“

Jesaja 49, 14

 

Fast jeder, der eine Reise tut, ruft irgendwann im Verlauf dieser Reise: „Ach! Jetzt habe ich doch etwas vergessen!“ Und dann handelt es sich meist um den Regenschirm oder um die Zahnbürste.

Nun, solch ein Schade kann behoben werden. Aber ein ewiger Schade, ein unersetzlicher und furchtbarer Schade entsteht dadurch, dass so viele auf ihrer Lebensreise eine geradezu leichtfertige Vergesslichkeit beweisen. Schon Jesaja sagt: „Du hast vergessen des Gottes deines Heils.“ Und Jeremia klagt: „Vergisst doch eine Jungfrau ihres Schmuckes nicht noch eine Braut ihres Schleiers; aber mein Volk vergisst mein ewiglich.“

Darum mahnt die Bibel: „Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Und Paulus schreibt: „Halte im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten.“

O, diese menschliche Vergesslichkeit ist ein arges Übel!

Aber im Text ist nun die Rede von – Gottes Vergesslichkeit. Ja, gibt es denn das? Ist das nicht lästerlich geredet? Kann Gott etwas vergessen?

„Ja“, sagt die Bibel, „Gott kann auch vergessen“: nämlich erstens die Sünden, die vergeben sind im Blute Jesu. Wenn ein Schiff versinkt im Ozean, wo er 8000 Meter tief ist, wird es nie mehr gehoben. Und Gott – so sagt die Bibel – „wird unsere Sünden in des Meeres Tiefe werfen“.

Und zweitens wird Gott vergessen die Verlorenen. Man kann so verloren gehen, dass Gott unserer nicht mehr gedenkt. „Sie sind wie Spreu, die der Wind zerstreut.“ Das ist die Hölle.

Aber sonst kann Gott nichts vergessen. Und darum irrte Israel, als es sprach: „Der Herr hat mein vergessen.“ Nie und nimmer, in Ewigkeit nicht, vergisst Gott sein erwähltes und erkauftes Volk. Mitten in tiefster Dunkelheit darf es jauchzen: „Der Herr denkt an uns und segnet uns!“

 

 

Seiner kann ich mich getrösten,

Wenn die Not am allergrößten;

Er ist gegen mich, sein Kind,

Mehr als väterlich gesinnt.


11. Februar

 

Man wird sie nennen das heilige Volk.

Jesaja 62, 12

 

„Sie sind ja ein wunderlicher Heiliger!“ sagte ein Herr spöttisch, als ein junger Mann ihm ein Traktat anbot.

„Wunderlich – vielleicht! Ein Heiliger – ja!“ erwiderte der junge Mann.

„Was! Sie sind ein Heiliger?“ rief der Herr erstaunt. Der junge Mann nickte ernsthaft. Da fing der Herr laut zu lachen an und sagte: „Na, ich werde mich mal bei Ihren Verwandten erkundigen, ob Sie wirklich keine Fehler haben.“

Dieser Herr machte deutlich, dass die meisten Menschen unserer Zeit gar nicht mehr wissen, was denn nach der Meinung der Bibel „Heilige“ sind. Es sind ganz bestimmt keine fehlerlosen Leute. Die rechten Heiligen halten sehr wenig von sich selbst. Es sind ganz einfach die Leute, die wissen, dass sie Gott gehören.

Im Tempel des Alten Bundes gab es goldene Geräte. Diese Pfannen und Kessel durfte der Priester nicht mit nach Hause nehmen, wenn ihm gerade ein Kessel fehlte. Nein! Diese Geräte waren „heilig“. Sie gehörten dem Herrn allein. Nun bin ich überzeugt, dass diese Pfannen und Kessel im Laufe der Zeit manchen Kratzer und etliche Beulen bekamen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass sie „heilig“ waren.

So ist es mit den Menschen, die dem Herrn gehören. Sie haben sich ihrem Erlöser ausgeliefert von ganzem Herzen. Und sie haben das Zeugnis des Heiligen Geistes bekommen, dass sie von ihm angenommen sind. So sind sie „Heilige“ geworden. Trotz ihres ernsten Willens, dem Herrn gehorsam zu sein, finden solche Leute täglich mehr, wie böse ihr Herz ist. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie dem Herrn gehören, der sie sich zum Eigentum erkauft hat. Jesus sagt von diesen „Heiligen“: „Niemand soll sie aus meiner Hand reißen.“

 

 

Nun, dies ist meine Freude,

Zu hangen fest an dir,

Dass nichts von dir mich scheide,

Solang ich lebe hier.


12. Februar

 

Man wird sie nennen das heilige Volk, die Erlösten des Herrn.

Jesaja 62, 12

 

Man muss immer irgendwie umdenken, wenn man an die Bibel kommt. Bei ihr läuft alles in anderen Gedankenbahnen, als wir es gewöhnt sind.

Wenn wir vom „Volk“ reden, dann denken wir an das deutsche Volk oder an die Amerikaner, die Franzosen, die Russen, die Chinesen. Aber in keiner Zeitung ist vom Volke Gottes die Rede. Und in keinem Atlas werden wir seine Wohnstätten auffinden.

Die Bibel aber spricht vorn Volke Gottes.

Was ist denn das für ein Volk?

Wo wohnt es? Antwort: Überall auf der Erde, wo nur Menschen sind. Es kümmert sich um keine Grenzen und auch um keine Fronten.

Welcher Rasse gehört dies Volk an? Antwort: Alle Rassen der Welt sind in diesem seltsamen Volk vertreten. Die Bibel sagt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche …“

Ist es ein reiches oder ein armes Volk? Antwort: Es ist ein sehr, sehr reiches Volk. Es bekommt alles, was es braucht, frei und aus Gnaden geschenkt. Der Herr Himmels und der Erden ist sein väterlicher Fürst. Wie sollte ihm da etwas fehlen!

Welche Konfession herrscht in diesem wunderlichen Volk? Antwort: Mancherlei Konfessionen. Jedes Glied dieses Volkes steht in der Konfession, in die hinein es durch Geburt oder Führung kam. Aber es nimmt diese Unterschiede nicht zu wichtig.

Wodurch wird denn dies verschiedenartige und zerstreute Volk zusammengehalten? Antwort: Durch seinen Herrn. „Man wird sie nennen das heilige Volk.“ – „Heilig“ – das heißt: „dem Herrn gehörig“. Die Glieder dieses Volkes haben sich dem Herrn verschrieben, und sie wissen: Er hat uns angenommen. Gehören wir zu diesem Volke?

 

 

Er hat uns ferner wohlbedacht

Und uns zu seinem Volk gemacht,

Zu Schafen, die er ist bereit

Zu führen stets auf guter Weid.


13. Februar

 

Jerusalem wird bewohnt werden ohne Mauern ...und ich will, spricht der Herr, eine feurige Mauer umher sein.

Sacharja 2, 8 und 9

 

Wer einmal eine mittelalterliche Stadt besucht hat wie etwa Rothenburg o.T., der weiß, welch ein mächtiger Schutz die starken Mauern waren. Wie sicher fühlten sich die Bürger hinter ihren Mauern! Und sie ließen sich ihre Mauern etwas kosten.

Jerusalem – das ist die mit Blut erkaufte Gemeinde. Jesu Christi – hat je und dann auch so fleischlichen Schutz gesucht. Ja, man hat es sich etwas kosten lassen, sichere „Mauern“ zu haben. Da hat man bei den Mächtigen der Erde Rückhalt gesucht. Man hat sich der Zeitmeinung angepasst, um die Massen zu gewinnen. Man hat diese und jene „Mauer“ zur Sicherung gebaut.

Aber – es hat immer zu viel gekostet. Es hat die Wahrheit des Evangeliums gekostet.

So geht es nicht! Jerusalem soll eine Stadt „ohne Mauern“ sein. Die Gemeinde Jesu Christi hat keine fleischlichen Sicherungen. Es wird und soll so bleiben, dass die Welt immer meinen muss, es sei ein leichtes, diese Stadt zu überrennen.

Wenn sie es dann aber versucht, wenn sie die Vernunftsweisheit oder List oder Gewalt gegen die Stadt anrennen lässt, dann muss sie entdecken: Diese mauerlose Stadt ist nicht schutzlos. Im Gegenteil! Sie hat einen mächtigen und hohen Schutz. Sie hat Mauern, an denen die Welt und der Teufel zuschanden werden. „Und ich will“, spricht der Herr, „eine feurige Mauer umher sein.“ In ihm, ihrem Herrn, der sie erkauft hat, hat die Gemeinde ihre Sicherheit.

 

 

Andre traun auf ihre Kraft,

Auf ihr Glück und Ritterschaft;

Deine Christen traun auf dich,

Auf dich traun sie festiglich.

Lass sie werden nicht zuschand,

Bleib ihr Helfer und Beistand,

Sind sie dir doch all bekannt.


14. Februar

 

Danach goss Jesus Wasser in ein Becken und hob an, den Jüngern die Füße zu waschen.

Johannes 13, 5

 

Ein Freund erzählte uns einmal eine hübsche Geschichte. Sein kleines Töchterchen musste jeden Abend sich selber die Schuhe putzen. Das war ein langweiliges Geschäft. So kamen dem kleinen Mädchen dabei allerlei wunderliche Gedanken.

Eines Abends fragte es: „Vater, sag mal, wer putzt eigentlich dem lieben Gott die Schuhe?“

Der Vater kam ein wenig in Verlegenheit. Und so sagte er: „Ich denke, da werden wohl viele Engel sich eine Ehre draus machen, dem lieben Gott die Schuhe putzen zu dürfen.“

Wenige Tage später saß dieser Vater über seiner Bibel. Auf einmal sprang er auf und rief aufgeregt seine kleine Tochter: „Du hast mich neulich gefragt, wer Gott die Schuhe putze. Nun denke nur – die Bibel sagt etwas Wunderbares. Sie sagt: Gott putzt uns die Schuhe!“

Da staunte das kleine Mädchen. Und der Vater las ihr nun die Geschichte vor, wie Jesus seinen Jüngern die Füße wusch. Das ist das Evangelium: Gott dient in Jesus uns. Er neigt sich zu uns Schmutzigen herab und dient uns, indem er uns reinigt.

Es ist ein wunderbares und seltsames Evangelium. Und der Petrus konnte es auch nicht fassen. Darum erklärte er: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen.“

So spricht unser ungläubiges Herz auch immer wieder. Möge es uns gehen wie dem Petrus! Als dem der Herr mit großem Ernst sagte: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil an mir“, war Petrus schnell bereit.

Wenn's darauf ankommt, dass wir uns dienen lassen, damit wir Teil bekommen an Jesus Christus – dann wohlan! Dann wollen wir mit Danken sein Dienen annehmen.

 

 

Du nimmst auf deinen Rücken

Die Lasten, die mich drücken

Viel schwerer als ein Stein;

Du wirst ein Fluch, dagegen

Verehrst du mir den Segen,

Dein Schmerzen muss. mein Labsal sein.


15. Februar

 

Desselbigengleichen nahm er auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: „Das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird.“

Lukas 22, 20

 

Es liegt dem Herrn Jesus so viel daran, dass seine Leute ihres Heils gewiss sind. Darum hat er auch das heilige Abendmahl gegeben.

Ein Beispiel soll uns den Sinn des Abendmahls verdeutlichen: Denken wir an eine belagerte Stadt im Mittelalter. Sie kann sich gegen den Feind nicht mehr halten. Und darum wird auf den Stadttoren die weiße Fahne, das Zeichen der Ergebung, gezeigt.

Im feindlichen Lager hat sich der Feldherr mit seinen Offizieren versammelt. Es öffnet sich das Stadttor. Heraus kommt der Kommandant. Er überreicht dem feindlichen Feldherrn den Schlüssel zum Haupttor der Stadt.

Dieser Schlüssel ist dem Feldherrn das sichtbare Zeichen: „Die Stadt gehört mir.“

So hat Jesus uns in Brot und Wein ein sichtbares Zeichen gegeben, dass er ganz uns gehören will, dass er sein Leben ganz für unsere Erlösung gegeben hat, dass sein Heil uns gehört.

Wie in dem Schlüssel die ganze Stadt dem Feldherrn gegeben wird, so gibt sich der erhöhte Herr wirklich und ganz uns im Brot und Wein des Abendmahls.

Wenn wir uns das klarmachen, dann lernen wir verstehen, dass das Abendmahl in der ersten Gemeinde eine Lob- und Dankfeier war. Das sollte es bei uns wieder werden. Beim Abendmahl darf die Gemeinde fröhlich werden über dem gewissen Heil Gottes in Jesus Christus für Sünder.

 

 

Will hinfort mich etwas quälen

Oder wird mir etwas fehlen

Oder wird die Kraft zerrinnen,

So will ich mich nur besinnen,

Dass ich einen Heiland habe,

Der vom Kripplein bis zum Grabe,

Bis zum Thron, wo man ihn ehret,

Mir, dem Sünder, zugehöret.


16. Februar

 

Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

Matthäus 26, 30

 

Wunderbar ist dieser Lobgesang mitten in der Leidensgeschichte! Vor und hinter diesem Lobgesang steht viel Düsteres. Kurz vorher hat Judas den Jüngerkreis verlassen, besessen vom Satan. Und jetzt geht der Weg nach Gethsemane, wo der Heiland seine Anfechtung durchkämpfen muss und wo das Versagen der Jünger offenbar wird.

Und mitten darin steht der Lobgesang.

Die Jünger Jesu müssen dem Herrn den dunklen Weg nachgehen. „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt“, sagt er, „und folgt mir nach, der ist mein nicht wert.“

Da wollen wir es recht von unserm Heiland lernen, dass auf solchem Weg der Lobgesang nicht vergessen werden darf. Unser Lobgesang darf nicht abhängig sein von unserer Stimmung und auch nicht von den Verhältnissen, in die wir geführt werden.

Der Lobgesang der Gemeinde Jesu Christi gehört auch auf den Passionsweg. Ja, dahin gehört er gerade!

Denn die Gemeinde des Herrn singt den Lobgesang ja nicht nur, weil der Herr ihr gute Tage schenkt oder weil sie eben in guter Stimmung ist. Nein! Sie singt den Lobgesang, weil der Herr groß, herrlich und allezeit anbetungswürdig ist.

Mitten im Leiden dürfen wir ihn loben.

 

 

Sollt ich meinem Gott nicht singen?

Sollt ich ihm nicht dankbar sein?

Denn ich seh in allen Dingen,

Wie so gut er's mit mir mein.

Ist doch nichts als lauter Lieben,

Das sein treues Herze regt,

Das ohn Ende hebt und trägt,

Die in seinem Dienst sich üben.

Alles Ding währt seine Zeit,

Gottes Lieb in Ewigkeit.


17. Februar

 

Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

Matthäus 26, 30

 

Es war eine unheimlich bange Stunde.

Die Feinde rüsteten zum Tode Jesu. Judas war fortgegangen, um sich mit den Mördern zu treffen. Und Jesus sagte kurz nachher: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“

Und da – in dieser bangen Stunde – sprachen sie den Lobgesang.

Das war groß! Der Herr Jesus riss seine Jünger mit zur Anbetung Gottes – auch in diesem Augenblick, wo so Unheimliches sich vorbereitete. Ja, das war groß!

Aber noch größer ist es, wie der Herr Jesus diesen Lobgesang fortsetzte.

„… gingen sie hinaus an den Ölberg.“ Und dort, in dem dunklen Garten Gethsemane, sagte der Herr Jesus nach heißem Ringen die Worte: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Und das war die zweite Strophe des Lobgesanges, diese völlige Hingabe seines Willens und des Lebens.

Wir beten Gott wohl auch an mit Worten und mit Liedern. Aber – das ist oft alles. Unser Leben preist nicht den Herrn. Und so wird dann unser Lob Gottes ein leeres Geschwätz.

Da wollen wir recht von unserm Herrn Jesus lernen. Wer das Lob Gottes auf seinen Altar legt, der muss auch sein Herz, sein Leben und seinen Willen dazulegen. Wir können Gott nicht als Herrn preisen und uns dann seiner Herrschaft entziehen.

Lasst uns Gott loben mit unserm Munde und mit unserm ganzen Gehorsam! Das ist ein Lob, das ihn wahrhaft ehrt.

 

 

Treib unsern Willen,

Dein Wort zu erfüllen;

Lehr uns verrichten heilige Geschäfte,

Und wo wir schwach sind, da gib du uns Kräfte:

Lobet den Herren!


18. Februar

 

Da sprach Jesus zu ihnen: „In dieser Nacht werdet ihr euch alle an mir ärgern.“

Matthäus 26, 31

 

„Ach was!“ sagte mir einmal ein Mann, den ich zum Worte Gottes einlud. „Ach was! Das ist doch alles Unsinn.“

„Unsinn?“ fragte ich erstaunt.

„Klar! Das Evangelium haben sich die Jünger doch selber ausgedacht.“

Da konnte ich nur erwidern: „Wenn die Jünger es sich ausgedacht hätten, erschiene Ihnen das Evangelium sicher gar nicht als Unsinn. Denn die Jünger waren sehr kluge Leute.“

Der Mann stutzte. Dann sagte er: „Aber es ist doch Unsinn, das mit dem Kreuz und dem leeren Grab. Mir kommt das jedenfalls immer sehr unsinnig vor.“

Hier konnte ich nur sagen: „Den Jüngern kam es auch sehr, sehr unsinnig vor. Den Jüngern auch!“

Das meinte der Herr Jesus, als er auf dem Wege nach Gethsemane sagte: „In dieser Nacht werdet ihr euch alle an mir ärgern.“

Jawohl, die Jünger haben sich viel ausgedacht, wie es mit dem Heiland sein müsse. Aber – es kam immer ganz anders.

Wir müssen begreifen: Das Evangelium verläuft nicht in den Linien unserer Vernunft, sondern in den Linien Gottes.

Und darum kann es gar nicht anders sein, als dass die Vernunft sich ärgert. Die Vernunft der Jünger hat sich an dem Kreuzweg Jesu geärgert. Und seit zweitausend Jahren geht es allen, die das Evangelium hören, nicht anders.

Es ist eben die Wahrheit Gottes. Und es ist die Kraft Gottes, die erretten kann. Und darum möge unsere armselige Vernunft sich beugen und uns nicht aufhalten, wenn unser Gewissen uns zu Jesus treibt.

 

 

Du wertes Licht, gib uns deinen Schein,

Lehr uns Jesum Christ kennen allein,

Dass wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland,

Der uns bracht hat zum rechten Vaterland.

Kyrieleis.


19. Februar

 

Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: „Wenn sie auch alle sich an dir ärgerten, so will Ich doch mich nimmermehr ärgern.“

Matthäus 26, 33

 

Zu einem gesegneten schwäbischen Prediger kam einmal ein wackerer Handwerksmeister und erklärte: „Ich habe mich am Sonntag in ihrer Kirche recht geärgert, als es im Sündenbekenntnis hieß: ‚Ich armer, elender, sündiger Mensch bekenne …' Das ist zuviel! So bin ich nicht! Ich bin kein armer, elender Sünder!“

Da erwiderte der Prediger: „Dann sprechen Sie nur beim nächsten Mal in Ihrem Herzen: ‚Ich hochmütiger Schneider bekenne…“

Nun, das war derb geantwortet. Und der Meister wusste nichts mehr zu sagen.

Aber – wir können den Mann gut verstehen. Es geht eine gerade Linie von dem Petrus auf dem Weg nach Gethsemane bis zu diesem Schneidermeister – und bis zu uns. Wir sind alle miteinander Leute, die ihr eigenes Herz gar nicht kennen. Wir sind Leute, die nicht wissen, wie unendlich schwach und böse und gottlos unser Herz ist.

Aus meiner Jugend hat sich mir ein kleines Erlebnis unauslöschlich eingeprägt: Da führte ich – wie es Jungens eben so tun – etwas großsprecherische Reden. Mittendrin unterbrach mich meine Mutter und sagte sehr ernst: „Bitte du nur deinen Heiland: ,Herr, zeige mir mein Herz!“

Das ist eine wichtige Bitte. Gott erhört sie auch. Und wenn wir dann in seinem Lichte unser Herz sehen, dann werden wir ganz klein. Und dann werden wir froh, dass Jesus ein Heiland der Sünder ist – auch für uns.

 

 

Fürwahr, wenn mir das kommet ein,

Was ich mein Tag begangen,

So fällt mir auf das Herz ein Stein

Und bin mit Furcht umfangen;

Ja, ich weiß weder aus noch ein

Und müsste stracks verloren sein,

Wenn ich dein Wort nicht hätte.


20. Februar

 

Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hofe, der hieß Gethsemane, und sprach zu seinen Jüngern …: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“

Matthäus 26, 36 und 38

 

Vielleicht war Gethsemane ein sehr schöner Garten. Und vielleicht war es eine bezaubernde Frühlingsnacht. Leise rauschten die Bäume. Und über ihnen funkelten in herrlicher Pracht die Sterne. Ja, vielleicht war es eine solche Nacht, in der junge Menschen schwärmen und die Dichter lyrisch werden.

Für den Sohn Gottes aber beginnt in dieser Nacht und in diesem Garten der Weg – in die Hölle. Ja, in die Hölle!

Wir denken dabei gar nicht einmal an das körperliche Leiden, das er erdulden musste. Nein! Was seine Seele betrübt bis in den Tod werden ließ, war etwas anderes.

Die Hölle – das ist der Ort, wo Gott nicht mehr hinschaut. Die Hölle – das ist die Stätte, wo der Mensch wirklich – im tiefsten Sinne des Wortes – gottverlassen ist.

Und in diese Hölle hinein ging nun der Heiland. Darum war seine Seele betrübt bis an den Tod. Der Sohn verlor den Vater, der Sohn Gottes wurde ausgestoßen.

Hier in dem dunklen Garten konnte er noch beten: „Mein Vater …!“ Aber wenige Stunden später war er in der Hölle angekommen. Da schrie er: „Mein Gott, du hast mich verlassen.“

Im Propheten Jesaja steht ein seltsames Wort. Das heißt: „Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.“ Ich denke, das geschah in dieser Stunde. Der Reine belud sich mit unserer Schuld. Der Sohn nahm die Hölle auf sich – für uns! Und sein Mund stöhnte: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“

Dahin hat unsere Sünde es gebracht!

 

 

O du Abgrund aller Güte,

Zieh durchs Kreuz in dich hinein

Geist, Seel, Herz, Sinn und Gemüte,

Ewig mit dir eins zu sein.


21. Februar

 

Jesus betete und sprach: „Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“

Matthäus 26, 39

 

Als ich ein junger Student war, fragte mich ein Freund: „ich finde es fürchterlich, dass die Christen lehren, der Sohn Gottes hätte einen blutigen Tod sterben müssen. Was muss das für ein furchtbarer Gott sein, der dies Opfer verlangte! Gab es für ihn wirklich keinen anderen Weg, die Welt zu versöhnen?“

Die Frage machte mir zu schaffen. Und ich vergesse nicht, wie ich eine ganze Nacht lang durch die Berge gelaufen bin, um eine Antwort zu finden auf diese Frage: „Gab es wirklich keinen anderen Weg?“

Da hat es mich getröstet, dass den Heiland selber diese Frage bewegt hat. Das ist ja der Sinn der Bitte, die er dort im Garten Gethsemane an seinen Vater stellte: „Gibt es wirklich keinen anderen Weg, als dass ich diesen furchtbaren Leidenskelch trinken muss?“

Jesus bekam auf diese Frage keine lange Erklärung, sondern nur die Antwort: „Nein! Es gibt keinen anderen Weg.“

Wir dürfen uns getrost um Erklärungen bemühen. Es mag uns einleuchten, dass Gottes unbeugsame Gerechtigkeit den Tod des Sünders erforderte – oder den Tod des Bürgen.

Aber einer gläubigen Seele genügt die Antwort Gottes: Das Kreuz des Sohnes Gottes war die einzige Möglichkeit zur Versöhnung der Sünder.

Wenn es so steht, wenn das Kreuz Gottes einzige und letzte Möglichkeit war, dann ist das Kreuz auch unsere einzige Möglichkeit, selig zu werden. Wir wollen uns gläubig unter dies Kreuz stellen und dem Heiland danken, dass er den Kelch trank.

 

 

Seh ich dein Kreuz

Den Klugen dieser Erden

Ein Ärgernis und eine Torheit werden:

So seis doch mir trotz allen frechen Spottes

Die Weisheit Gottes.


22. Februar

 

Und Jesus kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend.

Matthäus 26, 40

 

Leise knirscht der Kies unter den Sandalen des einsamen Mannes, der zu seinen Gefährten eilt. Er braucht jetzt seine Brüder, jetzt, in seiner unsagbaren Not.

Und dann steht Jesus erschüttert vor dem armseligen Häuflein seiner schlafenden Jünger.

Verstehen wir, was das bedeutet?

Hier, an dieser einzigen Stelle, hatten Menschen die Gelegenheit, ein klein wenig mitzuhelfen an dem großen Erlösungswerk. Hier konnten sie ihrem Heiland beistehen.

Und diese Gelegenheit verschliefen sie. Jesus blieb allein – bis zu dem Augenblick, wo er das Haupt neigte und verschied. Ganz allein!

Die Christenheit hat es gar nicht fassen wollen, dass der Sohn Gottes wirklich so unsagbar allein war bei seinem Erlösungswerk. Darum hat sie die rührende Sage erfunden von der Frau Veronika, die dem Heiland wenigstens den Schweiß abwischte, als er sein Kreuz trug.

Aber die Bibel berichtet nichts von dieser Veronika. Sie weiß nur von schlafenden Jüngern. Sie sagt uns unüberhörbar: Jesus war allein.

Allein hat er die Schuld weggetragen. Allein hat er das ewige Opfer vollbracht, durch das wir mit Gott versöhnt werden. Allein hat er der Schlange den Kopf zertreten.

Unser Heil hat er ganz allein gewirkt – ohne jede Menschenhilfe. Als er rief: „Es ist vollbracht!“, da hatte er es allein getan.

Darum steht nun auch unser Heil allein in ihm. Wir können jetzt erst recht nichts mehr dazutun. Wir dürfen es – als sein völliges Werk – im Glauben annehmen und danken.

 

 

Ach großer König, groß zu allen Zeiten,

Wie kann ich gnugsam solche Treu ausbreiten?

Keins Menschen Herz vermag es auszudenken,

Was dir zu schenken.


23. Februar

Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?

Lukas 22, 48

 

Deutlich sehen wir das Bild aus dem Garten Gethsemane vor uns: Hier die wilde Schar der Männer, die ausgezogen ist, Jesus zu fangen – blutrot beleuchtet vom zuckenden Fackellicht.

Dort drüben, unter den alten Bäumen des Gartens, die andere Gruppe: Jesus und seine Jünger.

Aber da ist ja noch einer!?

Wo gehört denn der hin? Man sieht ihn zwischen beiden Gruppen laufen. Er kam mit den Feinden des Herrn Jesu. Also wird er wohl zu ihnen gehören.

Aber sieh, er läuft hinüber zu der anderen Gruppe. Jetzt grüßt er den Herrn Jesus sogar mit einem Kuss.

Wir haben uns offenbar geirrt: Er gehört doch nicht zu den Feinden Jesu. Er ist doch wohl einer von Jesu Jüngern.

Aber nun sieh, er taumelt zurück, als habe er einen Schlag bekommen. „Verräter“, hat ihn Jesus genannt.

O dieser unglückliche Mann zwischen den Fronten! Er tut, als gehöre er Jesus an. Und heimlich hält er zu der Welt. Sie gab ihm ja 30 Silberlinge, warum sollte er es nicht mit ihr halten! Aber er wollte es auch mit Jesus nicht verderben. So verriet er ihn nicht offen, sondern mit einem Kuss.

Erkennen wir uns nicht wieder im Bild des Judas? Ein Mann, der einer Entscheidung aus dem Wege gehen will!

Und nun stoßen ihn beide von sich. Jesus nennt ihn Verräter. Und als er später bei der Welt Trost sucht, da stößt auch die ihn von sich. Da nahm er sich das Leben.

Hüten wir uns, dem Mann zwischen den beiden Fronten zu gleichen! Jesus hat sich ganz für uns gegeben zur Erlösung. Nun will er uns auch ganz haben.

 

 

Ringe recht, wenn Gottes Gnade

Dich nun ziehet und bekehrt,

Dass dein Geist sich recht entlade

Von der Last, die ihn beschwert.

 

Ringe, denn die Pfort ist enge,

Und der Lebensweg ist schmal;

Hier bleibt alles im Gedränge,

Was nicht zielt zum Himmelssaal.


24. Februar

 

Jesus aber sprach zu Judas: „Mein Freund …“

Matthäus 26, 50

 

Erschütternder Augenblick!

Selbst die rohen Kriegsknechte stehen eine Weile betroffen. Die Jünger begreifen noch gar nicht recht, was hier eigentlich gespielt wird.

Und zwischen all den vielen Menschen stehen in dem düsteren Fackellicht Jesus und Judas einander gegenüber.

Judas hat dem Heiland den Verräterkuss gegeben. Und nun sieht Jesus ihn an. Und sagt ein kurzes Sätzlein – ein Sätzlein, so ergreifend, dass es den Judas in Verzweiflung treibt: „Mein Freund …“

„Mein Freund …“ Wer den Herrn Jesus kennt, der weiß: Jesus macht keine leeren Worte. Er, der die Wahrheit ist, lügt auch nicht mit einer Silbe. Und nun nennt er den Judas seinen Freund! Das ist also ernst gemeint. Er kündigt dem Judas die Freundschaft nicht. Er hört nicht auf, dem Judas sein Herz zu schenken. Ströme der Liebe, göttlicher Liebe, fluten dem Judas entgegen.

Aber Judas ist nicht mehr imstande, sein Herz dieser Liebe zu öffnen. Er hat alle Schleusen verrammelt und geschlossen.

So ist das zwischen den Menschen und Jesus!

Jesus hört nicht auf, uns zu lieben. Und wenn wir ihn verraten und aufs neue kreuzigen! Er liebt uns – unermesslich.

Aber sollten wir – wenn wir den Judas sehen – nicht erschrecken vor der Möglichkeit, dass wir diese Liebe nicht mehr fassen können?

Dass uns doch das Herz glühte über der Liebe des Sohnes Gottes!

 

 

Was wir davon denken, was wir sagen können,

ist ein Schatten nur zu nennen.

Tag für Tag zu leiden, Tag für Tag zu dulden

So viel Millionen Schulden

Und dazu

Ohne Ruh

Lieben für das Hassen,

Herr, wer kann das fassen?


25. Februar

 

Da aber sahen, die um ihn waren, was da werden wollte, sprachen sie zu ihm: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“ Und einer aus ihnen schlug des Hohenpriesters Knecht.

Lukas 22, 49 und 50

 

Eine tumultuarische Szene im Garten Gethsemane!

Trauriges Bild: Der Ton empört sich gegen den Töpfer; der Mensch nimmt seinen Heiland gefangen.

