Wilhelm
Busch
Der Herr ist mein Licht und
mein Heil
Tägliche Andachten
Dieser
Band, der seinen Titel „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ nach Psalm 27, 1
erhielt, bringt ausgewählte Andachten aus den bisherigen viel gelesenen
Andachtsbüchern „Licht vom unerschöpften Lichte“ und „Lass dein Heil uns
schauen“ von Pastor Wilhelm Busch.
In einem
Vorwort zu einem dieser alten Andachtsbücher sagt der Verfasser:
„Es ist doch wundervoll, dass in dieser
lauten Zeit überall Menschen sind, die ein paar Minuten still werden, um
nachzudenken über das herrliche Heil, das Gott in Jesus geschenkt hat. Es ist
wundervoll, dass überall Menschen sind, die sich nicht verlieren wollen in dem
Vielerlei, sondern die trachten nach dem ‚Einen, was Not tut“.
Ich grüße alle diese Leser und wünsche
ihnen, dass sie nicht meine, sondern die Stimme des Guten Hirten hören.“
1.
Januar
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt.
Psalm 121, 1
Wenn
unsere Väter eine Chronik schrieben, dann setzten sie vor die Jahreszahl ein „Anno
Domini“. Das heißt auf Deutsch: „Im Jahre des Herrn“. Sie nannten ihre Jahre „Gottesjahre“.
Nun bricht
das neue Gottesjahr an. Lasst uns dafür sorgen, dass es wirklich ein Gottesjahr
wird.
Das
Psalmwort spricht von unseren Augen. Ja, wohin sind unsere Augen gerichtet beim
Beginn des neuen Jahres?
Der
Weltmensch schaut ängstlich oder trotzig in das Dunkel, das seinen Weg
verhüllt. Da sind die Augen nach vorwärts gerichtet.
Und dann sind da die Alten. Deren Augen schauen zurück. Sie kramen in
Erinnerungen. Und sie sind sehr einsam darin.
Was tun
unsere Augen? „Ich hebe meine Augen auf.“
Die
Christen schauen aufwärts, zu ewigen Höhen. Sie richten ihren Blick auf den,
der in Jesus ihr lieber, gnädiger Vater ist.
In diesem
Psalmwort ist alles gesagt, was über das neue Jahr zu sagen ist. Da kommt das
Wörtlein „Hilfe“ vor. Oh gewiss, so wird es sein, dass wir Hilfe brauchen. Es
wird gehen „durch Angst und Plagen“, durch Anfechtung, Not und Versuchung.
Aber das
andere ist eben auch da, dass wir unsere Augen aufheben dürfen zu dem Herrn.
Und ob wir das tun, davon hängt es ab, ob das neue Jahr für uns ein „Gottesjahr“
wird.
Wir
gehn dahin und wandern
Von
einem Jahr zum andern,
Wir
leben und gedeihen
Vom
alten bis zum neuen
Durch
so viel Angst und Plagen,
durch
Zittern und durch Zagen,
durch
Krieg und große Schrecken,
Die
alle Welt bedecken.
Gelobt
sei deine Treue,
Die
alle Morgen neue,
Lob
sei den starken Händen,
Die
alles Herzleid wenden.
2.
Januar
Ich will den Herrn loben, solange Ich lebe.
Psalm 146, 2
Nun will
ich euch erzählen, wie ich die ersten 10 Minuten des neuen Jahres zubringe. Ich
könnte mir nämlich denken, dass die ersten 10 Minuten für das ganze Jahr
entscheidend sind.
Der
Kirchenvater Augustin hat gesagt: „Die erste Morgenstunde ist das Ruder des
Tages.“ Er meinte: Wie wir die erste Morgenstunde zubringen, das bestimmt den
ganzen Tag.
Nun, dann
ist vielleicht die erste Viertelstunde das Ruder des neuen Jahres. Und darum
also will ich euch erzählen, wie ich das neue Jahr anfange.
Da habe
ich mit einer großen Schar junger Leute eine stille und feine Silvesterfeier
gehabt. Wenn es
Schnell
haben die Posaunenbläser sich aufgebaut. Und dann singen und blasen wir: „Großer
Gott, wir loben dich …“
Dies Lob
Gottes in den ersten 10 Minuten ist herrlich, ja überwältigend! Ringsum, wo
Geschrei und Feuerwerk war, wird’s auf einmal still. Die Leute hören zu.
Und ich
muss denken: „So möchte ich das neue Jahr leben: erfüllt mit dem Lobe Gottes!
So mitreißend, dass es alles hässliche Lärmen der Weit übertönt!“
„Dunkel
liegt das neue Jahr vor uns.“ So fangen doch alle Neujahrs-Zeitungsartikel an.
Und jedem leuchtet das ein.
Aber es
ist nicht wahr! Uns jedenfalls gilt das nicht! Hell liegt das neue Jahr vor
uns. Wir haben einen Herrn, den man immer loben kann. Und ihm vertrauen wir
unser Leben an.
Großer
Gott, wir loben dich!
Herr,
wir preisen deine Stärke!
Vor
dir neigt die Erde sich
Und
bewundert deine Werke.
Wie
du warst vor aller Zeit,
So
bleibst du in Ewigkeit.
3.
Januar
Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren
vor dem Argen.
2. Thessalonicher 3, 3
Woher weiß
denn eigentlich der Paulus das so gewiss?
Wenn wir
ihn fragen könnten, würde er uns antworten: „Das wissen wir aus der Erfahrung der Gemeinde.“
Ein
reicher Kaufmann rühmte sich einmal voll Stolz: „Unsere Firma ist alt. Darum
hat sie ihre festen Erfahrungen.“
So kann
die Gemeinde Jesu Christi auch sagen.
„Jawohl,
der Herr ist treu; er hat uns gestärkt,
dass wir einhergingen in der Kraft des Herrn, Herrn“, rühmt ein mächtiger Chor
von Zeugen Gottes in der Bibel. Da ist der junge David, der ganz allein mit der
Schleuder dem furchtbaren Riesen Goliath entgegentritt. Da ist der Prophet
Elia, der als einziger auf dem Berge Karmel gegen Volk und König steht und den
lebendigen Gott durch Wort und Tat bezeugt. Da ist der Prophet Jeremia. Als
Gott ihn beruft, erschrickt er. Aber der Herr verheißt: „Fürchte dich nicht vor
ihnen, denn ich bin bei dir und will dich erretten.“
Auch in
der Bewahrung durch die Treue ihres
Herrn hat die Gemeinde reiche Erfahrung. Eine Welt ging unter in der Sintflut.
Aber der Herr verstand es, seinen Knecht Noah hindurchzuretten. Sodom und
Gomorra gingen im Feuer unter. Aber der Herr rettete seinen Knecht Lot aus dem
Untergang. Ägyptenland verlor in seinem Reichtum alle Zucht und Scham. Aber der
Herr bewahrte den jungen Joseph vor der Sünde.
Unser
Textwort spricht die reiche Erfahrung der Gemeinde Jesu Christi zu allen Zeiten
aus. Die Treue unseres Herrn hat sich tausendfach bewährt. „Sollt ich sein der
Erste, der zu Schanden ward?“
Unter
deinem Schirmen
Bin
ich vor den Stürmen
Aller
Feinde frei.
Lass
von Ungewittern
Rings
die Welt erzittern,
Mir
steht Jesus bei.
Ob's
mit Macht
gleich
blitzt und kracht,
obgleich
Sünd und Hölle schrecken,
Jesus
will mich decken.
4.
Januar
…auf dass er erscheine denen, die da sitzen in
Finsternis und Schatten des Todes.
Lukas 1, 79
Es war
einmal ein hässlicher Mensch. Der war aber sehr eitel und ließ sich oft
photographieren. Doch jedes Mal, wenn er das hässliche Bild sah, war er sehr
unzufrieden und sagte: „Der Photograph kann nichts!“
So geht's
den Menschen mit der Bibel. Sie zeigt dem natürlichen Menschen sein Bild. Ein
erschütterndes Bild! Darum mag er das Bild nicht.
Auch in
unserem Text ist ein Bild des Menschen ohne Christus dargestellt.
Wir
richten unser Augenmerk auf das Wörtlein „sitzen“. „Er sitzt“ – damit
bezeichnen wir im Deutschen die Lage eines Gefangenen. Ja, der Mensch ohne Erlösung
„sitzt“. Er sitzt „in Finsternis und Schatten des Todes“.
Der
Gefangene ist ohnmächtig. Er kann sich nicht selbst befreien. Ihm muss
aufgeschlossen werden. So sitzt der natürliche Mensch „in Finsternis und
Schatten des Todes“. Er kann sich selber kein Licht geben. Er kann sich nicht
selbst Frieden geben. Er kann nicht selbst dem Todesschatten entrinnen.
O selig,
wem der erscheint, der aufschließen kann und will: der Herr Jesus!
Das
Wörtlein „sitzen“ hat aber noch einen anderen Sinn. Der Großpapa „sitzt“ am
warmen Ofen. Der müde Spaziergänger „sitzt“ auf der Bank. Wer „sitzt“, der hat
sich's bequem gemacht. Der ruht. Ein Krieger in der Schlacht sitzt nicht.
Nun „sitzt“
der Mensch „in Finsternis und Schatten des Todes“. Das ist das Furchtbare: Er
hat sich's darin bequem gemacht. Er ist darin sicher und zufrieden. Er schläft
in sein Verderben hinein.
Wie eine
Fanfare ist Gottes Wort, wenn es ruft: „Stehe auf, der du schläfst, so wird
dich Christus erleuchten!“
Erneure
mich, o ewges Licht,
Und
lass von deinem Angesicht
mein
Herz und Seel mit deinem Schein
durchleuchtet
und erfüllet sein.
5.
Januar
Trübsal bringt Geduld; Geduld aber bringt
Erfahrung; Erfahrung aber bringt Hoffnung; Hoffnung aber lässt nicht zu
Schanden werden. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz.
Römer 5, 3-5
Von Natur
sind wir nicht geduldig. Und weil wir so ungeduldig sind, können wir keine
Erfahrungen mit unserem Gott machen. Die macht man nämlich in der Stille. Wir
ungeduldigen Leute aber laufen Gott immer weg.
Weil der
Herr es jedoch gut mit uns meint, hält er uns fest. Das Mittel, durch das er
uns festhält, ist Trübsal.
Wenn der
Herr uns in die Trübsal stellt, schlagen wir zuerst aus wie ein wildes Pferd.
Aber Gott hält uns in der Trübsal fest, bis wir stille werden. „Trübsal bringt
Geduld.“
Wenn das
Herz still geworden ist und – vielleicht voll Angst, Not und Furcht – auf den
harten Herrn schaut, der es in die Trübsal stellt, dann „bringt die Geduld
Erfahrung“.
Da tut
Gott sein Herz auf und zeigt der erschrockenen Seele seine Liebe, seine
Barmherzigkeit, sein Heil in Jesus. Das sind selige Erfahrungen.
Und aus
solchen Erfahrungen lernt das Herz die Trübsal gering achten. Es lernt: Es geht
dem Herrn nicht um die Trübsal, sondern um mein Heil. Die Trübsal ist nur ein
vorübergehendes „Mittel zum Zweck“. Ja, sie geht vorüber.
So kommt
aus der Erfahrung der Liebe Gottes die Hoffnung. Das ist aber keine trügerische
Scheinhoffnung. Denn sie gründet sich ja auf die Liebe Gottes, die am Kreuze
offenbar wurde und in unser Herz ausgegossen ist: Er wird's gut zu Ende bringen
mit mir und mit seiner Gemeinde.
Selige
Stufenleiter! Von Segen zu Segen!
Wunderanfang,
herrlich Ende,
wo
die wunderweisen Hände
Gottes
führen ein und aus.
Wunderweislich
ist sein Raten,
Wunderherrlich
seine Taten,
Und
du sprichst: Wo will’s hinaus?
6.
Januar
Ich habe dich auch zum Licht der Heiden
gemacht, dass du seist mein Heil bis an der Welt
Ende.
Jesaja 49, 6
In einem
Buch, in dem die Geschichte der deutschen Missionen dargestellt wird, steht
ganz am Anfang ein Abschnitt über die Entstehung der Mission. Da wird ganz
köstlich berichtet, wie Gott dem Grafen Zinzendorf keine Ruhe ließ über der Not
und Finsternis der Heiden. Und nun ordnet er Brüder als Missionare ab. Die
ziehen los, ohne Sprachkenntnis, ohne Geld, ohne Kenntnis des Reiseweges.
Streiter Jesu Christi!
Und doch –
wenn wir die Anfänge der Mission feststellen wollen, müssen wir weiter
zurückgehen, vor diese merkwürdigen und kühnen Männer.
Wo liegt
der Ursprung der Mission?
Unser
Bibelwort sagt es: im Herzen Gottes selbst. Der Vater sagt in der Ewigkeit zum
Sohne: „Ich habe dich zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist
mein Heil bis an das Ende der Welt.“
Das muss
nun aber ein herrliches, wunderbares und großes Werk sein, das seinen Ursprung
im Herzen Gottes hat. Und darum ist die Mission das eigentliche Werk der Gemeinde.
Es ist einfach nicht möglich, dass ein Kind Gottes das Missionswerk nicht als
seine eigene Sache und Ehre ansähe.
Weil die
Mission ihren Ursprung im Herzen Gottes hat, darum ist sie auch frei von
Wohlwollen oder Missfallen der Welt. Es wird sich allerdings meist um Missfallen
handeln. Denn wie sollte eine gottlose Welt Wohlgefallen haben an dem, was aus
dem Herzen Gottes kommt!
Um ihres
Ursprungs willen hat die Mission so große Verheißungen. Und wer hier mithilft
und mitbetet, der läuft so recht in den Bahnen Gottes.
Ach
lass dein Wort recht schnelle laufen;
Es
sei kein Ort ohn dessen Glanz und Schein.
Ach
führe bald dadurch mit Haufen
Der
Heiden Füll zu allen Toren ein.
Ja,
wecke doch auch Israel bald auf
Und
also segne deines Wortes Lauf.
7.
Januar
Gehet hin in alle Welt …
Markus 16, 15
Als ich
noch zur Schule ging, führte mich mein Schulweg an dem Verwaltungsgebäude einer
großen Firma vorüber, die in allen Erdteilen ihre Ingenieure hatte. über diesem
Gebäude standen, in Stein gehauen, ein Europäer, ein Indianer, ein Neger, ein Asiate und ein Australier. Und darüber die stolzen Worte: „Die
Welt ist mein Feld.“
Das Wort
hat damals dem kleinen Jungen mächtig imponiert. „Die Welt ist mein Feld.“
Welcher Stolz spricht aus diesem Wort des wagenden Kaufmannes und Technikers!
„Die Welt
ist mein Feld“, so sagen erst recht wir Jünger Jesu. Seitdem der Herr Jesus auf
dem Berge der Himmelfahrt seinen Jüngern den Befehl gab: „Gehet hin in alle
Welt und predigt das Evangelium“, seitdem muss es in der Gemeinde Jesu heißen: „Die
Welt ist mein Feld.“
Es ist im
Laufe der Zeiten je und dann so gewesen, dass der Blick, der Gemeinde sich
verengte. Eigene Nöte, Sorgen und Kämpfe nahmen sie gefangen, dass sie ihre
Welt-Aufgabe nicht mehr sah. Aber dann hat der Herr immer selbst wieder
eingegriffen und den Missionsgeist neu erweckt. Da war es, als schrecke die
gläubige Gemeinde aus dem Schlaf auf, dass sie wieder hörte das Wort und den
Befehl ihres Herrn: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium.“
„Die Welt
ist mein Feld.“ Jünger Jesu – heraus aus den Unterständen! Reibt euch die
Augen! Schaut euch um! In allen Erdteilen wehen die Kreuzesfahnen unseres
Königs. Überall sind heiße Schlachten im Gange zwischen Licht und Finsternis.
Auf vielen Straßen ziehen die Boten unseres Heilandes.
Es ist
unsere Sache! Wir sind gerufen teilzunehmen. Es geht uns an! Wir dürfen
mithelfen zu beten, zu kämpfen und – zu lieben.
O, dass doch bald dein Feuer brennte,
O möcht
es doch in alle Lande gehn.
Ach
Herr, gib doch in deine Ernte
Viel
Knechte, die in treuer Arbeit stehn.
O Herr
der Ernte, siehe doch darein:
Die
Ernt' ist groß, die Zahl der Knechte klein.
8.
Januar
Das war das wahrhaftige Licht, welches alle
Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Johannes 1, 9
Seltsames
Wort! Ist das denn wahr?
Es ist
doch nur die „kleine Herde“, die sich von dem Licht erleuchten lässt.
Wie kann
Johannes schreiben, Jesus sei das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet?
An diesem
Wort aber geht uns – wenn wir es fassen – gerade das Heil recht auf. Dies Wort
sagt uns: Das Heil ist da! Ganz abgesehen von unserem Glauben oder Unglauben,
von unserem Gehorsam oder unserer Sünde ist das Heil für alle Menschen da.