Das Traurigste ist aber, dass der Herr in dieser Stunde kämpfen muss mit der Verkehrtheit seiner Jünger.

Petrus zieht das Schwert. Er meint, er müsse den Herrn Jesus, seine Sache und sein Reich retten, wie man wohl ein irdisches Reich rettet mit dem Schwert. Gewaltiger Irrtum! Wir haben nicht einen Herrn, den wir retten müssten. Er rettet vielmehr uns.

Petrus hätte wohl wissen können, dass Jesu Weg der Kreuzesweg ist. Den Kreuzesweg aber wollte er nicht. So kämpfte er in Wahrheit gegen den Heiland. Sein Kampf war Flucht vor dem Kreuz. Unsere Art ist aber von Natur nicht anders als die des Petrus.

Man muss darauf achten, dass Petrus vor seinem Dreinschlagen den Herrn fragt: „Herr, willst du, dass wir mit dem Schwert dreinschlagen?“

Aber ehe eine Antwort erfolgt, legt er los. Er denkt ohne weiteres, sein Wille müsse auch der Wille seines Herrn sein. Das meinen wir auch immer. Wenn wir etwas gut meinen, dann soll es gleich auch Gottes Wille sein.

Aber so ist es nicht. Petrus hat es noch sehr lernen müssen, seinem Herrn ganz gehorsam zu werden. Und wir müssen es auch lernen.

Wie groß ist Jesu Geduld, nicht nur mit der Welt, sondern auch mit seinen Jüngern!

 

 

Ich will ans Kreuz mich schlagen

Mit dir und dem absagen,

Was meinem Fleisch gelüst't;

Was deine Augen hassen,

Das will ich fliehn und lassen,

Soviel mir immer möglich ist.


26. Februar

 

„Aber das ist alles geschehen, dass erfüllt würden die Schriften der Propheten.“ Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

Matthäus 26, 56

 

Wilde Panik überfällt die Jünger. Sie sehen, wie Jesus sich widerstandslos verhaften lässt. Es erfolgt kein Eingreifen von oben. Ja, Jesus verbietet sogar dem Petrus, das Schwert zu fassen. Er ist also wirklich entschlossen zum Leiden.

Da ist es mit dem Mut der Jünger zu Ende. Nun scheint ihnen alles verloren. Alle ihre Hoffnungen auf das messianische Königreich brechen zusammen. „Da verließen ihn alle Jünger und flohen.“

Das war schade! Hätten sie doch das letzte Wort Jesu noch in Ruhe gehört! Dann wäre es nicht zu dieser Panik gekommen. Dann wäre ihnen viel Furcht erspart geblieben. Das letzte Wort Jesu hätten sie noch hören sollen: „Aber das ist alles geschehen, dass erfüllt würden die Schriften der Propheten.“

Leider haben die Jünger das nicht mehr aufgenommen. Und so hat der Herr ihnen später einen Nachhilfe-Unterricht erteilen müssen. Nach seiner Auferstehung heißt es: „Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: Also ist's geschrieben, und also musste Christus leiden …“

Die lieben Jünger hätten sich viel Furcht, Angst und Not erspart, wenn sie das Wort Jesu gleich recht gehört hätten.

Und auch wir hätten uns in unserm Leben manche Panik, manche Furcht und Sorge erspart, wenn wir mehr im Glauben aus dem Worte Gottes gelebt hätten. Dass die Welt – ohne Gottes Wort – von einer Unruhe in die andere kommt, ist sehr begreiflich. Wer aber dem Worte glaubt, darf in der Führung und unter den Verheißungen des lebendigen Gottes im Frieden leben.

 

 

Meine Seele klaget nicht,

Denn sie weiß von keinen Nöten,

Hängt an Gottes Angesicht

Auch alsdann, wenn er will töten.

Wo sich Fleisch und Blut beklagt,

Wird das Freudenlicht verjagt.


27. Februar

 

Der Hohepriester stand auf und sprach zu Jesus: „Antwortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugen?“ Aber Jesus schwieg stille.

Matthäus 26, 62 und 63

 

Eine ungeheure Spannung liegt über dem Saal, in dem der Hoherat Israels sich in später Nachtstunde versammelt hat, um über Jesus Gericht zu halten.

Ein Zeuge nach dem andern tritt vor und beschuldigt Jesus. „Jesus aber schwieg stille.“

Warum schwieg er? Warum rechtfertigte er sich nicht? Warum erklärte er nicht in Geduld diesen Leuten Gottes Pläne?

Wir verstehen das sofort, wenn wir vorher lesen: „Sie suchten falsches Zeugnis wider ihn.“

Man muss dieses Wort zusammenhalten mit dem, was Jesus einige Stunden später dem Pontius Pilatus sagte: „Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme.“

Das alles gilt auch heute noch. Es ist immer noch so, dass der Unglaube allerlei gegen Jesus vorbringt aus einem Herzen heraus, das ihn gar nicht will. Da tut man, als habe man in Wahrheit Not, dies widerspruchsvolle Evangelium zu glauben. Aber im Grunde will man einfach sein Leben nicht ändern.

Es kann sein, dass Christenleute in rührender Geduld dem Unglauben auf solche unehrliche Fragerei antworten. Aber Jesus tut es nicht. Er schweigt dazu.

Aber er schweigt nicht, ganz bestimmt nicht, wo ein Herz in Wahrheit Frieden mit Gott begehrt und das Heil sucht. Da hört man bald die Stimme des guten Hirten.

 

 

Richt unsre Herzen,

Dass wir ja nicht scherzen

Mit deinen Strafen,

Sondern fromm zu werden

Vor deiner Zukunft

Uns bemühn auf Erden:

Lobet den Herren!


28. Februar

 

Und der Hohepriester sprach zu Jesus: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seiest Christus, der Sohn Gottes.“ Jesus sprach zu ihm: „Du sagst es.“

Matthäus 26, 63 und 64

 

Offenbar war dieser Kaiphas doch ein ganzer Mann. Mit einem Male ist ihm dieses Verhör Jesu unerträglich: Er mag die falschen Anklagen, die er selber bestellt hat, nicht mehr hören.

So bricht er kühn diese Komödie ab und stößt vor in die Welt der Wahrheit. Er stellt die Frage, um die es geht, ob dieser Mann aus Nazareth der Messias Gottes ist.

Mehr! Er fragt nicht nur, sondern er beschwört den Angeklagten, er solle nun klar sagen, ob er der Sohn Gottes sei.

Jetzt können die falschen Zeugen mit ihren albernen Aussagen abtreten. Jetzt ist man an die eigentliche Sache gekommen.

Und sieh – nun bricht Jesus das Schweigen. Er gibt eine gewaltige Antwort. Er bezeugt seine Gottes-Sohnschaft und verkündet seine Wiederkunft in Herrlichkeit.

Das ist alles klar – auch für uns. Seit dieser Antwort Jesu gibt es im Grunde keine Diskussion mehr über Jesus, sondern nur noch eine Entscheidung für oder gegen ihn.

Die Mitglieder des Hohenrats begriffen das sofort. Sie spieen ihm ins Gesicht und schrieen: „Er ist des Todes schuldig!“ Der junge Pharisäer Saulus begriff es auch. Darum verfolgte er voll Hass die Christen – bis er selber als Paulus ein Zeuge Jesu wurde.

Aber so oder so: Es ging nicht mehr um einen Meinungsstreit, sondern um eine Entscheidung. Das macht jede Begegnung mit dem Evangelium für uns so bedeutungsvoll.

 

 

Lass mich deinen Ruhm

Als dein Eigentum

Durch des Geistes Licht erkennen,

Stets in deiner Liebe brennen

Als dein Eigentum,

Allerschönster Ruhm.


29. Februar

 

Etliche schlugen Jesus ins Angesicht und sprachen: „Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“

Matthäus 26, 67 und 68

 

Ein entsetzliches Bild: Ehrwürdige Ratsmitglieder vergessen jede Würde. Die einen bespeien den Herrn. Die andern schlagen mit Fäusten auf ihn ein.

Und da klingt auf einmal jene seltsame Frage auf: „Wer ist's, der dich schlug?“

Diese Frage ist ja viel mehr als ein alberner, hasserfüllter Spott. Diese Frage ist die entscheidende Frage der ganzen Passionsgeschichte: Wer ist es, der den Sohn Gottes schändete, prügelte, geißelte und endlich an das Kreuz schlug? Wer ist es?

Das Mittelalter antwortete: Die Juden waren es! Und damit wurden dann die schändlichsten Verfolgungen gerechtfertigt.

Das liberale Zeitalter erklärte: Die religiösen Fanatiker waren es! Diese Fanatiker verstehen nichts von toleranter Duldung. Darum muss man ihnen das Handwerk legen.

Unsere Zeit sagt: Ach, lasst uns mit dieser Frage in Ruhe! Sie interessiert uns nicht. Es geht uns vielmehr darum zu wissen, wer uns so geschlagen hat, dass es uns so übel geht.

Aber die Frage steht da: „Christe, wer ist's, der dich schlug?“ – „Wer hat dich so geschlagen, / Mein Heil, und dich mit Plagen / So übel zugericht't?“ fragt Paul Gerhardt in einem Lied.

Und er gibt selber die Antwort, jene Antwort, die uns auch Gott in der Bibel gibt: „Ich, ich und meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des Sandes an dem Meer, / Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget …“

Das ist es: „Ich, ich und meine Sünden …“!

 

 

Ich bin's, ich sollte büßen,

An Händen und an Füßen

Gebunden in der Höll;

Die Geißeln und die Banden

Und was du ausgestanden,

Das hat verdienet meine Seel.


1. März

 

Etliche schlugen Jesus Ins Angesicht und sprachen: „Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“

Matthäus 26, 67 und 68

 

Hart fallen die Schläge in das Gesicht des Herrn Jesu. „Du bist doch Gottes Sohn, wie du sagst!“ höhnt einer. „Dann bist du doch allwissend! Nun – dann sage uns – von wem kam dieser Schlag – und dieser! – und dieser? Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“

Eigentlich muss man sich wundern, dass diesen Männern nicht über ihrer Frage etwas aufging – nämlich dies, dass die Antwort auf ihre Spottfrage ja schon im Alten Testament steht. Sie waren doch Schriftgelehrte in Israel! Sie waren Leute, die das Alte Testament sehr gut kannten. Dass ihnen in dieser Stunde nicht jene Stelle einfiel, wo Jesaja von dem leidenden Gottesknecht spricht und wo es heißt: „Der Herr wollte ihn also zerschlagen“!

O, man möchte diese Wildgewordenen Ratsherren Beiseiteschieben und ihnen zurufen: „Geht weg, ihr Narren mit euren armen, schwachen Händen! Es ist eine andere Hand, eine stärkere, eine unheimlich starke, über diesen Jesus gekommen. Die schlägt ihn. Es ist die Hand des Vaters, des lebendigen Gottes.“

Das ist ja nun das Schreckliche und Unfassbarste, was man sich nur denken kann: Gott steht gegen seinen Sohn! Gott steht gegen – Gott! Wer kann das verstehen?

Man kann es nur ahnen, wenn man liest, was Jesaja ein paar Verse vorher sagt über das Leiden des Gottesknechts: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.“ Gott schlägt seinen Sohn an unserer Statt.

Da sinkt man in die Knie und betet an: Es geschieht alles uns zugute, „auf dass wir Frieden hätten“!

 

 

Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen,

Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.

Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken

Am Kreuz erblicken.


2. März

 

Die Hohenpriester sprachen zu Judas: „Was geht uns das an? Da siehe du zu!“

Matthäus 27, 5

 

Judas erwacht plötzlich an einem Abgrund: „Mein Weg war verkehrt! Was habe ich getan!“

Der müsste ja kein Mensch sein, der diese Schrecksekunden aus seinem Leben nicht kennt.

In solchen Augenblicken erwacht aber die Frage: „Kann meine schuldige Vergangenheit ausgelöscht werden?“

Vor dieser unheimlich ernsten Frage steht Judas. Er trägt die Hoffnung in sich: Die schuldige Vergangenheit ist ausgelöscht, wenn ich das Blutgeld zurückgebe.

Aber die Hohenpriester machen ihm schnell deutlich: So wird die Vergangenheit nicht ungültig gemacht.

Tausende sind seitdem dem Beispiel des Judas gefolgt. Sie haben ihre Schuld „gutzumachen“ versucht. So schön und lobenswert das ist – vor Gott ist damit die Schuld nicht ausgelöscht.

Der Mensch ist darum auf einen einfacheren Weg verfallen, seine schuldige Vergangenheit zu tilgen: Er breitet den Mantel des Vergessens darüber.

Damit aber ist die Vergangenheit auch nicht gelöscht.

Wenn ich eine ungeheuer große Rechnung vorgelegt bekomme, die ich nicht bezahlen kann, dann kann ich wohl diese Rechnung in den Schreibtisch legen und die ganze Sache vergessen. Aber eines Tages wird mein Gläubiger doch wieder die Schuld anmahnen.

Die Rechnung ist erst dann erledigt, wenn sie bezahlt ist.

Und nun ist mir, als höre ich den Jubelschrei aus dem Neuen Testament: „Deine Rechnung ist ja bezahlt! Ohne dein Zutun hat der Sohn Gottes am Kreuz deine Schuld bezahlt.“

Im Glauben an dies Bezahlen Jesu – durch Vergebung der Sünden – wird die schuldige Vergangenheit ausgetilgt. Nur so! Aber – so wirklich!

 

 

Wie gut ist's, von der Sünde frei,

Wie selig, Christi Knecht!

Im Sündendienst ist Sklaverei,

!n Christo Kindesrecht.


3. März

 

Die Hohenpriester sprachen zu Judas: „Was geht uns das an? Da siehe du zu!“

Matthäus 27, 5

 

Wie schnell können Menschen ihr Gesicht wandeln! Bisher sind diese Hohenpriester dem Judas sehr freundlich begegnet. Aber nun wenden sie ihm auf einmal kühl den Rücken, als er in seiner Gewissensnot zu ihnen kommt. „Was geht uns das an?“

Es hat keinen Sinn, dass wir uns über diese harten Leute aufregen; denn in gewissem Sinne haben sie Recht.

Judas hat seinen Heiland verraten. Nun, als es zu spät ist, geht ihm die Größe seiner Schuld auf.

Schuld aber ist unser Allereigenstes. Da kann uns kein Mensch helfen.

Wenn uns das Haus abbrennt, dann können die Nachbarn uns beispringen und beim Aufbau helfen. Wenn wir in Geldnot sind, können die andern uns unter die Arme greifen und die Not mit uns teilen.

Aber die Not des Gewissens kann uns kein Mensch abnehmen. Das ist unser Ureigenstes.

Judas nahm sich das Leben. Er flüchtete in die Arme des Todes. Aber in solcher Not kann uns nicht einmal der Tod helfen. Er macht uns von allem los: von Krankheit, von unsern irdischen Sorgen, von bösen Menschen – aber nicht von Schuld! Die Schuld nehmen wir mit in die Ewigkeit.

Darum – seht! – ist das Evangelium so ungeheuer groß und herrlich, weil es uns den Einen zeigt, der uns da keifen kann: den Herrn Jesus Christus, der für unsere Schuld am Kreuze starb.

Das ist das Geheimnis des Glaubens: Jesus kann mir so erstaunlich nah werden, dass meine Schuld seine Schuld wird. Und seine Gerechtigkeit vor Gott wird meine Gerechtigkeit.

Darin aber besteht die eigentliche Erlösung des Menschen.

 

 

Herr Jesu Christ, dein teures Blut

Ist meiner Seele höchstes Gut;

Das stärkt, das labt, das macht allein

Mein Herz von allen Sünden rein.


4. März

 

Jesus aber stand vor dem Landpfleger.

Matthäus 27, 11

 

Diese Stunde war wie eine Verheißung: Jesus stand vor dem Heiden!

Bisher hatte Jesus sich auf Israel beschränkt. Als das kanaanäische Weib ihm nachlief, sagte er, man dürfe den .Kindern nicht das Brot wegnehmen und es vor die Hunde werfen. Und damit meinte er, er sei nur für die Kinder des Alten Bundes, für Israel, da.

Und seine Jünger hatte er einst, als er sie aussandte, geheißen: „Gehet nicht auf der Heiden Straße!“

Aber dann hatte er doch auch Andeutungen gemacht, dass sein Reich sich in die weite Welt ausbreiten werde: „Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall.“ Dabei war sein Blick in die Heidenwelt gegangen.

Nun stand er vor einem einflussreichen Heiden. Welch bedeutsame Stunde! Es ist, als wollten sich die Türen in die Welt leise auftun.

Und doch – es war noch nicht ganz soweit.

Einst waren die Heiden zu den Jüngern gekommen und hatten gebeten, sie wollten Jesus gerne sehen. Da hatte Jesus abgewehrt mit der Begründung: „Erst muss das Weizenkorn in die Erde fallen und ersterben. Dann bringt es Frucht.“ Erst musste sein Leiden und Sterben zu Ende gekommen sein, erst musste er wie ein Weizenkorn ersterben – dann! Ja, dann!

Und so geschah es! Pilatus fand noch nicht zu Jesus. Aber sechs Stunden später, als das Weizenkorn erstorben war, als Jesus den letzten Schrei getan hatte – da war es ein Heide, der die Türen aufstieß. Der römische Hauptmann unter dem Kreuz glaubte und bekannte: „Dieser ist Gottes Sohn!“

Und seitdem stehen die Türen offen. Aus allen Nationen sammelt sich Jesu Volk, das seinen König anbetet.

 

 

Beleb, erlaucht, erwärm, entflamme

Doch bald die ganze weite Welt

Und zeig dich jedem Völkerstamme

Als Heiland, Friedefürst und Held.


5. März

 

Und da Pilatus auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten!“

Matthäus 27, 19

 

Die Spannung ist auf das Höchste gestiegen vor dem Palast des Pilatus. Er hat die Tausende gefragt, ob sie ihre Stimme nicht für Jesus abgeben wollen.

Und – furchtbar! – nicht eine einzige arme Stimme meldete sich.

Da wird die Verhandlung unterbrochen. Ein Bote tritt zu Pilatus, geschickt von dessen Frau. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier melde sich nun doch eine Stimme für Jesus; eine Stimme, mit der niemand gerechnet hat.

„Er ist ein Gerechter!“ lässt die Frau sagen. Ja, das klingt positiv. Aber – was sagt der Bote noch? „Habe du nichts zu schaffen mit ihm!“

Und jetzt steht die Frau Pilatus auf einmal vor uns, recht als der Typ des abendländischen Menschen. Der sagt: „Jesus? Ja gewiss! Wir sind doch alle christlich. Natürlich! Aber – wie? Ich soll vor aller Welt meine Stimme für ihn abgeben? Ich soll ihn als König und Herrn anerkennen? Ich soll eine Entscheidung treffen? Unmöglich. Da halte ich mich heraus!“

„Da halte ich mich heraus!“ Das ist die Lebensparole der meisten. „Pilatus, halte dich heraus!“ lässt die kluge Frau sagen. Die kluge Frau? O die Närrin!

Pilatus soll sich heraushalten! Wie denn?

Und da wird etwas Unheimliches deutlich: Gott erlaubt es uns nicht, uns aus der Sache seines Reiches herauszuhalten. Pilatus wollte neutral bleiben, er wusch seine Hände in Unschuld. Aber so wurde er der Mörder Jesu.

Welch ein Zeichen für uns!

 

 

O nein, ich will und kann nicht mehr,

Mein Freund, betrüben dich.

Dein Herz verbindt mich allzusehr,

Ach bind mich ewiglich.


6. März

 

Pilatus sprach zu ihnen: „Was soll ich denn machen mit Jesus?“

Matthäus 27, 22

 

Es geht wirklich wunderlich zu in der Leidensgeschichte Jesu!

Immer wieder lesen wir, dass man den Herrn Jesus verspottet hat. Man hat alles getan, um ihn lächerlich zu machen. Die Kriegsknechte zum Beispiel haben in der albernsten Weise seinen Königsanspruch verhöhnt. Sie haben eine Krone auf sein Haupt gedrückt – aber es war eine Krone aus Dornen. Sie haben ihm einen roten Mantel umgehängt, wie ihn die Könige tragen – doch es war ein alter Soldatenmantel.

Als aber Jesus in diesem Aufzug vor dem Volke erschien, rief Pilatus erschüttert: „Seht, ein Mensch!“ Und das hieß: „All die Menschen, die ich bisher erlebt habe, waren ja Tiere, Bestien, Affen, Pfauen und Tiger. Jetzt – ich muss es bekennen – sehe ich zum ersten Mal einen Menschen!“

Offenbar war es nicht gelungen, Jesus lächerlich zu machen. Und so ging es weiter. Unendlicher Spott traf den Herrn Jesus, als er am Kreuze hing. Aber das Ende war, dass ein Hauptmann bekannte: „Dieser ist Gottes Sohn gewesen.“

Die Welt hat seitdem immerzu versucht, Jesus und das Evangelium lächerlich zu machen. Das ist nie gelungen.

Aber – und das ist das andere, was die Passionsgeschichte zeigt – die Menschen, die ihn verachten, werden vor ihm lächerlich. Seht nur den Pilatus! Er ist Richter. Und statt zu richten, fragt er hilflos den Pöbel: „Was soll ich denn machen mit dem Angeklagten?“ Einen armseligeren Richter und hilfloseren Mann hat es nie wieder gegeben – als diesen stolzen Römer. O Pilatus!

Wer Jesus verachtet, wird lächerlich, furchtbar lächerlich. Denn in Gottes Wort steht: „Der im Himmel sitzt, lacht ihrer.“ Das ist schrecklich, dies Lachen!

 

 

Wir danken dir, Herr Jesu Christ,

Dass du für uns gestorben bist

Und hast uns durch dein teures Blut

Gemacht vor Gott gerecht und gut.


7. März

 

Da nahm Pilatus Wasser und wusch die Hände vor dem Volk und sprach: „Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten!“

Matthäus 27, 24

 

O Pilatus! Nun bist du soweit, dass ein kleines Kind über dich lachen kann!

Ein Richter, der feierlich erklärt, dass der Angeklagte ein „Gerechter“ ist – und diesen Gerechten zugleich zum Tode verurteilt – und dann eine kleine Aufführung veranstaltet, um zu sagen, er sei unschuldig an dem Justizmord –: Das ist in der Tat hoffnungslos albern!

Und trotzdem lohnt es sich, einen Augenblick über diesen Satz des Pilatus nachzudenken. „Ich bin unschuldig am Tode Jesu!“ – das ist ein Satz, den kein einziger Mensch in der Welt sagen kann.

Es gibt nur eine einzige Gemeinsamkeit unter den Menschen: Sie sind alle schuldig am Tode Jesu. Im Alten Testament heißt es: „Der Herr warf unser aller Sünden auf ihn.“

Hört es: „Unser aller Sünden“! Da kann sich keiner ausschließen. Die Menschen sind unheimlich zertrennt in Völker, Rassen, Kulturen, politische Überzeugungen, Lebensalter und Stände. Aber eins verbindet heimlich alle: Wir sind schuldig am Blute dieses Gerechten!

Wohl dem, der das begreift, zugibt und bekennt! Dann darf er nämlich lernen, diesen Satz des Pilatus ein wenig zu verändern. Und so verändert wird der Satz zum Bekenntnis des Glaubens: „Ich bin unschuldig durch das Blut dieses Gerechten.“ Denn „sein Blut macht uns rein von aller Sünde“.

Christen dürfen fröhlich bekennen: „… alle, alle meine Sünde hat sein Blut hinweg getan!“

 

 

Dein Blut, mein Schmuck, mein Ehrenkleid,

Dein Unschuld und Gerechtigkeit,

Macht, dass ich kann vor Gott bestehn

Und zu der Himmelsfreud eingehn.


8. März

 

… und führten Jesus hin, dass sie ihn kreuzigten.

Matthäus 27, 31

 

Die Leidensgeschichte zeigt uns alle Beteiligten in einer aufgeregten und fieberhaften Tätigkeit.

Der Hoherat hält Nachtsitzung; Ratsherren mischen sich unter das Volk und hetzen; Pilatus macht eine kleine, wunderliche Aufführung: wäscht sich die Hände und beteuert seine Unschuld; die Jünger bringen sich in Sicherheit; Judas quält sich, um seinem armen Leben ein Ende zu bereiten; Häscher marschieren durch nächtliche Straßen; das Volk rennt, schreit, brüllt und spottet… Kurz, alle sind außerordentlich beschäftigt, Außerordentliches zu tun.

Nur ein einziger tut nichts – Jesus. Um ihn dreht sich alles. Aber er selbst leidet, schweigt und lässt alles mit sich geschehen.

So schildern es die Berichte der Evangelien: Jesus ist still und tut nichts!

Tut er wirklich nichts?

Lasst uns einmal forschen in den übrigen Büchern der Bibel! Dann finden wir: Jesus ist der einzige, der wirklich etwas tut. Er vollendet eine große Tat. Eine Menge Worte reden von seiner Aktivität:

„Er hat unsere Sünden hinaufgetragen auf das Holz.“ – „Er hat der Schlange den Kopf zertreten.“ – „Seine Seele hat gearbeitet.“ – „Er hat den Zaun abgetan, der zwischen Juden und Heiden war.“ – „Er hat sich selbst geopfert.“

Das sind nur ein paar Worte, die von Jesu Tun zeugen. Gott schenke uns offene Augen, dass wir in dem stillen, leidenden Lamm den erkennen, der alles getan hat, was wir nicht tun konnten – zu unserm ewigen Heil!

 

 

Doch du hast für mich besieget

Sünde, Tod und Höllenmacht,

Du hast Gottes Recht genüget,

Seinen Willen ganz vollbracht

Und mir eben zu dem Leben

Durch dein Sterben Bahn gemacht.


9. März

 

Da fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug.

Matthäus 27, 32

 

Das Herz dieses Simon hat gewiss zuerst rebelliert und rumort über solche Gewalttat und Willkür der römischen Soldaten.

Erst später, als er ein Jünger Jesu geworden war, ging es ihm auf, dass er hier an der einzig richtigen Stelle war. Denn der Herr Jesus hat einmal gesagt: „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“

Das ist ein Wort, das man einem Weltmenschen überhaupt nicht erklären kann. Wer aber ein Jünger Jesu wird, versteht es sofort. Denn er weiß, dass unsere alte, gottlose Natur nicht in Gottes Reich hineinpasst. Die muss „mit Christo gekreuzigt werden“. Gottes Wort sagt: „Die Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden.“

Wie der Herr Jesus am Kreuz unsere verlorene Sache zu der seinigen gemacht hat, so macht nun ein Jünger in der Nachfolge das Kreuz Jesu zu dem seinigen. Kurz: Er trägt dem Heiland das Kreuz nach.

Und dabei geht es nie ohne Zwang ab. Den Simon musste man zwingen, dem Herrn Jesus das Kreuz nachzutragen. Und unsere alte Natur muss man ebenso zwingen. Das ist der eigentliche Kampf eines Christenlebens, dass man seine Natur zwingt, dem Herrn das Kreuz nachzutragen. Alle anderen Kämpfe und Nöte, die von außen kommen, schlägt ein ernster Jünger nicht so hoch an.

 

 

Mein Kreuz und meine Plagen,

Sollt's auch sein Schmach und Spott,

Hilf mir geduldig tragen;

Gib, o mein Herr und Gott,

Dass ich verleugne diese Welt

Und folge dem Exempel,

Das du mir vorgestellt.


10. März

 

Da fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug.

Matthäus 27, 32

 

Dass dieser Mann aber auch ausgerechnet Simon hieß! Da muss man ja sofort an den andern Simon denken, an den Simon Petrus.

Und dann fällt uns ein, dass dieser Simon Petrus eigentlich hierher gehört hätte; dass er eigentlich der Mann hätte sein sollen, der hinter Jesus her nach Golgatha ging; dass er von Rechts wegen dem Herrn Jesus das Kreuz hätte nachtragen müssen. Denn dieser Simon Petrus hatte ein paar Stunden vorher feierlich und vor Zeugen erklärt, dass er lieber sterben wolle als Jesus verlassen.

Aber nun war der Simon Petrus nicht da, als es galt, dem Heiland das Kreuz nachzutragen. Doch unser Gott kommt nicht in Verlegenheit durch unsere Untreue. Ein anderer Simon nimmt nun den Platz des Simon Petrus ein.

Diese Sache ist wohl wert, dass wir über sie nachdenken. Wenn Simon Petrus ausscheidet, tritt Simon von Kyrene ein. Wenn Judas fällt, beruft der Herr einen Paulus zum Apostel. Wenn – im Alten Bund – der König Saul ungehorsam wird, dann erwählt der Herr sich einen David.

Das heißt: Er hat uns nicht nötig. Und wenn wir unsern Platz im Gefolge des Gekreuzigten verachten, beruft er einen andern an unsere Stelle.

Er ist nicht auf uns angewiesen. Es ist Ehre, wenn wir ihm folgen, dienen und das Kreuz nachtragen dürfen.

 

 

Ich bin, mein Heil, verbunden

All Augenblick und Stunden

Dir überhoch und sehr;

Was Leib und See! vermögen,

Das soll ich billig legen

Allzeit an deinen Dienst und Ehr.


11. März

 

Da sie Jesus aber gekreuzigt hatten …

Matthäus 27, 35

 

Vielleicht verstehen wir recht wenig von der Bedeutung des Kreuzes Jesu. Eins aber können wir doch alle lassen: Wie viel hat es Gott gekostet, uns zu helfen! Wie schlimm muss es um uns stehen, dass Gott solch eine umständliche Veranstaltung treffen musste, um uns selig zu machen!

Als ich noch ein kleiner Kerl war, bekam ich Diphtherie. Ich hatte keine Ahnung, was das für eine Krankheit sei. Sonst, wenn eins von uns Kindern krank war, machte meine Mutter wenig Umstände. Aber nun, bei dieser neuen Krankheit, entstand eine gewaltige Unruhe um mich: Mein Bett wurde aus dem Kinderzimmer in ein abgelegenes Zimmer getragen. Ein Arzt machte sich mitten in der Nacht mit mir zu schaffen.

Ich weiß noch, wie mich auf einmal der Schrecken packte: „Wenn die großen Leute so viel mit mir anstellen, muss es wohl sehr schlimm um mich stehen!“

Und nun: Wie viel Umstände macht sich doch Gott um uns! Er sendet seinen eingeborenen Sohn. Die Engel kommen zu den Menschen und rütteln sie auf mit der Botschaft von seiner Geburt. Dieser Sohn wird gekreuzigt und wieder auferweckt.

Ja, wenn ich gar nichts von all dem verstünde – eins wäre mir klar: Es muss schlimm um mich stehen, dass so viel nötig war zu meinem Heil. Und auch das würde ich begreifen: Wie ernst ist es Gott um mich zu tun!

Herr, „lass mir nie kommen aus dem Sinn, / Wie viel es dich gekostet, / Dass ich erlöset bin“!