Wie die
Sonne aufgeht, so ist „der Aufgang aus der Höhe“ gekommen. Ja, wie die Sonne
aufgeht! Sie scheint über alle und „erleuchtet alle“. Nun können natürlich
Eulen sich verkriechen und Menschen, die das Dunkel lieben, die Läden zumachen.
Ja, wenn einer ganz närrisch ist, kann er sogar behaupten, der Sonnenschein sei
nur Einbildung. Wer will den Narren daran hindern?
Die Sonne
nicht. Sie widerlegt Eulen und Finsterlinge und Narren einfach, indem sie
scheint und leuchtet und strahlt.
So ist es
mit Jesus. Das ist allerdings das Unheimliche und Furchtbare, das es so viel
Eulen, Finsterlinge und Narren gibt, dass „die Menschen die Finsternis mehr
lieben als das Licht“.
Aber das
Licht ist da. Es feuchtet für alle. Es ist strahlend aufgegangen in der Krippe,
es ist hell geworden auf Golgatha und leuchtet seit der Auferstehung in lebenschaffendem, herrlichem Glanz.
Lasst uns
doch im Licht wandeln!
Dunkelheit
die musste weichen,
Als
dies Licht kam in die Welt,
Dem
kein andres zu vergleichen,
Weiches
alle Ding erhellt.
Die
nach diesem Glanze sehen,
Dürfen
nicht im Finstern gehen.
9.
Januar
So ich im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht.
Micha 7, 8
Welch eine
Paradoxie! Welch ein unmöglicher Gegensatz! Die Vernunft sagt: „Wie kann ich im
Finstern sitzen und doch ‚Licht’ haben?“
Es ist
schon so, dass der Verstand des unerleuchteten Menschen dies Wort nie begreifen
kann.
Und doch:
Es spricht die tiefste, seligste Erfahrung des Christenstandes aus.
„Wenn ich
im Finstern sitze …“ – ja, das wird immer mehr der Platz derer, die Gott zum
ewigen Leben erwählt hat. Ob sich auch das Herz entsetzt – es geht hinein ins
Dunkel. Liebgewordene Pläne zerschlagen sich. Menschen bekommen Gewalt, uns
Herzeleid anzutun. Der Tod nimmt uns die, ohne die wir fast nicht leben zu
können glauben. Krankheit lähmt unser Schaffen.
Ach! Wenn
das alles wäre! Es gibt ein viel, viel tieferes Dunkel. Das ist die Finsternis
der Gerichtswolke Gottes. Unser Gewissen will nicht mehr schweigen. Wir schauen
zurück auf unseren Weg, suchen etwas Gutes, was uns helfen, uns decken könnte.
Aber da sind nur Versäumnisse, Schulden, Verfehltes. Alle unsere Sünden gehen
über unser Haupt.
In dies
Dunkel führt Gott die, die er retten will. – Die er retten will? Muss es nicht
heißen: die er verderben will? – Nein, die er retten will! „…ist doch der Herr
mein Licht.“ Denn hier in der Finsternis wartet Jesus auf uns, das Licht der
Welt, voller Gnade, der Erbarmer, der Heiland.
„So ich im
Finstern sitze …“ – es wird immer dunkler bis zum Ende – „so ist doch der Herr
mein Licht.“ Lasst uns um des herrlichen Lichtes willen getrost ins Dunkle
gehen und darin bleiben!
Ach,
mein Herr Jesus, dein Nahesein
Bringt
großen Frieden ins Herz hinein;
Und
dein Gnadenanblick macht uns so selig,
Dass
Leib und Seele darüber fröhlich
Und
dankbar wird.
10.
Januar
Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.
Jesaja 60, 1
In einem
großen Krankenhaus lagen zwei junge Männer. Als ich an das Bett des einen trat,
sagte der: „Bei der Arbeit wurde mir die Wirbelsäule verletzt. Wenigstens zwei
Jahre muss ich so liegen.“ Der andere murmelte: „Es ist vom Krieg. Völlig
aussichtslos!“
Ich stand
erschüttert: Zwei junge Männer, die schaffen und leben wollen – Opfer der
Arbeit und des Krieges. Mir blieb das Wort in der Kehle stecken.
Da fiel
mein Blick auf den Nachttisch. Darauf hatte die Schwester ein Kärtlein gestellt mit dem Wort: „Die Herrlichkeit des Herrn
geht auf über dir.“ Ich konnte nur stumm auf dies Kärtlein
zeigen. Da meinte einer: „Ja, wenn man das liest, dann gehen einem die Augen
über.“
Gehen auch
uns die Augen über?
Ich treffe
einen Bekannten. „Wie geht es?“ – „Ach, schlecht! Mir geht alles schief.“ – „Ja,
es ist ein mühseliges Leben …“ Und dann klagen wir uns unser Leid, schelten
über die bösen Zeiten. Schließlich verabschiede ich mich. Wir geben uns die
Hand. Und – da – in diesem Augenblick – fällt mir das Kärtchen aus dem
Krankenhaus ein – auf der Straße – im Regen – bei verdrießlicher Laune! Und ich
muss sagen – es fährt mir so heraus: „Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über
uns!“
Betroffen
sieht er mich an. „Ja, das ist …“ Nachdenklich geht er fort. In mir aber ist es
auf einmal hell geworden.
Ja: Die
Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir und deinem grauen Alltag!
Ihr
Armen und Elenden
Zu
dieser bösen Zeit,
Die
ihr an allen Enden
Müsst
haben Angst und Leid:
Seid
dennoch wohlgemut,
Lasst
eure Lieder klingen,
Dem
König Lob zu singen,
Der
ist euer höchstes Gut.
11.
Januar
Ich will die Finsternis vor Ihnen her zum Licht machen.
Jesaja 42, 16
Auf den
ersten Blick scheint das ein sehr tröstliches Wort zu
sein. Aber bei näherem Zusehen entdecken wir: Da sagt unser Herr etwas, was
unserer alten Natur ganz und gar nicht gefällt.
Wir
Menschen haben gern übersichtliche Verhältnisse. Wir geben uns viel Mühe, unser
Leben auf ferne Tage hinaus zu sichern. Als ich einem arbeitslosen Jungen eine
Stelle bei einem Bauern vermitteln wollte, sagte er vorwurfsvoll: „Und was soll
da im Alter aus mir werden?“ Der Junge war 15 Jahre alt!
So sind
wir! Wir wollen Pläne auf lange Sicht machen. Wir wollen unsern Weg auf eine
weite Strecke hin übersehen.
Und hier
sagt uns nun der Herr, dass er es anders mit uns vorhat. Er will seine Kinder
ins Dunkel führen. Da will er sie wohl nicht verlassen. Er wird ihnen für jeden
Tag Licht geben. Aber – und das ist wieder hart! – eben nur für einen Tag und
einen Schritt: „Ich will das Dunkel vor ihnen her zum Licht machen.“
„Vor ihnen
her“! Der Herr Jesus hat das einmal so ausgedrückt: „Sorget nicht für den
anderen Morgen. Es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“
Da sieht man nicht den ganzen Weg; aber man hat Licht genug, um weiterzugehen.
Es gibt
ein schönes Bild von Rudolf Schäfer: Ein Mann wandert durch die Nacht. Und vor
ihm geht ein gewaltiger Engel Gottes. Der trägt eine Laterne. Und in diesem
Licht geht nun der Mann. Er hat Licht nur für einen einzigen Schritt.
So wandern
Kinder Gottes. Sehr zaghaft! Und doch – sehr sicher! Denn sie wissen: Auch für
morgen ist wieder Licht da. Und am Ende – am Ziel – wird es ganz hell sein.
Weiß
ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl,
Das
macht die Seele still und friedevoll.
Ist's
doch umsonst, dass ich mich sorgend müh,
Dass
ängstlich schlägt mein Herz, sei's spät, sei's früh.
12.
Januar
Das Licht scheint in der Finsternis.
Johannes 1, 5
Ein
schreckliches Geheimnis muss ich euch sagen. Um es zu verstehen, wollen wir
etwas ausholen: Unser Bibelwort ist nur die erste Hälfte eines Satzes. Diese
erste Hälfte ist lieblich und schön. Aber die zweite Hälfte ist schrecklich.
Der ganze Satz heißt so:
„Das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's nicht begriffen.“
Diese
zweite Satzhälfte rollt gleichsam einen Vorhang auf, und wir sehen die
Menschenwelt, wie sie wirklich ist: dumpf, blind für Gottes Gnade, stumpf gegen
Gott!
„Das Licht
scheint in der Finsternis …“ Sooft ich dies Wort höre, meine ich, man könne ihm
auch eine andere Fortsetzung geben. Und diese ist das schreckliche Geheimnis:
Das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's – ganz genau
begriffen.
So, da ist
jetzt von uns und unserer geheimsten Not die Rede. Jetzt ist die Rede von der
zähen Finsternis in Herzen, die das Evangelium wohl kennen; von Herzen, die
gern selig werden möchten; aber …!
Das ist
die Anfechtung der Christen: dass sie das Licht kennen und lieben, aber doch
immer wieder magisch angezogen werden von dem lockenden Geheimnis der
Finsternis.
Ja, ist
das nicht eigentlich das Geheimnis Satans? Er weiß, dass in keinem andern Heil
ist als in Jesus. Er kennt das Licht und – bleibt doch Finsternis.
Und so ist
die Finsternis in Christenherzen. Sie weiß, dass sie mit Jesus an das Kreuz
muss; sie weiß, dass das Licht scheint – und gerade darum versucht sie, noch
einmal in uns alle Macht zu gewinnen.
Gott muss
seine ganze Macht einsetzen, damit ein Mensch selig wird.
Dein'
Erscheinung müss erfüllen
Mein
Gemüt in aller Not.
Dein'
Erscheinung müsse stillen
Meine
Seel auch gar im Tod.
Herr,
in Freuden und im Weinen
Müsse
mir dein Licht erscheinen.
13.
Januar
Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.
Jesaja 8, 23
„Die in
Angst sind“.
Wer ist
denn damit gemeint?
Der
dänische Philosoph Sören Kierkegaard erzählte eine seltsame Geschichte von
einem Vater und seinem Sohn:
„Ein paar
Mal geschah es, dass der Vater mit sorgenvollem Gesicht betrachtend stand und
sagte: Armes Kind, du gehst in einer stillen Verzweiflung! – Und als der Vater
gestorben und der Sohn erwachsen war, da vernahm er in seiner Einsamkeit des
Vaters Stimme und dieselben Worte. Denn der Vater war ja der einzige, der ihn
verstanden hatte …“
Wer diese
Geschichte nachdenklich liest, der wird sofort sagen: Das ist ja meine
Geschichte.
Und so ist
es.
Nun wissen
wir auch, wer gemeint ist mit dem Wort: „… die in Angst sind.“ Wir sind gemeint.
Dann aber
sind auch wir gemeint mit der Verheißung: „Es wird nicht dunkel bleiben.“
Wir müssen
darauf achten, dass hier nicht steht: „Sie werden nicht im Dunkeln bleiben.“
Nein! Das wird nicht gesagt. Es kann sehr wohl sein, dass wir mit all unserer
heimlichen Verzweiflung doch im Dunkeln bleiben. Das aber liegt dann an uns und
nicht an Gott.
Denn der
will uns aus der stillen Verzweiflung und aller Angst herausretten. „Es wird
nicht dunkel bleiben über denen, die
in Angst sind.“
Gott lässt
ein helles, tröstliches, wunderbares Licht über allen aufgehen. Die Engel haben
gejauchzt, als dies Licht in die Welt kam. Damit keiner im Zweifel bliebe, was
mit diesem lieben Licht gemeint ist, hat der Herr Jesus deutlich gesagt: „Ich
bin das Licht der Weit.“ Er macht aller stillen und aller lauten Verzweiflung
ein Ende.
Ein
Arzt ist uns gegeben,
Der
selber ist das Leben:
Christus,
für uns gestorben,
Der
hat das Heil erworben.
14.
Januar
Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.
Jesaja 8, 23
Die
Psychologie (Seelenkunde) geht von der Voraussetzung aus: Was man vom Menschen
wahrnimmt, ist nur die Fassade. Dahinter kommt erst das Eigentliche. Hinter dem
Äußeren sieht es ganz anders aus.
Als die
Psychologie nun anfing, den Menschen hinter der Fassade zu studieren, entdeckte
sie immer neue Abgründe.
Und im
allerletzten Abgrund der Seele – da sitzt die Angst.
Es ist wie
in einer der Höhlen auf der Schwäbischen Alb. Wenn man da hineingeht, findet
man herrliche Grotten und seltsame Gänge. Aber immerzu wird man begleitet von
einem unheimlichen Rauschen. Irgendwo in den Tiefen ist ein verborgener Fluss.
Es hat ihn noch keiner gesehen. Aber man hört sein Rauschen.
So
rauschen tief in unserer Seele die Ströme der Angst.
Die Bibel
erzählt von einem König Saul. Wir sehen ihn gewappnet inmitten seiner
Kriegerscharen. Wer könnte auf den Gedanken kommen, dass bei ihm in der Tiefe
die Angstströme rauschen?
Aber in
der Nacht vor dem Kampf schleicht er verkleidet zu einer Wahrsagerin, zu der
Hexe von Endor. Dieser furchtgepeinigte Mann - das
ist der wirkliche Mensch!
Und in
diese Menschenwelt hinein klingt nun die Verheißung Gottes: „Es wird nicht
dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.“
Ein Licht
geht auf. Die Angst muss weichen bei denen, die in dies Licht kommen. Das Licht
heißt: Jesus!
Aber
wie hervorgegangen
Ist
der Aufgang aus der Höh,
Haben
wir das Licht empfangen,
Welches
so viel Angst und Weh
Aus
der Welt hinweggetrieben,
Dass
nichts Dunkles überblieben.
15.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter Ihren Flügeln; und Ihr
sollt … hüpfen wie die Mastkälber.
Maleachi 3, 20
Es ist mir
unvergesslich, wie ich als Junge in meiner Heimatstadt Frankfurt zum ersten Mal
das Gemälde eines expressionistischen Malers sah. Es war ein tolles Bild: in
wildem Durcheinander eine Geige, ein halbes Gesicht, ein Weinglas, ein
Kirchturm, ein grünes Band …
Ich stand
mit meinen Freunden davor. „Verrückt!“ meinte einer lachend. „Da ist etwas
explodiert!“ rief ein anderer.
„Jawohl!“
erwiderte ruhig einer, der etwas von der Sache begriff, „die Fülle der Gedanken
ist dem Künstler explodiert!“
An diese
Geschichte muss ich denken bei dem heutigen Text. Ist dies Bibelwort nicht wie
so ein modernes Gemälde? Da sehen wir die Sonne mit Flügeln! Es ist die Rede
von Mastkälbern und von Menschen, die Furcht haben, aber vor Freude hüpfen! Und
das alles in einem Satz!
Es ist ein
gewaltiges Wort. In Bildern will es zu uns sprechen. Und doch sprengt der
Inhalt jedes Bild.
Zunächst
bleibt gar nichts anderes übrig, als dass man einmal den Gesamteindruck dieses
Wortes aufnimmt: „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die
Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln; und ihr sollt hüpfen wie
die Mastkälber.“
Da wird
doch eins deutlich: Den Leuten, die Gott ernst nehmen, soll etwas widerfahren,
was ihr Leben dem Alltag entreißt und sie in überschwänglicher Weise beschenkt
und fröhlich macht. Christenstand ist nicht eine kleine religiöse Verbrämung
des Alltags, ist nicht ein dünner Trost für solche, die sonst nichts haben.
Christenstand ist vielmehr unbändige Freude, neue Existenz, Leben in Kraft!
Wohlauf,
mein Herze, sing und spring
Und
habe guten Mut!
Dein
Gott, der Ursprung aller Ding,
Ist
selbst und bleibt dein Gut.
16.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.
Maleachi 3, 20
Es gibt
mancherlei Arten, die Menschen einzuteilen. Etwa in Kapitalisten und
Ausgebeutete. Oder in Gebildete und Ungebildete - Männer und Frauen -- Alte und
Junge.
Nun, das
sind menschliche Einteilungen. Gott teilt anders ein.
Wenn man
eine Umfrage anstellen wollte, wie wohl Gott die Menschen einteile, dann würden
gewiss die meisten antworten: In Gute und Böse. Oder es hieße: In Christen und
Heiden.
Aber die
Bibel setzt uns immer wieder in Erstaunen. Die göttliche Einteilung ist ganz
anders. Sie entscheidet: Es gibt solche, die Gottes Namen fürchten - und alle
andern!
Von dem
heidnischen römischen Hauptmann Cornelius sagt Gott im 10. Kapitel der
Apostelgeschichte, er sei ihm angenehm, weil er Gott fürchte. Das war ein
Heide. Von der Kirche aber im Alten Bund klagen die Propheten, dass „keine
Furcht Gottes im Lande“ sei. Wie ist es wohl bei uns?
„Euch
aber, die ihr meinen Namen fürchtet ...“ Mit diesem Wort nimmt Gott die kleine
Schar, die ihn fürchtet, an sein Herz und erklärt sie zu seinem Liebling. Ja,
zu seinen Erwählten, für die er eine ganz besondere Freude bereitgestellt
habe: „ ...euch soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.“
Da ist der
Sohn Gottes, der Herr Jesus, der Heiland gemeint.
Ja, er ist
so recht der Heiland für die, welche Gott fürchten. Sie wissen sich als
Schuldige: Er bringt Vergebung der Sünden. Sie wissen, dass keine Kraft zum
Guten in ihnen ist: „Er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit,
zur Heiligung und zur Erlösung.“
Jesu,
reines Licht der Seele,
Du
vertreibst die Finsternis,
Die
in dieser Sündenhöhle
Unsern
Tritt macht ungewiss,
Jesu,
deine Lieb und Segen
Leuchten
uns auf unsern Wegen.
17.
Januar
Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter ihren Flügeln.
Maleachi 3, 20
Es war im
Krieg. Kurz nach einem schrecklichen Fliegerangriff kam ich in einen
Häuserblock, der zu meiner Freude völlig unversehrt war. Umso mehr war ich
erstaunt, als ich merkte: Die Häuser sind ja alle verlassen und geräumt. Nur ab
und zu sah ich einzelne Menschen eiligst in eines der Häuser rennen und irgendetwas
herausholen.
Endlich
erwischte ich einen Mann: „Was ist denn hier los?“ Er erklärte mir: „Dort im
Hof liegt eine Bombe mit Zeitzünder!“ Ja, dort lag das unheimliche Ding. Und – nun
musste ich doch lachen – ein Haufen Spatzen spielte munter rings um die Bombe. „Die
sind aber mutig!“ sagte ich. „Nein! Dumm!“ erwiderte der Mann.
Nun möge
man mir dies unpassende Bild verzeihen. Aber es zeigt, um was es geht:
Gott ist
viel gefährlicher als eine Bombe mit Zeitzünder. In der Bibel steht: „Wo er
zerbricht, da hilft kein Bauen.“ Und: „Schrecklich ist's, in die Hände des
lebendigen Gottes zu fallen.“
Und wenn
wir ihn nicht fürchten, sind wir – dümmer als die Spatzen. Furchtlosigkeit kann
nämlich auch Dummheit sein.
Ich hörte
von zwei Menschen, die miteinander vor der Schwelle einer schweren Sünde
standen. Da sagte auf einmal der eine: „Ich kann nicht! Ich habe Angst vor
Gott!“ Es mag manchem erstaunlich klingen – aber es war so –, dass der andere
antwortete: „Ich beneide dich!“ Dies Menschenkind begriff: Gott nicht fürchten
– das ist grauenvoller Seelentod.
Wo man
aber Gott fürchtet, da erkennt man die Sonne Jesus und findet das „Heil“ unter
seinen Flügeln.
Furcht
muss man vor Gott stets tragen,
Denn
er kann mit Leib und See!
Uns
zur Hölle niederschlagen;
Er
ist’s, der des Geistes Öl
Und,
nachdem es ihm beliebt,
Wollen
und Vollbringen gibt.
O
so lasst uns zu ihm gehen,
Ihn
um Gnade anzuflehen.
18.
Januar
Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.
Maleachi 3, 20
„Sonne der
Gerechtigkeit“!
Was soll
denn das bedeuten?
„Sonne“ – ja,
das verstehen wir ohne weiteres. Die Gegenwart des Herrn ist hell, freundlich, lebenspendend.
Aber – „Sonne
der Gerechtigkeit“? Was will das sagen?
Wenn wir
von „Gerechtigkeit“ reden, denken wir meist an die Gerechtigkeit, die ein
Richter ausübt. Auch in diesem Sinne spricht die Bibel von Gerechtigkeit: „Gott
ist ein gerechter Richter.“ Darauf können wir uns verlassen!
Aber viel
häufiger ist in der Bibel die Rede von der Gerechtigkeit, die der Angeklagte
hat – oder vielmehr haben sollte.
Wenn kein
Mensch und kein Gesetz einen Vorwurf gegen mich erheben könnten, so wäre ich
vor Menschen gerecht. Nun male ich mir einmal aus, es
kämen alle Menschen zusammen, die mich kennen. Und jeder würde gefragt, ob er
etwas gegen mich vorzubringen wüsste. Das gäbe ein Anklagen!
Da wird
uns klar: Die Gerechtigkeit vor Menschen fehlt uns.
Und gar
die „Gerechtigkeit vor Gott“! Wir fühlen es ganz deutlich, wie sehr die uns
fehlt.
Nun ist
Jesus die „Sonne der Gerechtigkeit“. Das bedeutet: die Fülle der Gerechtigkeit.
Weder Menschen noch Gott können an ihm etwas Böses finden. Keiner kann etwas
gegen ihn vorbringen.
Ja – wie
die Sonne mit ihren Strahlen das Dunkle erhellt, so kann Jesus von seiner
Gerechtigkeit abgeben. Am Kreuz hat er eine solche Fülle von Gerechtigkeit
erworben, dass er für alle Sünder genug hat. Paulus sagt jubelnd: „Wer will
verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist.“
Ach
sinke du vor seinem Glanz
In
tiefste Demut ein
Und
lass dein Herz erleuchten ganz
Von
solchem Freudenschein!
19.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Hell unter Ihren Flügeln.
Maleachi 3, 20
Das gehört
zu den unbegreiflichen und wunderbaren Dingen in dieser Welt, wie deutlich die
Propheten des Alten Bundes durch den Heiligen Geist den Herrn Jesus gesehen haben.
Ihren
Zeitgenossen müssen die Verheißungen sehr unverständlich gewesen sein. Uns aber
geben sie viel Licht.
Hier wird
Jesus eine Sonne genannt. Ja, eine strahlende, sieghafte Sonne, die über aller
Welt aufgeht.
Aber – so
sagt der Prophet – diese Sonne hat Flügel. Und unter diesen Flügeln ist das
Beste verborgen, so dass nur wenige es finden.
So ist
Jesus! Er ist offenbar und sehr heimlich zugleich.
Eine Sonne
ist er! Er selbst nennt sich „das Licht der Weit“. Seine Strahlen gehen über
die ganze Welt. Auf allen Kontinenten ringen diese Lichtstrahlen Jesu mit der
Finsternis, die aus den Menschenherzen kommt.
Als der
Heiland die ersten Jünger berief, haben die wohl kaum geahnt, wie gewaltig
dieser Mann aus Nazareth die ganze Welt erfüllen und erleuchten werde. In alle
Welt ist der Schall der Botschaft von Jesus gedrungen. In der Tat, er ist wie
eine Sonne aufgegangen.
Aber das
Beste, was dieser Jesus, dieser Sohn Gottes, zu bringen hat, ist doch verborgen
„unter den Flügeln“. Unser Textwort sagt: sein „Heil“!
Da müssen
wir schon suchen, wenn wir Gottes Heil in Jesus finden und erkennen wollen. Es
ist so verborgen, dass wir es gar nicht finden, wenn nicht der Heilige Geist
uns die Augen öffnet für dies Heil.
O Herr! Lass es uns finden!
O
König aller Ehren,
Herr
Jesu, Davids Sohn,
Dein
Reich soll ewig währen,
Im
Himmel ist dein Thron;
Hilf,
dass allhier auf Erden
Den
Menschen weit und breit
Dein
Reich bekannt mög werden
Zur
Seelen Seligkeit.
20.
Januar
Euch aber, die Ihr meinen Namen fürchtet,
soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter Ihren Flügeln; und ihr
sollt aus und eingehen und hüpfen wie die Mastkälber.
Maleachi 3, 20
… und ihr
sollt hüpfen wie die Mastkälber.“ Wörtlich übersetzt heißt es: „Ihr kommt mit
Sprüngen wie Kälber aus dem Stall.“
Das ist ja
ein unerhörtes Bild!
Die
Kälber, die den Winter lang im dumpfen Stall standen, brechen hervor, weil nun
Frühling ist. Und damit also wird die Gemeinde des Herrn verglichen!
Es gibt
eine göttliche Freudigkeit und Vitalität. Die ist dort, wo man – von den Fesseln
der Welt und der Gesetzlichkeit befreit – durch die Rechtfertigung des Sünders
Frieden mit Gott hat. Der Römer-Brief sagt: „Nun wir denn sind gerecht geworden
durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“ Wo man das sagen kann, da
entsteht diese göttliche Vitalität.
Vor Jahren
hatte ich eine Jungmänner-Freizeit in Holland. Da geschah es, dass eines
Nun gab es
ein langes Ringen am nächsten Tag. Dann endlich sahen sie die Sonne Jesus. Sie
erkannten auch das „Heil unter seinen Flügeln“. Sie fanden ihn als den, von dem
gesagt ist: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Und durch
seine Wunden sind wir geheilt.“
Am Abend
dieses Tages sagte ein alter Mann: „Was ist mit diesen jungen Männern los? Sie
erinnern mich an das Wort aus dem Alten Testament: Ihr werdet hüpfen wie die
Mastkälber.“
„Ja“,
erwiderte ich, und mir kamen vor Bewegung die Tränen, „dies Wunder hat sich an
ihnen erfüllt.“
Möge es sich auch an uns
erfüllen!
Wohlauf,
ihr Heiden,
Lasset
das Trauern sein,
Zur
grünen Weiden
Stellet
euch willig ein;
Da lässt
er uns sein Wort verkünden,
Machet
uns ledig von allen Sünden.
21.
Januar
Da Jesus geboren war … zur Zelt des Königs
Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland.
Matthäus 2, 1
Bis vor
kurzem war kein großer Unterschied gewesen zwischen diesen Weisen und dem König
Herodes. Der König sowohl wie die Weisen waren Leute, die ohne Gott in der Welt
gelebt hatten.
Aber nun
wurde es anders. Jesus trat zwischen sie.
Das Kommen
des Sohnes Gottes hat dem Herodes den Anstoß gegeben zur Verstockung – den
Weisen zum Glauben.
So ist es
noch heute. Wo Jesus in seinem Worte hinkommt, da trennen sich die Menschen.
Die einen verstocken ihr Herz, die andern ergreifen ihn zum ewigen Leben.
Was aber
nun in unserer Geschichte der Sache ein besonderes Gewicht gibt, ist dies:
Wenn man
einen unvoreingenommenen Menschen gefragt hätte: „Was meinst du, wer wohl zu
Jesus kommen wird, Herodes oder die Weisen?“, dann hätte der sicher geantwortet:
„Natürlich Herodes!“
Ja,
Herodes war aufgewachsen in den Überlieferungen Israels. Er kannte die
Verheißungen des Alten Bundes. Er gehörte zu der Kirche des Alten Testaments.
Die Weisen
aber waren Heiden, gefangen in dem düsteren Magiertum
des Orients. Sie waren fern von dem Volke, dem Gott die Verheißung gegeben
hatte. Und wenn ein Messias kam, hatten nach allgemeiner Ansicht die Weisen
kein Teil an ihm.
Und was
geschieht nun?
Herodes,
der dem Reiche Gottes so nahe war, wird ein Feind des Sohnes Gottes. Die Weisen
aber, die so fern waren, werden angenommen. Jesus sagt: „Die Letzten werden die
Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ Das ist sehr wichtig zu wissen für
uns, die wir in der Christenheit groß wurden.
Drum
mache dich behende auf,
Befreit
von aller Last,
Und
lass nicht ab von deinem Lauf,
Bis
du dies Kindlein hast.
22.
Januar
Die Weisen sprachen: „Wo ist der neugeborene
König der Juden? Wir haben seinen Stern. gesehen im Morgenland und sind
gekommen, ihn anzubeten.“
Matthäus 2, 2
Das gab
eine Ratlosigkeit an den Toren Jerusalems!
Da standen
die fremdartigen Männer und fragten nach dem „neugeborenen König“. Kein Mensch
hatte etwas davon gehört.
Aber es
gab noch andere Dinge, welche die Leute aufregen konnten, z. B. die Sache mit
dem Stern! Wer hatte schon je einmal so etwas gehört!
Das
Aufregendste aber war gewiss dies: Diese Männer erklärten, sie wollten den
neuen König anbeten.
Sicher
ging es von Mund zu Mund: „Was wollen sie? Anbeten? Da hört doch alles auf!“
Das wusste
nämlich in Israel jedes kleine Kind, dass man nur Gott anbeten darf. Und nun
wollten diese Männer einen König anbeten!
Die Weisen
standen gewiss sehr verlegen inmitten dieser allgemeinen Aufregung. Und doch
ließen sie sich nicht verwirren. Dabei sollten wir wohl einen Augenblick still
stehen!
Wenn wir
beten, dann heißt das für gewöhnlich für uns „bitten“. Für die Weisen aber „anbeten“.
Nein! Die
Weisen wollten nichts erbitten. Wahrscheinlich hätten sie dazu gar nicht den
Mut gehabt. Er, den sie suchten, war ja „der König Israels“. So sagten sie
selbst.
Aber
anbeten wollten sie den, den Gott als helle Offenbarung in diese dunkle Welt
gesandt hat. Das erschien ihnen überwältigend groß.
So ist
das, wenn die Augen geöffnet werden.
Von
deinem Reich auch zeugen
Die
Leut aus Morgenland;
Die
Knie sie vor dir beugen,
Weil
du ihn'n bist bekannt.
Der
neu Stern auf dich weiset,
Dazu
das göttlich Wort.
Drum
man dich billig preiset,
Dass
du bist unser Hort.
23.
Januar
Da beriet Herodes die Weisen heimlich und
erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre.
Matthäus 2, 7
Herodes
atmete auf!
Also in
dem kleinen Nest Bethlehem sollte dieser „neugeborene König“ zu finden sein?
Nun, dann war die Sache ja furchtbar einfach. Das gab bestimmt nicht viel Verwicklungen. Da musste man das Kind nur finden – und
dann ein stilles Kommando, um das Kind zu „liquidieren“ – so sagt man doch
heute! –, und die Sache war erledigt.
Jetzt musste
man also nur noch die Weisen „ausholen“ – so sagt man doch heute!
Also
berief Herodes die Weisen heimlich und fragte sie aus.
Wer die
Geschichte richtig miterlebt, der möchte hier den Weisen eine Warnung zukommen
lassen: „Vorsicht! Nichts sagen! Der Herodes ist voll Hinterlist!“
Aber diese
Weisen plauderten in großer Einfalt alles aus. Zwei Welten treffen sich hier:
Die Welt der satanischen Klugheit und die der göttlichen Einfalt. Die Einfalt
des Glaubens begegnet der listigen Klugheit der Welt.
Und – die
göttliche Einfalt ist unterlegen. Herodes kann heimlich fachen: „Wie dumm sind
diese Leute!“
So ist's
immer gewesen. Und es ist begreiflich, dass die Kinder Gottes immer wieder
versucht waren, die göttliche Einfalt über Bord zu werfen und klug zu werden
nach der Weise der Welt. Denkt nur daran, wie Abraham seine Frau als seine
Schwester ausgab!
Aber
unsere Geschichte zeigt uns: Das ist nicht nötig. Herodes bekam das Kind doch
nicht in die Hände. Denn für die Wahrhaften und im Glauben Lauteren kämpft Gott
selbst. Er führt ihre Sache und bewahrt ihre Wege.
Einfalt
denkt nur auf das Eine,
In
dem alles andre steht;
Einfalt
hängt sich ganz alleine
An
den ewigen Magnet.
24.
Januar
Herodes wies die Weisen gen Bethlehem und
sprach: „Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein.
Matthäus 2, 8
Man muss
beinahe lachen, wenn man sich die Situation vorstellt:
Da steht
dieser König mit dem biedersten Gesicht von der Welt und erklärt den Weisen: „Das
ist eine gute Sache, dass ihr den ‚neugeborenen König' suchen und anbeten
wollt. Forscht fleißig nach ihm!“
Und dann lässt
er sie gehen – und denkt nicht daran, sich an dieser guten Sache irgendwie zu
beteiligen.
Da fallen
mir jene zahlreichen Männer ein, die in schlichter Freude erklären: „Ich bin
sehr dafür, dass meine Frau in die Kirche geht.“ Aber selber tun sie nicht
einen Schritt, ihren Erlöser zu suchen.
Oder jene
Eltern, die erklären: „Natürlich müssen unsere Kinder in den
Konfirmanden-Unterricht.“ 'Aber sie selber suchen und kennen den Heiland nicht
von ferne.
Als ich einst
einem jungen Manne sagte, ich hielte jede Woche eine Bibelstunde, erklärte er
harmlos: „Ich will es unserer Großmutter bestellen.“ Für die Großmutter war
Jesus gewiss sehr recht. Aber für ihn selbst kam diese Sache Gottes nicht in
Frage.
O Herodes,
du hast heute viele Jünger!
Paulus
spricht einmal sehr ernst davon, dass man „andern predige und doch selbst
verwerflich werde“.
Wie hart
kann das Menschenherz sein! Da hört dieser Herodes, dass Gott seine
Versprechungen wahr gemacht und der Welt einen Heiland gegeben hat. Er sieht
die Weisen diesem Erlöser zuziehen. Und es zieht ihn nicht mit!