 

 

Drum sag ich dir von Herzen

Jetzt und mein Leben lang

Für deine Pein und Schmerzen,

O Jesu, Lob und Dank,

Für deine Not und Angstgeschrei,

Für dein unschuldig Sterben,

Für deine Lieb und Treu.


12. März

 

Auf dass erfüllt würde die Schrift, die da sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über meinen Rock das Los geworfen.“ Solches taten die Kriegsknechte.

Johannes 19, 24

 

Da sind die römischen Soldaten!

Lachend teilen sie die geringe Beute. Es war Sitte, dass sie die Kleider der Gerichteten bekamen. Nun sitzen sie und würfeln um den Rock Jesu.

Über ihren Häuptern kämpfte und starb der Sohn Gottes. Kämpfend und sterbend riss er die Tür zum Paradiese auf, die seit dem Sündenfall verschlossen war. Ja, über ihnen öffneten sich die Gnadenpforten. Gott breitete in Jesus seine Arme aus nach Sündern.

Aber die Kriegsknechte sahen von all dem nichts. Ein wenig irdischer Tand war ihnen wichtiger.

Wie viele gibt es, die um der irdischen Dinge willen ihre Seligkeit verspielen und verwürfeln. Gewiss sind die irdischen Sorgen nicht unwichtig. Aber wehe uns, wenn wir um des „Kinderspiels am Wege“ willen die Errettung versäumen! Lasst uns nicht so stumpf sein wie die Kriegsknechte!

Um Jesu Kleid war ihnen zu tun. Wenn wir einmal sterben, legen wir alle Kleider ab. Und am Jüngsten Tage stehen wir arm, nackt und bloß vor Gott. Wie furchtbar, so bloß vor Gott zu stehen!

Nicht alle stehen bloß vor Gott. Die Offenbarung sagt von den Jüngern Jesu: „Ihnen ward ein weißes Kleid gegeben. Das ist die Gerechtigkeit der Heiligen.“ Selig, wer im Gericht sich kleiden kann in Jesu Gerechtigkeit!

Die Kriegsknechte zankten um den armen Rock. Und das Kleid der Gerechtigkeit, das Jesus ihnen geben wollte, verachteten sie. – und wir? „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“

 

 

Christi Blut und Gerechtigkeit,

Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid,

Damit will ich vor Gott bestehn,

Wenn ich zum Himmel werd' eingehn.


13. März

 

Und sie saßen allda und hüteten sein.

Matthäus 27, 36

 

Hier ist jetzt alles auf den Kopf gestellt!

Menschenkinder, die so unendlich gefährdet sind an Leib und Seele, spielen sich als Hüter auf.

„Der Hüter Israels“ aber hängt am Kreuz und wird behütet. Da ist nun wirklich alles umgedreht.

Doch so ist es auf Golgatha:

Der Unschuldige zittert unter dem Zorn Gottes. Die Sünder aber gehen frei aus.

Der Sohn Gottes ist verworfen und ruft: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen!?“ Die Verworfenen aber werden begnadigt.

Auf dem Sohne Gottes, dem alle Ehre gebührt, sammelt sich alle Schmach. Aber der Schächer, schmachbedeckt und verachtet, wird angenommen als Kind des lebendigen Gottes.

Die frommen Pharisäer und Schriftgelehrten spotten über den sterbenden Heiland. Der heidnische Hauptmann aber bekennt: „Dieser ist Gottes Sohn gewesen.“

Man könnte noch lange weitermachen. Das Kreuz ist wirklich ein Geschehnis, das alles auf den Kopf stellt. So könnte man es zeigen.

Aber – die Sache ist vielmehr so, dass durch den Sündenfall alles verkehrt wurde. Und es hat Gott gefallen, durch dies Kreuz alles Verkehrte wieder umzudrehen, richtig zu stellen und in Ordnung zu bringen.

Seltsames Geschehen!

 

 

Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe!

Der gute Hirte leidet für die Schafe,

Die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,

Für seine Knechte.


16. März

 

Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das ist dein Sohn.“

Johannes 19, 26

 

Es ist seltsam, wie Jesus hier seine Mutter anredet: „Weib!“

Bis zu dieser Stunde war Jesus der Sohn Marias, der Mann aus Nazareth, der Bruder seiner Brüder. Nun aber löst er sich aus dem natürlichen Lebenskreis. Er sagt: „Weib, ich bin nicht mehr dein Sohn. Du hast jetzt keine natürlichen Ansprüche mehr an mich.“

Jesus wurde in dieser Stunde in Wahrheit zum Heiland der Welt.

Wir können uns die Bedeutung des Sterbens Jesu gar nicht umfassend genug vorstellen. Sein Tod ist das Heil für alle Jahrhunderte, für alle Völker und Erdteile, für alle Menschen.

Der Schächer am Kreuz kam zum Frieden mit Gott durch den gekreuzigten Herrn Jesus. Aber ebenso gibt es für uns Menschen im modernen Zeitalter der Technik keinen anderen Weg zum Seligwerden als Jesu Kreuz.

Es gibt für uns kein anderes Heil als das, welches auch für die Chinesen gilt: der Opfertod Jesu für Sünder.

Der gelehrteste Akademiker und der Schwachbegabteste, der reichste Milliardär und der ärmste Bettler müssen denselben Weg gehen, wenn sie Frieden mit Gott und Vergebung der Sünden wollen: den Weg über Golgatha.

Man hat je und dann gesagt: „Wie, wenn auf anderen Sternen Menschen wären? Wie würden die denn selig?“ Wir wissen nur eine Antwort: „Wir müssten sehen, dass wir ihnen so schnell wie möglich verkündigen: Jesus errettet alle Welt.“

Jesus ist der Heiland aller Welt. Darum – Gott sei Dank! – auch unserer.

 

 

Jesu, der du wollen büßen

Für die Sünden aller Welt

Durch dein teures Blutvergießen,

Der du dich hast dargestellt

Als ein Opfer für die Sünder,

Die verlornen Adamskinder:

Ach, lass deine Todespein

Nicht an mir verloren sein.


17. März

 

Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das ist dein Sohn.“

Johannes 19, 26

 

Das ist so wunderbar: In derselben Stunde, in der Jesus zum Heiland der Welt wird – in derselben Stunde zeigt er: Es geht mir um den einzelnen Menschen.

Im politischen Leben ist es umgekehrt. Da ist der einzelne nichts. Das Volk ist alles!

Ganz anders ist es im Reiche Gottes. Es geht Jesus um Maria, um Johannes, um dich und um mich.

Als der Heiland am Kreuze hing, starb er zur Versöhnung der ganzen Welt. Da überschaute er im Geiste Völker und Erdteile, Jahrhunderte und Jahrtausende, für die er der Erlöser sein wollte.

Aber in den Jahrtausenden und in den Völkern sah er den einzelnen. Ein Sänger, der das recht verstanden hat, bezeugt in einem Lied so herrlich: „Und dann auch an mich gedacht, / Als er rief: Es ist vollbracht.“

Johannes ist der einzige, der diese kleine Episode unter dem Kreuz erzählt. Selbst Lukas, der doch „mit Fleiß“ alles zusammengetragen hat, hielt sie nicht für erwähnenswert. Aber Johannes hat sie berichtet. Denn er selbst erfuhr es beglückend: „Der Heiland der Welt hat mich sterbend angesehen.“

„Er hat mich angesehen!“

So dürfen auch wir wissen, glauben und bekennen.

Wir sind nicht nur „ein bald verwelkt Geschlechte, ein Blum' und fallend Laub“. Nein, wir sind angesehen von Jesus, geliebt mit einer ewigen Liebe; wir sind wert geachtet über alles.

 

 

Ewig soll er mir vor Augen stehen,

Wie er als ein stilles Lamm

Dort so blutig und so bleich zu sehen,

Hängend an des Kreuzes Stamm,

Wie er dürstend rang um meine Seele,

Dass sie ihm zu seinem Lohn nicht fehle,

Und dann auch an mich gedacht,

Als er rief: „Es ist vollbracht!“


18. März

 

Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“

Lukas 23, 34

 

Tobender Lärm um das Kreuz. Spott, Hass, Gelächter! Zankend teilen die Kriegsknechte die ärmliche Beute. Andere stehen von ferne und schauen unbeteiligt zu.

Da öffnet Jesus den Mund: „… sie wissen nicht, was sie tun.“

„… was sie tun“! Wer sind denn die „sie“? Nur die Juden? O nein, auch die Römer, in deren Legionen damals viele Deutsche standen. – Wer sind die „sie“? Nur der Pöbel? O nein, auch die Angesehenen des Volkes. – Wer sind die „sie“? Nur die Gottlosen? O nein, auch die Frommen und Schriftgelehrten. – Wer sind die „sie“? Nur die Menschen von damals? O nein, auch die Menschen von heute – wir!! „Ich, ich und meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des Sandes an dem Meer, l Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget …“

Über uns alle ruft Jesus sein Urteil: „Sie wissen nicht, was sie tun.“

Entsetzen spricht aus diesem Wort, abgrundtiefes Entsetzen!

Warum dies Entsetzen?

Weil Jesus den Menschen kannte vor dem Sündenfall. Er war dabei, als Gott den Menschen schuf „ihm zum Bilde“, den freien Menschen, der „wusste, was er tat“.

Und nun sieht Jesus den Menschen so, wie die Sünde ihn gestaltet hat: blind, getrieben von Leidenschaften, unwissend in der Erkenntnis Gottes, entzündet von der Hölle.

Ja, wir sind heilsbedürftig!

 

 

Du, ach du hast ausgestanden

Lästerreden, Spott und Hohn,

Speichel, Schläge, Strick und Banden,

Du gerechter Gottessohn,

Nur mich Armen zu erretten

Von des Teufels Sündenketten.

Tausend-, tausendmal sei dir,

Liebster Jesu, Dank dafür.


19. März

 

Jesus aber sprach: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“

Lukas 23, 34

 

Ja, Entsetzen spricht aus diesem Wort Jesu: „Was hat der Abfall von Gott aus dem Menschen gemacht!“

Aber gerade in diesem Wort offenbart sich uns das Wunder der Liebe Jesu – das unfassbare Wunder der Barmherzigkeit Jesu.

Vielleicht haben wir uns schon einmal über einen Menschen entsetzt, der uns unbegreiflich und ganz unbegründet Unrecht zufügte. Vielleicht haben wir uns schon einmal entsetzt über die unvorstellbare Gemeinheit und Bosheit, die aus einem Menschenherzen kommen kann.

Dann wissen wir auch, dass Entsetzen die Liebe tötet. Solch ein Entsetzen ist wie ein Eishauch, der jedes Mitgefühl, der die guten Blümlein der Liebe mordet.

Jesus entsetzt sich über uns. Wir könnten verstehen, wenn er die Hände aus den Nägeln risse und vom Kreuze spränge und riefe: „Vater, lass sie dahinfahren! Sie wissen nicht, was sie tun! Sie sind ganz und gar verstockt, verblendet, verloren!“

Aber höre: So ruft Jesus nicht. Was ruft er? „Vater, vergib ihnen!“

Das Wunder ist geschehen: Das Entsetzen hat die Liebe nicht getötet. Das Entsetzen hat die Barmherzigkeit nicht getilgt.

„Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren“

(Römer 5, 8).

Ja – in der Tat! – „diese Liebe kann erretten“.

 

 

Ich bete an die Macht der Liebe,

Die sich in Jesu offenbart;

Ich geb’ mich hin dem freien Triebe,

Womit ich Wurm geliebet ward;

Ich will, anstatt an mich zu denken,

Ins Meer der Liebe mich versenken.


20. März

 

Und da wurden zwei Mörder mit Jesus gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.

Matthäus 27, 38

 

Trennend steht das Kreuz des Sohnes Gottes zwischen den beiden Mördern.

Diese Männer haben früher gewiss recht fest zusammengehört. Zusammen waren sie lustig gewesen. Gemeinsame Verbrechen hatten sie verbunden. Zusammen hatten sie gefrevelt. Zusammen hatten sie vor Gericht gestanden. Zusammen waren sie verurteilt worden.

Aber – nun waren sie auf einmal getrennt. Das Kreuz Jesu stand zwischen ihnen. Und von dieser Stunde ab ging ihr Weg auseinander – für alle Ewigkeit! Denn im Lukas-Evangelium lesen wir, dass der eine dieser Mörder dort am Kreuze zur Umkehr kam, Buße tat, an den Herrn Jesus glaubte, ihn anrief und errettet wurde. Jesus verhieß ihm in Vollmacht: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“

Der andere aber verstockte sein Herz, lästerte den Herrn Jesus und fuhr schließlich in seinen Sünden dahin.

So ging der Weg dieser zwei Kumpane für die Ewigkeit auseinander. Das Kreuz Jesu war zwischen sie gekommen.

So steht das Kreuz Christi heute noch trennend zwischen den Sündern.

Sünder sind wir vor Gott alle. Da ist keiner, der nicht „des Ruhms ermangelte, den wir bei Gott haben sollten“. Nicht einer ist vorhanden, der erhobenen Hauptes vor Gott treten könnte.

Und zwischen diese Sünder hat Gott das Kreuz Jesu Christi gestellt – als die große Trennung. Am Kreuze Christi scheiden sich die Sünder: Die einen kommen hier zur Erkenntnis ihrer Sünde, zur Buße und zum Glauben – die andern verstocken ihr Herz und gehen ewig verloren. Wie gewaltig ist dies Kreuz!

 

 

Kommt, groß und kleine Sünder, doch,

Die ihr mühselig seid:

Dies liebend Herz steht offen noch,

Das euch von Sünd befreit.


21. März

 

Und da wurden zwei Mörder mit Jesus gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.

Matthäus 27, 38

 

Es ist wirklich erstaunlich: Die ganze Passionsgeschichte berichtet von der Blindheit der Menschen dem Sohne Gottes gegenüber. Aber dazwischen ist es immer wieder, als hätten sie den Herrn Jesus doch verstanden.

Da nagelten sie ihn an das Kreuz und stellten dies Kreuz zwischen zwei hingerichtete Mörder. Sie hängten den Heiland zwischen die Sünder.

Natürlich – sie taten das in Hass und Blindheit. Und doch – sie konnten gar nichts Besseres tun. Denn – dort gehörte Jesus hin. Dort wollte er sein – mitten zwischen den Sündern.

So fing ja schon seine Laufbahn an: Da ging er an den Jordan, wo Johannes die Sünder taufte. Jesus stellte sich mitten in den Schwarm der Menschen mit beladenen Gewissen und ließ sich auch taufen. Mitten zwischen den Sündern!

Und dann lesen wir immer wieder, dass viele „Zöllner und Sünder“ zu ihm kamen, ja, dass er sich sogar von ihnen zum Essen einladen ließ. Da murrten die Pharisäer und sprachen: „Dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen.“ Man kann doch die Verwunderung dieser Pharisäer gut verstehen!

Und nun ist der Tod Jesu am Kreuze dieses seines Lebens würdig. Er hängt zwischen den Sündern.

Da kann ja wohl jeder, auch der Einfältigste, begreifen, dass Jesus es mit Sündern und ihrer Schuld zu tun hat.

Kein Wunder, dass alle selbstgerechten Leute ratlos vor diesem Evangelium stehen. Wem aber das Gewissen erwacht ist, dass er seine Sünde fühlt, der horcht freudig auf.

 

 

Wer hat dich so geschlagen,

Mein Heil, und dich mit Plagen

So übel zugericht't?

Du bist ja nicht ein Sünder

Wie wir und unsre Kinder,

Von Übeltaten weißt du nicht.


22. März

 

Dieser hat nichts Unrechtes getan.

Lukas 23, 41

 

„Wenn diese schweigen, dann werden die Steine schreien!“ So hatte Jesus den Obersten seines Volkes erklärt, als sie ihn aufforderten, den Lobpreis seiner Jünger abzustellen.

Nun schwiegen die Jünger. Nun war es Zeit, dass die Steine schrieen und Jesus lobten. Und sieh! Es geschieht. Oder, vielmehr etwas, was noch viel stummer und härter ist als die Steine, erhebt seine Stimme zu einem Zeugnis für Jesus: ein hartes, in der Sünde hart gewordenes Menschenherz. Der Schächer, der neben Jesus am Kreuz hängt, legt laut ein Zeugnis für ihn ab.

„Dieser hat nichts Unrechtes getan!“ Damit ergriff er Partei für Jesus gegen alle die, die unter dem Kreuz standen, gegen Römer und Pharisäer und Hohepriester.

Das ist etwas Großes. Man ist es gewohnt, dass ein Verurteilter seine Unschuld beteuert. Das ist weiter nichts Verwunderliches. Aber das tut dieser Schächer nicht. Seine Sünde hat er bekannt: „Wir empfangen, was unsere Paten wert sind.“ Aber nun rühmt er Jesus: „Der ist gut! Der ist heilig! Der ist rein!“ Wahrlich, die Steine schreien für Jesus!

„Dieser hat nichts Unrechtes getan!“ sagt der Schächer. Warum er selbst da hängt, weiß er nur zu gut. Aber warum hängt der Unschuldige am Kreuz?

„Ich trage meine Schuld“, denkt der Schächer. „Aber wessen Schuld trägt der dort, der Reine, der Unschuldige?“

Und durch sein Herz zieht eine Erinnerung an alte Bibel­worte, die er in seiner Jugend hörte, von einem, „der der Welt Sünde trägt“, von einem, „auf den Gott unser aller Sünde wart“.

Und er erfasst glaubend: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten“ (Jesaja 53).

 

 

Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe!

Der gute Hirte leidet für die Schafe,

Die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,

Für seine Knechte.


23. März

 

Wir zwar sind billig darin, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind.

Lukas 23, 41

 

Golgatha, ein Ort voller Wunder!

Oder ist es kein Wunder: Der Gesetzlose verkündet das Gesetz! Der Rechtlose verkündigt das Recht!?

Der Schächer, der neben Jesus am Kreuz hing, war ein Gesetzloser. Er hatte nicht nur das menschliche Gesetz, sondern auch das Gesetz Gottes verachtet und mit Füßen getreten. Er hatte sich außerhalb der göttlichen Ordnungen und Rechte gestellt.

Und nun – welche Veränderung hat Gott im Herzen dieses Mannes bewirkt. Dieser. Gesetzlose verkündet das Gesetz: „Der Sünder hat das Gericht und den Tod verdient.“

Nicht als eine theoretische Erkenntnis spricht er das aus. O nein! Er selbst beugt sich unter das göttliche Gesetz: „Ich, der Sünder, habe das Gericht Gottes und den Tod verdient.“

Unter dem Kreuze standen viele Menschen. Wo war einer, der solche Erkenntnis gehabt hätte? Der so sich unter Gottes Gerichtsurteil gebeugt hätte? Der so Gott recht gegeben hätte?

Weil sie das nicht taten, konnten sie auch Gottes Heil in Jesus nicht erkennen.

Denn nur wo ein Mensch Gott Recht gibt, wo ein Mensch seinen verlorenen Zustand erkennt und Buße tut, kann auch rechte Heilserkenntnis anbrechen.

So wird dieser aufrichtige Schächer für uns zum Bußprediger. Dass wir doch mit ihm sprechen lernten: „Herr, wir haben deine Gerichte verdient. Unsere Taten taugen nicht vor dir.“ Dann dürfen wir auch mit ihm an Jesus froh werden.

 

 

Erbarm dich deiner bösen Knecht;

Wir flehe um Gnad` und nicht um Recht;

Denn so du, Herr, den rechten Lohn

Uns geben wollt'st nach unserm Tun,

So müsst die ganze Welt vergehn,

Und könnt kein Mensch vor dir bestehn.


24. März

 

Und er sprach zu Jesus: „Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“

Lukas 23, 42

 

Golgatha!

Wunderbare Dinge geschehen dort: Der Verirrte findet den richtigen Weg.

Ja, ein Verirrter war er, der Mann dort neben Jesus am Kreuz. Er hatte den rechten Weg und jeden Halt verloren. Dunkle Leidenschaften hatten ihn mitgerissen, falsche Freunde hatten ihn verführt – so war das Schiff seines Lebens steuerlos dahin getrieben.

Nun kam der Schlussstrich – ein Leben versinkt in ewiger Finsternis!

Aber nein – da geschieht die Wendung, die Rettung! Neben dem Verirrten, dessen Fuß nie einen geraden Weg fand, hängt ein anderer. Der hat ein paar Stunden vorher gesagt: „Ich bin der Weg … niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ Der Schächer hat es nicht gehört. Aber es ist, als habe er es gehört. Er erkennt es, glaubt es, fasst es und – geht den einzigen Weg, der zum Vater führt.

Keinem unter all denen, die unter dem Kreuz stehen, sind so hell die Augen aufgetan. Keiner sieht so klar den guten Weg zum Vater wie – der Verirrte.

Wie ist das möglich?

Ach, die anderen haben alle noch genug an ihren eigenen Wegen; sie sind noch zu zufrieden und sicher auf ihren selbst gewählten Pfaden. Wie sollten sie begreifen, dass ihre Wege verloren sind!

Aber der, welcher keinen Weg mehr sieht, dessen Pfad in Nacht versinken will, der sieht: Es gibt nur einen rechten Weg. Und das ist der Weg, den Gott in Jesus gegeben hat. Möchten wir ihn sehen und gehen!

 

 

Ich lief verirrt und war verblendet,

Ich suchte dich und fand dich nicht,

Ich hatte mich von dir gewendet

Und liebte das geschaffne Licht.

Nun aber ist's durch dich geschehe,

Dass ich dich hab’ ersehn.


25. März

Jesus sprach zu ihm: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“

Lukas 23, 43

 

Hier sehen wir das größte Wunder von Golgatha: Der Ausgeschlossene schließt auf!

Ausgeschlossen ist Jesus, wie nie ein Mensch ausgeschlossen war. Die Menschen haben ihn aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen. „Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht.“ Die Erde hat keinen Raum mehr für den Sohn Gottes. Schon bei der Geburt blieb ihm nur der geringste Raum: ein Stall. Nun ist er ganz ausgeschlossen: Zwischen Himmel und Erde hängt der Sterbende.

Und auch der Himmel hat ihn ausgestoßen. Gott warf unser aller Sünden auf ihn. Nun ruft der Sündenbeladene – und doch Schuldlose: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Ja – es ist unfassbar und doch wahr: Auch der Himmel hat ihn, den Sohn, ausgeschlossen, damit er an unserer Statt ganz von Gott verlassen sei.

So war niemals ein Mensch ausgeschlossen von Himmel und Erde, von Gott und Menschen wie Jesus, als er am Kreuze hing.

Und dieser Ausgestoßene schließt dem bußfertigen Schächer den Himmel auf!

Er tut es. Und er ist der einzige, der es tun kann. „Er hat die Schlüssel Davids. Er tut auf, und niemand schließt zu. Und er schließt zu, und niemand tut auf“, sagt Offenbarung 3 von Jesus.

Es gibt auch für uns keinen anderen, der uns wirklich auftun könnte, als „das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt“.

 

 

Ach, sucht doch den, lasst alles steten,

Die ihr das Heil begehret;

Er ist der Herr und keiner mehr, Der euch das Heil gewähret.

Sucht ihn all Stund'

Von Herzensgrund,

Sucht ihn allein,

Denn wohl wird sein

Dem, der ihn herzlich ehret.


26. März

 

Und von der sechsten Stunde an ward eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.

Matthäus 27, 45

 

Als der Sohn Gottes in die Welt kam, wurde die dunkle Nacht erleuchtet.

Als aber der Sohn Gottes am Kreuze starb, da ward der helle Tag verdunkelt.

Das hatte eine tiefe Bedeutung: Jesus ist das Licht der Welt. Die Verwerfung Jesu bedeutet schreckliche Finsternis.

Es ist unheimlich, wie der Teufel alles verdreht. Aller Kampf gegen Christus ist immer geführt worden unter der Parole: „Wir wollen endlich die Finsternis vertreiben und Licht bringen.“

Darum ist es so wichtig, dass wir die Botschaft jener dunklen Stunde vom Karfreitag hören: Die Verwerfung Jesu bedeutet Finsternis.

Das christliche Abendland ist Schritt für Schritt weitergegangen auf dem, Wege der Verachtung Jesu. Und wurde der Weg der letzten Jahrhunderte nicht ein Weg in die Nacht?

Aber da gibt es nun eine kleine eindrucksvolle Geschichte: Als Pharao, der König Ägyptens, gegen Gott kämpfte, sandte Gott seine Plagen, als eine von denen eine furchtbare Finsternis.

Aber – so heißt es in der Bibel – „in den Häusern des Volkes Gottes war es licht“. Mag die Welt durch die Verwerfung Jesu noch so finster werden, so wird doch in den Häusern der Kinder Gottes allezeit Licht genug sein – weil da Jesus ist.

 

 

Du bist ein Licht und wohnst im Licht.

Ach mach mich licht und rein,

Zu schauen, Herr, dein Angesicht

Und dir vereint zu sein!


27. März

 

Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von obenan bis unten aus.

Matthäus 27, 51

 

Das gab eine Aufregung und ein Staunen in Jerusalem, als bekannt wurde: Gerade in dem Augenblick, als Jesus draußen vor der Stadt auf Golgatha starb, da zerriss ohne einen äußeren ersichtlichen Anlass der riesige Vorhang im Tempel.

Der große Vorhang! Hinter dem war das „Allerheiligste“ des Tempels. Hinter dem großen Vorhang war das tiefe Dunkel, in dem Gott wohnte. Hinter diesen Vorhang durfte nur ein einziges Mal im Jahr der Hohepriester gehen, um am Versöhnungsfest das Blut des Versöhnungsopfers zu sprengen. Dieser Vorhang war nun von oben bis unten zerrissen!

Vielleicht sagte ein kleiner Junge erstaunt zu seinem Vater: „Da kann ja nun jeder zu Gott Reinlaufen!“

Und dieser kleine Junge hätte die Wahrheit getroffen. Das wollte Gott sagen: Seitdem der Heiland für die Sünder gestorben ist, kann jeder zum Herzen Gottes „Reinlaufen“.

Daran ändert auch nichts, dass die verblendeten Priester sofort wieder einen neuen Vorhang anschafften. Die blinde Welt ist ja dauernd beschäftigt, den suchenden und zerbrochenen Herzen den Weg zum Herzen Gottes zu versperren. Aber Jesu Tod hat endgültig den Vorhang zerrissen. Der Weg zum Vater ist für alle jetzt aufgetan.

Welch eine Botschaft ist das, die der zerrissene Vorhang verkündet! Als ich kürzlich einen hohen Beamten sprechen wollte, hieß es: „Das wird sich kaum machen lassen. Vielleicht verhandeln Sie mit dem Sekretär!“

Aber der Weg zum Herrn aller Herren, zum lebendigen Gott, ist frei und offen! Offen durch das Sterben des Sohnes! Welch eine Botschaft! Lasst uns durch den zerrissenen Vorhang gehen!

 

 

Heut schleußt er wieder auf die Tür

Zum schönen Paradeis;

Der Cherub steht nicht mehr dafür,

Gott sei Lob, Ehr und Preis!


28. März

 

Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen.

Matthäus 27, 52

 

Das Unheimlichste und Quälendste in der Leidensgeschichte Jesu ist das Schweigen Gottes.

Als der Sohn Gottes sein Wirken begann, da zeugte Gott von ihm: „Dies ist mein lieber Sohn …“ Aber in der Passion schweigt Gott.

Bis zum letzten Atemzug umgab den Heiland nur das Reden, Rufen, Schwätzen und Plappern der Menschen. Menschen redeten! Menschen richteten! Menschen spotteten! – Und Gott schwieg!

Nun hat der Herr Jesus den letzten Schrei getan. Und da – da beginnt Gott zu reden. Nun ergreift er das Wort. Mit dem Zerreißen der Felsen beginnt es. Und damit, dass er den Fürsten des Lebens aus den Toten ruft, geht es weiter. Und dann folgt an Pfingsten die Ausgießung des herrlichen starken Gottesgeistes. Das alles begann mit dem Erdbeben. Nun hat Gott das Wort.

Es wird immer wieder solche Zeiten geben, wo die Menschen mit ihrem Wesen einen großen Lärm machen. Wie alles übertönend wird es erst sein, wenn einmal der Antichrist kommt in der letzten Zeit! Das ist die „Stunde des Menschen“.

Aber – Gottes Volk, sei getrost! Der Mensch behält nicht das letzte Wort. Handle du in solchen Zeiten nach dem Rat, den Gott dir durch Jesaja gibt: „Geh hin, mein Volk, in deine Kammer und schließ die Tür nach dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe.“

Es erscheint gewiss die Stunde, wo Gott das Wort bekommt, wo die Felsen zerreißen und das arme Geschwätz der Menschen untergeht in seiner gewaltigen Rede.

 

 

Gott der Herr regiert;

Ihm allein gebührt

Ehre, Macht und Reich.

Völker, bücket euch,

Bücket euch vor ihm

Auf den Cherubim!

Seht, die Erde bebet,

Wenn er sich erhebet!


29. März

 

Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen.

Matthäus 27, 52

 

Das geschah in demselben Augenblick, als der Herr Jesus am Kreuze den letzten Schrei getan hatte.

Da zerrissen Felsen!

Es ist, als wenn Gott uns damit etwas über das Kreuz hätte sagen wollen.

„Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft“, heißt es in der Bibel.

„Gottes-Kraft“. Im Griechischen steht das Wort „dynamis“. Davon kommt „Dynamit“. Dynamit also ist das Wort vom Kreuz. Mit Dynamit sprengt man Felsen.

Mir scheint, dies wollte Gott deutlich machen, als beim Tode Jesu die Felsen zerrissen. Das Wort vom Kreuz ist mehr als das: Es zersprengt, was viel härter ist als Felsen: Es sprengt Menschenherzen.

In einem schwäbischen Ort lebte ein reicher, harter, selbstgerechter Bauer. In dies Dorf nun kam ein Pfarrer, dem es ein heiliges Anliegen war, Menschen dem Herrn zuzuführen, damit sie vom ewigen Verderben errettet würden.

Es gab eine große Bewegung. Nur der reiche Bauer spottete. Aber aus Neugier ging er doch auch eines Tages mit in die Kirche. Als er sich setzte, flüsterte er seinem Nachbarn zu: „Jakob, mi kriegt er net!“ Selbstsicher und stolz saß er da, als der Pfarrer auf die Kanzel trat.

In großer Geistesvollmacht redete der nun von Gottes Gericht. Und dann wies er in lieblichen Worten auf das Kreuz Christi zur Errettung.

Da wurde der Bauer unruhig. Und schließlich beugte er sich zu seinem Nachbarn und flüsterte unter Tränen: „Jakob, jetzt hot er mi!“ Und mit dem „er“ meinte er nicht den Pfarrer, sondern den gekreuzigten Herrn.

Ja, das Wort vom Kreuz sprengt Felsen.

 

 

Dein Wort bewegt des Herzens Grund,

Dein Wort macht Leib und See! gesund,

Dein Wort ist's, das mein Herz erfreut,

Dein Wort gibt Trost und Seligkeit.


30. März

 

Da aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott.