Herr,
erbarme dich über unser hartes, totes Herz!
Auf,
Seele, auf und säume nicht,
Es
bricht das Licht herfür;
Der
Wunderstern gibt dir Bericht,
Der
Held sei vor der Tür!
25.
Januar
Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.
Matthäus 2, 10
Es war ja
so etwas ganz und gar Neues, was diese Weisen aus dem Morgenland erlebten. Gewiss,
sie hatten auch Religion. Wahrscheinlich sogar eine sehr tiefsinnige und
ernsthafte Religion. Aber dabei war es doch immer so, dass der Mensch sich
Gedanken über Gott machte – doch Gott schwieg. Es war so, dass der Mensch Gott
anrief und suchte – doch Gott schwieg. Es war, als wenn man in ein feierliches,
leeres Gewölbe hineinriefe. Das einzige Echo war – die eigene Stimme.
Und nun
war diesen Weisen aus dem Morgenland ein Neues begegnet. Gott schwieg nicht
mehr. Er rief. Er rief sie in der Sprache, die diese Astronomen verstanden:
durch den Stern.
Und Gott
rief nicht nur: Er führte. Er führte durch den Stern, und er führte sie durch
das Wort, das ihnen geschenkt wurde: „Du Bethlehem Ephrata,
aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk ein Herr sei.“
Das Wort
weist sie, und der Stern führt sie. Das war etwas Gewaltiges und Neues. Sollten
sie nicht fröhlich sein über diesem Ziehen, Rufen und Führen des lebendigen
Gottes!? Sollten sie diesem Rufen und Führen nicht folgen bis hin zu der
Offenbarung Gottes, dem König des Volkes Gottes: zu Jesus!?
Auch unter
uns hat Gott so sein Werk. Er redet durch sein Wort und ruft und führt durch
seinen Geist. Aber – und das ist traurig und beschämend – dies lebendige Wirken
Gottes macht nicht nur „hoch erfreute“ Leute. O nein, es findet Widerstand und
Widerstreben. Auch bei uns?
Es ist ja
so groß, dass Gott uns zu Jesus führen will, dass wir alles stehen und liegen
lassen sollten, wenn er ruft, und „hoch erfreut“ folgen sollten bis zum seligen
Finden des Heiles Gottes in Jesus.
Zieh
mich, o Vater, zu dem Sohne,
Damit
dein Sohn mich wieder zieh' zu dir;
Dein
Geist in meinem Herzen wohne
Und
meine Sinne und Verstand regier,
Dass
ich den Frieden Gottes schmeck' und fühl'
Und
dir darob im Herzen sing und spiel.
26.
Januar
Da die Weisen den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.
Matthäus 2, 10
Man könnte.
meinen, diese Freude der Weisen aus dem Morgenlande sei doch etwas verfrüht
gewesen. Sie hatten das Kind ja noch nicht gefunden. Sie waren ja erst auf dem
Wege.
Und doch –
es steht hier: „Sie wurden hoch erfreut.“ Dass wir es einmal so sagen: Um Jesus
her ist eine Zone der Freude. Die Weisen standen jetzt unter dem Wort aus dem
Propheten Jesaja: „Dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf
über dir.“
Und da
beginnt schon die Freude.
Zum
Schönsten in der Missionsgeschichte gehört das Erleben des rheinischen Missionars
Krumm bei den Kopfjägern auf Nias:
Im Jahre
1897 hatte er dort seine Arbeit begonnen. Zuerst ging es durch viel Nöte. Aber dann kam jener Tag, da sie ihn in die Burg
des „Neunflammigen“, des heidnischen Priesterkönigs,
einluden.
„Trommelwirbel
tönten, eine Donnerbüchse krachte. Einer hielt eine Rede, die begann: Gott hat
die Irauno lieb. – Und sie schloss: Früher waren wir
Feinde. Nun sind wir Brüder. Solago aber mahnte: Du musst
uns jetzt das Wort Gottes verkündigen!“
Welch eine
Stunde, als sie ihre Götzen in den Abgrund warfen und ein selbstgedichtetes
Lied zu singen begannen:
„Es ist gleich, als wenn die Sonne aufgeht
über unsern Bergen, es wird hell bei uns, weil man uns das Wort Gottes
verkündigt. Auch uns hat erreicht Lowolangi (Gott).
Es ist zu uns gekommen der Herr …“
„Da sie
den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.“ Ja, um Jesus her ist eine Zone der
Freude. Wie groß wird die Freude erst, wenn man ihn selbst gefunden hat!
Er
gebe uns ein fröhlich Herz,
Erfrische
Geist und Sinn
Und
wert all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz
Ins
Meeres Tiefe hin.
27.
Januar
Es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen.
Matthäus 2, 13
Das sagt
Gott, als er dem Joseph befiehlt, das Kind Jesus in Ägyptenland in Sicherheit
zu bringen.
„Es ist
vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, es umzubringen.“ Eine einfache,
sachliche Feststellung. Und doch lässt uns dies Wort tief hineinschauen in
Gottes Herz.
Es zeigt
uns Gottes Geduld. Es wäre ihm ja
ein Geringes, den Herodes auf seinem bösen Wege aufzuhalten. Er tut es nicht.
Er macht dem Herodes gleichsam die Bahn frei. Er weicht ihm still aus. Gott lässt
dem Bösen Zeit auszureifen.
Dies Wort
Gottes an Joseph zeigt uns Gott auch als Herzenskündiger. Noch hat Herodes
keinem Menschen von seinem furchtbaren Mordplan etwas gesagt. Er konnte
schweigen. Im Gegenteil – er hat sich als Freund Jesu aufgespielt. Aber Gottes
Augen haben ihn erkannt – wie sie uns erkannt haben mit den geheimsten
Wünschen, Regungen und Plänen unseres Herzens.
Und ist es
uns nicht doch, als sei in diesem Sätzlein Gottes ein
Verwundern: „Es ist vorhanden …“ Nun
erreicht die Rebellion des Menschen gegen den lebendigen Gott den Höhepunkt, dass
der Mensch den Sohn Gottes aus dem Wege räumen will. An den Knechten Gottes hat
der rebellische Mensch sich schon seit Abels Zeiten immer vergriffen. Aber nun
geht es an den Sohn. – Das ist der Mensch, den Gott zu seinem Ebenbild schuf! O
Jammer! Bis zu diesem Tage ist es „vorhanden“, dass Menschen diesen Jesus aus
dem Wege räumen wollen.
Auf den
Armen Josephs zieht das Kind Jesus in die Fremde. Es ist der Anfang des
Kreuzesweges. Joseph zieht mit. Und Maria. Und alle, die Jesus lieb haben.
Mein
Kreuz und meine Plagen,
Sollt’s auch sein Schmach und Spott,
Hilf
mir geduldig tragen;
Gib,
o mein Herr und Gott,
Dass
ich verleugne diese Welt
Und
folge dem Exempel,
Das
du mir vorgestellt.
28.
Januar
Sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben standen.
Matthäus 2, 20
So steht
es immer am Ende, wenn irgendwo der Kampf gegen Jesus begonnen wurde: „Sie sind
gestorben…“
Es war ein
anderer Herodes, der den Jakobus hinrichten ließ und den Petrus ins Gefängnis
warf. Aber am Ende heißt es doch: „Da schlug ihn der Engel des Herrn, darum dass
er Gott nicht die Ehre gab. Und er ward gefressen von den Würmern und gab den
Geist auf. Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich“ (Apostelgeschichte 12, 23f.).
Wo sind
sie alle: Nero, Diokletian, die Inquisitoren, der
Bischof Firmian und wie sie alle heißen, die den
Kampf gegen Jesus begannen? „Sie sind gestorben…“
So wird
auch einmal der letzte, große Streit des Antichristen gegen den Herrn der
Herrlichkeit ausgehen.
Wie sollte
es auch anders sein? Dies „Kind“ ist ja nicht irgendeiner, sondern der, zu dem
Gott gesagt hat: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berge
Zion“ (Psalm 2).
Weil die
Gemeinde Jesu das weiß, geht sie sehr getrost in solche Kämpfe und auch in das
Leiden.
Wir haben
ja gar nie die Sorge, was aus der Sache Jesu werden soll. Diese Sache Jesu ist
ein für allemal entschieden. Nein, wir haben eine ganz andere Sorge: dass wir
bei Jesus bleiben; dass die Stürme der Zeit und die drohenden Herodesse uns nicht verführen oder unser Herz weich machen,
dass wir ihn verlassen.
Seine
Sache ist schon gerettet. Es geht nur darum, dass er uns errettet, dass wir
nicht mit jenen sterben.
Verzage
nicht, du Häuflein klein,
Obschon
die Feinde willens sein,
Dich
gänzlich zu verstören,
Und
suchen deinen Untergang,
Davon
dir wird recht angst und bang;
Es
wird nicht lange währen!
29.
Januar
Ein Mensch war zu Jerusalem mit Namen
Simeon… Dem war eine Antwort geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod
nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.
Lukas 2, 25 und 26
In
Württemberg gibt es einen köstlichen Ausdruck für Leute, die sich um
Kleinigkeiten verzanken. Da sagt man zu solchen Leuten: „Du bist ein
Kleinigkeitskrämer!“ Dieser Ausdruck will sagen: Du verlierst das Große aus dem
Auge und bist einer, der sich in Kleinigkeiten verliert.
Wer möchte
wohl gern ein „Kleinigkeitskrämer“ sein? Wohl keiner! Und doch: Die meisten
Menschen sind kümmerliche Kleinigkeitskrämer. Lasst uns nur einmal eine
Rundfrage veranstalten: „Was ist dir in deinem Leben die Hauptsache?“ Ja, was?!
Beförderung? Ehre bei Menschen? Eine sichere Stellung? Geld? Vergnügen? Lust?
Ach, das
sind ja Kleinigkeitskrämereien! Wir sollten beten lernen: „Ewigkeit, / In die
Zeit / Leuchte hell herein, / Dass uns werde klein das Kleine / Und das Große
groß erscheine, / Selge Ewigkeit!“ Dem Simeon war das
Große groß geworden, ihm war die Hauptsache: Friede mit Gott für Zeit und
Ewigkeit.
Es steht
da im Text: „Ihm war eine Antwort geworden.“ Wo eine Antwort ist, ist gefragt
worden. Ja, der Simeon hatte geforscht und gefragt und gerungen, wie man Frieden
mit Gott bekommen könnte.
Und er
bekam eine vorläufige Antwort: „Den Frieden mit Gott kannst du dir nicht
erringen. Den bringt dir einer frei und umsonst: der Christus Gottes.“
Und nun
geht es diesem Mann ein Leben lang um die Hauptsache: um den Christus Gottes.
Und als er ihn gesehen hat, da jubelt er: „Herr, nun lässest
du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland
gesehen.“
Gott mache
aus uns Kleinigkeitskrämern Leute, wie der Simeon einer war!
Seele,
was ermüdest du dich
In
den Dingen dieser Erden,
Die
doch bald verzehren sich
Und
zu Staub und Asche werden?
Suche
Jesum und sein Licht,
Alles
andre hilft dir nicht.
30.
Januar
Hanna trat auch hinzu zu derselben Stunde.
Lukas 2, 38
Das war
die Stunde, die Gott der Hanna schon lange zugedacht hatte. Die Maria trägt
ahnungslos das Kind Jesus in den Tempel. Sie weiß nicht, dass das die
Gottesstunde für die alte Hanna ist. Die Gottesstunde, wo Gott der Hanna den
Heiland zeigt und schenkt und offenbart. Die Stunde, wo Gott dieser treuen Magd
die letzte Tür aufschließt, dass sie eingehen darf als Kind Gottes, wo die
Gnade sie umfängt.
O diese
Stunde, die Gott einem Menschen bereitet, wo er einem Menschen selber die Tür
zum Himmelreich öffnet! Die Hanna hat demütig auf diese Stunde gewartet und
sich nach ihr ausgestreckt. Sie war also gerüstet und bereit für diese ihre
Gnadenstunde.
Der
Erweckungsprediger Henhöfer, der im vorigen Jahrhundert
wirkte, brauchte einmal dafür ein drastisches Beispiel. Damals gab es noch
keine Eisenbahnen. Einmal am Tag fuhr die Postkutsche. Die steht bereit und
wartet auf Fahrgäste. Da kommen ein paar rechtzeitig und steigen ein. Jetzt muss
der Postillon eigentlich abfahren. Aber er denkt: „Vielleicht hat sich einer
verspätet.“ Also macht er langsam. Er nimmt dem Pferd die Decke ab. Richtig, da
kommt einer gelaufen.
Jetzt
setzt sich der Postillon auf den Bock. Da kommt noch einer gerannt und steigt
ein. – Der Postillon zögert. Er nimmt sein Horn und bläst noch ein Stücklein. Dann fährt er ab.
Kaum ist
der Wagen zum Stadttor hinaus, kommen noch zwei gerannt. Sie hatten sich In der
Stadt aufhalten lassen. Da stehen sie nun. Die Post ist weg. Es ist zu spät. So
ist es mit dem Gnadenwagen deines Heilandes! Er wartet lange auf dich. Er
zögert deine Stunde hinaus, so lange er kann. Aber es kann auch zu spät sein.
Die Hanna
war bereit zu ihrer Stunde.
Erkenne
die Zeit, darin der Herr dich heimsucht!
Wahr
ist's: Gott ist wohl stets bereit
Dem
Sünder mit Barmherzigkeit;
Doch
wer auf Gnade sündigt hin,
Fährt
fort in seinem bösen Sinn
Und
seiner Seele selbst nicht schont,
Dem
wird mit Ungnad' abgelohnt.
31.
Januar
Hanna trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries den Herrn.
Lukas 2, 38
Früher
einmal heißt es von dieser Hanna: „Sie diente Gott mit Beten und Fasten Tag und
Nacht.“ Das klingt wie ein Seufzen. Es war ein Ringen um Gott. Da war die
tägliche Furcht vor ihm. Es war die Angst, man könne ihm missfallen und
verloren gehen. Ja, viel Tränen und Furcht stehen hinter diesem ernsten
Gottesdienst.
Wie anders
heißt es jetzt! „Sie pries den Herrn.“
Jetzt hat
sie gelernt: ich kann meine Seligkeit nicht schaffen und verdienen. „Es ist
doch unser Tun umsonst / Auch in dem besten Leben.“ Aber – so weiß jetzt Hanna –
der Herr Jesus, den ich da gefunden habe, hat mir mein Heil und meine Seligkeit
frei und aus Gnaden gebracht.
Das heißt
ja glauben: Man schaut nicht mehr auf sich, nicht auf seine Tüchtigkeit und
seine guten Werke – auch nicht auf sein Elend und seine Sünde. Man schaut auf
den Heiland, den Erlöser und Seligmacher, und preist Gott.
Es gibt
viele so genannte Christen, die kommen innerlich nicht weiter, weil sie immer
bei sich selbst stehen bleiben, weil sie immer wieder sich ansehen. Gelingt es
ihnen ein wenig, den Willen Gottes zu tun, dann werden sie gleich stolz und
sicher. Hat es aber eine Niederlage in ihrem Leben gegeben, dann sind sie
verzweifelt. Die Bibel jedoch lehrt uns (Römer 4, 5): „Dem aber, der nicht mit
Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird
sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“
Ein
Liederdichter sagt: „Wenn ich mich selbst betrachte, / So wird mir angst und
weh. / Wenn ich auf Jesum achte, / So steig ich in die Höh`.
/ So freut sich mein erlöster Geist, / Der durch das Blut des Lammes / Gerecht
und selig heißt.“
Lasst uns
täglich den Herrn preisen, dass wir Verlorenen einen Heiland haben!
Aus
Gnaden! Merk dies Wort: Aus Gnaden!
So
oft dich deine Sünde plagt,
So
oft dir will der Satan schaden,
So
oft dich dein Gewissen nagt.
Was
die Vernunft nicht fassen kann,
Das
beut dir Gott aus Gnaden an.
1.
Februar
Darum so seht euch vor vor eurem Geist!
Maleachi 2, 16
Eine
Warnungstafel wird hier aufgerichtete „Achtung! Vorsehen!“ – Nun, das Leben ist
ja so bedroht, dass wir es gelernt haben, uns vorzusehen vor allerlei Gefahren:
vor schnell fahrenden Autos und vor Bazillen, vor Ansteckung und vor
Unglücksfällen.
Nun wird
hier noch eine Warnungstafel aufgerichtet. Wer sie besinnlich liest, stutzt: „Wie?
Vor meinem Geist soll ich mich vorsehen? Alle Gefahren kommen doch von außen!
Wie sollte mein Geist für mich eine Gefahr sein?“
Aber diese
Warnungstafel ist sehr, sehr ernst gemeint. Der lebendige Gott selbst hat sie
aufgerichtet. Darum können und dürfen wir nicht an ihr vorübergehen.
„Darum so
seht euch vor vor eurem Geist!“ – Da sagt uns Gott
also, dass unser eigener Geist uns in große Gefahr bringen kann. Unser Geist
ist wohl imstande, große technische Fragen zu lösen. Er kann die Vergangenheit
erforschen und uns zu tüchtigen, fähigen Leuten im Leben machen.
Aber nun
fängt unser Geist an, uns über Gott zu belehren. Er denkt sich einen harmlosen
Gott aus und betrügt uns mit diesem Götzen, der doch nicht der lebendige Gott
ist. Ja, unser Geist fängt an zu bestimmen, was gut und böse sei. Und wenn
unsere Sünden gen Himmel schreien, dann ist unser Geist nicht faul, schwarz „weiß“
zu nennen und alles zu erklären und zu entschuldigen. Unser Geist denkt sich
gar einen Weg zur Seligkeit aus und meint, Gott müsse „Ja“ dazu sagen.
So betrügt
uns unser Geist um Gott und sein ewiges Heil. „Darum so seht euch vor vor eurem Geist!“ Wir wollen Gott bitten, dass er uns gebe „den
Geist der Wahrheit und der Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis“, den
Heiligen Geist, der uns in alle Wahrheit leitet.
Geist
der Weisheit, gib uns allen
Durch
dein Licht
Unterricht,
Wie
wir Gott gefallen.
Lehr
uns, recht vor Gott zu treten,
Sei
uns nah
Und
sprich Ja,
Wenn
wir gläubig beten.
2.
Februar
Das Geheimnis des Herrn Ist unter denen, die
ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen.
Psalm 25, 14
Es gehört
zu der wundersamen Botschaft der Bibel, dass Gott sich gern Menschen
anvertrauen möchte. So hat sich Gott dem Abraham anvertraut, als er mit Abraham
auf dem Wege vom Hain Mamre nach Sodom war: „Wie kann ich Abraham verbergen,
was ich tue!“ sagt er. (1. Mose 18, 17) – So hat sich Gott dem Mose anvertraut,
wenn er mit ihm redete „wie ein Freund mit seinem Freunde redet“.
Auch unter
uns sucht Gott Menschen, denen er sich anvertrauen kann, denen er sein „Geheimnis“
mitteilen kann, die er „seinen Bund wissen“ lassen kann.
Nun ist es
uns wohl allen klar: Gott kann sich nicht jedem Beliebigen anvertrauen. Er sagt
uns selbst, dass dazu wenigstens eine
Voraussetzung erfüllt sein muss.
Das ist ja
nun eine überaus wichtige Frage: Welche Voraussetzung müsste bei mir erfüllt
werden, dass Gott in meinem armen Leben das Wunder tun könnte, dass er mich
seinen Vertrauten sein lässt?
Gott sieht
dabei nicht darauf, welche Stellung einer in der Welt einnimmt. Er fragt auch
nicht danach, ob wir besonders klug sind oder welchen Bildungsgang wir haben.
Er sieht auch nicht auf unsere „moralischen Qualitäten“. Er sieht nur nach
einem: ob man ihn fürchtet. Die Furcht vor Gott spielt eine große Rolle im
geistlichen Leben. Sie ist der Schlüssel zum Heiligen.
Gott verschließt
sich den Oberflächlichen, den Selbstgerechten, den Schwätzern, den Kraftmeiern,
den Sicheren. Aber die erschrockenen Gewissen und aufrichtigen Herzen, die
Bußbereiten und die, weiche aus der Wahrheit sind, erfahren sein Geheimnis: dass
er in Jesus einen Bund gemacht hat und in Jesus eine Gemeinde der Zukunft sammelt
für eine neue Welt. Möchten wir doch zu Gottes Vertrauten gehören!
Schaft
in mir, Herr, den neuen Geist,
Der
dir mit Lust Gehorsam feist`t
Und
nichts sonst, als was du willst, will;
Ach
Herr, mit ihm mein Herz erfüll.
3.
Februar
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr
gut.
1. Mose 1, 31
Im
Morgenglanz der ersten Schöpfungstage lag die neue Welt lichtgebadet
vor den Augen Gottes. „Und Gott sah
an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.“
Und wieder
sah Gott. Der 14. Psalm erzählt davon: „Der
Herr schaut vom Himmel auf die Menschenkinder.“
Was sehen
Gottes Augen diesmal? Ein furchtbares Bild: „Sie sind alle abgewichen und
allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer!“
Wie war
solche Veränderung möglich? Wie oft ist wohl diese Frage gestellt worden aus
seufzenden oder zweifelnden Herzen: „Wie kam die Sünde in die Welt?“
Wir lesen
in der Schritt: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde.“ Die Ebenbildlichkeit
des Menschen mit Gott bestand darin, dass der Mensch sich frei entscheiden
konnte zwischen „gut“ und „böse“.
Und der
Mensch wählte – das Böse. Und Gott sah:
„… da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.“
Und wieder
sah Gott. Diesmal nicht, wie es im 14. Psalm heißt, „vom Himmel“. Diesmal war
er mitten unter seinen verlorenen Geschöpfen in Jesus. „… und da er das Volk sah, jammerte ihn
desselben; denn sie waren verschmachtet wie die Schafe, die keinen Hirten haben“
(Matthäus 9, 36).
Und mit
diesem Blick voll Erbarmen und rettender Liebe sieht der Herr auch heute noch
auf diese Welt – auch auf uns. Können wir unter diesem Blick bleiben, wie wir
sind? In einem finnischen Lied heißt es: „Jesu milde Augen sehen dich an.“ Ja,
so ist es.
Wir
sehn dein freundliches Angesicht
Voll
Huld und Gnade wohl leiblich nicht,
Aber
unsre Seele kann's schon gewahren;
Du
kannst dich fühlbar genug offenbaren,
Auch
ungesehn.
4.
Februar
Betet für mich, den Boten des Evangeliums in
der Kette, dass ich darin freudig handeln möge.
Epheser 6, 20
Christen
sind hochgemute, unüberwindliche Leute, wenn sie wirklich „in Christus“ sind.
Das wird an diesem ungeheuer großen Wort des Paulus deutlich.
„In der
Kette“ ist er, als Gefangener in Rom.
Das heißt,
er ist getrennt von der Gemeinschaft, die einem Christen Lebensbedürfnis ist.
Er hat nicht mehr die Möglichkeit, seine Brüder in Ephesus aufzusuchen, mit
ihnen zu reden und ihre Liebe zu erfahren. – Ist es wirklich so?
„Nein“,
sagt Paulus, „ich bin nicht getrennt von der Gemeinschaft. Meine Brüder beten
für mich. Vor dem Thron der Gnade treffen wir uns. Ihre Fürbitte ist ein
spürbares, lebendiges Band der Gemeinschaft.“
„In der
Kette“ ist Paulus. Er, der dem Herrn die Welt erobern wollte, ist lahm gelegt.
Lahm
gelegt? „Nein“, sagt Paulus, „ich bin in Amt und Dienst auch hier. Ich bin auch
in der Kette ein Bote des Evangeliums. Mit dem Zeugnis vor allen denen, die
mich sehen, und mit der Fürbitte für alle Gemeinden und für alle Menschen
richte ich meinen Dienst aus.“
„In der
Kette“ ist Paulus. Er ist ein Gefangener. Und Gefangenschaft ist schrecklich.
Sie ist ungeheuer schwer gewesen für so einen feurigen, temperamentvollen Menschen
wie Paulus. Und wie hat wohl sein Stolz als römischer Staatsbürger unter der
endlosen Haft gelitten!
Da sollte
man doch meinen, es sei genug, wenn Gott Tag für Tag Kraft gibt zum Leiden. „Nein“,
sagt Paulus, „der Herr gibt mehr. Ich darf und soll freudig handeln.“
Dass wir
doch durch Gottes Gnade zu so hochgemuten Leuten würden!
Sie
wandeln auf Erden und leben im Himmel,
Sie
bleiben ohnmächtig und schützen die Welt;
Sie
schmecken den Frieden bei allem Getümmel,
Sind
arm, doch sie haben, was ihnen gefällt.
Sie
stehen in Leiden und bleiben in Freuden,
Sie
scheinen ertötet den äußeren Sinnen
Und
führen das Leben des Glaubens von innen.
5.
Februar
Lass dir nicht grauen vor Ihnen; denn der
Herr, dein Gott, ist unter dir, der große und schreckliche Gott.
5. Mose 7, 21
„Lass dir
nicht grauen!“ sagt der Herr zu seinem alttestamentlichen Volk. Gott wird sie
also in solche Lagen kommen lassen, wo – menschlich gesprochen – die
Verzweiflung beginnt. So führt Gott seine Leute. In die tiefsten Tiefen können
sie kommen, wo die Nerven einfach versagen, wo man gar keinen Sinn und Verstand
in all dem Geschehen mehr sieht, wo – wie bei Israel – hinter uns die tödliche
Wüste und vor uns nur die unübersteigbaren Mauern Jerichos sind, – wo einem
entsetzlich aufgeht, was es heißt, in einer gefallenen Welt des Todes zu leben.
in solche
unheimlichen, schrecklichen Lagen können Gottes Kinder kommen.
Aber hier,
an der Grenze des Schreckens und des Grauens, wo das dunkle Reich der
Verzweiflung und des Wahnsinns beginnt, tritt uns der Herr entgegen, der große
und schreckliche Gott, unser Heiland und Vater in Jesus Christus: „Lass dir
nicht grauen!“
Wenn wir
den Herrn an dieser Grenze treffen, dann entdecken wir, dass auch um ihn her
Grauen und Entsetzen sind. Er ist ein „schrecklicher Gott“. Aber das Grauen und
der Schrecken,. die von ihm ausgehen, gelten ja nicht seinen erschrockenen und
gequälten Kindern. Die überschüttet er mit lauter Schutz, Trost, Frieden,
Gnade, Liebe, Freude und Seligkeit.
Schrecklich
aber ist er den Mauern Jerichos und allen seinen Feinden. Die Hölle und der
Teufel, die verlorene Welt und alle Feinde Jesu müssen vor ihm erschrecken.
Aber sein
Volk wird mitten in der Angst in den Hütten des Friedens wohnen.
Schenk
uns deinen Frieden
Alle
Tag hienieden;
Gib
uns deinen guten Geist,
Der
uns stets zu Christo weist!
6.
Februar
Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.
Psalm 119, 24
In einer
westdeutschen Stadt steht am Rathaus schön in Stein gehauen der Satz: „Geht dir
Rat aus – geh aufs Rathaus!“
Hübsch,
nicht wahr?! Und so einfach.
Ja, so
einfach! Zu einfach!
Denn die
Sache ist so: Wenn wir in Lagen kommen, wo uns wirklich der Rat ausgeht – da
hilft uns meist kein Rathaus mehr.
Oder an
welches Rathaus etwa hätte Joseph sich wenden sollen, als seine Brüder ihn als
Sklaven nach Ägypten verkauften? – An welches Rathaus hätte Mose sich wenden
können, als er mit dem verzweifelten Volk am Roten Meer stand, verfolgt von
Pharao? – An welches Rathaus wohl hätte David sich wenden können, als der
Prophet Nathan ihm seine Sünde vorhielt: „Du bist der Mann!“? – Und zu welchem Rathaus
hätte Petrus sich wenden können, als dort im Hofe des hohepriesterlichen
Palastes der Hahn zum dritten Male krähte? – An welches Rathaus soll sich ein
Sünder wenden, den die Fesseln der Sünde in Banden halten, dass er mit Paulus
bekennt: „Wollen habe ich wohl – aber vollbringen das Gute finde ich nicht!“?
Kurz, das
ist eben unsere Lage: Wo die wirklichen Verlegenheiten und Nöte anfangen, da
hilft uns kein Mensch mehr, da stehen wir ganz allein.
Aber nun
kommt der Sänger des 119. Psalmes und hat ein Zeugnis
abzulegen, ein fröhliches, jubelndes Bekenntnis: „Ich habe Lust zu deinen
Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.“
Ja, Gottes
Wort ist Rat für uns, wirklicher, guter Rat – Heilsrat Gottes. Hier ist unsere
Hilfe.
Hilf,
dass alle meine Wege
Nur
nach dieser Richtschnur gehn;
Was
ich hier zum Grunde lege,
Müsse
wie ein Felsen stehn,
Dass
mein Geist auch Rat und Tat
In
den größten Nöten hat.
7.
Februar
Ich aber sprach: „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu
jung.“
Jeremia 1, 6
Ein unendlicher
Schrecken befällt gerade die ernstesten Christen, wenn sie den Auftrag
bekommen, Zeugen ihres Herrn in einer widerstrebenden und gottlosen Welt zu
sein.
So ging es
auch Jeremia, als das Wort des Herrn zu ihm geschah. Jeremia ist zu Tode
erschrocken: „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“
„Ich bin
zu jung im Glauben“, sagen wir, wenn der Auftrag an uns ergeht, und wollen uns
erschrocken zurückziehen.
Und wie
war es bei Mose? Als der Herr ihn in der Wüste am Horeb berief, da entschuldigte
er sich: „ich habe eine schwere Zunge.“ – „Mir liegt das nicht“, sagen wir,
wenn der Ruf des Herrn an uns ergeht, seine Zeugen zu sein.
Wie gut
verstehen wir den Propheten Jona, der einfach die Flucht ergriff, als der Herr
ihn zum Zeugnis berief!
„Ich tauge
nicht!“ Selten wurde ein wahreres Wort gesprochen. Wer sollte auch wohl
tauglich sein, Gottes Mitarbeiter zu werden!
Aber
seltsam – so richtig dieses Wort ist –: Gott lässt es trotzdem nicht gelten.
Gott überwand den Jeremia und machte ihn zu einem gewaltigen Zeugen. Und so
überwand Gott den Mose. Und den Jona!
Und so lässt
auch uns der Herr nicht los mit seiner Forderung: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“
Und wenn wir tausendmal nicht taugen – durch diese Forderung macht der Herr
offenbar, dass er sein Reich bauen will mit untauglichen Mitteln und Leuten,
auf dass er allein den Ruhm habe.
Das ist
Gottes Art.
Das
war ja so dein Wesen
Von
alten Zeiten her,
Dass
du dir hast erlesen,
Was
arm, gebeugt und leer,
Dass
mit zerbroch'nen Stäben
Du
deine Wunder tatst
Und
mit geknickten Reben
Die
Feinde untertratst.
8.
Februar
Denn ich habe dir meine Sache befohlen.
Jeremia 11, 20
Da ist ein
Kaufmann. Sein Geschäft steht schlecht. Krampfhaft bemüht er sich, seine Sache
zu retten. Er geht viele schwere Wege. Unzählige Pläne wälzt er in schlaflosen
Nächten.
Aber eines
Tages ist der Bankrott da. Nun muss er die Hände in den Schoß legen. Und nun
kommen andere Hände und nehmen sich seiner notvollen Bücher an.
Das ist
der Weg der Christen. Es gibt wohl kaum einen unter ihnen, der es nicht
versucht hat, seine Sache vor Gott selbst in Ordnung zu bringen. Es ging ihnen
wie dem Apostel Paulus, der in Römer 7 die qualvolle Geschichte dieses „Selbst-fertig-werden-Wollens“ beschrieben hat: „Denn das
Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will,
das tue ich. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern,
das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und nimmt mich gefangen in der
Sünde Gesetz.“ Das ist der Weg der Christen, bis eines Tages der Bankrott
kommt. Ihr naiver Lebensoptimismus hat versagt. Ihre guten Vorsätze und ihr
Idealismus sind zerbrochen.
Was nun?
Da kommen
andere Hände und nehmen sich ihrer Sache an. Aber – und das ist nun das große
Wunder ihres Lebens – diese Hände besiegeln nicht die Verzweiflung. Diese Hände
bringen die Rettung. Es sind ja die Hände Jesu, die um unserer Rettung willen
durchbohrt wurden.
Nun wissen
sie einen neuen Weg: „Ich habe dir meine Sache befohlen.“ Nun sind ihr Leben
und ihre Sache in guten Händen, in den durchgrabenen
Händen ihres Heilandes Jesus Christus. Nun wandern sie fröhlich ihre Straße wie
Kinder: „Du führst die Sache meiner Seele.“
Ei nun,
mein Gott, so fall ich dir
Getrost
in deine Hände.
Nimm
mich und mach es du mit mir
Bis
an mein letztes Ende …
9.
Februar
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!
Jona 2, 7
Die
Menschen sind unbelehrbar. Jede Generation macht immer wieder die Fehler der Voreltern.
Und es gibt Irrtümer, die sind einfach nicht auszurotten.
Einer der
ältesten Irrtümer ist der, dass man meint, man könne vor Gott fliehen.
Das haben
Adam und Eva schon versucht, als sie sich im Garten Eden versteckten vor Gott.
Und wir probieren es auch immer wieder – und wissen doch, dass er uns einholt –
spätestens am Jüngsten Tage.
Der Jona
hat es auch versucht. Und es ist ihm dabei ergangen wie all den andern. Er ist
sehr unglücklich geworden. Er ist – wie er selbst sagt – dabei „ins Verderben“
geraten.