Lukas 23, 47

 

Unzählige sind es, die den Lobgesang unter dem Kreuz anstimmen, die fröhlich geworden sind über der Erkenntnis:

„Ich glaube, dass Jesus Christus mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat, erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels… mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben.“

So hat es Luther bekannt. Und so rühmt die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten.

Habt ihr einmal daran gedacht, wer dies Bekenntnis unter dem Kreuz Christi zuerst gesprochen hat?

Ein heidnischer Hauptmann war es. „Da aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott.“

Lobgesänge und Anbetung unter dem Kreuz? Während die Jünger sich erschrocken verstecken, während die Menge verstört heimeilt, während die Schriftgelehrten in Hass sich verstocken – „preist er Gott“.

Wie kommt er dazu? „Da der Hauptmann sah, was da geschah …“ Der Hauptmann sah. Ja, das ist es: „Sehet auf mich, aller Welt Enden, so werdet ihr errettet“, sagt der Herr.

Der Hauptmann blieb nicht allein. Seit 2000 Jahren haben viele auf das Kreuz gesehen, wie das alttestamentliche Gottesvolk in der Wüste auf die eherne Schlange sah. Und sie wurden errettet.

Es ist rettende Kraft im Kreuz. Und darum werden sie nie mehr verstummen, die Lobgesänge unter dem Kreuz.

 

 

Es ist das Lied vom Lamme,

Das herrlich neue Lied,

Das von dem Kreuzesstamme,

Durch Ewigkeiten zieht,

Das Lied von Jesu Wunden,

Von Jesu Sieg und Macht,

Wie er ein Heil gefunden,

Das hier schon selig macht.


31. März

 

Man wird sie nennen die Erlösten des Herrn.

Jesaja 62, 12

 

Als ich noch ein kleiner Junge war, führte mich mein Vater einmal durch eine alte Stadt. Da kamen wir auch an den „Schuldturm“.

„Sieh!“ erklärte mir mein Vater, „wenn in alter Zeit ein Mann Schulden gemacht hatte, die er nicht bezahlen konnte, dann wurde er in diesen Turm gesperrt und so lange darin festgehalten, bis er die Schulden bezahlte.“

Erschüttert schaute ich auf das alte Gemäuer. „Vater“, sagte ich, „in dem Turm konnte er doch erst recht nichts verdienen. Da kam er ja sein Leben lang nicht heraus.“

„Doch!“ erwiderte mein Vater, „wenn ein anderer für ihn bezahlte und ihn loskaufte.“

Können wir nachfühlen, wie solch einem Gefangenen zumute war, wenn da auf einmal die rostige Tür aufging? Wie mag solch ein Mann seinem Wohltäter um den Hals gefallen sein! Können wir uns das vorstellen?

Rechte Christen können es sich vorstellen. Denn dies ist ja ihre Geschichte. „Man wird sie nennen die Erlösten des Herrn.“ Wörtlich heißt es da: „… die Losgekauften Gottes“.

Das sind die Leute, denen eines Tages erschreckend aufging, dass man Gottes Gebote halten müsse. Und dann entdeckten sie mit Entsetzen, dass sie mit ihrer bisherigen Gleichgültigkeit ja schon so viel schuldig geblieben waren. Nun versuchten sie, es besser zu machen. Aber – es gelang nicht. An keinem Tag erfüllten sie ihr „Soll“. Die Schuld stieg von Tag zu Tag.

Und dann – ja, dann erfuhren sie die frohe Kunde: Ein anderer hat für dich bezahlt: der Sohn Gottes selbst, als er für dich starb. Das haben sie geglaubt und sind dankbar und froh in die Freiheit der Kinder Gottes gegangen. Nun sind sie „Losgekaufte Gottes“. Selige Leute!

 

 

Ich will dein Diener bleiben

Und dein Lob herrlich treiben

Im Hause, da du wohnest

Und Frommsein wohl belohnest.


1. April

 

Jesus ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.

Römer 4, 25

 

In einem Wort sind hier die großen Taten Gottes zu unserem Heil zusammengefasst.

An den Extern-Steinen im Teutoburger Wald ist ein uraltes Steinbild aus der Zeit, als das Evangelium zu unseren Vorfahren kam. Man muss es recht lange studieren, bis man versteht, was der Steinbildhauer mit diesem Steinbild sagen wollte.

Da sieht man zunächst, wie Jesus vom Kreuz genommen wird. Jesu Gestalt ist gebeugt und zusammengebrochen. Es sieht aus, als wenn unsichtbare, riesige Lasten ihn erdrückt hätten.

Aber auf demselben Bild sieht man denselben Heiland noch einmal. Da schaut er königlich und strahlend und schwingt in seiner Hand eine Siegesfahne.

Was wollte der alte Bildner damit sagen? Er wollte seinen Landsleuten damit predigen, dass sie den ganzen Rat Gottes zu unserem Heile in eins sehen sollten: Jesu Tod für uns und Jesu Auferstehung gehören zusammen.

Es gibt Menschen, die kennen nur Jesu Kreuz, aber nicht seine Auferstehung. So aber kann man die Heilsbedeutung des Kreuzes Jesu nicht verstehen. Wir müssen wissen, dass der Jesus, der starb, auch auferstanden ist. Nur dann können wir begreifen, dass sein Tod unsere Versöhnung und unsere Errettung ist.

Und es gibt andere Christen, die wollen sich nur am erhöhten, siegenden Heiland freuen und wollen einen Bogen um das Kreuz herum machen. So aber kommt es in unserem Leben zu keiner Buße. Und damit auch zu keinem rechten, fröhlichen Heilsglauben.

Jesus starb für uns und – Jesus lebt für uns. Darin steht unser Heil.

 

 

Ich trau auf dich, o Gott, mein Herr;

Wenn ich dich hab, was will ich mehr?

Ich hab ja dich, Herr Jesu Christ,

Du mein Gott und Erlöser bist.


2. April

 

Und sie sprachen untereinander: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“

Markus 16, 3

 

O, unsere Sorgen! Im „Faust“ sagt Frau Sorge: „… in verwandelter Gestalt üb' ich grimmige Gewalt.“

Auch über diese Frauen übte die Sorge „grimmige Gewalt“. Sie kamen von einer Not in die andere. Erst der schreckliche Karfreitag! Dann die Angst um das eigene Leben! Und als sie nun die letzte Liebespflicht an Jesus erfüllen wollten – „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“

Und doch lag eine leise Hoffnung in ihrer Frage: „Es findet sich vielleicht ein starker Mann, der uns hilft.“ Aber hier irrten sich die Frauen. Nicht von Menschen kam ihnen die Hilfe. „Sie sahen dahin und wurden gewahr, dass der Stein abgewälzt war.“ Der lebendige Gott selbst hatte eingegriffen.

Das Schöne an der Geschichte ist, dass der Stein schon abgewälzt war, während die Frauen sich noch sorgten. Sie hätten sich die Sorge sparen können.

Dem gesegneten Gottesmann J. P. Diedrichs klagten einmal ein paar Freunde ihre Sorgen. Da erwiderte er: „Ich machte kürzlich mit Freunden eine Kutschfahrt. Ich saß auf dem Rücksitz. Als wir eine Straße mit Schlaglöchern und Steinen passiert hatten, stöhnten die Freunde: ,Das war ja schrecklich! Wir dachten beim Anblick der schlechten Straße, der Wagen ginge zu Bruch!' – Ich aber hatte die Fahrt genossen. Das lag daran, dass ich rückwärts fuhr. Ich sah die Löcher erst, wenn wir drüber weg waren.“ – Dann wendete er das aufs Geistliche an: „Ein Christ überlässt die Sorgen um das Kommende dem Heiland. Er fährt gleichsam rückwärts. Er betrachtet, durch wie viel Nöte ihn sein Herr herrlich hindurchgeführt hat. Und darüber wird sein Herz voll Lob und Dank.“

 

 

Quält dich ein schwerer Sorgenstein,

Dein Jesus wird ihn heben;

Es kann ein Christ bei Kreuzespein

In Freud und Wonne leben.

Wirf dein Anliegen auf den Herrn

Und sorge nicht; er ist nicht fern,

Weil er ist auferstanden.


3. April

 

Er ist auferstanden!

Markus 16, 6

 

In der russischen Kirche gibt es eine merkwürdige Ostersitte: das Ostergelächter. Da stimmt man ein gewaltiges Gelächter an. Und mit diesem Gelächter verspottet man den Teufel, die Welt und das eigene kleine Herz, die den Sieg des Sohnes Gottes aufhalten wollen und doch seine Auferstehung nicht hindern können.

Als dem Abraham ein Sohn geboren worden war, sagte Sara: „Der Herr hat mir ein Lachen zugerichtet.“

So rühmt die Gemeinde Jesu Christi an Ostern auch: „Der Herr hat uns ein Lachen zugerichtet.“

Wie bang und armselig sah es in dem kleinen Häuflein der Gemeinde Jesu Christi wenige Stunden vorher aus! Da fürchtete man sich vor der schrecklichen, unheimlichen Macht der Menschen, die den Heiland von den Jüngern weggerissen und ans Kreuz geschlagen hatten. Da fürchtete man sich vor der Not des eigenen Herzens. Diese Jünger und Jüngerinnen kamen sich wie von Gott verlassen vor. Frierend und einsam standen sie in der entgotteten Welt, als man den Heiland ins Grab gesenkt hatte. Wie verlassene Kinder. Und wenn man diese Geschichten liest, ist es, als sei ein Geist der Schwermut über die Jünger gekommen, wie er je und dann aus den Tiefen der finsteren Welt aufsteigt und sich über unbeschirmte Herzen legt.

Und mit einem Schlage ist alles verändert. „Gott hat uns ein Lachen zugerichtet.“ Der Schlange ist der Kopf zertreten. Verflogen ist alle Schwermut, zum Spott geworden alle Menschenmacht. Denn Jesus ist auferstanden!

Dieses Ostergelächter sollte die ganze Christenheit der Welt und dem Teufel zum Trotz wieder anstimmen.

Der dänische Philosoph Kierkegaard sagt: „Es muss ja alles gut werden, weil Jesus auferstanden ist.“

 

 

Der Feind wird schaugetragen

Und heißt nunmehr ein Spott;

Wir aber können sagen:

Mit uns ist unser Gott.


4. April

 

Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot.

Matthäus 28, 4

 

Hier sehen wir die Welt der Verlorenen.

Sie wird in der Ostergeschichte dargestellt durch die Kriegsknechte. O, wie trotzig stehen sie da mit ihren Schwertern und Spießen! Denn das ist ja das Wesen der verlorenen Welt, dass sie sich auf ihre Macht verlässt.

Aber mit ihrer Macht waren die Kriegsknechte verloren.

Unser Geschlecht hat es erschütternd erlebt, wie machtlos alle Macht ist, wie Gott „Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt“.

Aber wer lernt daraus? Nach wie vor rennt alles nach Einfluss und Macht. Wohl dem, der mit David glaubend bekennt: „Der Herr ist meine Macht und mein Heil.“

Die Hüter bewachten Jesu Grab. Er sollte tot bleiben. Das ist auch so ein Kennzeichen der verlorenen Welt, dass sie den Herrn Jesus im Grabe halten will. Sie mag Jesus nicht. Sie empfindet ihn als einen Fremden.

O närrische Welt! „Wüssten's doch die Leute, / Wie's beim Heiland ist, / Sicher würde heute / Mancher noch ein Christ!“

„Die Hüter wurden vor Furcht, als wären sie tot.“ Wenn jemand ohnmächtig daliegt, dann springen doch alle mitleidigen Seelen sofort herbei, um zu helfen. Gibt es nun einen Mitleidigeren als den Herrn Jesus?

Aber – wie erstaunlich ist das: Er geht gleichgültig an ihnen vorüber und sucht seine weinenden Jünger.

Das ist erschütternd. Es gibt eine Grenze der Verstockung und des inneren Todes, wo uns Jesus nicht mehr sucht. Da darf man, wie die Hüter nachher taten, machen, was man will. Man darf lügen und betrügen. Das Gewissen rumort nicht mehr. Und über allem steht das Wort „verloren“.

Gnadenlose, verlorene Welt! Dass wir doch aus ihr errettet würden!

 

 

Das stille Lamm jetzt nicht mehr schweigt,

Sich mutig als ein Löwe zeigt;

Kein harter Fels ihn hält und zwingt,

Grab, Siegel, Riegel vor ihm springt. Halleluja.


5. April

 

Aber der Engel sprach zu Maria Magdalena und der anderen Maria: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, suchet… Er ist auferstanden…

Matthäus 28, 5 und 6

 

Hier sehen wir die Welt der Geretteten.

Zwei einfache Frauen sind es. Das ist keine imponierende Sache. Die Gemeinde der Erretteten wird der Welt nie Eindruck machen. Jesus selbst sagt, es sei eine „kleine Herde“. Und doch: Lieber bei der kleinen Schar, die selig wird, als bei der großen Masse, die verloren geht.

Diese Frauen suchen Jesus. Und zwar Jesus, den „Gekreuzigten“.

Sie suchten nicht einen edlen Menschen, ein Vorbild in der Tugend, einen Religionsstifter oder einen genialen Lehrer. Nein, sie suchten Jesus, den Gekreuzigten.

Er ist es, den auch wir brauchen. Wo sollten wir sonst unser beladenes Gewissen abladen können?! Wo sollten wir Vergebung der Sünden finden?! Wo Frieden mit Gott?!

Aber die Frauen suchten ihn am falschen Platze. Wenn sie früher besser auf seine Worte geachtet hätten, so hätten sie ihn nicht im Grabe gesucht. Da sehen wir, dass auch die Geretteten, solange sie in dieser Welt leben, vor falschen Wegen nicht sicher sind. O ja, sie irren manches Mal. Und die Welt hat eine große Freude daran, wenn die Kinder Gottes Fehltritte tun. Aber der Engel des Herrn weist diese Frauen auf das Wort des Herrn hin, dass er auferstehen werde. So ist es: Das Wort Gottes sorgt dafür, dass Kinder Gottes wieder zu ihrem Heiland finden und den Weg zum ewigen Leben nicht verfehlen.

Das Schönste aber ist das Wort des Engels: „Fürchtet euch nicht!“ Gerade vorher ist erzählt, dass die Hüter vor Furcht wurden, als wären sie tot. Aber: „Fürchtet euch nicht!“, das ist nicht ihnen gesagt, sondern diesen Frauen und allen Kindern Gottes. Und was die Hüter und die Welt verzweifeln macht, das tröstet sie.

 

 

O Wunder groß, o starker Held!

Wo ist ein Feind, den er nicht fällt?

Kein Angststein liegt so schwer auf mir,

Er wälzt ihn von des Herzens Tür. Halleluja.


6. April

 

Es liefen aber die zwei miteinander, und der andere Jünger lief zuvor, schneller denn Petrus, und kam am ersten zum Grabe.

Johannes 20, 4

 

Das war ein wunderlicher Wettlauf!

Da jagen der alte Petrus und der junge Johannes aus dem Stadttor hinaus. Es war klar, dass der junge Johannes den Wettlauf gewinnen musste. Petrus kam später. Dafür ging er dann gründlicher zu Werk. Der leichtfüßige Johannes war vor dem Grabe stehen geblieben. Petrus untersuchte das Grab genau.

Zwei grundverschiedene Temperamente. Und doch – beiden geht es nicht auf, dass Jesus auferstanden ist. Es gibt besinnliche Leute; man sollte meinen, die wären von Natur aus eher für das Evangelium veranlagt als etwa oberflächliche Charaktere. Es gibt Leute, von denen man sagt, dass sie „religiös veranlagt“ seien. Und andere wieder sind stolz darauf, ganz und gar unreligiös zu sein. An den Jüngern sehen wir, dass alle gleich weit vom Evangelium entfernt sind. Es gibt keine natürliche Anlage, die uns das Evangelium leichter oder schwerer erfassen ließe.

Das natürliche Temperament und die natürliche Veranlagung des unerleuchteten Menschen schaffen nicht den Eingang in das Reich Gottes.

Der bedächtige Petrus wie der jugendlich-schnelle Johannes – beide hätten den auferstandenen Heiland nicht gefunden, wenn – der Herr Jesus nicht sie gesucht und gefunden hätte.

Das ist es: Der Gottloseste und der Frömmste, der Besinnliche und der Leichtlebige werden Gleicherweise dann zum Heilsglauben kommen, wenn der Herr Jesus selbst sie sucht. Er sagt: „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“

Darum müssen wir ungeheuer Acht geben, wenn der Herr Jesus uns sucht, wenn seine Stimme unser Gewissen trifft.

 

 

Hältst du dich nicht zuerst an mich gehangen,

Ich wär von selbst dich wohl nicht suchen gangen;

Drum sucht’st du mich und nahmst mich voll Erbarmen

In deine Arme.


7. April

 

Da ging Simon Petrus hinein in das Grab und sieht die Leinen gelegt und das Schweißtuch … zusammengewickelt an einem besonderen Ort.

Johannes 20, 6 und 7

 

Da stehen die beiden Jünger in der leeren Grabeshöhle. Sie machen die Augen weit auf. Sie sehen auch mancherlei: Sie sehen die Leinen schön zusammengelegt. Sie sehen das Kopftuch besonders gelegt. Sie sehen, dass hier „was los war“, dass hier die Engel dem Herrn Jesus – wie Albrecht Bengel so schön sagt – „aufgewartet haben“. Aber die Jünger können sich keinen Vers darauf machen.

Die Sinne können eben das Evangelium nicht erfassen.

Ein Forscher durchquerte einst die Wüste. Jeden Tag dreimal breiteten seine mohammedanischen Begleiter ihre Gebetsteppiche aus zum Gebet. Der Forscher verspottete sie: „Habt ihr euren Gott je gesehen oder betastet?“ – „Nein!“ – „Dann seid ihr Narren, dass ihr an diesen Gott glaubt.“

Als sie eines Morgens aus ihrem Zelt traten, sagte der Gelehrte beiläufig: „Heute Nacht ist hier ein Kamel vorbeigekommen.“ Da blitzte es in den Augen eines Arabers auf: „Haben Sie dieses Kamel gesehen oder betastet?“ – „Nein!“ – „Dann sind Sie ein Narr, dass Sie an ein Kamel glauben, das Sie weder gesehen noch betastet haben.“ – „O, man sieht doch die Spuren hier im Sande“, sagte der Gelehrte. – In dem Augenblick stieg die Sonne mit herrlichem Glanz empor. Der Araber zeigte auf die überwältigende Pracht: „Und hier sehe ich die Spur des Gottes, den ich anbete.“

Seht, das können die Sinne: die Spuren erkennen. Die Jünger sahen auch die Spuren der Auferstehung. Aber – weiter kommen die Sinne nicht. Gottes Herz und sein Heil erkennen sie nicht.

Und darum muss eine große Erleuchtung unseres Inwendigen stattfinden. Der Herr wolle uns erleuchtete Sinne geben zu seiner Erkenntnis!

 

 

Lass deines guten Geistes Licht

Und dein hellglänzend Angesicht

Erleuchten mein Herz und Gemüt,

O Brunnen unerschöpfter Güt.


8. April

 

Und sie gingen wieder vom Grabe und verkündigten das alles den elf Jüngern und den anderen allen. Und es deuchten sie ihre Worte eben, als wären’s Märlein.

Lukas 24, 9 und 11

 

Die armen Jünger! Das war eine ihrer dunkelsten Stunden! Alle ihre religiösen Erwartungen vom Reiche Gottes waren zusammengebrochen, als Jesus, ihr Meister, am Kreuze starb. Nun sitzen sie am hellen, lichten Ostermorgen hinter verschlossenen Türen.

Da klopft es. Zögernd machen sie auf. Ein paar Frauen stehen da und erzählen ihnen atemlos: „Jesus lebt!“

Die Jünger winken ab: „Weibererzählungen! Das sind ja Märlein!“

Ach, wie elend und trostlos sah es bei diesen Jüngern aus. Aber das Merkwürdige war, dass sie sich dabei sicher noch sehr erhaben, klug und weise vorkamen, als sie die Berichte der Frauen als Märlein abtaten.

Und die Frauen, die doch den Herrn selbst gesehen hatten, werden sich sicher recht verwundert haben über solchen Unverstand, der sich selber noch klug und erhaben vorkam.

So wie die Jünger damals waren, so ist die blinde Welt zu allen Zeiten bis auf unsere Tage: ungläubig, blind und aufgeblasen gegenüber den großen Taten Gottes.

Und da ist es schon eine große und frohe Tatsache, dass der Herr Jesus seine Jünger nicht in ihrer Finsternis ließ. Als er unter sie trat und sprach: „Friede sei mit euch“, da wurden sie beschämt und überfroh zu gleicher Zeit.

Und ich weiß auch für uns nichts Herrlicheres, als dass der Herr in unsere Nacht hereinbricht und sich offenbart als der Lebendige.

 

 

Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin,

Die Sonn’ ist aufgegangen.

Ermuntre deinen Geist und Sinn,

Den Heiland zu empfangen,

Der heute durch des Todes Tür

Gebrochen aus dem Grab herfür,

Der ganzen Welt zur Wonne.


9. April

 

Und als Maria das sagte, wandte sie sich zurück und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: „Weib, was weinest du? Wen suchest du?“

Johannes 20, 14 und 15

 

„Wen suchest du?“

Das ist eine Frage, die unser Leben in die Klarheit führen kann. Sie kann sehr beschämend für uns werden. Denn wir müssen vielleicht antworten: „Ach Herr, ich suche mich selbst.“ Und dann wird auf einmal die ganze Armseligkeit unseres Lebens offenbar.

Als der auferstandene Herr Jesus unerkannt der weinenden Maria diese Frage vorlegte, kam Maria keinen Augenblick in Verwirrung. Ihr Herz suchte nur Jesus.

Ein Missionar, der in Indien arbeitete, erzählt: Eines Tages erschien schmutzig und verkommen ein indischer Straßenjunge in der Missionsschule und fragte aufgeregt: „Wohnt hier Jesus?“ – „Was willst du denn von dem?“ – „Ich möchte ihn sehen und ihm alles sagen. Ich lüge, ich stehle, ich tue Böses. Aber ich fürchte mich vor der Hölle. Und nun habe ich einen weißen Mann sagen hören, dass der Herr Jesus von der Hölle erlösen kann. Darum möchte ich ihn sprechen.“

Wen suchen wir?

Wenn es uns geht wie der Maria, dass wir von Herzen den Heiland suchen, dann dürfen wir seine Frage einmal umdrehen und dürfen ihn fragen: „Herr, wen suchst du?“ Und da antwortet er: „Ich suche dich.“

Das ist in unserer Textgeschichte offenbar geworden, als der Herr Jesus Maria mit Namen ruft: „Maria!“

Seht, darum kann ein Herz, das aufrichtig den Herrn Jesus sucht, ihn gar nicht verfehlen. Denn er selbst hat sich aufgemacht, uns zu suchen. Er verspricht: „So ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden fassen.“

 

 

Ich bete an, Herr Jesu Christ,

Und sage: Ich bin dein!

Nimm mich zu dir; denn wo du bist,

Soll auch dein Diener sein.


10. April

 

Spricht Jesus zu ihr: „Weib, was weinest du?“

Johannes 20, 15

 

Hier lernen wir, was dem Sohne Gottes das Allerwichtigste ist.

Es ist am Morgen seiner Auferstehung. Die Heilstat von Golgatha ist vollbracht. Nun beginnt ein Kriegszug von geradezu gigantischem Ausmaß. Denken wir nur einmal daran, welch ein Kampf um das Evangelium in aller Welt heute gekämpft wird. Nun seht den großen, siegreichen Feldherrn am Auferstehungsmorgen!

Wo finden wir ihn? Finden wir ihn etwa auf dem Marktplatz von Jerusalem, wo er Tausende mit hinreißenden Worten zu einem heiligen Feldzug aufruft? Oder sehen wir ihn umgeben von seinen Getreuen über die Landkarten der Welt gebeugt in ernster Beratung?

Nichts dergleichen! Er ist in den stillen Garten des Joseph zurückgekehrt, weil das Weinen der Magdalena ihn gezogen hat.

Eine weinende Seele, ein Herz, das sich nach ihm sehnt, ein zerbrochenes Herz und ein zerschlagenes Gemüt – das geht bei dem Herrn Jesus allem andern vor.

Es müsste der Welt doch unheimlich werden, in weich souveräner Hoheit Jesus an ihr, ihrer Art und ihren Anliegen vorübergeht und sich in abgründiger Barmherzigkeit einer weinenden Seele zuwendet.

So ist Jesus. Das ist die frohe Botschaft für die Elenden: Wenn jemand ganz in der Tiefe ist, wenn alle Sünden gegen einen aufstehen, wenn ein Herz verzweifeln will, weil Gott so schrecklich ferne zu sein scheint – dann ist der Heiland da und beugt sich herab: „Was weinest du?“

 

 

Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden,

Du bist mein,

Ich bin dein,

Niemand kann uns scheiden!

Ich bin dein, weil du dein Leben

Und dein Blut

Mir zugut

In den Tod gegeben.


11. April

 

Spricht Jesus zu ihr: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

Johannes 20, 17

 

Man muss darauf achten, dass der Auferstandene nicht sagt: „Ich fahre auf zu meinem Vater.“ Mit großem Nachdruck sagt er: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

Hiermit sagt Jesus etwas Wunderbares: dass seine Jünger zum lebendigen Gott dasselbe Verhältnis haben dürfen wie er selbst. Wir dürfen zu Gott stehen wie Jesus! Das ist die Frucht seines Todes, wo er unsere Sünde weggetragen und uns versöhnt hat.

Um das recht zu verstehen, müssen wir zurückdenken an die Anfänge: Nach dem Sündenfall trieb Gott die Menschen aus dem Garten Eden. Das Tor zu Gott ward verschlossen.

Als aber Jesus in die Welt kam, da tat sich das Tor auf. Wir singen an Weihnachten: „Heut schleußt er wieder auf die Tür / Zum schönen Paradeis …“

Und als Jesus zurückkehrte zum Vater, da ließ er nach seiner Himmelfahrt die Türe hinter sich offen.

Darum spricht Paulus von dem „offenen Zugang zu dieser Gnade, darin wir stehen“. Und der Hebräer-Brief sagt: „So wir nun haben die Freudigkeit zum Eingang in das Heilige durch das Blut Jesu, so lasset uns hinzugehen.“

Christen sind Leute, die eine offene Tür zum Himmel haben. Sie wandeln im „Morgenglanz der Ewigkeit“, der aus der offenen Tür bricht. Und sie wissen, dass sie selbst einmal hindurchgehen werden.

 

 

Drum sei Gott Lob, der Weg ist gmacht,

Uns steht der Himmel offen.

Christus schließt auf mit großer Pracht,

Vorhin war alls verschlossen.

Wer’s glaubt, des Herz ist freudenvoll,

Dabei er sich doch rüsten soll,

Dem Herren nachzufolgen. Halleluja.


12. April

 

Spricht Jesus zu ihr: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

Johannes 20, 17

 

Was ist das für ein Jubel, wenn Matrosen nach langer Reise den Heimatwimpel setzen. „Nach Hause!“

Solcher Jubel klingt aus dem Wort Jesu: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

Glaubt ihr, dass Jesus, der Sohn Gottes, Heimweh gehabt hat, solange er auf Erden war? O ja! Schon als Zwölfjähriger blieb er im Tempel Gottes zurück und sagte zu Maria: „Muss ich nicht sein in dem, was meines Vaters ist?“ Dieses Heimweh Jesu spüren wir, wenn er nächtelang in die Einsamkeit der Berge ging, um mit dem Vater zu reden. Und dies Heimweh brach erschütternd heraus, als er am Kreuz rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“

Nun aber ist das Werk der Erlösung vollbracht: „Ich fahre auf!“

Dies Wort wurde zuerst zu Maria Magdalena gesprochen. Die Magdalena hätte erschrocken denken können: „Und was soll denn aus mir werden? Und aus den Jüngern? Und aus all denen, die Jesus lieb haben? Sollen wir traurig zurückbleiben?“

Es ist merkwürdig, dass weder Maria Magdalena noch die anderen Jünger, denen Jesus erschien, so dachten oder sagten. Sie begriffen: Die große Liebe, die den Sohn Gottes in die Welt Hereintrieb, die den König des Himmels in Tod und Grab brachte, die wird das angefangene Werk auch zu Ende führen.

Der Heiland, der als Erniedrigter die Seinen geliebt hat bis ans Ende, der wird auch als Erhöhter die Hand nicht ablassen von den Seinen, bis er alles zum letzten Ziel gebracht hat.

 

 

Zeuch uns nach dir

Nur für und für

Und gib dass wir nachfahren

Dir in dein Reich,

Und mach uns gleich

Den auserwählten Scharen.


13. April

 

Am Abend aber desselben ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus.

Johannes 20, 19

 

Eigentlich hatte Jesus gar keine Veranlassung, zu seinen Jüngern zu kommen.

Sie hatten ihn doch in Gethsemane schmählich im Stich gelassen. Ja, Petrus hatte ihn dreimal ganz offen verleugnet.

Und wie ungehorsam waren sie! Ausdrücklich hatte er seinen Jüngern befohlen, sie sollten nach dem Norden des Landes, in die Einsamkeit von Galiläa, gehen. Dort sollten sie ihn sehen. Stattdessen saßen sie hier in Jerusalem.

Und wie ungläubig waren sie! Wie oft hatte Jesus ihnen gesagt, dass „des Menschen Sohn solches leiden müsse und dass er am dritten Tage auferstehen werde“.

Und wie furchtsam waren sie! Statt auf ihren siegreichen Herrn zu vertrauen, dachten sie nur an die Gefahren, die ihnen drohten.

Man könnte es wahrhaftig verstehen, wenn der Herr Jesus diese ungetreue Jüngerschar ganz und gar hätte fallen lassen. Und nicht nur diese Jüngerschar, sondern auch uns; denn der Unglaube und die Menschenfurcht und der Ungehorsam sind ja bei uns genauso zu finden wie bei den Jüngern.

Aber – wie treu ist Jesus! Er geht seinen Jüngern nach. Er lässt sie nicht fallen. Er sucht sie immer und immer wieder auf. Er zerbricht das zerstoßene Rohr nicht und löscht den glimmenden Docht nicht aus.

Von Rechts wegen hätte unser Heiland uns längst verstoßen müssen. Aber es geht bei ihm von Gnaden wegen. Was würde aus uns, wenn Jesus nicht so treu wäre! Gelobt sei der gute Hirte seiner Schafe!

 

 

Auf Gnade darf man trauen,

Man traut ihr ohne Reu;

Und wenn uns je will grauen,

So bleibes: Der Herr ist treu.


14. April

 

Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.

Lukas 24, 34

 

Es war wohl eine späte Nachtstunde, als die Emmaus-Jünger froh bewegt in Jerusalem in den Kreis der Jünger tra­ten, um den Ängstlichen und Betrübten ihre wundersame Begegnung mit dem Auferstandenen zu berichten.

Aber sie kamen zuerst gar nicht zu Wort. Gar nicht mehr ängstlich und betrübt, sondern voll Siegesfreude finden sie die Jünger vor. Und es war wohl ein rechter Tumult, als es jeder zuerst berichten wollte: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen.“

Was liegt nicht alles in dem Wörtlein „wahrhaftig“!

Da spricht die Vernunft, die sich lange, fange gewehrt hat und sich nun geschlagen gibt vor der Wirklichkeit des lebendigen Gottes: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Da spricht die Seele. Lange hieß es: „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir!“ Nun hat Gott geantwortet. Und sein herrliches Tun unter den Menschenkindern schenkt uns den Retter und Todesüberwinder. Nun heißt es: „Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.“

Da spricht das Herz. Es hat gezittert und sich gefürchtet, als es am Karsamstag so aussah, als wollten Menschenmacht und Menschenbosheit triumphieren. Nun ist das Herz froh und getrost: „Mein Herze geht in Sprüngen / Und kann nicht traurig sein, / Ist voller Freud und Singen, / Sieht lauter Sonnenschein.“

Da spricht der Mund, der nicht mehr schweigen kann, der es aller Welt bezeugen muss: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“

 

 

Christ ist erstanden

Von der Marter alle;

Des soll'n wir alle froh sein,

Christ will unser Trost sein.

Kyrieleis.

Wär er nicht erstanden,

So wär die Welt vergangen;

Seit dass er erstanden ist,

So lob’n wir den Vater Jesu Christ.

Kyrieleis.


15. April

 

Jesus … spricht zu ihnen: Friede sei mit euch. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite … Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch.

Johannes 20, 19 bis 21

 

Einen unbeschreiblichen Frieden bringt der Herr Jesus in Herz und Haus. Dass wir doch alle davon ein reichliches Teil bekämen!

Aber dieser Friede ist nicht ein seliges, grundloses Gefühl.

O nein! Dieser Friede Jesu hat seinen Grund. Und er wird erfahren im Gewissen. Jesus bringt ihn nur zu denen, die die Ursache ihrer Friedlosigkeit sehen und sehen wollen: die Wirklichkeit der Sünde.

Der Friede, den Jesus bringt, hat seinen tiefen Grund in der Vergebung der Sünden. Weil der Friede Jesu aus der Vergebung der Sünden kommt, darum wird er im Gewissen erfahren.

Wollen wir Vergebung? – Dann müssen wir sehen, wie Jesus in unserem Text sich zeigt: „Da zeigte er ihnen die Hände und seine Seite.“

Was zeigte denn Jesus da? Er zeigte seine durchgrabenden Hände. Diese Hände haben die Handschrift zerrissen, die gegen uns war. Diese Hände haben unsere Sünde ans Kreuz getragen. Diese Hände wurden um unsertwillen durchbohrt.

Es ist nicht von ungefähr, dass Jesus zweimal sagt: „Friede sei mit euch!“ Und dass er dazwischen seine Nägelmaie zeigt. Der gekreuzigte Heiland der Sünder – der ist es, der den Frieden bringt. Der allein. Der aber wirklich. Gelobt sei er!

 

 

Deinen Frieden gib

Aus so großer Lieb

Uns, den Deinen, die dich kennen

Und nach dir sich Christen nennen;

Denen du bist lieb, Deinen Frieden gib.


16. April

 

Da sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie … sie erschraken aber und fürchteten sich, meinten, sie sähen einen Geist.

Lukas 24, 36 und 37

 

Unverständliches Verhalten der Jünger!

Die zwei traurigen Emmaus-Jünger waren dem auferstan­denen Herrn Jesus begegnet. Eilig liefen sie zurück und suchten die Freunde auf. Aber ehe sie ihren Bericht loswerden konnten, erzählten die ihnen ganz aufgeregt: Wir wissen alles, „der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen“. Und dann erzählen die beiden den aufhorchenden Jüngern ihr Emmaus-Erlebnis: ihre Begegnung mit dem Manne Jesus, der von den Toten auferstanden ist.

„Und als sie noch davon redeten …“ – so erzählt der Text – „trat er selbst, Jesus, mitten unter sie.“

Man sollte doch nun wirklich annehmen, diese Jünger seien nach all den Berichten genügend vorbereitet gewesen auf das Erscheinen Jesu. Die Auferstehung war ihnen verkündigt. Sie hatten der Verkündigung geglaubt. Sie redeten davon.

Nun trat Jesus mitten unter sie. Jetzt müsste der Bericht doch weitergehen: „Sie aber jubelten, fielen ihm zu Füßen …“

Zu unserem Erstaunen aber hören wir etwas ganz anderes: „Sie erschraken … meinten, sie sähen einen Geist.“ Und es dauerte sehr lange, bis der Herr Jesus sie von der Wirklichkeit seines Lebens und damit von der Wirklichkeit ihres Heils überzeugen konnte.

Diese Jünger sind ein Bild der Christenheit. Man weiß von Jesus. Man weiß von Sünde und Errettung. Aber man weiß davon eben nur theoretisch, nur vom Hörensagen. Wie würden wir erschrecken, wenn Jesus jetzt unter uns träte! Und wir werden erschrecken. Denn er kommt wieder.

Wir brauchen ein Christentum der göttlichen Wirklichkeiten, wo man den lebendigen Herrn wirklich kennt und in ihm seines Heils gewiss geworden ist.

 

 

Er ist erstanden von dem Tod,

Hat überwunden alle Not;

Kommt, seht, wo er gelegen hat!

Halleluja.


17. April

 

Da sie aber noch nicht glaubten vor Freuden und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: „Habt ihr hier etwas zu essen?“

Lukas 24, 41

 

Der Schriftsteller Josef Wittig schreibt so köstlich in seinem Buch „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“ von der Auferstehung Jesu: „Er hätte aufwachend die ganze Apostel- und Jüngerschar, das ganze Priester-Kollegium von Jerusalem samt der römischen Beamtenschaft um das Grab versammeln können, um vor aller Augen die Tür zu sprengen und glorreich aus dem Grabe hervorzugehen … Ich zum Beispiel, da ich noch so sehr von dieser Welt bin, hätte mir gleich eine polizeiliche oder wenigstens pfarramtliche Bescheinigung verschafft, schon um meinen späteren Verteidigern ihre großen Mühen zu erleichtern.“

Jesus hat es nicht getan. Gestorben ist er so, dass es in die Akten der Weit kam. Auferstanden ist er so, dass es in die Akten des Glaubens kommt.

Aber wie ungläubig ist das Menschenherz! Wie wenig ist es imstande, die großen Taten Gottes zu begreifen! Als die Jünger Jesus sahen, glaubten sie zuerst nicht aus Furcht, es sei ein Gespenst. Nachher glaubten sie nicht aus Freuden.

Aber der Herr Jesus ruhte nicht, bis er ihren Unglauben überwunden und sie zur Gewissheit geführt hatte. Er ließ sich betasten. Er aß und trank vor ihnen.

Denn es liegt ihm soviel daran, dass wir gewiss werden. Gewissheit müssen wir haben im Kampf des Lebens, Gewissheit in den Anfechtungen, Gewissheit, wenn das Gewissen uns verklagt, Gewissheit im Sterben.

Uns zeigt sich Jesus nicht mehr wie seinen Jüngern. Aber wir haben das gewisse Zeugnis der Apostel. Und wir haben einen Heiligen Geist, der es in unseren Herzen versiegelt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

 

 

Für diesen Trost, o großer Held,

Herr Jesu, dankt dir alle Welt.

Dort wollen wir mit größ’rem Fleiß

Erheben deinen Ruhm und Preis.

Halleluja.


18. April

 

Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.

Psalm 16, 10

 

Als Abraham einst seine Zelte im Hain Mamre aufgeschlagen hatte, kam abgehetzt ein Bote zu ihm und verkündete: „Mächtige Feinde haben die Stadt Sodom überfallen und alle Einwohner weggeschleppt, darunter auch deinen Neffen Lot.“

Sofort bewaffnete Abraham 318 Knechte, brach mit ihnen auf, folgte den Feinden in Eilmärschen. Und bei Nacht überfiel er das Lager der Feinde. Die waren so bestürzt, dass sie entsetzt flohen und alle Beute zurückließen (1. Mose 14).

Wer wäre da nicht gern der Bote gewesen, der zu den Gefangenen eilte und ihnen verkündete: „Ihr seid frei. Ein Stärkerer hat euren starken Feind besiegt!“?

Solch ein Freuden- und Siegesbote will das Osterfest sein. Es gibt einen schauerlichen und starken Feind, der uns alle davon schleppt, den Tod. Aber hier in der Ostergeschichte steht die ungeheure Sieges- und Freudenkunde: Der Tod ist überwunden!

Das ist allerdings eine ungeheuerliche Botschaft. Denn die Macht des Todes ist nicht auszusprechen. Wie unbarmherzig fährt er drein! Und wie respektlos ist der Tod! Er schleppt nicht nur die Alten und Elenden davon. Er fällt den Jüngling in der Blüte. Er reißt dem König die Krone vom Haupt. Er jagt den planenden Großindustriellen von seinen Projekten.

Aber nun wird dem alles beherrschenden Tod ein mächtiges „Halt!“ zugerufen – vom lebendigen Gott. Christus sagt schon im Alten Bund: „Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.“ Und er hat Recht behalten.

In der Auferstehung Jesu ist gleichsam eine Durchbruchsschlacht geschehen durch die Front des Todes. Und hinter dem auferstandenen Herrn her strömen die an ihn glaubenden Scharen ins ewige Leben.

 

 

Schwing deine Siegesfahne

Auch über unser Herz,

Den Lebensweg uns bahne

Vom Grabe himmelwärts.


19. April

 

Gott hat mir ein Lachen zugerichtet.

1. Mose 21, 6

 

Der Schweizer Schriftsteller und Pfarrer Nikolaus Bolt erzählt in seinem Buch „Wege und Begegnungen“, wie er einmal in einem Schweizer Lazarett bunt eingebundene Bibelbüchlein verteilt habe. Die Soldaten hätten sie gern genommen, und dann habe einer gesagt: „Das gfallt üs, dass das Büchli nümme schwarz ibunda fisch.“ – Vielleicht wollte der Soldat sagen, in der Bibel ist so viel von Freude die Rede, dass die gewöhnliche schwarze Einbandfarbe schlecht dazu passt.

Nun, auf den Einband kommt's nicht an. Aber das stimmt: Es ist viel von Freude die Rede in der Bibel. Sehr viel!

Umso seltsamer ist es, dass die Bibel so wenig vom „Lachen“ spricht. Vielleicht darum, weil das Lachen oft der Ausdruck einer oberflächlichen Freude ist. Die Freude eines Christen aber, die Freude eines versöhnten Gewissens ist eine tiefe, wurzelhafte Sache. – Vielleicht liegt's auch daran, dass die Freude. der Christen meist eine „Freude unter Tränen“ ist, weil Kinder Gottes durch viel Anfechtung und Leid gehen müssen.

Aber eine Frau gibt's in der Bibel, von der zweimal berichtet wird, dass sie lachte. Das war Abrahams Weib. Als der Herr dem alten Abraham einen Sohn verhieß, „da lachte Sara hinter der Türe“. Das war ein ungutes Lachen. Ein Lachen, mit dem die Vernunft Gottes Verheißung verspottete. Sara schämte sich später auch dieses Lachens.

Aber dann hat Sara noch einmal lachen müssen: als Gott sein Wort wirklich wahr machte und ihr einen Sohn schenkte. Das war ein stolzes, dankbares Lachen. „Gott hat mir ein Lachen zugerichtet“, sagt Sara.

Ja, das ist es, was Christen lachen macht mit einem Lachen, davor die Hölle erschrickt, das Wissen: Gott macht sein Wort wahr. Wie wird dies frohe Lachen in der Ewigkeit erklingen, wenn alle Verheißungen erfüllt sind! „Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rührens sein.“

 

 

Wenn alles wankt, dein Zeugnis nicht,

Du hältst, was deine Huld verspricht,

Drum sucht dein Volk, das dir sich weiht,

Hier seinen Schmuck in Helligkeit.


20. April

 

Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.

Psalm 84, 5

 

Eine unbändige und nie versiegende Freude haben die Kinder Gottes an ihrem Herrn und Heiland die loben dich immerdar.“

„Immerdar“! Wie ein gehetztes Wild musste David sich vor seinen Feinden verstecken in den Höhlen des Felsgebirges. Er hat da den 57. Psalm gedichtet, wo er von seinem „Jammer“ spricht.

Aber mitten in dem Psalm heißt es auf einmal: „Mein Herz ist bereit, mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.“ Da bricht einfach die unbändige Freude an seinem Heiland durch und bringt alles andere zum Schweigen.

Ich finde, es gibt so entsetzlich viel langweilige und gewissermaßen staubige Menschen. Die brauchen dann Rausch, um ihrem armen Leben einen kümmerlichen Glanz zu geben.

Auf rechten Christen aber liegt, auch wenn sie alt werden – ja, je älter sie werden, desto mehr –, der Glanz eines taufrischen Maimorgens. Das kommt von dem: „… die loben dich immerdar.“

Kurz ehe ich dies schrieb, traf ich einen armen, invaliden Bergmann. Meine Seele war etwas matt, weil ich den ganzen Morgen nur Klagen gehört hatte. „Wie geht's?“ fragte ich. Und setzte gleich hinzu: „Es sind harte Zeiten!“ Da erwiderte er mit fröhlichen Augen: „Wir haben einen Heiland!“ Nichts weiter! Aber es lag wie Anbetung in seiner Stimme: „… die loben dich immerdar.“

Es ist gewiss so, dass der Teufel und die Welt es darauf anlegen, diese Melodie bei uns zu ersticken. Aber keine Angst: Recht gesehen ist unser Text nicht nur die Feststellung einer Tatsache, sondern eine Verheißung. Der Herr sorgt dafür, dass seine Kinder ihn loben können.

 

 

Wie sollt ich nun nicht voller Freuden

ln deinem steten Lobe steten?

Wie sollt ich auch im tiefsten Leiden

Nicht triumphierend einhergehn?

Und fiele auch der Himmel ein,

So will ich doch nicht traurig sein.


21. April

 

Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.

Psalm 84, 5

 

Es gibt also richtige „Hausgenossen Gottes“ (Epheser 2, 19).

Sind wir das? Mit weniger sollten wir uns nicht zufrieden geben.

Wir gehören gewiss nicht zu den Feinden Gottes. Denn die pflegen ja im Allgemeinen keine Andachtsbücher zu lesen. Aber auch wenn man kein Feind Gottes ist, ist man noch lange kein „Hausgenosse Gottes“.

„… die in deinem Hause wohnen …“! in jedem rechten Haus gibt es Gäste. Die sind recht vertraut mit den Hausgenossen, ja, sogar mit dem Hausvater. Aber – sie gehören nicht zur Familie. Vielleicht sind wir je und dann Gottes Gäste, welche die Verbindung nicht ganz abreißen lassen. Aber – das ist zuwenig. Kinder Gottes sollten wir werden!

in jedem Haus gibt es auch Lieferanten. Zweimal in der Woche kommt ein Bäcker und bringt Brot. Er ist ein lieber und wertgeschätzter Mann. Aber – Hausgenosse ist er nicht. Vielleicht sind wir Gottes Lieferanten. Wir liefern ihm in gewissen Abständen ein Gebetlein ab oder einen Kirchenbesuch oder gar eine gute Tat. Die Pharisäer waren geradezu Großlieferanten Gottes. Es ist nichts dagegen zu sagen als das eine: Es ist zuwenig. Kinder Gottes sollten wir werden!

Ja, wie wird man das denn?

Das geht nur durch den Herrn Jesus. Er hat einmal (Johannes 10, 9) gesagt: „Ich bin die Tür.“ Wer durch diese Tür geht, von dem gilt es: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen!“

Wir können es noch besser so klarmachen: Er ist der Sohn Gottes. Wenn er mein Bruder ist – und was möchte er lieber! –, dann bin ich in die Gottesfamilie aufgenommen, dann bin ich Kind Gottes und Gottes Hausgenosse. Dann stimme ich dem von Herzen zu: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen!“

 

 

So wird die Freude ewig sein;

Denn du, mein Bruder, führst mich ein

Dahin, wo ich, was du getan,

Im höhern Chor besingen kann.


22. April

 

Gelobet sei der Herr, mein Hort, … meine Güte und meine Burg, mein Schutz und mein Erretter, mein Schild, auf den ich traue.

Psalm 144, 1 und 2

 

Ein eigenartiger Mann war dieser David, von dem die Bibel uns sehr viel zu berichten weiß.

Was hat er nicht alles erlebt! Vom Schafhirten hat er es bis zum König gebracht. Das ist immerhin eine nicht alltägliche Laufbahn. Und welche Abenteuer hat er bestanden! Einmal hat er – als Junge noch – mit dem Riesen Goliath gekämpft und ihn besiegt. Als junger Mann musste er jahrelang fliehen vor dem König Saul. Was wäre aus dieser Zeit nicht alles zu berichten: Wie er einst in einer Höhle übernachtete und vorne in der Höhle nichts ahnend seine Gegner lagerten; oder wie er sich einst in das Lager Sauls schlich …

Kurz, das ganze Leben dieses David ist randvoll gefüllt mit den interessantesten und erzählenswertesten Erlebnissen.

Aber nun erzählt die Bibel nicht nur von David, sondern sie lässt ihn auch selbst zu Worte kommen. Es gibt viele Kapitel, in denen David selbst spricht.

Und da sollte man ja nun meinen: In diesen Abschnitten wird David von seinen Erlebnissen berichten; da wird er – wie ein Weltreisender oder ein alter Kriegsteilnehmer – den bunten Film seines Lebens vor uns abrollen.

Aber – und das ist wirklich seltsam! – das tut er nicht. Wo er selbst zu Worte kommt, da spricht er – von seinem Gott. Wie die Sterne verschwinden, wenn die Sonne aufgeht, so werden ihm seine Erlebnisse unwichtig vor der großen Wirklichkeit Gottes. Ja, er selbst wird sich unwichtig. Nur Gott ist wichtig.

„Gelobet sei der Herr …!“ Das ist eigentlich alles, was er zu sagen hat. Aber er wird nicht müde, das zu sagen mit immer neuen Worten. Und – eigentlich ist das ja auch das einzige, was zu sagen sich lohnt.

 

 

Dankt unserm Gott, lobsinget ihm!

Lobsinget ihm mit lauter Stimm,

Dankt und lobsinget allesamt!

Gott loben, das ist unser Amt.


23. April

 

Und es ward eine große Freude in derselben Stadt.

Apostelgeschichte 8, 8

 

Als ich einst einem jungen Mann die Herrlichkeit des Christenstandes pries, da meinte er pfiffig: „Mit Speck fängt man Mäuse!“

Er war der Überzeugung – und diese Überzeugung teilt er mit sehr vielen Leuten –, dass ein von Gott gelöster Weltmensch in herrlicher, sonniger Freiheit lebe. Und nun versuchen die Christen mit vielen süßen Worten, diese herrlich freien Leute in einen finsteren Keller zu locken, wo man nur noch den Kopf hängen lassen kann und ein recht trübseliges Leben führt.

O was für eine Verkehrung der Tatsachen! Ich habe damals dem jungen Mann ins Gesicht gelacht und ihm gesagt: „Die Sache steht genau umgekehrt, wie Sie sie sehen. Der unbekehrte Mensch sitzt in einem sehr dunklen Keller, den er sich mit allerlei künstlichen Lichtlein zu erhellen sucht. Dabei aber ist draußen der helle Tag angebrochen, seitdem der Herr Jesus in die Welt gekommen ist Und nun bitte ich Sie: Springen Sie doch aus Ihrem finsteren Keller in den hellen Sonnenschein der Gnade Jesu Christi!“

Ob er es getan hat, weiß ich nicht. Aber die Leute in jener samaritanischen Stadt taten es, als Philippus ihnen das Heil Gottes in Jesus verkündigte. In Scharen verließen sie den dunklen Keller ihres alten Lebens und liefen in den Sonnenschein und in die Freude und in das wirkliche Leben.

Ich habe einmal in meinem Jugendkreis gesagt: „ich biete eine Million demjenigen, der mir jemand nachweist, der es bereut hat, dass er sich zum Herrn Jesus bekehrt hat. Gewiss, ich habe die Million gar nicht. Aber ich kann diese Prämie getrost aussetzen. Denn einen solchen Menschen wird niemand auf der weiten Welt auftreiben können. Wohl aber kann man auf Sterbebetten viele finden, die es sehr bereuen, dass sie Jesus verachtet haben.“

Bei ihm ist „große Freude“!

 

 

Er ist dein Schatz, dein Erb und Teil,

Dein Glanz und Freudenlicht,

Dein Schirm und Schild, dein Hilf und Heil,

Schafft Rat und lässt dich nicht.


24. April

 

Ich will den Herrn loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.

Psalm 34, 2

 

Wann soll ein Christ seinen Herrn loben?

Die Vernunft sagt: „Natürlich dann, wenn man dazu in Stimmung ist, wenn es sich aus einer allgemeinen fröhlichen Gemütsstimmung ergibt.“

Oder: „Dann, wenn man eine besondere Durchhilfe des Herrn erfahren hat, dann soll und kann der Christ seinen Herrn loben.“

So sagt die Vernunft. David aber ist durch den Heiligen Geist anders belehrt worden: „Ich will den Herrn loben allezeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.“

„Allezeit“ und „immerdar“ sollte ein Christ seinen Herrn loben.

Ja, ist denn so etwas möglich? Ist denn das nicht zuviel verlangt? Es gibt doch so viele graue Alltage, wo das Herz gar nicht auf „Lob“ gestimmt ist. Es gibt doch so viele dunkle Tage, wo schwere Wolken am Himmel unseres Lebens sind. Es gibt doch Nächte des Leides und der Traurigkeit. Es gibt doch so viel Kampf, Not, Sünde, Tränen, Herzeleid. – Ist es da nicht überspannt, so zu reden: „Ich will den Herrn loben allezeit“?

Nun, David ist durch den Heiligen Geist so belehrt worden. Und wir müssen da achten auf die Worte: „den Herrn“. Der Herr Jesus ist immer und allezeit anbetungswürdig. Er gibt das Wasser des Lebens auch im grauesten Alltag. Er ist der „Stern in allen Nächten“ und „der Held in jedem Streit“. Es gibt keine Lage, wo wir nicht Jesus loben könnten und sollten.

 

 

Weicht, ihr Trauergeister,

Denn mein Freudenmeister,

Jesus, tritt herein.

Denen, die Gott lieben,

Muss auch ihr Betrüben

Lauter Freude sein.

Duld' ich schon

Hier Spott, und Hohn,

Dennoch bleibst du auch im Leide,

Jesu, meine Freude.


25. April

 

Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen. Preiset mit mir den Herrn und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen.

Psalm 34, 3 und 4

 

Wenn man einen Stein in das stille Wasser eines Sees wirrt, dann gibt's Kreise. Diese Kreise dehnen sich aus, wachsen in die Weite. Und es ist am Schluss nicht mehr recht festzustellen, wo sie eigentlich zu Ende gehen.

Mit jedem durch Jesus erretteten Kind Gottes ist es ebenso. Tief im Herzen fängt es an, das Licht der Heilserkenntnis, das der Geist Gottes anzündet. Aber dann bricht es heraus, wird zum Zeugnis. Das Zeugnis erreicht andere Menschen; immer weitere Kreise zieht dies neue Leben. Und nur Gott sieht, wo die Grenzen und wo das Ende der Wirkungen eines solchen Zeugnisses sind.

In unserem Psalmwort spricht David hiervon: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.“ Tief im Herzen beginnt es. Die Seele, die erschrocken war vor Gott und begraben lag unter der Sündenschuld, hat den Retter erkannt. Wer könnte davon schweigen?

„… dass es die Elenden hören“. Sind nicht die anderen Seelen in gleicher Lage? Hört es, ihr Elenden: „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude!“

„… und sich freuen.“ Jetzt wird es da und dort hell in anderen Herzen. „Wollt ihr nun schweigen?“ fragt David. „Auf, preiset mit mir den Herrn!“

Und nun entsteht die Gemeinde Jesu, die Gemeinde geretteter und durch Jesu Blut erkaufter Menschenkinder, in der man „miteinander seinen Namen erhöht“.

Ist es um uns her ruhig und tot? Es liegt an uns! Sorgen wir dafür, dass unser Zeugnis Kreise zieht! Der Herr will es!

 

 

Ich singe dir mit Herz und Mund,

Herr, meines Herzens Lust;

Ich sing und mach auf Erden kund,

Was mir von dir bewusst.


26. April

 

Ich wandle fröhlich, denn ich suche deine Befehle.

Psalm 119, 45

 

Ein lieblicher Morgen. Der Tau glitzert auf allen Gräsern.

Da klingt's fern, ein frohes Lied fröhlicher Gesellen: „Wer recht in Freuden wandern will, / Der geh' der Sonn' entgegen …“

Wir sind ja alle miteinander auf einer Wanderung. Unser ganzes Leben ist „ein Wandern zur großen Ewigkeit“.

Frisch und fröhlich marschieren die einen. „Der Himmel hängt ihnen voller Geigen.“ Sie wissen noch nichts von mittagheißen Straßen und von dunklen Nächten des Leides. – Trotzig und verbissen marschieren andere daher. Sie sind entschlossen, allen Widerständen zum Trotz, „ihren“ Weg zu gehen. – Und wieder andere schleppen sich müde daher. – Und dann die Gedankenlosen, die mit dem großen Haufen auf ausgetretenen Bahnen dahertrotten – so rechte Alltagsmenschen!

Da redet nun in unserem Bibelwort ein Mann, der das Lied: „Wer recht in Freuden wandern will …“ sicher nicht kannte. Aber – und das ist viel wichtiger – er konnte „recht in Freuden wandern“. Sein Leben war nicht mehr ein naiver Lebensrausch. Es war aber auch nicht ein müdes Trotten oder trotziges Rennen. „Ich wandle fröhlich.“ – Warum? – „Denn ich suche deine Befehle.“ Da spricht einer, der mit seinem Gott in Ordnung gekommen ist. Da spricht einer, der „seine“ Wege aufgegeben hat. Und er hat sich und sein Leben, Lust und Leid in die ewigen Hände der Gnade gegeben, wo Vergebung, Freiheit und Frieden sind.

Das ist der Weg zum fröhlichen Wandern. Auch für uns!

 

 

Wohl einem Haus, da Jesus Christ

Allein das All in altem ist.

Ja, wenn er nicht darinnen wär,

Wie elend wär's, wie arm und leer!

So mach' ich denn zu dieser Stund'

Samt meinem Hause diesen Bund:

Wenn alles Volk vom Herrn abwich,

Doch dienen wir ihm ewiglich.


27. April

 

Ihr habt das Wort aufgenommen unter vielen Trübsalen mit Freuden.

1. Thessalonicher 1, 6

 

Ist das denn möglich? Schließen sich „Trübsal“ und „Freude“ nicht gegenseitig aus? Ist es nicht so: Je mehr Freude – desto weniger Trübsal?

Nun, so mag ein Weltmensch denken, der von den geistlichen Dingen nichts versteht und nichts ahnt von dem Reichtum und – der Paradoxie eines rechten Christenstandes.

Im Christenstand ist es tatsächlich wunderlich: Je mehr Trübsal, desto mehr Freude im Heiligen Geist. Und: Je mehr Freude am Herrn, desto größere Trübsal.

Wo das Evangelium aufgenommen wird, da erweckt es Trübsal. Da verliert nämlich der Mensch alle eigene Gerechtigkeit, alle eigene Weisheit, alle eigene Kraft. Er wird an sich ganz zuschanden; denn er wird vor Gott offenbar als ein armer, verschuldeter, sehr erlösungsbedürftiger Sünder. – Zugleich aber erhebt sich Trübsal von außen: Not, Feindschaft der Welt, Schwierigkeiten aller Art. Als sei „die Hölle los“. Ja, sie ist auch los. Der Teufel hasst nichts mehr als ein erwachtes, zerschlagenes, Heilsverlangendes Gewissen. Darum will er es in den alten Todeszustand zurückscheuchen.

Aber wer durchbricht, erfährt nun „die Freude“. Der Sohn Gottes tritt auf den Plan, Jesus. Er heilt das Gewissen. Er schenkt Kraft, Trost, neues Leben. Er geht als Sonne hell auf.

So nimmt man „das Wort auf unter vielen Trübsalen mit Freuden“. Und so bleibt’s im Christenstand. Je dunkler es von außen und innen ist, desto größer wird die Freude im Herrn. Es ist ein Geheimnis. Aber man kann es erfahren.

 

 

So scheint uns nichts ein Schade,

Was man um Jesum misst;

Der Herr hat eine Gnade,

Die über alles ist.


28. April

 

Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe.

Jesaja 38, 17

 

Es gibt soviel bedrückte und trostbedürftige Leute.

Es gibt aber auch soviel „leidige Tröster“ – wie die Bibel sagt. Ja, sind nicht alle Menschen „leidige Tröster“?

Ein erfahrener Christ erzählte: „Ich war einst durch den Tod eines Kindes tief verwundet und betrübt. Da kamen sehr viele liebe Menschen und sagten gute und ,Tiefempfundene' Worte. Aber ich merkte zu meinem Schrecken: Diese Worte erreichten mich gar nicht. Sie drangen gar nicht hinunter in die Tiefe, in der ich war. Trotzdem bin ich getröstet worden. Ich fand das Wort Jesu: ,Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.' Da habe ich gesagt: ,Herr Jesus, dann gib deinen Frieden auch mir.' Und er hat ihn mir gegeben.“

Seht, so ist Jesus der Mann, der trösten, heilen und verbinden kann. Wie viele werden es einmal in der Ewigkeit jauchzend bekennen: „Du hast dich meiner Seele herzlich angenommen.“

Da war einmal vor den Toren Jerichos ein großes Menschengedränge. Tausende von Neugierigen hatten sich eingefunden, um Jesus zu sehen. Oben in einem Baum aber saß der Mann Zachäus, der Mann, dessen Leben durch die Sünde im Tiefsten beunruhigt war. Sein Herz schrie nach dem Heiland. Aber sein Mund war stumm.

Es gehört zu dem Wunderbaren, dass Jesus unter der lärmenden Menge das heimliche Schreien dieses Herzens härte. Er beachtete nicht die laute Menge, aber O wie versteht er die tiefsten Nöte und das geheime Seufzen unserer Seele, und wie herrlich nimmt er sich unser an!

 

 

Seiner kann ich mich getrösten,

Wenn die Not am allergrößten;

Er ist gegen mich, sein Kind,

Mehr als väterlich gesinnt.


29. April

 

Und es ward eine große Freude in derselben Stadt.

Apostelgeschichte 8, 8

 

In einer Stadt Samarias gab es eine Erweckung. Wir wissen nicht einmal den Namen dieser Stadt. Sie wird wohl in der Weltgeschichte keine große Rolle gespielt haben. Ja, „bei Licht besehen“ wird sie wohl ein recht elendes „Nest“ gewesen sein.