Wie froh
und selig war er, als er wieder Frieden mit Gott hatte! Obwohl er in einer
fürchterlichen Lage war, im Bauch des Fisches; obwohl er keinen Ausweg zur
Lebensrettung sah, jubelte er aus diesem Frieden mit Gott heraus: „Herr, mein
Gott, ich will dir Dank opfern …!“
Nun drängt
sich uns die Frage auf: „Wie hat denn Gott ihn aus dem ‚Verderben' errettet?“
Und da
können wir nur die seltsame Antwort geben: Durch das Verderben! Gott ließ ihm
seine Flucht nicht gelingen. Gott zerschlug ihm alle seine Planungen. Gott
führte ihn in tiefes äußeres Verderben. Dadurch suchte er ihn heim, so holte er
sich sein Kind zurück.
Wie hat
Jona seinem Gott danken können für diese schwere Führung! Da liegt der tiefe
Segen aller Nöte. Ein erfahrener Christ hat gesagt: „Alle Gerichte sind
eingewickelte Gnade.“
Die Not
ist Gottes Schäferhund, wodurch er seine verlaufenen Schäflein zur Herde
zurückbringt.
Leiden
bringt empörte Glieder
Endlich
zum Gehorsam wieder,
Macht
sie Christo untertan,
Dass
er die gebrochnen Kräfte
Zu
dem Heiligungsgeschäfte
Sanft
und still erneuern kann.
10.
Februar
Zion spricht: „Der Herr hat mein vergessen.“
Jesaja 49, 14
Fast
jeder, der eine Reise tut, ruft irgendwann im Verlauf dieser Reise: „Ach! Jetzt
habe ich doch etwas vergessen!“ Und dann handelt es sich meist um den
Regenschirm oder um die Zahnbürste.
Nun, solch
ein Schade kann behoben werden. Aber ein ewiger Schade, ein unersetzlicher und
furchtbarer Schade entsteht dadurch, dass so viele auf ihrer Lebensreise eine
geradezu leichtfertige Vergesslichkeit beweisen. Schon Jesaja sagt: „Du hast
vergessen des Gottes deines Heils.“ Und Jeremia klagt: „Vergisst doch eine
Jungfrau ihres Schmuckes nicht noch eine Braut ihres Schleiers; aber mein Volk vergisst
mein ewiglich.“
Darum
mahnt die Bibel: „Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Und Paulus
schreibt: „Halte im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den
Toten.“
O, diese
menschliche Vergesslichkeit ist ein arges Übel!
Aber im
Text ist nun die Rede von – Gottes Vergesslichkeit. Ja, gibt es denn das? Ist
das nicht lästerlich geredet? Kann Gott etwas vergessen?
„Ja“, sagt
die Bibel, „Gott kann auch vergessen“: nämlich erstens die Sünden, die vergeben
sind im Blute Jesu. Wenn ein Schiff versinkt im Ozean, wo er 8000 Meter tief
ist, wird es nie mehr gehoben. Und Gott – so sagt die Bibel – „wird unsere
Sünden in des Meeres Tiefe werfen“.
Und
zweitens wird Gott vergessen die Verlorenen. Man kann so verloren gehen, dass
Gott unserer nicht mehr gedenkt. „Sie sind wie Spreu, die der Wind zerstreut.“
Das ist die Hölle.
Aber sonst
kann Gott nichts vergessen. Und darum irrte Israel, als es sprach: „Der Herr
hat mein vergessen.“ Nie und nimmer, in Ewigkeit nicht, vergisst Gott sein
erwähltes und erkauftes Volk. Mitten in tiefster Dunkelheit darf es jauchzen: „Der
Herr denkt an uns und segnet uns!“
Seiner
kann ich mich getrösten,
Wenn
die Not am allergrößten;
Er
ist gegen mich, sein Kind,
Mehr
als väterlich gesinnt.
11.
Februar
Man wird sie nennen das heilige Volk.
Jesaja 62, 12
„Sie sind
ja ein wunderlicher Heiliger!“ sagte ein Herr spöttisch, als ein junger Mann
ihm ein Traktat anbot.
„Wunderlich
– vielleicht! Ein Heiliger – ja!“ erwiderte der junge Mann.
„Was! Sie
sind ein Heiliger?“ rief der Herr erstaunt. Der junge Mann nickte ernsthaft. Da
fing der Herr laut zu lachen an und sagte: „Na, ich werde mich mal bei Ihren
Verwandten erkundigen, ob Sie wirklich keine Fehler haben.“
Dieser
Herr machte deutlich, dass die meisten Menschen unserer Zeit gar nicht mehr
wissen, was denn nach der Meinung der Bibel „Heilige“ sind. Es sind ganz
bestimmt keine fehlerlosen Leute. Die rechten Heiligen halten sehr wenig von
sich selbst. Es sind ganz einfach die Leute, die wissen, dass sie Gott gehören.
Im Tempel
des Alten Bundes gab es goldene Geräte. Diese Pfannen und Kessel durfte der
Priester nicht mit nach Hause nehmen, wenn ihm gerade ein Kessel fehlte. Nein!
Diese Geräte waren „heilig“. Sie gehörten dem Herrn allein. Nun bin ich
überzeugt, dass diese Pfannen und Kessel im Laufe der Zeit manchen Kratzer und
etliche Beulen bekamen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass sie „heilig“
waren.
So ist es
mit den Menschen, die dem Herrn gehören. Sie haben sich ihrem Erlöser
ausgeliefert von ganzem Herzen. Und sie haben das Zeugnis des Heiligen Geistes
bekommen, dass sie von ihm angenommen sind. So sind sie „Heilige“ geworden.
Trotz ihres ernsten Willens, dem Herrn gehorsam zu sein, finden solche Leute
täglich mehr, wie böse ihr Herz ist. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass
sie dem Herrn gehören, der sie sich zum Eigentum erkauft hat. Jesus sagt von
diesen „Heiligen“: „Niemand soll sie aus meiner Hand reißen.“
Nun,
dies ist meine Freude,
Zu
hangen fest an dir,
Dass
nichts von dir mich scheide,
Solang
ich lebe hier.
12.
Februar
Man wird sie nennen das heilige Volk, die Erlösten des Herrn.
Jesaja 62, 12
Man muss
immer irgendwie umdenken, wenn man an die Bibel kommt. Bei ihr läuft alles in
anderen Gedankenbahnen, als wir es gewöhnt sind.
Wenn wir
vom „Volk“ reden, dann denken wir an das deutsche Volk oder an die Amerikaner,
die Franzosen, die Russen, die Chinesen. Aber in keiner Zeitung ist vom Volke
Gottes die Rede. Und in keinem Atlas werden wir seine Wohnstätten auffinden.
Die Bibel aber
spricht vorn Volke Gottes.
Was ist
denn das für ein Volk?
Wo wohnt es? Antwort: Überall auf der Erde, wo nur
Menschen sind. Es kümmert sich um keine Grenzen und auch um keine Fronten.
Welcher Rasse gehört dies Volk an? Antwort: Alle Rassen der Welt sind in
diesem seltsamen Volk vertreten. Die Bibel sagt: „Hier ist nicht Jude noch
Grieche …“
Ist es ein reiches oder ein armes Volk? Antwort: Es ist ein sehr, sehr reiches
Volk. Es bekommt alles, was es braucht, frei und aus Gnaden geschenkt. Der Herr
Himmels und der Erden ist sein väterlicher Fürst. Wie sollte ihm da etwas
fehlen!
Welche Konfession herrscht in diesem
wunderlichen Volk? Antwort:
Mancherlei Konfessionen. Jedes Glied dieses Volkes steht in der Konfession, in
die hinein es durch Geburt oder Führung kam. Aber es nimmt diese Unterschiede
nicht zu wichtig.
Wodurch wird denn dies verschiedenartige und
zerstreute Volk zusammengehalten? Antwort: Durch seinen Herrn. „Man wird sie nennen das heilige Volk.“ – „Heilig“
– das heißt: „dem Herrn gehörig“. Die Glieder dieses Volkes haben sich dem
Herrn verschrieben, und sie wissen: Er hat uns angenommen. Gehören wir zu
diesem Volke?
Er
hat uns ferner wohlbedacht
Und
uns zu seinem Volk gemacht,
Zu
Schafen, die er ist bereit
Zu
führen stets auf guter Weid.
13.
Februar
Jerusalem wird bewohnt werden ohne Mauern ...und
ich will, spricht der Herr, eine feurige Mauer umher sein.
Sacharja 2, 8 und 9
Wer einmal
eine mittelalterliche Stadt besucht hat wie etwa Rothenburg o.T., der weiß, welch ein
mächtiger Schutz die starken Mauern waren. Wie sicher fühlten sich die Bürger
hinter ihren Mauern! Und sie ließen sich ihre Mauern etwas kosten.
Jerusalem –
das ist die mit Blut erkaufte Gemeinde. Jesu Christi – hat je und dann auch so
fleischlichen Schutz gesucht. Ja, man hat es sich etwas kosten lassen, sichere „Mauern“
zu haben. Da hat man bei den Mächtigen der Erde Rückhalt gesucht. Man hat sich
der Zeitmeinung angepasst, um die Massen zu gewinnen. Man hat diese und jene „Mauer“
zur Sicherung gebaut.
Aber – es
hat immer zu viel gekostet. Es hat die Wahrheit des Evangeliums gekostet.
So geht es
nicht! Jerusalem soll eine Stadt „ohne Mauern“ sein. Die Gemeinde Jesu Christi
hat keine fleischlichen Sicherungen. Es wird und soll so bleiben, dass die Welt
immer meinen muss, es sei ein leichtes, diese Stadt zu überrennen.
Wenn sie
es dann aber versucht, wenn sie die Vernunftsweisheit
oder List oder Gewalt gegen die Stadt anrennen lässt, dann muss sie entdecken:
Diese mauerlose Stadt ist nicht schutzlos. Im Gegenteil! Sie hat einen
mächtigen und hohen Schutz. Sie hat Mauern, an denen die Welt und der Teufel
zuschanden werden. „Und ich will“, spricht der Herr, „eine feurige Mauer umher
sein.“ In ihm, ihrem Herrn, der sie erkauft hat, hat die Gemeinde ihre
Sicherheit.
Andre
traun auf ihre Kraft,
Auf
ihr Glück und Ritterschaft;
Deine
Christen traun auf dich,
Auf
dich traun sie festiglich.
Lass
sie werden nicht zuschand,
Bleib
ihr Helfer und Beistand,
Sind
sie dir doch all bekannt.
14.
Februar
Danach goss Jesus Wasser in ein Becken und
hob an, den Jüngern die Füße zu waschen.
Johannes 13, 5
Ein Freund
erzählte uns einmal eine hübsche Geschichte. Sein kleines Töchterchen musste
jeden Abend sich selber die Schuhe putzen. Das war ein langweiliges Geschäft.
So kamen dem kleinen Mädchen dabei allerlei wunderliche Gedanken.
Eines
Der Vater
kam ein wenig in Verlegenheit. Und so sagte er: „Ich denke, da werden wohl
viele Engel sich eine Ehre draus machen, dem lieben Gott die Schuhe putzen zu
dürfen.“
Wenige
Tage später saß dieser Vater über seiner Bibel. Auf einmal sprang er auf und
rief aufgeregt seine kleine Tochter: „Du hast mich neulich gefragt, wer Gott
die Schuhe putze. Nun denke nur – die Bibel sagt etwas Wunderbares. Sie sagt:
Gott putzt uns die Schuhe!“
Da staunte
das kleine Mädchen. Und der Vater las ihr nun die Geschichte vor, wie Jesus
seinen Jüngern die Füße wusch. Das ist das Evangelium: Gott dient in Jesus uns.
Er neigt sich zu uns Schmutzigen herab und dient uns, indem er uns reinigt.
Es ist ein
wunderbares und seltsames Evangelium. Und der Petrus konnte es auch nicht
fassen. Darum erklärte er: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen.“
So spricht
unser ungläubiges Herz auch immer wieder. Möge es uns gehen wie dem Petrus! Als
dem der Herr mit großem Ernst sagte: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du
kein Teil an mir“, war Petrus schnell bereit.
Wenn's
darauf ankommt, dass wir uns dienen lassen, damit wir Teil bekommen an Jesus
Christus – dann wohlan! Dann wollen wir mit Danken sein Dienen annehmen.
Du nimmst
auf deinen Rücken
Die
Lasten, die mich drücken
Viel
schwerer als ein Stein;
Du
wirst ein Fluch, dagegen
Verehrst
du mir den Segen,
Dein
Schmerzen muss. mein Labsal sein.
15.
Februar
Desselbigengleichen
nahm er auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: „Das ist der Kelch, das
neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird.“
Lukas 22, 20
Es liegt
dem Herrn Jesus so viel daran, dass seine Leute ihres Heils gewiss sind. Darum
hat er auch das heilige Abendmahl gegeben.
Ein
Beispiel soll uns den Sinn des Abendmahls verdeutlichen: Denken wir an eine
belagerte Stadt im Mittelalter. Sie kann sich gegen den Feind nicht mehr
halten. Und darum wird auf den Stadttoren die weiße Fahne, das Zeichen der
Ergebung, gezeigt.
Im
feindlichen Lager hat sich der Feldherr mit seinen Offizieren versammelt. Es
öffnet sich das Stadttor. Heraus kommt der Kommandant. Er überreicht dem
feindlichen Feldherrn den Schlüssel zum Haupttor der Stadt.
Dieser
Schlüssel ist dem Feldherrn das sichtbare Zeichen: „Die Stadt gehört mir.“
So hat
Jesus uns in Brot und Wein ein sichtbares Zeichen gegeben, dass er ganz uns
gehören will, dass er sein Leben ganz für unsere Erlösung gegeben hat, dass
sein Heil uns gehört.
Wie in dem
Schlüssel die ganze Stadt dem Feldherrn gegeben wird, so gibt sich der erhöhte
Herr wirklich und ganz uns im Brot und Wein des Abendmahls.
Wenn wir
uns das klarmachen, dann lernen wir verstehen, dass das Abendmahl in der ersten
Gemeinde eine Lob- und Dankfeier war. Das sollte es bei uns wieder werden. Beim
Abendmahl darf die Gemeinde fröhlich werden über dem gewissen Heil Gottes in
Jesus Christus für Sünder.
Will
hinfort mich etwas quälen
Oder
wird mir etwas fehlen
Oder
wird die Kraft zerrinnen,
So
will ich mich nur besinnen,
Dass
ich einen Heiland habe,
Der
vom Kripplein bis zum Grabe,
Bis
zum Thron, wo man ihn ehret,
Mir,
dem Sünder, zugehöret.
16.
Februar
Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten,
gingen sie hinaus an den Ölberg.
Matthäus 26, 30
Wunderbar
ist dieser Lobgesang mitten in der Leidensgeschichte! Vor und hinter diesem
Lobgesang steht viel Düsteres. Kurz vorher hat Judas den Jüngerkreis verlassen,
besessen vom Satan. Und jetzt geht der Weg nach Gethsemane, wo der Heiland
seine Anfechtung durchkämpfen muss und wo das Versagen der Jünger offenbar
wird.
Und mitten
darin steht der Lobgesang.
Die Jünger
Jesu müssen dem Herrn den dunklen Weg nachgehen. „Wer nicht sein Kreuz auf sich
nimmt“, sagt er, „und folgt mir nach, der ist mein nicht wert.“
Da wollen
wir es recht von unserm Heiland lernen, dass auf solchem Weg der Lobgesang
nicht vergessen werden darf. Unser Lobgesang darf nicht abhängig sein von unserer
Stimmung und auch nicht von den Verhältnissen, in die wir geführt werden.
Der
Lobgesang der Gemeinde Jesu Christi gehört auch auf den Passionsweg. Ja, dahin
gehört er gerade!
Denn die
Gemeinde des Herrn singt den Lobgesang ja nicht nur, weil der Herr ihr gute
Tage schenkt oder weil sie eben in guter Stimmung ist. Nein! Sie singt den Lobgesang,
weil der Herr groß, herrlich und allezeit anbetungswürdig ist.
Mitten im
Leiden dürfen wir ihn loben.
Sollt
ich meinem Gott nicht singen?
Sollt
ich ihm nicht dankbar sein?
Denn
ich seh in allen Dingen,
Wie
so gut er's mit mir mein.
Ist
doch nichts als lauter Lieben,
Das
sein treues Herze regt,
Das
ohn Ende hebt und trägt,
Die
in seinem Dienst sich üben.
Alles
Ding währt seine Zeit,
Gottes
Lieb in Ewigkeit.
17.
Februar
Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten,
gingen sie hinaus an den Ölberg.
Matthäus 26, 30
Es war
eine unheimlich bange Stunde.
Die Feinde
rüsteten zum Tode Jesu. Judas war fortgegangen, um
sich mit den Mördern zu treffen. Und Jesus sagte kurz nachher: „Meine Seele ist
betrübt bis an den Tod.“
Und da – in
dieser bangen Stunde – sprachen sie den Lobgesang.
Das war
groß! Der Herr Jesus riss seine Jünger mit zur Anbetung Gottes – auch in diesem
Augenblick, wo so Unheimliches sich vorbereitete. Ja, das war groß!
Aber noch
größer ist es, wie der Herr Jesus diesen Lobgesang fortsetzte.