Überhaupt: Samaria! Dies Mischvolk dort war ja so verachtet bei Heiden und Juden. Da lohnt es wirklich nicht, um irgendein Städtlein dieses elenden Landes viel Worte zu verlieren.

Aber unser Gott sieht das Verachtete an. Wie oft hat er erwählt, was die Welt verachtet! Und so hat er dieser samaritanischen Stadt eine herrliche Erweckung geschenkt, als Philippus das Wort vom Kreuz predigte. Da gab es zerbrochene Herzen. Da wurden böse Sünden aufgedeckt. Da schaute man in Herzensnot auf zum Kreuz Jesu Christi und glaubte es von Herzen: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.“

Und nun wurden alte Feindschaften begraben, zerrüttete Familien neu belebt, gestohlenes Gut wurde zurückgebracht, denn „die unsauberen Geister fuhren aus“ (V. 7).

Wenn das geschieht, gibt es Freude, mehr als das schönste Fest sie geben kann. Das sind die wahren Gottesfeste.

Wie gerne möchte Gott uns solche Freude bereiten!

 

 

Wenn Gottes Winde wehen

Vom Thron der Herrlichkeit

Und durch die Lande gehen,

Dann ist es sel'ge Zeit.

Wenn Scharen armer Sünder

Entfliehn der ew'gen Glut,

Dann jauchzen Gottes Kinder

Hoch auf vor gutem Mut.


30. April

 

Da sie aber davon redeten …

Lukas 24, 36

 

Es gibt ein Bibelwort, das heißt: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“

Wovon reden wir?

Es gibt Leute, die reden immer nur von sich selbst: wenn sie alt sind – von ihren Krankheiten, wenn sie jung sind – von ihren Taten. Da ist das Herz ganz erfüllt von sich selbst. Angenehm sind solche Leute nicht.

Andere gibt es, deren Herz ist erfüllt mit Unkeuschheit. Ihr Mund geht über von Zoten und schmutzigen Witzen. Sie sind eine Plage und ein Verderben für ihre Umgebung. Und mancher Mutter Sohn wurde durch sie verdorben.

Wieder andere wissen nur von Eierpreisen zu reden und von Essen und Trinken. Ihr Herz ist der reinste Lebensmittelladen, angefüllt mit Alltagsdingen. Und wieder andere verstehen sich auf den Klatsch. Da wird mit ernster Miene der Nächste durchgehechelt. Und solches Reden verrät ein armseliges Herz.

Im Text heißt es: „Da sie davon redeten …“ Wovon redeten diese Jünger? – Sie sprachen miteinander von den großen Taten Gottes, vom Kreuz und von der Auferstehung Jesu. Welch herrliches Gesprächsthema!

Diese Jünger waren Leute wie wir. Die Alltagsdinge bewegten sie auch. Aber es ging ihnen wie einem nächtlichen Wanderer. Der sieht die Sterne und freut sich daran. Aber auf einmal geht die Sonne auf, und dann sind die Sterne unwichtig. Da kamen die großen Taten Gottes, da kam Jesus in ihr Leben. Und alles wurde überstrahlt von diesem hellen Licht.

Lasst uns doch miteinander von den großen Taten Gottes reden!

 

 

O komm, du Geist der Wahrheit,

Und kehre bei uns ein,

Verbreite Licht und Klarheit,

Verbanne Trug und Schein.

Gieß aus dein heilig Feuer,

Rühr Herz und Lippen an,

Dass jeglicher getreuer

Den Herrn bekennen kann.


1. Mai

 

Freuet euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freuet euch aber, dass eure Namen Im Himmel geschrieben sind.

Lukas 10, 20

 

Große Erfolge – wie erheben sie die Seele!

Das erlebten die Jünger, die Jesus als seine Boten ausgesandt hatte. Sie erfuhren es erst auf diesem Wege recht, welch mächtigem Herrn sie dienten. Ganz aufgeregt kamen sie zurück: „Herr, es sind uns auch die Dämonen untertan in deinem Namen.“

Unser Heiland kennt das Menschenleben. Er weiß, wie schnell nach dem Erfolg der Misserfolg kommt. Und er kennt das Menschenherz, das bald „himmelhochjauchzend“ und bald „zu Tode betrübt“ ist. Und er will uns unvergängliche Freude schenken.

Darum sagt er ein wundervolles Wort. Dies Wort bricht nichts ab von der Freude der Jünger an ihren Siegen. Aber es stellt alles in ein neues Licht: „Freuet euch nicht darüber, dass euch die Geister untertan sind.“ Es zittert in seinen Worten etwas von der Sorge um seine Jünger. Er weiß ja, wie oft noch die Macht der Finsternis siegen wird über die Schwachheit seiner Leute. Und dann wird nur ein anderes ihnen Trost und unvergängliche Freude sein: „Freuet euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Es gibt nichts, was uns in Lebenskampf und Todesnot mehr trösten könnte, als dass durch Jesu Gnade der Name armer Sünder im Lebensbuch stehen darf.

 

 

Schreib meinen Nam' aufs beste

Ins Buch des Lebens ein,

Und bind mein See! fein feste

Ins schöne Bündelein

Der'r, die im Himmel grünen

Und vor dir leben frei,

So will ich ewig rühmen,

Dass dein Herz treue sei.


2. Mai

 

Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster, des Morgens deine Gnade verkündigen …

Psalm 92, 2 und 3

 

Ein alter, erfahrener Christ wurde einst gefragt: „Wie machen Sie es nur, dass Sie so fröhlich und sicher durch den Alltag gehen?“

Da antwortete der: „Dies Geheimnis will ich Ihnen gerne verraten. Jeden Morgen, wenn ich erwache, falte ich meine Hände und spreche: ,Ich danke dir, Herr Jesus, dass du mich mit deinem Blute erkauft hast. Ich danke dir, dass ich dein Eigentum sein darf. Amen. – Und dann fuhr er lächelnd fort: „Sehen Sie, so stelle ich mich zu Beginn des Tages auf den Boden der Gnade. Und ich beginne den Tag mit der tiefsten Freude, die es gibt: mit der Freude über das Heil Gottes in Jesus.“

Ja, „es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken … des Morgens seine Gnade verkündigen.“

Unsere Tage sind oft so arm, kümmerlich und gedrückt. So ein „köstlich Ding“, so ein Höhepunkt, ein heller Glanz fehlt ihnen. Unsere Tage sind so oft „grau in grau“.

Hier wird uns ein „köstlich Ding“ gezeigt, das unser Leben froh macht und unsere Alltage heiligt – ein „köstlich Ding“, das unser Alltagsleben mit Ewigkeitslicht überstrahlt und jeden Tag zum „Gottestag“ macht. „Dem Herrn danken … des Morgens seine Gnade verkündigen“!

Und das werden wir erfahren: Bei dem Herrn Jesus ist jedes Danken ein neues Nehmen. Und jedes Nehmen führt in neues Danken für erfahrene Gnade.

 

 

Du meine Seele, singe,

Wohlauf und singe schön

Dem, welchem alle Dinge

Zu Dienst und Willen steten.

Ich will den Herren droben

Hier preisen auf der Erd';

Ich will ihn herzlich loben,

Solang ich leben werd'.


3. Mai

 

Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten.

Psalm 84, 6

 

Woran liegt es denn, dass es in unserem Leben gar nicht so recht stimmt? Dass über unserem Leben ganz und gar nicht das Wort steht: „Wohl den Menschen…!“

Es liegt an uns. Es liegt daran, dass wir in völliger Verkennung unseres armen und verlorenen Zustandes uns selbst für unsere Stärke halten.

„Wohl den Menschen, die den Herrn für ihre Stärke halten“! Was heißt denn das? Eine kleine, alltägliche Geschichte soll es uns deutlich machen:

Jungen balgen sich auf der Straße. Ein großer, starker Junge hat einem kleinen Kerl den Ball weggenommen. Und als der ihn wieder an sich reißen will, bekommt er noch Prügel. Weinend zieht er ab. Aber auf einmal versiegen die Tränen. Triumphierend dreht er sich um: „Wart, ich habe einen großen Bruder; der hilft mir!“

Der Kleine hielt nach seiner schmerzlichen Erfahrung nicht mehr sich selbst für seine Stärke. Aber er war doch siegesgewiss. Er hielt seinen Bruder für seine Stärke.

„Ich habe einen großen Bruder, der führt meine Sache!“ So triumphieren die Jünger Jesu gegen Satan. und Welt, gegen Fleisch und Blut, ja gegen ihr eigenes, anklagendes Herz. „Ich habe einen großen Bruder!“ Das ist der Herr Jesus, der sich nicht schämt, uns Schwache, Arme, Schuldbeladene seine Brüder zu heißen.

Wir sind schwach. Wie sollten wir allein fertig werden! Aber wohl uns, die wir den Herrn für unsere Stärke halten dürfen!

 

 

Wenn ich mein' Hoffnung stell zu dir,

So fühl ich Fried und Trost in mir;

Wenn ich in Nöten bei und sing,

So wird mein Herz recht guter Ding.

Dein Geist bezeugt, dass solches frei

Des ew'gen Lebens Vorschmack sei.


4. Mai

 

Wohl den Menschen, die von Herzen dir nachwandeln.

Psalm 84, 6

 

Dass wir uns nur keine falschen Vorstellungen vom Christenstand machen!

Wir denken uns die Sache meist so: Wir wollen unseren Weg, der uns wohlgefällt und den wir uns ausgedacht haben, gehen. Und dann wollen wir den Herrn bitten, dass er mit uns gehe und uns in unseren Wegen segne und behüte.

Solange wir noch so stehen, werden wir schwere Enttäuschungen erleben. Der Herr wird nicht mit uns gehen. Er wird uns nicht segnen, sondern uns die bitteren Früchte unserer Torheit essen lassen. Er wird uns nicht behüten, sondern uns fallen lassen.

Denn er denkt gar nicht daran, uns auf unseren Wegen nachzuwandeln. Solange wir so stehen, haben wir keine Verheißung; solange steht das „Wohl den Menschen…“ nicht über unserem Leben.

Nicht er will mit uns ziehen, sondern wir sollen mit ihm ziehen. Nicht darum geht es, ob Jesus unsere Wege mitgehen will, sondern darum, ob wir Jesu Wege mitgehen wollen.

„Jesus von Herzen nachwandeln“ – das heißt: seine eigenen Wege drangeben und fragen: „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“

„Jesus von Herzen nachwandeln“ – das heißt: sich nicht fürchten vor dem schmalen Weg, der zum ewigen Leben führt. Das heißt: sich nicht scheuen vor dem Kreuz, ohne das man auf Jesu Weg nicht gehen kann.

„Jesus von Herzen nachwandeln“ – das heißt: alles können außer dem einen: einen Schritt tun ohne ihn. Lasst es uns lernen! Dann gilt uns das „Wohl den Menschen …“

 

 

Jesu, geh voran

Auf der Lebensbahn,

Und wir wollen nicht verweilen,

Dir getreulich nachzueilen;

Führ uns an der Hand

Bis ins Vaterland.


5. Mai

 

Er tut alles fein zu seiner Zeit.

Prediger 3, 11

 

Wettläufer sind angetreten zum Wettlauf.

Da steht seitwärts der Mann mit der Stoppuhr. Alle sehen auf ihn. Da – der Startschuss knallt. Er drückt auf die Uhr – die Läufer rennen los.

Wie dieser Mann es mit den Läufern macht, so möchten wir es gern mit Gott machen. Wir sehen auf unsere Uhr und –: „Jetzt, lieber Gott, ist es Zeit zum Eingreifen! Jetzt ist es Zeit zu helfen! Jetzt ist es Zeit, die Bösen zu strafen!“

Gott denkt aber gar nicht daran, sich von uns vorschreiben zu lassen, wann er handeln soll: „Er tut alles fein zu seiner Zeit.“ Und wer Gottes Macht erfahren will, der muss es lernen, seine Uhr wegzulegen und sich nach Gottes Uhr zu richten.

Gottes Uhr geht meist langsamer als unsere Uhr. Manchmal auch schneller. Aber jedenfalls meist anders als unsere Uhr. Er hat seine Zeit. Und er tut alles nach seiner Zeit.

Und zwar tut er alles „fein“ zu seiner Zeit. Ach, was gäbe das für Unheil, wenn Gott sich nach unserer Ungeduld richten wollte! Weil er das nicht tut, darum geschieht alles „fein“, was durch ihn geschieht.

Ein Beispiel: Wenn es nach den Jüngern Jesu gegangen wäre, hätte Gott schon im Garten Gethsemane eingreifen müssen. Aber das war nicht seine Stunde. „Das ist eure Stunde“, sagt Jesus zu seinen Häschern.

Seine Stunde kam erst am Ostermorgen. Und dadurch wurden wir erlöst und erkauft, „von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels“.

Das darf uns trösten und gewiss machen in dunklen Nächten, wo wir nichts fühlen von seiner Macht: „Er tut alles fein zu seiner Zeit.“

 

 

Bleibt gleich die Hilf' in etwas lange,

Wird sie dennoch endlich kommen;

Macht dir das Harren angst und bange,

Glaube mir, es ist dein Frommen.

Was langsam schleicht, fasst man gewisser,

Und was verzeucht, ist desto süßer.

Gib dich zufrieden.


6. Mai

 

Abraham dachte: Gott kann auch wohl von den Toten erwecken.

Hebräer 11, 19

 

Ich saß einmal zusammen mit einem frommen Landwirt, und wir tauschten. unsere Sorgen aus um unsere Kirche. Mir war das Herz schwer über allerlei traurigen Dingen, die geschehen waren. Und es standen noch finstere Wolken am Himmel.

Da zog der Landwirt seine Bibel aus der Tasche, schlug das Glaubenskapitel im Hebräer-Brief auf und las Vers 19 a: „Abraham dachte: Gott kann auch wohl von den Toten erwecken.“ Dann sagte er: „Sehen Sie, hier habe ich mir zwei Wörtlein unterstrichen, die mir schon oft ein großer Trost geworden sind: ,Gott kann'.“

„Gott kann.“ Das sollten wir nicht nur in unseren Bibeln, sondern auch in unseren Herzen unterstreichen und hervorholen in Tagen des Kampfes und der Not.

Luther übersetzt hier: „Abraham dachte“. Wörtlich übersetzt heißt es: „Abraham rechnete: Gott kann.“

Die Welt rechnet und kalkuliert anders. Der Glaube aber jubiliert: „Gott kann.“ Ja, Gott kann Tote auferwecken. Unser Gott kann seinem Volk Wege in den Meeresfluten geben. Unser Gott kann sein Volk speisen in der Wüste. Unser Gott kann das stolzeste Herz demütigen. Unser Gott kann den hoffnungslosesten Zweifler erleuchten. Unser Gott kann den gebundensten Sünder befreien.

Darum kommt alles darauf an, dass wir diesen Gott, der so Herrliches kann, zum Freunde haben. Denn es ist hoffnungslos und schrecklich, den zum Feinde zu haben, dem niemand widerstehen kann. Sind wir aber durch Jesus mit ihm versöhnt, dann sind wir gut dran, auch auf schweren Wegen, wie sie Abraham gehen musste, als er seinen Sohn zum Opferaltar führte.

 

 

Dein ewge Treu und Gnade,

O Vater, weiß und sieht,

Was gut sei oder schade

Dem sterblichen Geblüt;

Und was du dann erlesen,

Das treibst du, starker Held,

Und bringst zu Stand und Wesen,

Was deinem Rat gefällt.


7. Mai

 

Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!

Psalm 103, 2

 

In einer westdeutschen Großstadt steht an einer der Hauptgeschäftsstraßen eine alte Kreuzigungsgruppe. Ein frommer Meister hat vor Jahrhunderten dies Bild in Stein gehauen und aufgestellt.

Jetzt ist es schon recht verwittert und geschwärzt. Große Bauten sind ringsherum entstanden. Aber das Kreuz steht noch da.

Tausende laufen täglich daran vorbei. Fröhliche und beschwerte Herzen gehen daran vorüber, Gute und Böse. Hohe Leute in Autos fahren vorbei, und müde Bettler mit zerrissenen Schuhen lehnen sich einen Augenblick daran.

Aber wer von all diesen sieht das Kreuz?!

Ist es mit dem wirklichen Kreuz Jesu nicht ebenso? Das hat Gott mitten in der Menschenwelt aufgerichtet. Es ist der Ort, wo wir alle unsere Lasten ablegen dürfen, wo das beladene Gewissen Vergebung findet und das unruhige Herz den Frieden.

Aber die Menschen sind so erfüllt mit ihren Dingen, dass sie an dem großen Heil Gottes in Jesus vorüberhasten. Ja, viele denken – wie bei jenem Kreuz in der Großstadt –: „Das Wort vom Kreuz passt nicht mehr in unsere Zeit hinein. Es ist nur noch eine Erinnerung an alte Zeiten.“

„Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Ja, vergiss es nicht! Im Kreuz ist Heil, Frieden, Gnade Gottes, Leben, ewiges Leben. Halte ein in deinem Rennen, bleibe stehen vor dem Kreuze Jesu, und sieh, was er dir Gutes getan hat!

 

 

Mein Lebetage will ich dich

Aus meinem Sinn nicht lassen,

Dich will ich stets, gleich wie du mich,

Mit Liebesarmen fassen;

Du sollst sein meines Herzens Licht,

Und wenn mein Herz in Stücke bricht,

Sollst du mein Herze bleiben.

Ich will mich dir, mein höchster Ruhm,

Hiermit zu deinem Eigentum

Beständiglich verschreiben.


8. Mai

 

Gott, der Herr, ist Sonne und Schild.

Psalm 84, 12

 

Als die Jugendbewegung viele junge Menschen in Deutschland ergriff, hörte man oft ein Lied, in dem immer wieder vorkam: „… uns geht die Sonne nicht unter!“

Es mag viele geben, die dies Lied nicht kennen. Aber das junge Herz singt es doch allezeit fröhlich: „… uns geht die Sonne nicht unter!“

Und nun möchte ich einmal die fragen, die dies Lied einst gesungen haben: „Sagt, ist euer Leben auf dieser Höhe geblieben? Ist euch die Sonne nicht untergegangen?“

Und ich weiß, viele werden stille werden. Und die meisten werden anfangen zu klagen und zu erzählen, wie das Leben ihnen Enttäuschungen gebracht hat, wie die Ideale der Jugend zerbrochen sind, wie die Sonne in ihrem Leben untergegangen ist. Und viele werden verbittert schweigen.

Ich stand einmal an einem Krankenbett. Eine bedeutende Frau, die in ihrem Leben viel heiße Kämpfe durchgefochten hatte, lag im Sterben. Da bat sie die Umstehenden, man möchte ihr ihren Lieblingsvers singen. Es ist mir unvergesslich, wie dann an diesem Sterbebett es jubelnd erklang: „Die Sonne, die mir lachet, / ist mein Herr Jesus Christ. / Das, was mich singen machet, / Ist, was im Himmel ist.“

Ja, es gibt eine Schar von Menschen, denen in Wahrheit die Sonne nicht untergeht. Das sind die, die erfahren haben: „Gott, der Herr, ist Sonne!“ – die das lebenschaffende Licht dieser Sonne in Jesus Christus, ihrem Herrn und Heiland, gefunden haben.

Wir Christen rühmen: „Uns geht die Sonne nicht unter.“

 

 

Ich will von deiner Güte singen,

Solange sich die Zunge regt;

Ich will dir Freudenopfer bringen,

Solange sich mein Herz bewegt;

Ja, wenn der Mund wird kraftlos sein,

So stimm ich noch mit Seufzen ein.


9. Mai

 

Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten.

Psalm 34, 7

 

Beim Gebet hängt so viel von der rechten Herzensstellung ab.

Als der Herr Jesus am Kreuz hing, riefen beide Übeltäter, die mit ihm gekreuzigt wurden, ihn an.

Der eine forderte frech und höhnisch: „Bist du Christus, so hilf dir selbst und uns!“ Der redete, als hätte er ein Recht, etwas zu fordern. Und während er forderte, sprach doch aus jedem Wort der Unglaube. Es war, als wenn er sagen wollte: „Ich will dir, Herr Jesus, mal eine Gelegenheit geben, Glauben zu wecken oder doch dich beliebt zu machen. Aber ich vermute, es wird wohl nichts werden.“

Auf dies Gebet hat der Herr nicht geantwortet. „Da dieser Stolze rief, hörte der Herr nicht und ließ ihn in allen seinen Nöten.“ So könnten wir sinngemäß das Psalmwort umkehren.

Auf die Forderungen ungebeugter Herzen antwortet der Herr mit Schweigen.

Aber dem anderen Schächer, der gebeugten Herzens ihn anrief, öffnete er die Tore des Himmelreichs. „Da dieser Elende rief, härte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten.“

Darauf kommt alles an, ob wir klein geworden sind in unseren eigenen Augen. Darauf sieht Gott, ob einer zerschlagenen und elenden Herzens ist.

Das freche, stolze Reden des Pharisäers im Tempel war ein vergebliches Reden. Aber das Rufen aus der Tiefe eines Sünderherzens, das Gebet des Zöllners: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ ward erhört.

Die Gebete aus der Tiefe hört unser Gott gern.

 

 

Ich begehre nichts, o Herre,

Als nur deine freie Gnad',

Die du gibest,

Den du liebest

Und der dich liebt in der Tat.

Lass dich finden,

Lass dich finden,

Der hat alles, der dich hat.


10. Mai

 

Und es geschah, da Jesus seine Jünger segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude.

Lukas 24, 51 und 52

 

„Kinder!“ pflegte unsere Mutter zu sagen, wenn wir am Himmelfahrtsmorgen erwachten, „heute ist der Tag der Thronbesteigung unseres Heilandes. Wenn Könige diesen Tag feiern, dann darf man von ihnen etwas Besonderes erbitten. So wollen wir es bei unserm Heiland auch machen!“

Nun weiß ich zuwenig über Könige Bescheid, um nachprüfen zu können, ob es so ist. Und ich glaube auch nicht, dass man diese Behauptung meiner Mutter biblisch belegen kann.

Aber jedenfalls lernten wir, das Fest der Himmelfahrt als einen Freudentag ohnegleichen anzusehen.

Thronbesteigung des Sohnes Gottes! „Er hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.“

Den Jüngern bebte das Herz vor Freude. Nach der Niedrigkeit des Leidens, nach der Schmach des Kreuzes wurde ihr geliebter Heiland nun herrlich erhöht. „Sie beteten ihn an.“

Wer den Herrn Jesus liebt, der wird sich voll Freuden im Geist neben den Aposteln niederwerfen: „Siegesfürst und Ehrenkönig, / Höchst verklärte Majestät, / Alle Himmel sind zuwenig, / Du bist drüber hoch erhöht. / Sollt ich nicht zu Fuß dir fallen / Und mein Herz vor Freuden wallen, / Wenn mein Glaubensaug' betracht' / Deine Glorie, deine Macht!“

Ein bedeutender Mann klagte vor einiger Zeit über die „schwindenden Positionen des Christentums“. Ach, du liebe Zeit! Es kann sein, dass unsere Positionen immer mehr schwinden, weil wir immer gott-loser und haltloser werden. Aber Jesus hat die Position aller Positionen: „Sein Thron steht ewig!“

 

 

Gen Himmel aufgefahren ist, Halleluja,

Der Ehrenkönig Jesus Christ. Halleluja.

 

Er sitzt zu Gottes rechter Hand, Halleluja,

Herrscht über Himmel und alle Land. Halleluja.


11. Mai

 

Und es geschah, da Jesus sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.

Lukas 24, 51

 

Das steht so einfach da: „Er fuhr gen Himmel.“

„Ach, lieber Lukas“, möchte man ausrufen, „weißt du denn nicht, dass diese Himmelfahrt für die Vernunft eine unfassbare Sache ist? Weißt du nicht, dass eine Menge Fragen auftauchen, naturwissenschaftliche und philosophische und theologische Fragen? Weißt du das nicht, Lukas?“

Wir bekommen keine Antwort auf all diese Fragen. Der Bericht des Lukas geht königlich darüber hinweg. Das ist der gewaltige Stil der Bibel: „Er fuhr auf gen Himmel.“

So erzählt kein Märchenerzähler. So spricht einer, der eine erschütternde Tatsache berichtet, die er nur einfach hinstellen kann und die ihn selber überwältigt.

Wie wunderbar ist Christus! Luther sagt dazu in einer Auslegung des Himmelfahrtpsalmes (110. Psalm): „Was sind nun alle Könige und Fürsten mit all ihrer Macht und Regiment gegen diesen, der da sitzt und regiert in dem Stuhl göttlicher Majestät? Es sind arme Bettler und elende Menschen, die sich selbst nicht raten und helfen können.“

„Und fuhr auf gen Himmel.“

Und die Feinde? Der kühle Pontius Pilatus und der hasserfüllte Hoherat und das spottende Volk?

Auch über sie geht der Bericht hinweg. Was soll man da noch von den Feinden Christi sagen, wo es heißt: „Und er fuhr auf gen Himmel“?

Calvin sagt: „Wie auch die Welt rast, so reichen ihre Hände doch nicht so weit, Christus von der Rechten des Vaters herabzuziehen; und weil Christus nicht für sich regiert, sondern zu unserem Besten, werden wir unter der Hut dieses unbesieglichen Königs sicher und unversehrt sein.“

 

 

Nun freut sich alle Christenheit

Und singt und springt ohn alles Leid.

Gott Lob und Dank im höchsten Thron,

Weil unser Bruder Gottes Sohn. Halleluja.


12. Mai

 

Und es geschah, da er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.

Lukas 24, 51

 

Der letzte Eindruck!

Wie mag sich den Aposteln dies Bild ihres Herrn und Heilandes eingeprägt haben: „Da er sie segnete …“

In mancherlei Lagen hatten sie ihn gesehen: Sie hatten ihn zornig gesehen, als er den Tempel reinigte. Gewaltig hatte er vor ihnen gestanden, als er den Sturm stillte. Als das „Lamm, das seinen Mund nicht auftut“, war er ihnen am Karfreitag erschienen. In herzlicher Liebe hatte er unter ihnen geweilt, als er ihnen das Abendmahl austeilte.

Der letzte Eindruck aber war so: durchgrabene Hände, aufgehoben zum Segnen. Unauslöschlich hat sich dies Bild ihnen eingeprägt. Und wir verstehen, dass sie dann „mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehrten“.

„Mit großer Freude“! Denn es ist eine herrliche Sache, unter den aufgehobenen Segenshänden des Herrn Jesu zu stehen.

Es werden nachher in der Apostelgeschichte seltsame Dinge von diesen Männern erzählt: Furchtlos trotzen sie der Welt und ihren Drohungen; in Gefängnissen singen sie Loblieder; getröstet gehen sie in den Tod; freudig greifen sie eine ganze Weit an; mutig tragen sie Jesu Fahnen unter die Völker.

Das kann man ja nur begreifen, wenn man versteht: Sie wussten sich unter diesen segnenden, durchgrabenen Händen Jesu.

Und dort dürfen auch wir stehen und zum Frieden kommen. Es gibt keinen besseren, sichereren, fröhlicheren Platz als unter diesen Segenshänden.

 

 

Nun ist dieses dein Geschäfte

In dem obern Heiligtum,

Die erworbnen Segenskräfte

Durch dein Evangelium

Allen denen mitzuteilen,

Die zum Thron der Gnaden eilen,

Nun wird uns durch deine Hand

Heil und Segen zugewandt.


13. Mai

 

Jesus ist aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.

Epheser 4, 10

 

Es gibt ein Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff mit dem Titel „Himmelfahrt“. Das beginnt:

 

„Er war ihr eigen dreiunddreißig Jahr.

Die Zeit ist hin, ist hin!

Wie ist sie doch nun alles Glanzes bar,

Die öde Erd', auf der ich atm' und bin …“

 

Wenn es wirklich so wäre, dann könnte man eines in den evangelischen Berichten nicht verstehen: nämlich die Freude, die nach der Himmelfahrt die Herzen der Jünger erfüllte. So sehen doch die Leute nicht aus, die Abschied genommen haben. Nein! Diese Apostel hatten nicht von Jesus Abschied genommen. Er war ihnen nun auf ewig geschenkt.

Es ist ein eigenartiges Wort, in dem Paulus diese Tatsache den Ephesern schreibt: „Er ist aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.“ Damit ist gesagt: „Nun ist die Welt voll Jesus.“ Der Satz klingt wohl merkwürdig. Aber so bezeugt der Paulus durch den Heiligen Geist. Und so verstanden es alle Apostel: „Die Welt ist voll Jesus.“

Und wenn nun die Menschen auf all das graue Elend sehen, wenn sie uns sagen: „Die Weit ist voll Tränen, voll Jammer, voll Ungerechtigkeit, voll Schuld, voll Not“, dann wollen wir ihnen in fröhlichem Glauben antworten: „Ja, aber die Welt ist auch voll Jesus.“

Sie ist nicht „alles Glanzes bar, die öde Erd', auf der ich atm' und bin“. Sie ist voll Jesus. Und das ist Trost, Leben, Gnade und Hoffnung.

 

 

Du kannst alles allerorten

Nun erfülln und nahe sein;

Meines armen Herzens Pforten

Stell ich offen, komm herein!

Komm, du König aller Ehren,

Du musst auch bei mir einkehren;

Ewig in mir leb und wohn

Als in deinem Himmelsthron.


14. Mai

 

Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.

Apostelgeschichte 1, 8

 

Hier wurde der größte und seltsamste Kriegszug beschlossen, den die Weitgeschichte je gesehen hat.

Jesus, der Sohn Gottes, hat sein Leben für die Weit dahingegeben. Jetzt nimmt er den Kampf um die verlorene Welt auf. Nachdem er selbst auf Golgatha den Einbruch in das Reich der Finsternis gemacht hat, sendet er nun seine Streiterscharen aus.

Eine seltsame Armee ist es, die auszieht zum Kampf! Schon die Zahl ist auffallend: elf Männer! Noch nie hat eine so kleine Streiterschar einen so großen Krieg begonnen. Aber es sind elf Männer mit Jesus. Elf Männer – das wäre nichts. Aber elf Männer mit Jesus – das ist eine große Macht.

Und die Ausrüstung dieser Streiterschar? „Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen“! Das ist keine Ausrüstung, die die Weit fürchtet oder ernst nimmt. Aber es ist eine göttliche Ausrüstung von oben. Und darum ist sie machtvoll.

Und die Taktik dieser Streiterschar Jesu? „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Die Gemeinde Jesu hat keine andere Taktik und darf keine andere haben als die, dass sie überall und immer, zur Zeit und zur Unzeit, ihren Herrn und sein Kreuz und Auferstehen verkündigt und bezeugt.

Und der Kriegsschauplatz? „Bis an die Enden der Erde.“ So weit die Erde ist, so weit gehen auch die Aufgaben und das Ziel der Gemeinde Jesu Christi.