„… gingen
sie hinaus an den Ölberg.“ Und dort, in dem dunklen Garten Gethsemane, sagte
der Herr Jesus nach heißem Ringen die Worte: „Nicht mein, sondern dein Wille
geschehe.“ Und das war die zweite Strophe des Lobgesanges, diese völlige
Hingabe seines Willens und des Lebens.
Wir beten
Gott wohl auch an mit Worten und mit Liedern. Aber – das ist oft alles. Unser
Leben preist nicht den Herrn. Und so wird dann unser Lob Gottes ein leeres
Geschwätz.
Da wollen
wir recht von unserm Herrn Jesus lernen. Wer das Lob Gottes auf seinen Altar
legt, der muss auch sein Herz, sein Leben und seinen Willen dazulegen. Wir
können Gott nicht als Herrn preisen und uns dann seiner Herrschaft entziehen.
Lasst uns
Gott loben mit unserm Munde und mit unserm ganzen Gehorsam! Das ist ein Lob,
das ihn wahrhaft ehrt.
Treib
unsern Willen,
Dein
Wort zu erfüllen;
Lehr
uns verrichten heilige Geschäfte,
Und
wo wir schwach sind, da gib du uns Kräfte:
Lobet
den Herren!
18.
Februar
Da sprach Jesus zu ihnen: „In dieser Nacht werdet ihr euch alle an mir
ärgern.“
Matthäus 26, 31
„Ach was!“
sagte mir einmal ein Mann, den ich zum Worte Gottes einlud. „Ach was! Das ist
doch alles Unsinn.“
„Unsinn?“
fragte ich erstaunt.
„Klar! Das
Evangelium haben sich die Jünger doch selber ausgedacht.“
Da konnte
ich nur erwidern: „Wenn die Jünger es sich ausgedacht hätten, erschiene Ihnen
das Evangelium sicher gar nicht als Unsinn. Denn die Jünger waren sehr kluge
Leute.“
Der Mann
stutzte. Dann sagte er: „Aber es ist doch Unsinn, das mit dem Kreuz und dem
leeren Grab. Mir kommt das jedenfalls immer sehr unsinnig vor.“
Hier
konnte ich nur sagen: „Den Jüngern kam es auch sehr, sehr unsinnig vor. Den
Jüngern auch!“
Das meinte
der Herr Jesus, als er auf dem Wege nach Gethsemane sagte: „In dieser Nacht
werdet ihr euch alle an mir ärgern.“
Jawohl,
die Jünger haben sich viel ausgedacht, wie es mit dem Heiland sein müsse. Aber –
es kam immer ganz anders.
Wir müssen
begreifen: Das Evangelium verläuft nicht in den Linien unserer Vernunft,
sondern in den Linien Gottes.
Und darum
kann es gar nicht anders sein, als dass die Vernunft sich ärgert. Die Vernunft
der Jünger hat sich an dem Kreuzweg Jesu geärgert. Und seit zweitausend Jahren
geht es allen, die das Evangelium hören, nicht anders.
Es ist
eben die Wahrheit Gottes. Und es ist die Kraft Gottes, die erretten kann. Und
darum möge unsere armselige Vernunft sich beugen und uns nicht aufhalten, wenn
unser Gewissen uns zu Jesus treibt.
Du
wertes Licht, gib uns deinen Schein,
Lehr
uns Jesum Christ kennen allein,
Dass
wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland,
Der
uns bracht hat zum rechten Vaterland.
Kyrieleis.
19.
Februar
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: „Wenn
sie auch alle sich an dir ärgerten, so will Ich doch mich nimmermehr ärgern.“
Matthäus 26, 33
Zu einem
gesegneten schwäbischen Prediger kam einmal ein wackerer Handwerksmeister und
erklärte: „Ich habe mich am Sonntag in ihrer Kirche recht geärgert, als es im
Sündenbekenntnis hieß: ‚Ich armer, elender, sündiger Mensch bekenne …' Das ist
zuviel! So bin ich nicht! Ich bin kein armer, elender Sünder!“
Da
erwiderte der Prediger: „Dann sprechen Sie nur beim nächsten Mal in Ihrem
Herzen: ‚Ich hochmütiger Schneider bekenne…“
Nun, das
war derb geantwortet. Und der Meister wusste nichts mehr zu sagen.
Aber – wir
können den Mann gut verstehen. Es geht eine gerade Linie von dem Petrus auf dem
Weg nach Gethsemane bis zu diesem Schneidermeister – und bis zu uns. Wir sind
alle miteinander Leute, die ihr eigenes Herz gar nicht kennen. Wir sind Leute,
die nicht wissen, wie unendlich schwach und böse und gottlos unser Herz ist.
Aus meiner
Jugend hat sich mir ein kleines Erlebnis unauslöschlich eingeprägt: Da führte
ich – wie es Jungens eben so tun – etwas großsprecherische Reden. Mittendrin
unterbrach mich meine Mutter und sagte sehr ernst: „Bitte du nur deinen
Heiland: ,Herr, zeige mir mein Herz!“
Das ist
eine wichtige Bitte. Gott erhört sie auch. Und wenn wir dann in seinem Lichte
unser Herz sehen, dann werden wir ganz klein. Und dann werden wir froh, dass
Jesus ein Heiland der Sünder ist – auch für uns.
Fürwahr,
wenn mir das kommet ein,
Was
ich mein Tag begangen,
So
fällt mir auf das Herz ein Stein
Und
bin mit Furcht umfangen;
Ja,
ich weiß weder aus noch ein
Und
müsste stracks verloren sein,
Wenn
ich dein Wort nicht hätte.
20.
Februar
Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hofe, der
hieß Gethsemane, und sprach zu seinen Jüngern …: „Meine Seele ist betrübt bis
an den Tod.“
Matthäus 26, 36 und 38
Vielleicht
war Gethsemane ein sehr schöner Garten. Und vielleicht war es eine bezaubernde
Frühlingsnacht. Leise rauschten die Bäume. Und über ihnen funkelten in
herrlicher Pracht die Sterne. Ja, vielleicht war es eine solche Nacht, in der
junge Menschen schwärmen und die Dichter lyrisch werden.
Für den
Sohn Gottes aber beginnt in dieser Nacht und in diesem Garten der Weg – in die
Hölle. Ja, in die Hölle!
Wir denken
dabei gar nicht einmal an das körperliche Leiden, das er erdulden musste. Nein!
Was seine Seele betrübt bis in den Tod werden ließ, war etwas anderes.
Die Hölle –
das ist der Ort, wo Gott nicht mehr hinschaut. Die Hölle – das ist die Stätte,
wo der Mensch wirklich – im tiefsten Sinne des Wortes – gottverlassen ist.
Und in
diese Hölle hinein ging nun der Heiland. Darum war seine Seele betrübt bis an
den Tod. Der Sohn verlor den Vater, der Sohn Gottes wurde ausgestoßen.
Hier in
dem dunklen Garten konnte er noch beten: „Mein Vater …!“ Aber wenige Stunden
später war er in der Hölle angekommen. Da schrie er: „Mein Gott, du hast mich
verlassen.“
Im
Propheten Jesaja steht ein seltsames Wort. Das heißt: „Der Herr warf unser
aller Sünde auf ihn.“ Ich denke, das geschah in dieser Stunde. Der Reine belud
sich mit unserer Schuld. Der Sohn nahm die Hölle auf sich – für uns! Und sein
Mund stöhnte: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“
Dahin hat
unsere Sünde es gebracht!
O
du Abgrund aller Güte,
Zieh
durchs Kreuz in dich hinein
Geist,
Seel, Herz, Sinn und Gemüte,
Ewig
mit dir eins zu sein.
21.
Februar
Jesus betete und sprach: „Mein Vater, ist's
möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du
willst!“
Matthäus 26, 39
Als ich
ein junger Student war, fragte mich ein Freund: „ich finde es fürchterlich, dass
die Christen lehren, der Sohn Gottes hätte einen blutigen Tod sterben müssen.
Was muss das für ein furchtbarer Gott sein, der dies Opfer verlangte! Gab es
für ihn wirklich keinen anderen Weg, die Welt zu versöhnen?“
Die Frage
machte mir zu schaffen. Und ich vergesse nicht, wie ich eine ganze Nacht lang
durch die Berge gelaufen bin, um eine Antwort zu finden auf diese Frage: „Gab
es wirklich keinen anderen Weg?“
Da hat es
mich getröstet, dass den Heiland selber diese Frage bewegt hat. Das ist ja der
Sinn der Bitte, die er dort im Garten Gethsemane an seinen Vater stellte: „Gibt
es wirklich keinen anderen Weg, als dass ich diesen furchtbaren Leidenskelch
trinken muss?“
Jesus bekam
auf diese Frage keine lange Erklärung, sondern nur die Antwort: „Nein! Es gibt
keinen anderen Weg.“
Wir dürfen
uns getrost um Erklärungen bemühen. Es mag uns einleuchten, dass Gottes
unbeugsame Gerechtigkeit den Tod des Sünders erforderte – oder den Tod des Bürgen.
Aber einer
gläubigen Seele genügt die Antwort Gottes: Das Kreuz des Sohnes Gottes war die
einzige Möglichkeit zur Versöhnung der Sünder.
Wenn es so
steht, wenn das Kreuz Gottes einzige
und letzte Möglichkeit war, dann ist das Kreuz auch unsere einzige Möglichkeit, selig zu werden. Wir wollen uns gläubig
unter dies Kreuz stellen und dem Heiland danken, dass er den Kelch trank.
Seh
ich dein Kreuz
Den
Klugen dieser Erden
Ein
Ärgernis und eine Torheit werden:
So seis doch mir trotz allen frechen Spottes
Die
Weisheit Gottes.
22.
Februar
Und Jesus kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend.
Matthäus 26, 40
Leise
knirscht der Kies unter den Sandalen des einsamen Mannes, der zu seinen
Gefährten eilt. Er braucht jetzt seine Brüder, jetzt, in seiner unsagbaren Not.
Und dann
steht Jesus erschüttert vor dem armseligen Häuflein seiner schlafenden Jünger.
Verstehen
wir, was das bedeutet?
Hier, an
dieser einzigen Stelle, hatten Menschen die Gelegenheit, ein klein wenig
mitzuhelfen an dem großen Erlösungswerk. Hier konnten sie ihrem Heiland
beistehen.
Und diese
Gelegenheit verschliefen sie. Jesus blieb allein – bis zu dem Augenblick, wo er
das Haupt neigte und verschied. Ganz allein!
Die
Christenheit hat es gar nicht fassen wollen, dass der Sohn Gottes wirklich so
unsagbar allein war bei seinem Erlösungswerk. Darum hat sie die rührende Sage
erfunden von der Frau Veronika, die dem Heiland wenigstens den Schweiß
abwischte, als er sein Kreuz trug.
Aber die
Bibel berichtet nichts von dieser Veronika. Sie weiß nur von schlafenden
Jüngern. Sie sagt uns unüberhörbar: Jesus war allein.
Allein hat
er die Schuld weggetragen. Allein hat er das ewige Opfer vollbracht, durch das
wir mit Gott versöhnt werden. Allein hat er der Schlange den Kopf zertreten.
Unser Heil
hat er ganz allein gewirkt – ohne jede Menschenhilfe. Als er rief: „Es ist
vollbracht!“, da hatte er es allein getan.
Darum
steht nun auch unser Heil allein in ihm. Wir können jetzt erst recht nichts
mehr dazutun. Wir dürfen es – als sein völliges Werk – im Glauben annehmen und
danken.
Ach
großer König, groß zu allen Zeiten,
Wie
kann ich gnugsam solche Treu ausbreiten?
Keins
Menschen Herz vermag es auszudenken,
Was
dir zu schenken.
23.
Februar
Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?
Lukas 22, 48
Deutlich
sehen wir das Bild aus dem Garten Gethsemane vor uns: Hier die wilde Schar der
Männer, die ausgezogen ist, Jesus zu fangen – blutrot beleuchtet vom zuckenden
Fackellicht.
Dort
drüben, unter den alten Bäumen des Gartens, die andere Gruppe: Jesus und seine
Jünger.
Aber da
ist ja noch einer!?
Wo gehört
denn der hin? Man sieht ihn zwischen beiden Gruppen laufen. Er kam mit den
Feinden des Herrn Jesu. Also wird er wohl zu ihnen gehören.
Aber sieh,
er läuft hinüber zu der anderen Gruppe. Jetzt grüßt er den Herrn Jesus sogar
mit einem Kuss.
Wir haben
uns offenbar geirrt: Er gehört doch nicht zu den Feinden Jesu. Er ist doch wohl
einer von Jesu Jüngern.
Aber nun
sieh, er taumelt zurück, als habe er einen Schlag bekommen. „Verräter“, hat ihn
Jesus genannt.
O dieser
unglückliche Mann zwischen den Fronten! Er tut, als gehöre er Jesus an. Und
heimlich hält er zu der Welt. Sie gab ihm ja 30 Silberlinge, warum sollte er es
nicht mit ihr halten! Aber er wollte es auch mit Jesus nicht verderben. So
verriet er ihn nicht offen, sondern mit einem Kuss.
Erkennen
wir uns nicht wieder im Bild des Judas? Ein Mann, der einer Entscheidung aus
dem Wege gehen will!
Und nun
stoßen ihn beide von sich. Jesus nennt ihn Verräter. Und als er später bei der
Welt Trost sucht, da stößt auch die ihn von sich. Da nahm er sich das Leben.
Hüten wir
uns, dem Mann zwischen den beiden Fronten zu gleichen! Jesus hat sich ganz für
uns gegeben zur Erlösung. Nun will er uns auch ganz haben.
Ringe
recht, wenn Gottes Gnade
Dich
nun ziehet und bekehrt,
Dass
dein Geist sich recht entlade
Von
der Last, die ihn beschwert.
Ringe,
denn die Pfort ist enge,
Und
der Lebensweg ist schmal;
Hier
bleibt alles im Gedränge,
Was
nicht zielt zum Himmelssaal.
24.
Februar
Jesus aber sprach zu Judas: „Mein Freund …“
Matthäus 26, 50
Erschütternder
Augenblick!
Selbst die
rohen Kriegsknechte stehen eine Weile betroffen. Die Jünger begreifen noch gar
nicht recht, was hier eigentlich gespielt wird.
Und
zwischen all den vielen Menschen stehen in dem düsteren Fackellicht Jesus und
Judas einander gegenüber.
Judas hat
dem Heiland den Verräterkuss gegeben. Und nun sieht Jesus ihn an. Und sagt ein
kurzes Sätzlein – ein Sätzlein,
so ergreifend, dass es den Judas in Verzweiflung treibt: „Mein Freund …“
„Mein
Freund …“ Wer den Herrn Jesus kennt, der weiß: Jesus macht keine leeren Worte.
Er, der die Wahrheit ist, lügt auch nicht mit einer Silbe. Und nun nennt er den
Judas seinen Freund! Das ist also ernst gemeint. Er kündigt dem Judas die
Freundschaft nicht. Er hört nicht auf, dem Judas sein Herz zu schenken. Ströme
der Liebe, göttlicher Liebe, fluten dem Judas entgegen.
Aber Judas
ist nicht mehr imstande, sein Herz dieser Liebe zu öffnen. Er hat alle
Schleusen verrammelt und geschlossen.
So ist das
zwischen den Menschen und Jesus!
Jesus hört
nicht auf, uns zu lieben. Und wenn wir ihn verraten und aufs neue
kreuzigen! Er liebt uns – unermesslich.
Aber
sollten wir – wenn wir den Judas sehen – nicht erschrecken vor der Möglichkeit,
dass wir diese Liebe nicht mehr fassen können?
Dass uns
doch das Herz glühte über der Liebe des Sohnes Gottes!
Was
wir davon denken, was wir sagen können,
ist
ein Schatten nur zu nennen.
Tag
für Tag zu leiden, Tag für Tag zu dulden
So
viel Millionen Schulden
Und
dazu
Ohne
Ruh
Lieben
für das Hassen,
Herr,
wer kann das fassen?
25.
Februar
Da aber sahen, die um ihn waren, was da
werden wollte, sprachen sie zu ihm: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“
Und einer aus ihnen schlug des Hohenpriesters Knecht.
Lukas 22, 49 und 50
Eine
tumultuarische Szene im Garten Gethsemane!
Trauriges
Bild: Der Ton empört sich gegen den Töpfer; der Mensch nimmt seinen Heiland
gefangen.
Das
Traurigste ist aber, dass der Herr in dieser Stunde kämpfen muss mit der
Verkehrtheit seiner Jünger.
Petrus
zieht das Schwert. Er meint, er müsse den Herrn Jesus, seine Sache und sein
Reich retten, wie man wohl ein irdisches Reich rettet mit dem Schwert.
Gewaltiger Irrtum! Wir haben nicht einen Herrn, den wir retten müssten. Er
rettet vielmehr uns.
Petrus
hätte wohl wissen können, dass Jesu Weg der Kreuzesweg ist. Den Kreuzesweg aber
wollte er nicht. So kämpfte er in Wahrheit gegen den Heiland. Sein Kampf war
Flucht vor dem Kreuz. Unsere Art ist aber von Natur nicht anders als die des
Petrus.