Bis in unsere Tage geht dieser Kriegszug. Auch wir sind gerufen zum Streit.

 

 

In deiner Kraft wir liegen ob,

Dass weit erschall dein' Ehr' und Lob

Und alle Welt des innewerd',

Dass du noch lebst und herrschst auf Erd'.

Halleluja.


15. Mai

 

Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben.

Hesekiel 36, 26

 

Überall wird auf Pfingsten gerüstet. Bei manchen ist noch großer Hausputz. Die Jungen richten ihr Rad für eine Pfingstfahrt. Das junge Mädchen läuft zur Näherin, ob das Frühlingskleid fertig ist. Und alle schauen jeden Morgen zum Himmel, ob denn nun wirklich die Frühlingssonne da sei.

Überall Zurüstung für Pfingsten! Es ist nichts zu sagen gegen diesen fröhlichen Eifer. Aber wir Christen sollten wissen, dass es an Pfingsten um mehr geht als um zwei freie Tage. Es geht um den Heiligen Geist. Und darum besteht alle rechte Pfingstzurüstung darin, dass wir uns bereit machen für diesen Heiligen Geist.

Wenn man einen Blick tut über die Christenheit in Deutschland, dann muss man wohl dankbar sagen: Es ist viel Fragen nach Gott vorhanden, viel Liebe zu Jesus und viel Opferbereitschaft für die Werke des Reiches Gottes.

Und doch – wir gleichen so vielfach den Jüngern nach Ostern. Bei denen war auch Liebe zu Jesus und Bereitschaft zu Opfer und Dienst. Aber es fehlte ihnen die neu gestaltende Kraft des Heiligen Geistes, die das Herz wirklich neu macht und feste Heilsgewissheit gibt. Wir sind trotz allem dürres Land. Aber dürres Land, auf das Gott den Regen seines Geistes gießen will.

Ja, Gott will. An ihm fehlt es nicht: „Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben.“ Die Frage ist nur, ob wir wollen. Da fehlt es meist. Wir fürchten uns vor der ganzen totalen Gottesherrschaft in unserem Leben. Dass wir doch wollten!

 

 

Komm, o komm, du Geist des Lebens,

Wahrer Gott von Ewigkeit,

Deine Kraft sei nicht vergebens,

Sie erfüll uns jederzeit;

So wird Geist und Licht und Schein

In dem dunklen Herzen sein.


16. Mai

 

Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.

Apostelgeschichte 2, 21

 

Das muss schon ein besonderes Wort sein!

Es steht nämlich dreimal in der Bibel. Und da die Bibel mit den Worten sehr sparsam ist (man denke nur, wie knapp die aufregende Ostergeschichte berichtet wird!), so ist dieses Wort von besonderer Wichtigkeit.

Wir wollen uns diese Bedeutsamkeit am Gegenteil deutlich machen. Im „Faust“ hat Goethe ein Glaubensbekenntnis formuliert, das seitdem das Bekenntnis von Tausenden geworden ist. Ja, es ist vielleicht unser Verhängnis, dass jeder „Gebildete“ dem großen Dichter dies Bekenntnis nachplappert. Da sagt Faust zu Gretchen: „Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist / Nenn es dann, wie du willst / Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! / Ich habe keinen Namen / Dafür! Gefühl ist alles; / Name ist Schall und Rauch / Umnebelnd Himmelsglut.“ So sagt Goethe!

Gottes Wort sagt genau das Gegenteil. Gottes Wort sagt: „Das Gefühl hat keinen Wert. Gib nichts drum! Aber der Name! Auf den Namen kommt alles an! Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.“

Es kommt alles darauf an, dass wir den rettenden, starken, Seligmachenden Namen Jesus kennen und anrufen.

Da wird so deutlich, wie die Bibel uns aus dem Dunst unserer nebelhaften Gefühle in eine göttliche, Klarheit führt.

Darum mahnt uns der Apostel Paulos nicht: „Folge nur dem Drang deiner blinden Gefühle!“, sondern: „Wachset in der Erkenntnis Jesu Christi.“ Je mehr wir darin zunehmen, je klarer wir seine unendliche Liebe, seine Stellvertretung für Sünder, sein völliges Heil, die Kraft seines Blutes, die Herrlichkeit seiner Auferstehung erkennen, desto freudiger und gewisser werden wir diesen Namen anrufen und darin die wunderbarsten Erfahrungen machen.

 

 

Wer ist wohl wie du,

Jesu, süße Ruh?

Unter vielen auserkoren,

Leben derer, die verloren,

Und ihr Licht dazu;

Jesu süße Ruh.


17. Mai

 

Von Herzen begehre ich dein des Nachts; dazu mit meinem Geist in mir wache ich früh zu dir.

Jesaja 26, 9

 

Ein Mann in Herzensunruhe!

In der Nacht hat sie ihn überfallen „wie ein Gewappneter“.

Aber – dieser Mann kann beten. Es ist das Schreckliche in unseren Tagen, dass die Menschen in ihrer Herzensunruhe die Fähigkeit zum Beten verloren haben. Es ist eigentlich alles schon gut und uns ist geholfen, wenn wir beten können.

Als man in der Schweiz den Gotthard-Tunnel baute, fing man gleichzeitig im Süden und Norden an, die Stollen Vorzutreiben. Als sie sich einander näherten, vernahm man in dem einen Stollen die dumpfen Sprengungen des anderen.

Auch Gott arbeitet sich zu uns heran. Vielleicht haben wir in stillen Stunden oder in besonderen Ereignissen schon sein Klopfen gehört. Und vielleicht ist auch unser Herz auf dem Weg und sehnt sich nach dem lebendigen Gott. Und doch gibt es noch kein Gespräch zwischen ihm und uns, weil Felsmauern zwischen uns sind.

Es muss so ein letzter Durchbruch geschehen wie dort bei dem Gotthard-Tunnel. Da kam nämlich ein Augenblick, in dem eine Sprengung die letzte Felsmauer öffnete. Und durch das Loch reichte ein Staubbedeckter Arbeiter seinem Kameraden, der vom anderen Stollen herantrat, die Hand.

Das ist eine selige Stunde, wenn die letzte Mauer zwischen unserem Gott und uns fällt und wir es ihm sagen können: „Von Herzen begehre ich dein.“

Die Bibel berichtet von einem Zöllner, der in dieser Stunde betete: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Ein Wort, hineingesprochen in das Angesicht und Herz Gottes, der sich in Jesus durch alles hindurch zu uns hingearbeitet hat.

 

 

Nun ergreif ich dich,

Du mein ganzes Ich;

Ich will nimmermehr dich lassen,

Sondern gläubig dich umfassen,

Weil im Glauben ich

Nun ergreife dich.


18. Mai

 

Herr, du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande. Willst du uns denn nicht wieder erquicken?

Psalm 85, 2 und 7

 

Ein bekümmertes Gemüt spricht hier. Vielmehr: Es sprach vor zweieinhalbtausend Jahren. Aber dieses Wort könnte ebenso heute gesprochen sein. Die Welt hat sich gewandelt. Doch die Dunkelheit und Not der Herzen ist geblieben. Ein Strom von Kümmernis rauscht unheimlich durch diese dunkle Welt.

Aber diesem Strom kommt ein anderer Strom entgegen: Der Strom des herzlichen Erbarmens unseres Gottes. Dieser herrliche Strom entspringt im Herzen Gottes. Und in Jesus strömt er gewaltig in die Welt hinein. „Wohin dieser Strom sich nur immer ergießt, / Da jubelt und jauchzet das Herz, / Das nunmehr den köstlichen Segen genießt, / Erlöset von Sorgen und Schmerz.“

Das bekümmerte Herz, das in unserem Psalmwort spricht, weiß davon. Und so wirft es sich mit all seinem Jammer an das Herz des Heilandes. Wenn wir in die Bibel hineinschauen, finden wir überall solche Menschen, die ihre Kümmernis nicht bei sich behalten, sondern sie hineinwerfen in den Strom der Liebe Jesu.

Die meisten Menschen stauen ihre Bekümmernis in ihrem Herzen. Das gibt ein rechtes Elend. Da geht es zu wie bei einer Talsperre, bei der alle Abflüsse gesperrt sind: Der Druck wird zu stark. Und schließlich fließt es über die Staumauer als Verbitterung, Stumpfheit oder als verzweifelter Leichtsinn. Und die Ärzte reden von Neurose oder Komplexen.

Wohl dem, der Jesu Liebe kennt und alle Kümmernis in sein Heilandsherz werfen kann! Wo vorher die Kümmernis herrschte, wohnt dann sein Friede.

 

 

Wir liegen hier vor dir im Staube,

O Vater, mit zerknirschtem Geist;

Uns hält und stärkt allein der Glaube,

Dass du noch der Erbarmer seist.

Ach hast du noch ein Vaterherz,

So siehe doch auf unsern Schmerz!


19. Mai

 

… auf dass ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles, das wir bitten …

Epheser 3, 19 und 20

 

Ein deutsches Sprichwort sagt: „Bescheidenheit ist eine Zier.“ Und das ist bestimmt wahr. Aber es gibt auch ein gegenteiliges Sprichwort. Das heißt: „Nur die Lumpen sind bescheiden.“

Es ist ein tiefer Sinn auch in diesem derben Wort. Es besagt, dass es Fälle gibt, wo Bescheidenheit fehl am Platze ist. Ja, noch mehr: „Nur die Lumpen sind bescheiden“ – das will heißen: „Wer ein böses Gewissen hat, der kann nicht mit Freudigkeit bitten.“

Das gilt nun namentlich für das geistliche Leben eines Christen. O, da sind wir so bescheiden, so anspruchslos: Ein ganz klein bisschen Liebe zum Herrn, ein Fünkchen Glauben, ganz geringe Erkenntnis, eine unbestimmte Hoffnung auf „ein besseres Jenseits“, das ist alles, was wir haben.

Warum wollen wir nicht mehr? Warum erbitten wir nicht mehr? Das böse Gewissen ist die Ursache. Wenn wir mit der Sünde ganz brechen und die Versöhnung in Jesus ganz ergreifen, werden wir freudig, mehr zu erbitten.

Seht nur einmal auf den Apostel Paulus! In Vers 14 fängt er an: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi …“ Und dann erbittet er der Gemeinde in Ephesus die herrlichsten Dinge: Kraft, Einwohnung Christi, Glauben, Liebe, Erkenntnis – sechs ganze Verse lang. Und er schließt mit der Bitte: „… dass ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle“! Das ist doch viel! Das ist doch genug!

Aber Paulus geht noch weiter. Jetzt fährt er fort: „Gott kann aber überschwänglich mehr geben, als wir erbitten.“ „Überschwänglich mehr“!

O dass wir nicht so bescheiden wären in geistlichen Dingen!

 

 

Wohl mir, dass ich dies Zeugnis habe;

Drum bin ich voller Trost und Freudigkeit

Und weiß, dass alle gute Gabe,

Die ich von dir verlanget jederzeit,

Die gibst du und tust überschwänglich mehr,

Als ich verstehe, bitte und begehr.


20. Mai

 

Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen.

Apostelgeschichte 2, 3

 

Vor meinem Hause ist auf dem Bürgersteig ein unebener Stein. Lange Zeit bin ich jedes Mal über ihn gestolpert.

Und so kommt mir dieser Vers vor. Sooft ich diese Geschichte las, stolperte ich über das Wörtlein „er“. Das ist ja gar kein richtiges Deutsch! Entweder ist von den Zungen die Rede, dann muss es heißen: „Sie setzten sich.“ Oder es geht um das Feuer. Dann müsste da stehen: „Es setzte sich.“

Aber nun heißt es hier: „Er setzte sich auf einen jeglichen.“ Wer ist dieser „er“, der hier zunächst gar nicht mit Namen genannt ist?

Da ist der Heilige Geist gemeint. Und durch dieses auffällige, ja geradezu entschlossene „er“ will der Schreiber sagen, dass der Heilige Geist eine Person ist, die dritte Person der Dreieinigkeit.

Es ist nichts Verschwommenes in der Offenbarung Gottes. Der Heilige Geist ist auch nicht irgendein blinder, dumpfer Geist. Er hat nichts gemein mit den Geistesströmungen, die je und dann die Menschen zu den seltsamsten Taten fortreißen.

Der Heilige Geist ist Person. Darum ist es sinnvoll, dass unsere Pfingstlieder ihn betend ansprechen: „O heilger Geist, kehr bei uns ein …“ – „Du Quell, draus alle Weisheit fließt …“

Der Heilige Geist ist Person. Darum weiß er auch, was er will. Er hat ein klares, zielbewusstes Wollen. Und mit diesem Wollen setzt er sich durch gegen alle Torheit und gegen jeden Widerstand der Menschen. Der Heilige Geist will Jesus verklären. Darum deckt er die Herzen auf, dass sie ihren verlorenen Zustand erkennen und zu Jesus eilen. Wo Jesus verklärt wird, da ist der Heilige Geist am Werk. Möchte er auch an uns sein gutes Werk vollenden!

 

 

Du unerschöpfter Quell des Lebens,

Allmächtig starker Gotteshauch,

Dein Feuermeer ström nicht vergebens,

Ach zünd in unsern Herzen auch.


21. Mai

 

Sie entsetzten sieh aber alle.

Apostelgeschichte 2, 7

 

Ob wir nicht doch die Pfingstgeschichte missverstehen?

„Pfingsten!“ – Da klingt uns im Ohr Goethes Gesang: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald …“

Ja, sind nicht auch in unserm Gesangbuch fast alle Lieder auf diesen Klang gestimmt: Pfingsten – das liebliche Fest? „Schmückt das Fest mit Maien, / Lasset Blumen streuen, / Zündet Opfer an …“

Seltsam – in der Pfingstgeschichte herrscht ein ganz anderer Ton: „Da kam die Menge zusammen und wurde bestürzt …“ Und ein paar Sätze weiter: „Sie entsetzten sich aber alle und verwunderten sich …“ Und noch einmal: „Sie entsetzten sich alle und wurden irre und sprachen einer zum andern: Was will das werden?“

Die Menge, die da am ersten Pfingsttag zusammenkam, hatte offenbar gar nicht den Eindruck von einem „lieblichen Fest“. Nein, nicht einmal von einem Fest! Sie machten viel eher den Eindruck von Leuten, die einer Katastrophe beiwohnen; von Leuten, die unversehens in einen sehr großen Schrecken geraten sind.

Jawohl! Eine Katastrophe erlebten diese Leute: Sie wurden vom Heiligen Geist vor den lebendigen Gott gestellt.

Es waren ja wohl fromme Leute. Sie waren zu einem der Tempelfeste nach Jerusalem gekommen. Die Bibel sagt sogar ausdrücklich, es seien „gottesfürchtige Leute“ gewesen.

Aber es ist doch etwas anderes, wenn man plötzlich vor den Lebendigen gestellt wird. Da entsetzt sich der Mensch. Da wird das Gewissen erschreckt.

Aber gerade das will der Heilige Geist. Denn nur ein erschrockenes Gewissen kann recht Jesu Stimme hören.

 

 

Geist der Weisheit, gib uns allen

Durch dein Licht

Unterricht,

Wie wir Gott gefallen.

Lehr uns, recht vor Gott zu treten,

Sei uns nah

Und sprich Ja,

Wenn wir gläubig beten.


22. Mai

 

Sie entsetzten sich aber alle … und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Die andern aber hatten ihren Spott.

Apostelgeschichte 2, 12 und 13

 

Als ich nachdenklich die Pfingstgeschichte las, fiel mir etwas auf. Da heißt es: „Sie entsetzten sich alle.“ „Alle“ – da gibt es keine „anderen“. Aber gleich darauf heißt es: „Die andern hatten ihren Spott.“ Müsste es nicht heißen: „Die einen entsetzten sich – die andern spotteten“?

„Alle“ und „die andern“ – das gibt es doch logischerweise gar nicht. Und man könnte im ersten Augenblick denken: „Hier liegt eine Flüchtigkeit des Verfassers vor.“

Aber der Heilige Geist hat wohl gewusst, warum er das so schreiben ließ. Es liegt ein tiefer, ja erschreckender Sinn darin:

„Alle“, die für Gott in Betracht kommen, wurden vom Wirken des Heiligen Geistes beeindruckt. Die andern liegen für Gott unter dem Blickfeld, sie sind eigentlich gar nicht erwähnenswert. Sie zählen für Gott gar nicht mit.

Wie erschreckend für die Spötter! Sie hielten sich für so klug und überlegen. Wie wären sie erschrocken, wenn sie gewusst hätten, dass sie für Gott nur „die andern“ neben „allen“ sind! Das ist die Stellung der Bibel auch sonst. Im Psalm 1 heißt es: „Sie sind wie die Spreu, die der Wind verstreut.“

Diese ganze Sache ist darum verwunderlich, weil die „alle“ in der Bibel auch die „kleine Herde“ genannt sind. Aber Zahlen spielen vor Gott keine Rolle. Ihm gilt nur die kleine Herde. Hier sind sie ihm „alle“, mögen die Spötter nach Millionen zählen.

Das ist erschreckend: Dass wir doch ja nicht so an den Rand von Gottes Blickfeld geraten! – Das ist tröstlich: Wie ruht doch Gottes Blick mit Liebe auf denen, die von seinem Geist bewegt werden!

 

 

O heiliger Geist, o heiliger Gott,

Erleucht uns durch dein göttlich Wort;

Lehr uns den Vater kennen schon,

Dazu auch seinen lieben Sohn.

O heiliger Geist, o heiliger Gott!


23. Mai

 

… den habt ihr angeheftet und erwürgt.

Apostelgeschichte 2, 23

 

Wie viel seltsames enthält die Pfingstgeschichte! Da wird berichtet, dass lauter Fremde, Festpilger aus aller Herren Länder, sich um die Apostel scharten. Leute aus Jerusalem waren zunächst wohl nur wenige dabei.

Diesen Fremden predigt Petrus von Jesus. Und da sagt er zweimal: „… den habt ihr erwürgt und angeheftet und gekreuzigt.“

Man möchte den Petrus unterbrechen: „Petrus, was redest du für Unsinn! Die allermeisten von diesen Leuten waren ja am Karfreitag gar nicht dabei!“

Ich habe einmal an einer Versammlung teilgenommen, die sehr schlecht besucht war. Und da hat der Redner schrecklich gescholten, dass nur so wenige gekommen seien. Er hat die Anwesenden gescholten dafür, dass die andern nicht anwesend waren. Ein ungeschickter Redner!

So will uns auch der Petrus hier vorkommen, als er den Fremden sagt: „Ihr habt Jesus erwürgt.“ Und man erwartet einen heftigen Protest der Hörer.

Aber was geschieht? „Da ging's ihnen durchs Herz.“ Das ist die Wirkung des Heiligen Geistes, dass man weiß: „Ich habe den Heiland ans Kreuz gebracht mit meinen Sünden.“

Der Dichter Paul Gerhardt lebte im 17. Jahrhundert. Er war also am Karfreitag nicht bei denen, die schrieen: „Kreuzige ihn!“ Und doch sang er: „Ich, ich und meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des Sandes an dem Meer, / Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget, / Und das betrübte Marterheer.“

Seht, dies zeigt der Heilige Geist: Das Kreuz Christi ist meine Schuld. Aber auch meine Errettung.

 

 

Doch lass mich ja nicht allein

Deine Marter sehen,

Lass mich auch die Ursach fein

Und die Frucht verstehen.

Ach, die Ursach war auch ich,

Ich und meine Sünde.

Diese hat gemartert dich,

Dass ich Gnade finde.


24. Mai

 

Gott ist’s aber, der uns befestigt samt euch In Christum und uns gesalbt und versiegelt und In unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat

2. Korinther 1, 21 und 22

 

Was für eine Sprache wird in diesem Bibelwort gesprochen!

Ein moderner Normalmensch, der in der Atmosphäre von Radio und Fernsehen lebt, kann sie gar nicht verstehen. Das, was hier von dem Apostel Paulus gesagt wird, ist den meisten so unverständlich wie – Chinesisch.

Ein alter Christ legte einem jungen Manne nahe, er möge doch die Bibel lesen. Da erklärte der empört: „Das habe ich einmal versucht. Aber ich habe es schnell aufgegeben. Denn schon die Sprache und erst recht die Fragestellung der Bibel sind uns Heutigen ja so fremd, dass man uns wirklich solch ein Buch nicht mehr zumuten kann.“

Darauf erwiderte der Alte: „Sehen Sie! Wenn ich in der Zeitung einen Fußball- oder einen anderen Sportbericht finde, dann bin ich ganz außerstande, die Sache zu verstehen. Das wimmelt von Fachausdrücken, die mir fremd sind. Die Sportberichter aber geben sich gar keine Mühe, ihre Sache für mich verständlicher zu machen. Sie denken: Wenn dieser Alte sich für unsern Sport interessiert, dann möge er gefälligst unsere Sprache lernen! – Nun gut! Sollte Gott für sein Wort das nicht noch mehr beanspruchen? Wer ein Kind Gottes werden will, der muss sich schon in die Bibel hineinlesen und ihre uns armen Gegenwartsmenschen so fremde Sprache lernen.“

Dass uns die Sprache der Bibel oft so fremd vorkommt, ist nur ein erschreckender Beweis dafür, wie ferne unser ganzes Denken dem Denken Gottes ist

Dass wir doch unser „zeitgemäßes“ Denken richten ließen von den göttlichen Gedanken der Bibel! Wir haben einen guten Sprachmeister, der uns die biblische Sprache verstehen lehrt. Das ist der Heilige Geist. Um den dürfen wir bitten.

 

 

Unser Wissen und Verstand

Ist mit Finsternis umhüllet,

Wo nicht deines Geistes Hand

Uns mit hellem Licht erfüllet;

Gutes denken, tun und dichten

Musst du selbst in uns verrichten.


25. Mai

 

Gott ist’s aber, der uns gesalbt hat.

2. Korinther 1, 21

 

Richtige Christen sind anders als andere Leute. Sie haben etwas, was die Welt sonst nicht hat und nicht kennt. Nämlich eine „Salbung“ durch den Heiligen Geist.

Die Bibel erzählt eine Geschichte von dem Hirtenjungen David, der als der Jüngste unter seinen großen Brüdern eine bescheidene Rolle spielte.

Dieser David wurde eines Tages vom Felde weg in das Haus seines Vaters gerufen. Dort stand der Prophet Samuel. Der salbte ihn in aller Stille zum König.

David ging nun weiter aufs Feld. Und zunächst änderte sich nichts in seinem Leben. Aber – er war ausgezeichnet. Er war gesalbt.

So steht es mit den wahren Christen. Sie haben in der Stille über dem Lesen der Bibel und beim Gebet eine Salbung bekommen. Sie sind auserlesene Leute!

Das klingt sehr stolz. Darum muss es noch ein wenig deutlich gemacht werden.

„Auserlesen“! Wenn wir dies Wort von einem Menschen sagen, dann denken wir an seine vorzüglichen Eigenschaften und besonderen Qualitäten. Ein genialer Dichter, ein kluger Politiker, ein großer Redner – das sind in unseren Augen „auserlesene Leute“.

Die Bibel versteht darunter etwas ganz und gar anderes. Wenn sie von „auserlesenen“ Leuten spricht, dann denkt sie nicht an menschliche Eigenschaften und Qualitäten, sondern vielmehr an die Taten Gottes. Auserlesene Leute nach der Bibel sind Menschen, die Gott erwählt hat, die er im Blute Jesu gereinigt und die er mit dem Heiligen Geist erfüllt hat.

Ja, so sind Christen gesalbte, erlesene Leute. in sich selbst sind sie nichts als Sünder, Elende, Arme. Aber die Gnade hat sie zu Söhnen des lebendigen Gottes gesalbt.

 

 

Schaff in mir, Herr, den neuen Geist,

Der dir mit Lust Gehorsam feist’t

Und nichts sonst, als was du willst, will;

Ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.


26. Mai

 

Gott ist's aber, der uns befestigt samt euch in Christum und uns gesalbt und versiegelt und in unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.

2. Korinther 1, 21 und 22

 

Wenn wir einen Fragebogen ausfüllen, dann schreiben wir in die Rubrik „Konfessionsstand“ z. B. das Wörtlein „evangelisch“.

Schreiben wir das mit Recht, oder ist das eine böse Fälschung? Wir sind schnell bei der Hand zu sagen: „Es stimmt.“ Doch meist nehmen wir die Maßstäbe aus unserm eigenen Herzen. Das aber ist verkehrt. Nur ganz allein Gottes Wort kann uns sagen, was rechter Christenstand ist. Und da ist obiges Wort so wichtig, weil es uns klar darüber Auskunft gibt, worin ein rechter Christenstand besteht.

Als ich einst einem Manne das Evangelium bezeugen wollte, wehrte er ab: „Ich bin doch ein Christ! Ich glaube doch auch an den Herrgott!“

Tausende denken so. Aber dies ist kein Christenstand. Der Apostel Jakobus schrieb einmal für solche Leute den Satz: „Du glaubst, dass ein einiger Gott sei? Du tust wohl daran; die Teufel glauben's auch und – zittern.“ Da ist ja wahrhaftig der „Glaube“ der Dämonen noch ernsthafter als der jenes Mannes. Denn die zittern wenigstens vor Gott, was ich bei jenem Manne und seinesgleichen nie bemerkt habe.

Es ist schon so: Wir müssen uns von dem Worte Gottes belehren lassen, was ein richtiger, Seligmachender und wahrer Christenglaube sei.

Unser Bibelwort sagt Großes aus: „Befestigt in Christus.“ „Gesalbt mit dem Heiligen Geist der Gnade und Wahrheit.“ „Versiegelt zum ewigen und unbestreitbaren Eigentum des lebendigen Gottes.“ „Beschenkt mit dem Geist eines innigen Herzensfriedens als Vorschmack zukünftiger Herrlichkeit!“

Das sind große Dinge. Sie machen einen wahren, seligen Christenstand aus.

 

 

Erwecke, läutre und vereine

Des ganzen Christenvolkes Schar

Und mach in deinem Gnadenscheine

Dein Heil noch jedem offenbar.


27. Mai

 

Gott ist's aber, der uns befestigt samt euch in Christus.

2. Korinther 1, 21

 

Unsere Zeit hat ein seltsames Wörtlein geschaffen, das Wort „stur“. Das ist ja nun eigentlich ein Schimpfwort.

Aber es kommt mir vor, als wenn in unserem Textwort der Apostel Paulus eine Art Sturheit geradezu rühmt und preist.

Es gibt wohl zweierlei Sturheit: Die eine aus Dummheit oder Fanatismus (das ist sehr oft dasselbe). Die andere aber kommt daher, dass man einen Weg und ein Ziel gefunden hat und sich davon auf keinen Fall abbringen lassen will. Und um diese zweite Art geht es hier. Wenn ein Wanderer auf einem schmalen Pfad durch ein Moor geht, wäre er sehr töricht, wenn er nicht unbeirrt seinen Weg weiterginge.

Davon ist hier die Rede. „Gott hat uns befestigt in Christus.“ Im griechischen Text heißt es wörtlich: „Gott ist es, der uns die feste Richtung auf Christus gibt.“

Hier handelt es sich einfach darum, wo in unserem Leben der Herr Jesus steht.

Bei den meisten Menschen steht der Herr Jesus hinter dem Rücken, so dass man ihn gar nicht sehen kann. Dann gibt es solche, die ein bisschen christlich geworden sind. Sie haben eine halbe Wendung gemacht. Nun steht Jesus irgendwo an der Seite, so dass man gelegentlich einen Blick auf ihn werfen kann.

Bei richtigen Christen aber steht Jesus vorn. „Gott gibt uns die feste Richtung auf Christus.“ Da ist es so, dass man ihn immer vor Augen hat. Bei jedem Schritt steht man vor ihm und kann ihm nicht ausweichen. Wenn man aufsieht, sieht man ihn. Wenn man geht, ist er da. Wenn man stürzt, fällt man in seine Arme.

In einem Liede heißt es: „Der Fürst meines Friedens ist nahe, / Sein Antlitz ruht strahlend auf mir.“

 

 

Liebe, die mich hat gebunden

An ihr Joch mit Leib und Sinn,

Liebe, die mich überwunden

Und mein Herz hat ganz dahin:

liebe, dir ergeb ich mich,

Dein zu bleiben ewiglich.


28. Mai

 

Gott ist's aber, der uns versiegelt hat.

2. Korinther 1, 22

 

Ja, gewiss! Es ist für unser stolzes Herz nicht sehr schmeichelhaft, dass der Apostel Paulus hier einen Ausdruck gebraucht, den man auf den Sklavenmärkten des Altertums hören konnte.

Die reichen Römer hatten damals riesige Ländereien und Güter, auf denen sie Hunderte von Sklaven beschäftigten. Diesen Sklaven nun wurde ein Zeichen eingebrannt auf Schulter oder Stirn, das sie als Eigentum ihres Herrn auswies. So „brennen“ heute reiche Bauern ihr Vieh.

An dieses Siegel denkt Paulus, wenn er uns beschreiben will, wie ein richtiger Christenstand beschaffen ist.

Christen tragen dies Brandzeichen allerdings nicht äußerlich auf der Haut, sondern inwendig in Herz und Gewissen. Und dies Versiegeln der Kinder Gottes ist eines der lieblichsten Geschäfte des Heiligen Geistes.

Das Bild ist großartig und eindrucksvoll. Wie die Sklaven gekauft wurden, ohne dass sie einen Pfennig dazutaten, so wissen sich Kinder Gottes von Gott erkauft durch den köstlichsten Kaufpreis. „Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erkauft seid …, sondern mit dem teuren Blut Christi“, sagt der Apostel Petrus.

Und der Herr versiegelt seine Knechte. Brennend schreibt es der Heilige Geist in ihr Herz: „Du bist angenommen als ewiges Eigentum Gottes.“

Wenn solch ein Sklave sein Brandsiegel ansah, hatte er keinen Zweifel darüber, wem er gehörte. So will der Apostel hier sagen: „Die Krönung eines Christenstandes ist es, dass man ganz gewiss wissen darf: Ich gehöre dem Herrn!“

Allerdings – das muss noch gesagt werden: In einem stimmt das Bild nicht: Sklaverei war ein trauriger Stand. Sklave Gottes zu sein aber ist herrlich!

 

 

Seiner Hand entreißt mich nichts;

Sollt ich ihn mit Kleinmut schmähen?

Mein Erbarmer selbst verspricht’s;

Sollt ich ihm sein Wort verdrehen?

Nein, er lässt mich ewig nicht;

Das ist meine Zuversicht.


29. Mai

 

Gott ist's aber, der uns versiegelt und in unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.

2. Korinther 1, 21 und 22

 

Paulus war ein Mann mit einem hohen Geist. Und es ist rührend, wie dieser gelehrte Mann hier ein Bild um das andere sucht, um sich den einfachen Leuten in Korinth verständlich zu machen. Es hieß eben bei ihm immer: „Die Liebe Christi dringet uns also.“

Wo Luther hier „Pfand“ übersetzt, da steht im griechischen Text ein Wort, das eigentlich „Anzahlung“ bedeutet.

Das Wort „Anzahlung“ ist uns heute ja wieder sehr geläufig: Da will sich ein armer Mann eine Kücheneinrichtung kaufen, weil er heiraten will. Er kann aber die Summe nicht auf einmal erlegen. So geht er in ein „Anzahlungsgeschäft“, wie sie massenweise in unsern Großstädten zu finden sind. Da kauft er nun seine Küche und macht eine Anzahlung. Den Rest der großen Kaufsumme erlegt er erst später, wenn er dazu in der Lage ist.

Eigentlich ist das ein unerhörtes Bild. Denn der Mann, der die Anzahlung macht, ist ja Gott. Er hat seinen Kindern ein völliges Heil zugedacht: völlige Freude, völligen Frieden, völlige Ruhe, völlige Freiheit von der Sünde, völlige Freiheit vom Tode und von Leid und Schmerz.

Das alles will er uns bezahlen. Er, der uns doch ganz und gar nichts schuldig ist. Ja, wir können dies unerhörte Bild gar nicht anders verstehen, als dass der große Gott sich durch seine unendliche Liebe zu unserm Schuldner macht. Seine Liebe macht ihn zum Schuldner der Sünder! Das ist groß]

Und nun kann er uns noch nicht alles geben. Nicht weil er arm wäre. Sondern weil er's uns als Erbe in einer ganz neuen Welt zugedacht hat. Inzwischen aber gibt er den Seinen die Anzahlung durch den Heiligen Geist. So ist das Herz der Christen schon voll Freude auf das, was noch kommen soll.

 

 

Wie bist du mir so zart gewogen,

Und wie verlangt dein Herz nach mir!

Durch Liebe sanft und tief gezogen,

Neigt sich mein Alles auch zu dir.

Du traute Liebe, gutes Wesen,

Du hast mich und ich dich erlesen.


30. Mai

 

Gott ist's aber, der uns versiegelt und in unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.

2. Korinther 1, 21 und 22

 

Wie glücklich waren wir Kinder vor Weihnachten! Da war ein verschlossenes Zimmer. Und wir wussten: Darin sind die schönsten Geschenke für uns. Wir hatten sie noch nicht. Und doch – sie gehörten uns schon.

So ist es mit denen, die dem Herrn Jesus angehören: Sie gehen herrlichen Dingen entgegen. Die haben sie noch nicht. Aber die gehören ihnen schon. Durch den Heiligen Geist haben sie schon eine Anzahlung der künftigen Herrlichkeit.

Wir wollen uns das an ein paar Stücken klarmachen: Gottes Wort sagt, dass in der zukünftigen Weit Gott unter seinem Volke wohnen wird. Nun, das steht noch aus. Aber der Heilige Geist gibt den Gläubigen hier schon einen durchdringenden Eindruck von der Gegenwart ihres Herrn.

Kierkegaard ließ auf seinen Grabstein einen Vers schreiben, indem es heißt: „… da werd ich ewiglich mit Jesus sprechen.“ Mit Jesus sprechen von Angesicht zu Angesicht! Das wird herrlich sein. Aber solange das noch aussteht, besteht das Angeld darin, dass der Heilige Geist uns beten lehrt. So dürfen wir jetzt schon im Glauben unser Herz vor ihm ausschütten.

Die Bibel sagt: „Der Herr wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ Darauf freuen wir uns. Aber hier schon haben wir ein Angeld: dass der Geist uns mit Trost erfüllt mitten im Leid.

Alle Sünde, „die uns anklebt und träge macht“, wird in der neuen Welt von uns genommen sein. Das wird schön! Aber inzwischen haben wir das Angeld, dass der Heilige Geist uns je und dann Sieg schenkt über uns selbst.

Völlige Freude wird uns einst umgeben. Aber auch das Angeld ist schön, dass wir uns hier schon freuen dürfen im Herrn.

Kurz – Christen sind reiche Leute! Und das Eigentliche kommt noch. Wie sollten wir nicht fröhlich sein!

 

 

Ich bin zufrieden,

Dass ich die Stadt gesehn,

Und ohn Ermüden

Will ich ihr näher gehn

Und ihre hellen, goldnen Gassen

Lebenslang nicht aus den Augen lassen.


31. Mai

 

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.

Römer 8, 14

 

Wenn ein reicher Mann ein armes Findelkind adoptiert, dann nimmt er sich auch um dies Kind an. Er nimmt ihm seine Lumpen und kleidet es lieblich und schön. Er schickt es in die Schule und lässt ihm eine sorgfältige Erziehung angedeihen.

Nicht anders macht es unser Gott.

In Jesus, unserem Heiland, macht er uns zu seinen Kindern. Aus verlorenen „Kindern des Zorns“ werden wir durch Jesu Verdienst zu versöhnten Gotteskindern – durch den Glauben.

Aber nun soll nur ja keiner meinen, das ginge ohne eine ganze Umstellung unseres Lebens. Nun bilde sich nur ja keiner ein, der starke Herr lasse seine Kinder einfach in ihrem alten, elenden und gottlosen Wesen weitermachen! O nein!

Wer ein Kind Gottes geworden ist, der kommt nun recht in die Erziehung und Schule des guten Heiligen Geistes.

Dieser Heilige Geist Gottes ist ein recht ernster und beunruhigender Lehrmeister. Die Bibel sagt: Er „treibt“ uns. Er nimmt es genau. Er lässt uns über keiner Sünde und Unart ruhig werden. Er mahnt, und er straft. Er zerbricht und demütigt. Und zugleich führt er uns immer tiefer in die Erkenntnis des Heiles Gottes, immer tiefer in das Verständnis des Wortes Gottes, immer tiefer in das Meer des Friedens und der Liebe Jesu.

Wie ein Bildhauer ein Modell vor Augen hat, nach dem er arbeitet, so hat der Heilige Geist in all seinem Wirken, Tun und „Treiben“ ein Bild, nach dem er uns gestalten will: das Bild Jesu. Gebe Gott, dass wir uns völlig in die Zucht des Heiligen Geistes geben!

 

 

Zieh ein, lass mich empfinden

Und schmecken deine Kraft,

Die Kraft, die uns von Sünden

Hilf' und Errettung schafft.

Entsünd’ge meinen Sinn,

Dass ich mit reinem Geiste

Dir Ehr und Dienste leiste,

Die ich dir schuldig bin.


1. Juni

 

Jesus antwortete und sprach zu Nikodemus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“

Johannes 3, 3

 

Ist dieser Satz Jesu nicht unerträglich?

Wenn irgendein Verbrecher oder gemeiner Kerl vor ihm gesessen hätte, dann würde uns sein Wort von der Wiedergeburt wohl einleuchten.

Aber da saß ja ein edler Mann vor ihm. Dieser Nikodemus war ein Idealist, ein Mann, der „stets strebend sich bemühte“, das Gute, Edle und Wahre zu tun.

Ja, ist denn das nichts? Sollte so ein Mann denn nicht vor Gott bestehen können? Ist es nicht einfach unfassbar, dass Jesus gerade diesem Mann das Wort von der Notwendigkeit der Wiedergeburt sagt?

Ein Beispiel soll es uns klarmachen: Da kommt ein Reisender aus Holland nach Deutschland zurück. Er hat in seinem Geldbeutel noch einen holländischen Gulden. Das ist ein gutes Geld, und er kann in Rotterdam allerlei dafür kaufen.

Aber als er nun in einer deutschen Stadt den Gulden ausgeben will, wird er abgewiesen: „Gewiss, der Gulden ist gut. Aber er gilt hier nicht. Hier gilt nur Geld, welches das deutsche Hoheitszeichen trägt.“

So ist es mit dem Reiche Gottes. „Nikodemus“, sagt Jesus, „du bist gewiss ein edler Mann. Aber im Reiche Gottes gilt nur das Herz, in das der Heilige Geist mein Bild geprägt hat. Darum musst du wiedergeboren werden.“

Dies Wort spricht das Urteil über all unseren menschlichen Hochmut und treibt uns in die Arme Jesu.

 

 

Schaff in mir, Herr, den neuen Geist,

Der dir mit Lust Gehorsam Ieist't

Und nichts sonst, als was du willst, will;

Ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.


2. Juni

 

Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.

Kolosser 1, 18

 

Stellen wir uns einmal vor, unsere Glieder fingen eines Tages an zu streiken. Sie beschlössen, sie wollten sich der Befehlsgewalt und Herrschaft des Gehirns entziehen und selbständig werden.

Du liebe Zeit! Das gäbe ein Gehampel und Gestrampel; das gäbe ein Durcheinander und Elend! Ganz gewiss würden wir ein Gelächter und Gespött für die ganze Welt!

Nun, so lächerlich diese Vorstellung ist – sie hat eine ernste Seite. „Jesus ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde"! Das bedeutet: Wenn die Gemeinde Jesu nicht vor Menschen und Engeln mit Recht zum Gespött werden soll, dann muss das Haupt die ganze und volle Befehlsgewalt haben. Dann muss auch das kleinste Glied der Gemeinde Jesu ganz gehorsam sein.

Sind wir Glieder am Leibe Jesu? Das ist die erste und entscheidende Frage!

Sind wir Glieder am Leibe Jesu? Dann geht es nicht an, dass wir irgendein Gebiet unseres Lebens dem Gehorsam unter Jesus entziehen – etwa unsere Ehe, oder unser Berufsleben, oder unsere Geldverhältnisse, oder unsere freie Zeit. Sonst werden wir kranke, ja sterbende Glieder am Leibe Christi.

Dieser Gehorsam in großen und alltäglichen Dingen ist schwer. Unser natürliches Wesen will sich immer regen und selbständig sein. Es will Rebellion machen gegen das Haupt.

Wie gut, dass der Herr uns seinen guten Heiligen Geist gegeben hat. Möchte er durch den recht Sieg haben in unserem Leben, dass wir willig ihm, dem Haupt, dienen!

 

 

Gib Freudigkeit und Stärke,

Zu stehen in dem Streit,

Den Satans Reich und Werke

Uns täglich anerbeut;

Hilf kämpfen ritterlich,

Damit wir überwinden

Und ja zum Dienst der Sünden

Kein Christ ergebe sich.


3. Juni

 

Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.

Kolosser 1, 18

 

Wundersam ist die Verbindung in unserem Leib zwischen Gliedern und Haupt!

Wenn dem kleinen Finger nur der kleinste Schmerz zugefügt wird, dann wird das sofort durch die Nerven dem Gehirn mitgeteilt. Es gibt keinen Schmerz, keine Wunde, an der das Haupt nicht teilhätte.

Das gilt auch für die Gemeinde Jesu, die des Herrn Leib ist.

Er, Jesus, ist das Haupt. Er thront nicht in den Wolken, unberührt und unbekümmert um die Nöte und Kämpfe der Seinigen, „in olympischer Ruhe".

O nein! Er ist in engster und nahester Verbindung mit einem jeden Glied seiner Gemeinde. Trifft irgendein Glied eine Not, ein Leid, ein Schmerz: Jesus nimmt daran teil. Unser Leid ist sein Leid, unser Schmerz ist sein Schmerz, unsere Not ist seine Not.

„Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen." Dies Wort vom Leiden Jesu dürfen wir auch in diesem Sinne verstehen.

Das ganze Neue Testament zeugt davon. Jesus hörte das Rufen der bedrängten Gemeinde. Und als sie betete, bewegte sich die Stätte. Jesus tröstete den sterbenden Stephanus überschwänglich und ließ den Petrus aus des Todes Rachen befreien.

Jedes Glied des Leibes Christi ist dem Haupt gleich nahe. Und sei es das kleinste und geringste – es ist nie allein mit irgendeinem Schmerz. Jesus, das Haupt, weiß darum. Welch reicher Trost!

 

 

Er ist voll Güt und Freundlichkeit,

Voll Lieb und Treu zu jeder Zeit.

Sein' Gnade währet dort und hier

Und seine Wahrheit für und für.


4. Juni

 

Wir können's ja nicht lassen, das wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben.

Apostelgeschichte 4, 20

 

Eine erstaunliche Wendung in einem seltsamen Prozess! Der Hohe Rat: kluge Köpfe, aber bekümmert und sorgenvoll!

Da hat man diesen Jesus endlich zu Tode gebracht. Es war nicht leicht gewesen. Aber dann hatten sie gesiegt. Jesus war tot! Bewacht im Grabe noch! Nun wird's wohl Ruhe geben!

Aber es gab keine Ruhe. Im Gegenteil! Immer neue Unruhe. Da kamen zuerst die Kriegsknechte mit der ungeheuerlichen Nachricht: „Dieser Jesus hat das Grab gesprengt!“

Kaum zwei Monate später bekennen 3000 Menschen in Jerusalem sich zum Gekreuzigten.

Und nun stehen hier zwei kleine Handwerker vor Gericht. Sie sind auf frischer Tat ertappt worden, wie sie im offiziellen Tempel diesen Jesus verkündigten.

Da muss ernsthaft durchgegriffen werden. „Man wird doch wohl mit diesen kleinen Leuten fertig werden!“ Also werden sie ernstlich bedroht, jetzt doch abzulassen von diesem Jesus: Sie kämen damit doch nicht durch. Und man sei zum Äußersten entschlossen.

So, das wird genügen! Da richtet sich Petrus auf und sagt einfach: „Wir können's ja nicht fassen …“ – Armer, blinder Hoher Rat! Wer will das Lebenswort von Jesus aufhalten?! Dies Wort – es „läuft den Weg gleich als ein Held“. Gewalt, List, Drohung, Überredung – die ganze Weit und die Hölle vermögen nicht, das Evangelium aufzuhaften. Und solange die Welt sein wird, wird es Sünder froh und selig machen und die Gemeinde Jesu sammeln.

 

 

Wort des Lebens, stark und rein,

Alle Völker harren dein;

Walte fort, bis aus der Nacht

Alle Welt zum Tag erwacht.


5. Juni

 

Da sie das hörten, hoben sie ihre Stimme auf einmütig zu Gott.

Apostelgeschichte 4, 24

 

Nun war es entschieden!

Der Hohe Rat hatte der Gemeinde den Krieg erklärt. Vor der versammelten Gemeinde standen Petrus und Johannes und berichteten.

Jetzt begann die Not.

Was ist nun zuerst zu tun? Soll man diese ganze Sache mit Jesus nicht lieber lassen? Oder soll man nicht wenigstens schnell eine Sitzung anberaumen? Oder man könnte eine Protestschrift aufsetzen; oder – vielleicht hat ein einflussreiches Glied der Gemeinde „gute Beziehungen“, die man jetzt bemühen müsste; oder …

Die Gemeinde tut nichts dergleichen. Sie weiß viel Besseres: Sie breitet ihre Not aus vor dem Herrn. „Sie hoben ihre Stimme auf einmütig zu Gott.

So hat es Mose gemacht, der große Beter. – So tat es auch Hiskia, als er den Brief seiner grimmigen Feinde im Heiligtum vor dem Herrn ausbreitete (2. Könige 19, 14). – So handelten alle großen Gottesmenschen, von denen uns die Bibel berichtet. – Und so taten alle, die in ihren Spuren gingen.

In Psalm 69 sagt David: „Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und in den Zechen singet man von mir. Ich aber bete.“

„Ich aber bete.“

Da wird das Herz getröstet, da wird der Mut neu gestärkt, da beruhigen sich die zitternden Nerven, da lernt das Herz den rechten Weg, wenn man seine Not vor dem Herrn ausbreitet, vor dem Herrn, „der Himmel und Erde gemacht hat“.

 

 

Kann ein einiges Gebet

Einer gläubgen Seelen,

Wenn's zum Herzen Gottes geht,

Seines Zwecks nicht fehlen:

Was wird's tun,

Wenn sie nun

Alle vor ihn treten

Und zusammen beten!


6. Juni

 

Und nun, Herr, siehe an ihr Drohen und gib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu reden dein Wort.

Apostelgeschichte 4, 29

 

In höchster Bedrängnis betet die erste Gemeinde. Wie betet sie?

Zuerst besinnt sie sich darauf: Wir sind ja des Herrn Eigentum. „Deine Knechte“ nennen sie sich vor des Herrn Angesicht. Sie erinnern den Herrn und sich selbst daran, dass sie sein mit Blut erkauftes Eigentum sind.

Sollte der Herr nicht über seinem Eigentum wachen? Jawohl, er wird sein Wort wahr machen: „Ich will mich meiner Herde selbst annehmen.“

Wenn man so aus aller Furcht erst heraus ist und wieder einmal den Felsenboden des Heils unter den Füßen hat, dann kann man auch so weiterbeten wie diese bedrohte, bedrängte Gemeinde.

Wie betet sie weiter? In der Tat, dies Gebet ist seltsam. „Herr, sieh an ihr Drohen und …“ Nun werden wir erwarten, dass es so weitergeht: „… und gib uns wieder Frieden!“ Oder: „… rette uns vor unseren Feinden!“ Oder: „… verstopfe den Wölfen den Rachen!“

So beten sie nicht. Sie bitten nicht, dass ihnen Kampf und Leiden erspart bleiben. Sie bitten vielmehr, dass sie sich im Leiden als rechte Jünger Jesu und Zeugen des Herrn erweisen möchten: „… und gib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu reden dein Wort!“

So wollen wir beten lernen! Nicht um satte Ruhe wollen wir bitten, sondern darum, dass wir rechte, tapfere, geheiligte Bekenner und Zeugen werden.

 

 

Wach auf, du Geist der ersten Zeugen,

Die auf der Mau'r als treue Wächter steten,

Die Tag und Nächte nimmer schweigen

Und die getrost dem Feind entgegengehn,

Ja, deren Schall die ganze Welt durchdringt

Und aller Völker Scharen zu dir bringt.


7. Juni

 

Saul, Saul, was verfolgst du mich?

Apostelgeschichte 9, 4

 

Tod und Verderben über der Gemeinde Jesu! „Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn“, erzählt die Bibel.

Es ist, als höre man es aus diesen Worten: das Stöhnen Gefesselter, das Schluchzen der Frauen, das Jammern der Kinder, Todesschreie – und das Hohnlachen der Schergen.

„Tod und Verderben!“ denkt Saulus. „Es ist mir Gottesdienst, sie zu vernichten! Ein Gottesdienst!!“

Welch ein düsteres Bild! Da rast ein blinder Tor, ein wilder Fanatiker gegen den Herrn und seine Gemeinde. Muss da nun nicht Feuer vom Himmel fallen und den Lästerer vernichten?! Muss nun Gott nicht auch antworten mit Tod und Verderben?!

Ja, der Herr antwortet. Aber nicht mit Feuer vom Himmel! Er antwortet ganz anders, als die Vernunft sich das hätte ausdenken können. Er antwortet dem Saulus mit – Barmherzigkeit. Er fällt seinen Feind mit – Gnade.

„Saul! Saul!“ So ruft der Herr den Saulus an, dass der erschrocken zu Boden stürzt.

Gewiss, in diesem Ruf Jesu war das Gericht über Saulus. Und doch – in diesem Ruf klingt die Stimme des guten Hirten: „Saul! Saul …“ Er kennt auch ihn mit Namen. Auch dieser Name eines verlorenen Sohnes leuchtet vor ihm. Zweimal ruft er ihn bei seinem Namen mit einer Liebe, vor der der starke Trotz des Saulus zerbricht.

Und während Saulus blind wird, geht ihm im Herzen das Licht auf: „O Abgrund der Barmherzigkeit!“ So liebt der Herr seine Feinde.

 

 

Denk ich, wie ich dich verlassen,

Wie ich häufte Schuld auf Schuld,

So macht ich vor Scham erblassen

Ob der Langmut und Geduld,

Womit du, o Gott, mich Armen

Hast getragen mit Erbarmen.

Tausend-, tausendmal sei dir,

Großer König, Dank dafür!


8. Juni

 

Saul, Saul, was verfolgst du mich?

Apostelgeschichte 9, 4

 

Es war einmal ein stürmischer Tag. Düstere Wolken jagten am Himmel.

Da – auf einmal – zerriss die Wolkendecke. Die Sonne brach durch. So leuchtend, dass auf einmal alle Vögel anfingen zu singen und alle Menschen fröhlich wurden.

So geschah es hier in der Geschichte, aus der unser heutiges Wort stammt. Düstere Wolken von Not lagerten über der Gemeinde Jesu. Der Sturm umbrauste sie: „Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn.“

Aber in die Dunkelheit hinein bricht die „wahre Sonne“, die Liebe und Barmherzigkeit des Herrn Jesus, unseres Heilandes. in der einen Frage an Saulus zeigt er, wie er seine Gemeinde liebt.

„Diese Gotteslästerei! Diese widerspenstigen Geister!“ tobt Saulus und droht und mordet. Da tritt ihm bei Damaskus der Herr entgegen: „Saulus, was verfolgst du …“ Wir denken, nun müsste es weitergehen: „… was verfolgst du meine Gemeinde?“ Aber der Herr fragt: „… was verfolgst du mich?“

Der Herr erklärt sich also ganz und gar solidarisch mit seiner Gemeinde. Hier erfährt Paulus zum ersten Mal, was er später selbst im Epheser-Brief lehrt: dass die Gemeinde „Christi Leib“ ist. Wer die Gemeinde antastet, tastet ihn an. Wer die Gemeinde verlässt, verlässt ihn.

So nimmt sich der Herr selbst seiner Herde an. Er schämt sich nicht, sie Brüder zu heißen. Er bekennt sich zu den Seinen, die er mit Blut erkauft hat. Er lässt sie wohl in Todesnot kommen. Aber niemand darf sie aus seiner Hand reißen.

 

 

Die Sach und Ehr, Herr Jesu Christ,

Nicht unser, sondern dein ja ist;

Darum so steh' du denen bei,

Die sich auf dich verlassen frei.


9. Juni

 

Petrus ward zwar im Gefängnis gehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.

Apostelgeschichte 12, 5

 

Die Lage war verzweifelt und völlig hoffnungslos.

Auf das Ernsteste war die Gemeinde in Jerusalem bedroht. Jakobus war zum Märtyrer geworden, Petrus zum Tode verurteilt.

Es war das alles wider jedes Recht geschehen. Aber nirgendwo war einer der Mächtigen aufgestanden für die Gemeinde. Sie war vogelfrei.

So lag Petrus in schweren Ketten hinter eisernen Türen. Sechzehn auserlesene Kriegsknechte bewachten ihn bis zur Hinrichtung.

Doch nun steht hier ein „Aber“ im Text. Und dies „Aber“ berichtet uns von dem Glauben der ersten Gemeinde.

Zwar war die Lage hoffnungslos. Jawohl, für die Vernunft! Aber: „Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet“ (Psalm 68, 21). Die Gemeinde warf alle Bedenklichkeit über Bord und warf sich selbst ihrem Gott in die Arme.

Mit diesem „Aber“ stellt sich die Gemeinde in herrlichem Glaubenstrotz gegen die ganze Welt. Was kümmert es sie, dass diese „Welt“ die Sache der Gemeinde verloren gibt. Sie denkt nicht daran, die Waffen zu strecken und sich zu ergeben. „Alle Heiden umgeben mich“, so lasen sie in ihrer Bibel im Psalm 118, „aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.“

Zinzendorf singt: „Gelobet sei die Tapferkeit / Der Streiter unsres Fürsten! / Verlacht sei die Verwegenheit, / Nach ihrem Blut zu dürsten.“

Dieses „Aber“ des Glaubens ist eine Frucht ganzer Hingabe an den Herrn. Wo man ihm ganz gehört, da lehrt der Heilige Geist das Wort Jesu: „Niemand soll sie mir aus meiner Hand reißen.“

 

 

So wahr Gott Gott ist und sein Wort,

Muss Welt, Teufel und Höllenpfort

Und was dem tut anhangen

Endlich werden zu Schand und Spott;

Gott ist mit uns und wir mit Gott,

Den Sieg woll'n wir erlangen.


10. Juni

 

Petrus ward zwar im Gefängnis gehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.

Apostelgeschichte 12, 5

 

„Ohne Aufhören“ betete die Gemeinde.

Man musste sehr viel Geduld mitbringen und immer mehr Geduld lernen. Man musste abwarten lernen, wann es dem Herrn wohl gefiel einzugreifen. Denn unser Herr hat seine Stunde. Und es hieß auch hier wie bei der Hochzeit zu Kana: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“

In solcher Lage kann die Gemeinde eben nur „ohne Aufhören“ im Gebet bleiben.

Da muss man es üben, alles stürmische eigene Wünschen, alle zappelnde Ungeduld, alles Zerren der Nerven in den Tod zu geben und zu lernen: „Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen.“

Wer kann denn so beten?

Nur die „Gemeinde“! Es wird ja hier und da in der Welt auch gebetet. Aber das ist, als wenn bei einem Zugunfall einer an der Notbremse reißt. Da tritt der Mensch herrisch vor Gott und verlangt die Erfüllung seines Willens.

Hier aber betet die „Gemeinde“, Menschen, die durch Jesus begnadigt, die durch Jesus versöhnt sind; Menschen, die Frieden mit Gott haben; Menschen, die im Namen „Jesus“ vor den Vater treten; Menschen, denen der Geist Zeugnis gibt, dass sie Kinder Gottes sind.

Solche Menschen können geduldig und „ohne Aufhören“ beten; denn sie kennen den Vater, und ihr Rufen aus tiefster Not hat schon immer den Jubel in sich: „Vater, ich danke dir, dass du mich hörst.“

 

 

Und ob es währt bis in die Nacht

Und wieder an den Morgen,

Doch soll mein Herz an Gottes Macht

Verzweifeln nicht noch sorgen.

So tu Israel rechter Art,

Der aus dem Geist erzeuget ward,

Und seines Gott's erharre.


11. Juni

 

Der Herr sprach zu Abram: „Gehe aus deinem Vaterland.“

1. Mose 12, 1

 

Der Weltmensch sagt: „Das mag ja für den Abram eine recht einschneidende Sache gewesen sein. Aber was geht uns Menschen im zwanzigsten Jahrhundert diese doch sehr alte Geschichte noch an?“

O, die geht uns sehr viel an:

Da ist eine Stadt durch ein Erdbeben zerstört. Klagend und planlos irren die Bewohner über die Trümmer. Eines Tages kommt ein Baumeister der Regierung. Er besichtigt den Schaden. Und dann lässt er an einer Stelle beginnen mit dem Neuaufbau.

Da sind Leute, deren zerstörte Wohnung liegt weit ab von der Stelle des Neuaufbaues. Aber nun wissen sie doch: „Dieser Anfang geht uns an.“ Es ist für sie eine Verheißung: Man lässt uns nicht verkommen; man baut auf.

Diese zerstörte Stadt ist ein Bild der Welt. Über die Welt ging Schlimmeres als ein Erdbeben. In dieser Welt geschah der Sündenfall. Und die Sünde hat schauerlich und furchtbar das Angesicht der Welt entstellt.

Aber Gott lässt seine entstellte und gefallene Schöpfung nicht fallen. Er fängt, neu an. Als er Abram berief, da machte er an einer Stelle den Neuanfang. Und darum ist diese Berufung Abrams eine Verheißung für die ganze Welt.

Wie hat doch Gott diesen Neuanfang herrlich weitergeführt in Jesus Christus! Und er wird ihn vollenden: „Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.“

 

 

Nun freut euch, lieben Christen gmein,

Und lasst uns fröhlich springen,

Dass wir getrost und all in ein

Mit Lust und Liebe singen,

Was Gott an uns gewendet hat

Und seine süße Wundertat;

Gar teur hat er's erworben.


12. Juni

 

Ich bin dein sehr großer Lohn.

1. Mose 15, 1

 

„Warum sind Sie denn aus Ihrer letzten Stellung weggelaufen?“ wurde ein junger Mann gefragt. „Ich habe zuwenig verdient“, war die Antwort.

Nun, man kann das verstehen. Wenn man sich mit seiner Arbeit quält, dann will man auch einen entsprechenden Lohn haben.

Es braucht ja nicht immer Geld zu sein. Es ist vielmehr so: An dem Lohn, den wir für unsere Lebensarbeit beanspruchen, wird unsere Herzensgesinnung offenbar. Wer immer nur Geld! Geld! will, der ist eben vom Gott „Mammon“ beherrscht. – Der Ruhmsüchtige will als Lohn für seine Anstrengungen die Anerkennung der Mit- und Nachwelt. So soll Alexander der Große gesagt haben: „O wie sauer lasse ich mir’s werden, dass man nur in Athen von mir spreche!“ – Dem Genusssüchtigen ist es der schönste Lohn seiner Arbeit, wenn er „was vorn Leben hat“.

So ist's: Wir offenbaren unser Herz, wenn wir sagen, was unser schönster Lohn ist.

Nun war da ein Mann namens Abram. Den hatte Gott aus seinem Vaterland, aus seiner Freundschaft und aus seinem Elternhaus herausgerufen. Und der war um Gottes willen ein einsamer, bedrängter Mann geworden.

Ihm sagt der Herr: „Sieh deinen Lohn an! Dein Lohn – bin ich!“

Ja, darüber lächelt ein moderner Mensch wohl verächtlich und sagt: „Das wäre mir zuwenig! Davon habe ich nichts Greifbares.“ Aber damit offenbart er nur sein eigenes ungeistliches Herz, das Gottes Herrlichkeit nicht kennt. Und so wird deutlich: Man muss neu, geistlich, wiedergeboren sein, um diesen Lohn zu begehren und sich an ihm zu freuen.

 

 

Du bist allein nur liebenswert,

Du Bräutigam der Seelen.

O selig, wer nur dein begehrt!

Wer könnt was Höhres wählen?

Nichts reicht an deiner Liebe Wert;

Du bist allein nur liebenswert.


13. Juni

 

Ich bin dein sehr großer Lohn.

1. Mose 15, 1

 

„Lohn“? – Steht da wirklich „Lohn“?

Ja, es steht da! Es steht da, dass Gott einen ganz unermesslich großen Lohn geben will – nämlich sich selbst.

Ja, aber „Lohn“?! Lohn hat doch nur der zu bekommen, der einem anderen etwas geleistet hat. Der Arbeiter, der auf dem Feld oder in der Fabrik gearbeitet hat, der bekommt seinen Lohn. Und wer nichts getan hat, der bekommt eben nichts. Das ist doch klar.

Und nun redet Gott von „Lohn“. Wem in aller Welt will er denn Lohn geben? Wer hat ihm denn etwas geleistet? Wer könnte denn vor Gott hintreten und Lohn fordern? „Wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass ihm werde wiedervergolten?“ (Römer 11, 35).

Ja, was könnten wir ihm überhaupt tun? Er braucht uns ja in keiner Weise. Gottfried Daniel Krummacher sagt: „Will ihm jemand ein Haus bauen wie David, dann sagt er: ‚Was soll das für eines sein, da die ganze Erde meiner Füße Schemel ist?' – Will jemand durch Psalter und Lieder Gott ein Vergnügen machen, dann heißt es: ,Tu von mir das Geplärr deiner Lieder!' – Will jemand Gott einen Dienst tun mit Beten, dann sagt er: ,Ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht.“`