Man muss
darauf achten, dass Petrus vor seinem Dreinschlagen den Herrn fragt: „Herr,
willst du, dass wir mit dem Schwert dreinschlagen?“
Aber ehe
eine Antwort erfolgt, legt er los. Er denkt ohne weiteres, sein Wille müsse
auch der Wille seines Herrn sein. Das meinen wir auch immer. Wenn wir etwas gut
meinen, dann soll es gleich auch Gottes Wille sein.
Aber so
ist es nicht. Petrus hat es noch sehr lernen müssen, seinem Herrn ganz gehorsam
zu werden. Und wir müssen es auch lernen.
Wie groß
ist Jesu Geduld, nicht nur mit der Welt, sondern auch mit seinen Jüngern!
Ich
will ans Kreuz mich schlagen
Mit
dir und dem absagen,
Was
meinem Fleisch gelüst't;
Was
deine Augen hassen,
Das
will ich fliehn und lassen,
Soviel
mir immer möglich ist.
26.
Februar
„Aber das ist alles geschehen, dass erfüllt
würden die Schriften der Propheten.“ Da verließen ihn alle Jünger und flohen.
Matthäus 26, 56
Wilde
Panik überfällt die Jünger. Sie sehen, wie Jesus sich widerstandslos verhaften lässt.
Es erfolgt kein Eingreifen von oben. Ja, Jesus verbietet sogar dem Petrus, das
Schwert zu fassen. Er ist also wirklich entschlossen zum Leiden.
Da ist es
mit dem Mut der Jünger zu Ende. Nun scheint ihnen alles verloren. Alle ihre
Hoffnungen auf das messianische Königreich brechen zusammen. „Da verließen ihn
alle Jünger und flohen.“
Das war
schade! Hätten sie doch das letzte Wort Jesu noch in Ruhe gehört! Dann wäre es
nicht zu dieser Panik gekommen. Dann wäre ihnen viel Furcht erspart geblieben.
Das letzte Wort Jesu hätten sie noch hören sollen: „Aber das ist alles
geschehen, dass erfüllt würden die Schriften der Propheten.“
Leider
haben die Jünger das nicht mehr aufgenommen. Und so hat der Herr ihnen später
einen Nachhilfe-Unterricht erteilen müssen. Nach seiner Auferstehung heißt es: „Da
öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden, und sprach
zu ihnen: Also ist's geschrieben, und also musste Christus leiden …“
Die lieben
Jünger hätten sich viel Furcht, Angst und Not erspart, wenn sie das Wort Jesu
gleich recht gehört hätten.
Und auch
wir hätten uns in unserm Leben manche Panik, manche Furcht und Sorge erspart,
wenn wir mehr im Glauben aus dem Worte Gottes gelebt hätten. Dass die Welt – ohne
Gottes Wort – von einer Unruhe in die andere kommt, ist sehr begreiflich. Wer
aber dem Worte glaubt, darf in der Führung und unter den Verheißungen des
lebendigen Gottes im Frieden leben.
Meine
Seele klaget nicht,
Denn
sie weiß von keinen Nöten,
Hängt
an Gottes Angesicht
Auch
alsdann, wenn er will töten.
Wo
sich Fleisch und Blut beklagt,
Wird
das Freudenlicht verjagt.
27.
Februar
Der Hohepriester stand auf und sprach zu
Jesus: „Antwortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugen?“ Aber Jesus
schwieg stille.
Matthäus 26, 62 und 63
Eine
ungeheure Spannung liegt über dem Saal, in dem der Hoherat
Israels sich in später Nachtstunde versammelt hat, um über Jesus Gericht zu
halten.
Ein Zeuge
nach dem andern tritt vor und beschuldigt Jesus. „Jesus aber schwieg stille.“
Warum
schwieg er? Warum rechtfertigte er sich nicht? Warum erklärte er nicht in
Geduld diesen Leuten Gottes Pläne?
Wir
verstehen das sofort, wenn wir vorher lesen: „Sie suchten falsches Zeugnis wider ihn.“
Man muss
dieses Wort zusammenhalten mit dem, was Jesus einige Stunden später dem Pontius
Pilatus sagte: „Wer aus der Wahrheit
ist, der höret meine Stimme.“
Das alles
gilt auch heute noch. Es ist immer noch so, dass der Unglaube allerlei gegen
Jesus vorbringt aus einem Herzen heraus, das ihn gar nicht will. Da tut man,
als habe man in Wahrheit Not, dies widerspruchsvolle Evangelium zu glauben.
Aber im Grunde will man einfach sein Leben nicht ändern.
Es kann
sein, dass Christenleute in rührender Geduld dem Unglauben auf solche
unehrliche Fragerei antworten. Aber Jesus tut es nicht. Er schweigt dazu.
Aber er
schweigt nicht, ganz bestimmt nicht, wo ein Herz in Wahrheit Frieden mit Gott
begehrt und das Heil sucht. Da hört man bald die Stimme des guten Hirten.
Richt
unsre Herzen,
Dass
wir ja nicht scherzen
Mit
deinen Strafen,
Sondern
fromm zu werden
Vor
deiner Zukunft
Uns
bemühn auf Erden:
Lobet
den Herren!
28.
Februar
Und der Hohepriester sprach zu Jesus: „Ich
beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seiest
Christus, der Sohn Gottes.“ Jesus sprach zu ihm: „Du sagst es.“
Matthäus 26, 63 und 64
Offenbar
war dieser Kaiphas doch ein ganzer Mann. Mit einem
Male ist ihm dieses Verhör Jesu unerträglich: Er mag die falschen Anklagen, die
er selber bestellt hat, nicht mehr hören.
So bricht
er kühn diese Komödie ab und stößt vor in die Welt der Wahrheit. Er stellt die
Frage, um die es geht, ob dieser Mann aus Nazareth der Messias Gottes ist.
Mehr! Er
fragt nicht nur, sondern er beschwört den Angeklagten, er solle nun klar sagen,
ob er der Sohn Gottes sei.
Jetzt
können die falschen Zeugen mit ihren albernen Aussagen abtreten. Jetzt ist man
an die eigentliche Sache gekommen.
Und sieh –
nun bricht Jesus das Schweigen. Er gibt eine gewaltige Antwort. Er bezeugt
seine Gottes-Sohnschaft und verkündet seine
Wiederkunft in Herrlichkeit.
Das ist
alles klar – auch für uns. Seit dieser Antwort Jesu gibt es im Grunde keine Diskussion mehr über Jesus, sondern
nur noch eine Entscheidung für oder gegen ihn.
Die
Mitglieder des Hohenrats begriffen das sofort. Sie spieen
ihm ins Gesicht und schrieen: „Er ist des Todes schuldig!“ Der junge Pharisäer
Saulus begriff es auch. Darum verfolgte er voll Hass die Christen – bis er
selber als Paulus ein Zeuge Jesu wurde.
Aber so
oder so: Es ging nicht mehr um einen Meinungsstreit, sondern um eine Entscheidung.
Das macht jede Begegnung mit dem Evangelium für uns so bedeutungsvoll.
Lass
mich deinen Ruhm
Als
dein Eigentum
Durch
des Geistes Licht erkennen,
Stets
in deiner Liebe brennen
Als
dein Eigentum,
Allerschönster
Ruhm.
29.
Februar
Etliche schlugen Jesus ins Angesicht und
sprachen: „Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“
Matthäus 26, 67 und 68
Ein
entsetzliches Bild: Ehrwürdige Ratsmitglieder vergessen jede Würde. Die einen
bespeien den Herrn. Die andern schlagen mit Fäusten auf ihn ein.
Und da
klingt auf einmal jene seltsame Frage auf: „Wer ist's, der dich schlug?“
Diese
Frage ist ja viel mehr als ein alberner, hasserfüllter Spott. Diese Frage ist
die entscheidende Frage der ganzen Passionsgeschichte: Wer ist es, der den Sohn
Gottes schändete, prügelte, geißelte und endlich an das Kreuz schlug? Wer ist
es?
Das Mittelalter
antwortete: Die Juden waren es! Und damit wurden dann die schändlichsten
Verfolgungen gerechtfertigt.
Das
liberale Zeitalter erklärte: Die religiösen Fanatiker waren es! Diese Fanatiker
verstehen nichts von toleranter Duldung. Darum muss man ihnen das Handwerk
legen.
Unsere
Zeit sagt: Ach, lasst uns mit dieser Frage in Ruhe! Sie interessiert uns nicht.
Es geht uns vielmehr darum zu wissen, wer uns
so geschlagen hat, dass es uns so übel geht.
Aber die
Frage steht da: „Christe, wer ist's, der dich schlug?“ – „Wer hat dich so
geschlagen, / Mein Heil, und dich mit Plagen / So übel zugericht't?“
fragt Paul Gerhardt in einem Lied.
Und er
gibt selber die Antwort, jene Antwort, die uns auch Gott in der Bibel gibt: „Ich,
ich und meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden
/ Des Sandes an dem Meer, / Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget …“
Das ist
es: „Ich, ich und meine Sünden …“!
Ich
bin's, ich sollte büßen,
An
Händen und an Füßen
Gebunden
in der Höll;
Die
Geißeln und die Banden
Und
was du ausgestanden,
Das
hat verdienet meine Seel.
1.
März
Etliche schlugen Jesus Ins Angesicht und
sprachen: „Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?“
Matthäus 26, 67 und 68
Hart
fallen die Schläge in das Gesicht des Herrn Jesu. „Du bist doch Gottes Sohn,
wie du sagst!“ höhnt einer. „Dann bist du doch allwissend! Nun – dann sage uns –
von wem kam dieser Schlag – und dieser! – und dieser? Weissage uns, Christe,
wer ist's, der dich schlug?“
Eigentlich
muss man sich wundern, dass diesen Männern nicht über ihrer Frage etwas aufging
– nämlich dies, dass die Antwort auf ihre Spottfrage ja schon im Alten
Testament steht. Sie waren doch Schriftgelehrte in Israel! Sie waren Leute, die
das Alte Testament sehr gut kannten. Dass ihnen in dieser Stunde nicht jene Stelle
einfiel, wo Jesaja von dem leidenden Gottesknecht spricht und wo es heißt: „Der
Herr wollte ihn also zerschlagen“!
O, man
möchte diese Wildgewordenen Ratsherren Beiseiteschieben und ihnen zurufen: „Geht
weg, ihr Narren mit euren armen, schwachen Händen! Es ist eine andere Hand,
eine stärkere, eine unheimlich starke, über diesen Jesus gekommen. Die schlägt
ihn. Es ist die Hand des Vaters, des lebendigen Gottes.“
Das ist ja
nun das Schreckliche und Unfassbarste, was man sich nur denken kann: Gott steht
gegen seinen Sohn! Gott steht gegen – Gott! Wer kann das verstehen?
Man kann
es nur ahnen, wenn man liest, was Jesaja ein paar Verse vorher sagt über das
Leiden des Gottesknechts: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden
hätten.“ Gott schlägt seinen Sohn an unserer Statt.
Da sinkt
man in die Knie und betet an: Es geschieht alles uns zugute, „auf dass wir
Frieden hätten“!
Gott
ist gerecht, ein Rächer alles Bösen,
Gott
ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.
Dies
kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken
Am
Kreuz erblicken.
2.
März
Die Hohenpriester sprachen zu Judas: „Was geht uns das an? Da siehe du
zu!“
Matthäus 27, 5
Judas
erwacht plötzlich an einem Abgrund: „Mein Weg war verkehrt! Was habe ich getan!“
Der müsste
ja kein Mensch sein, der diese Schrecksekunden aus seinem Leben nicht kennt.
In solchen
Augenblicken erwacht aber die Frage: „Kann meine schuldige Vergangenheit
ausgelöscht werden?“
Vor dieser
unheimlich ernsten Frage steht Judas. Er trägt die Hoffnung in sich: Die schuldige
Vergangenheit ist ausgelöscht, wenn ich das Blutgeld zurückgebe.
Aber die
Hohenpriester machen ihm schnell deutlich: So wird die Vergangenheit nicht
ungültig gemacht.
Tausende
sind seitdem dem Beispiel des Judas gefolgt. Sie haben ihre Schuld „gutzumachen“
versucht. So schön und lobenswert das ist – vor Gott ist damit die Schuld nicht
ausgelöscht.
Der Mensch
ist darum auf einen einfacheren Weg verfallen, seine schuldige Vergangenheit zu
tilgen: Er breitet den Mantel des Vergessens darüber.
Damit aber
ist die Vergangenheit auch nicht gelöscht.
Wenn ich
eine ungeheuer große Rechnung vorgelegt bekomme, die ich nicht bezahlen kann,
dann kann ich wohl diese Rechnung in den Schreibtisch legen und die ganze Sache
vergessen. Aber eines Tages wird mein Gläubiger doch wieder die Schuld
anmahnen.
Die
Rechnung ist erst dann erledigt, wenn sie bezahlt ist.
Und nun
ist mir, als höre ich den Jubelschrei aus dem Neuen Testament: „Deine Rechnung
ist ja bezahlt! Ohne dein Zutun hat der Sohn Gottes am Kreuz deine Schuld
bezahlt.“
Im Glauben
an dies Bezahlen Jesu – durch Vergebung der Sünden – wird die schuldige
Vergangenheit ausgetilgt. Nur so! Aber – so wirklich!
Wie
gut ist's, von der Sünde frei,
Wie
selig, Christi Knecht!
Im
Sündendienst ist Sklaverei,
!n
Christo Kindesrecht.
3.
März
Die Hohenpriester sprachen zu Judas: „Was geht uns das an? Da siehe du
zu!“
Matthäus 27, 5
Wie
schnell können Menschen ihr Gesicht wandeln! Bisher sind diese Hohenpriester
dem Judas sehr freundlich begegnet. Aber nun wenden sie ihm auf einmal kühl den
Rücken, als er in seiner Gewissensnot zu ihnen kommt. „Was geht uns das an?“
Es hat
keinen Sinn, dass wir uns über diese harten Leute aufregen; denn in gewissem
Sinne haben sie Recht.
Judas hat
seinen Heiland verraten. Nun, als es zu spät ist, geht ihm die Größe seiner
Schuld auf.
Schuld
aber ist unser Allereigenstes. Da kann uns kein
Mensch helfen.
Wenn uns
das Haus abbrennt, dann können die Nachbarn uns beispringen und beim Aufbau
helfen. Wenn wir in Geldnot sind, können die andern uns unter die Arme greifen
und die Not mit uns teilen.
Aber die
Not des Gewissens kann uns kein Mensch abnehmen. Das ist unser Ureigenstes.
Judas nahm
sich das Leben. Er flüchtete in die Arme des Todes. Aber in solcher Not kann
uns nicht einmal der Tod helfen. Er macht uns von allem los: von Krankheit, von
unsern irdischen Sorgen, von bösen Menschen – aber nicht von Schuld! Die Schuld
nehmen wir mit in die Ewigkeit.
Darum – seht!
– ist das Evangelium so ungeheuer groß und herrlich, weil es uns den Einen
zeigt, der uns da keifen kann: den Herrn Jesus Christus, der für unsere Schuld
am Kreuze starb.
Das ist
das Geheimnis des Glaubens: Jesus kann mir so erstaunlich nah werden, dass
meine Schuld seine Schuld wird. Und seine Gerechtigkeit vor Gott wird meine
Gerechtigkeit.
Darin aber
besteht die eigentliche Erlösung des Menschen.
Herr
Jesu Christ, dein teures Blut
Ist
meiner Seele höchstes Gut;
Das
stärkt, das labt, das macht allein
Mein
Herz von allen Sünden rein.
4.
März
Jesus aber stand vor dem Landpfleger.
Matthäus 27, 11
Diese
Stunde war wie eine Verheißung: Jesus stand vor dem Heiden!
Bisher
hatte Jesus sich auf Israel beschränkt. Als das kanaanäische
Weib ihm nachlief, sagte er, man dürfe den .Kindern nicht das Brot wegnehmen
und es vor die Hunde werfen. Und damit meinte er, er sei nur für die Kinder des
Alten Bundes, für Israel, da.
Und seine
Jünger hatte er einst, als er sie aussandte, geheißen: „Gehet nicht auf der
Heiden Straße!“
Aber dann
hatte er doch auch Andeutungen gemacht, dass sein Reich sich in die weite Welt
ausbreiten werde: „Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem
Stall.“ Dabei war sein Blick in die Heidenwelt gegangen.
Nun stand
er vor einem einflussreichen Heiden. Welch bedeutsame Stunde! Es ist, als
wollten sich die Türen in die Welt leise auftun.
Und doch –
es war noch nicht ganz soweit.
Einst
waren die Heiden zu den Jüngern gekommen und hatten gebeten, sie wollten Jesus
gerne sehen. Da hatte Jesus abgewehrt mit der Begründung: „Erst muss das Weizenkorn
in die Erde fallen und ersterben. Dann bringt es Frucht.“ Erst musste sein
Leiden und Sterben zu Ende gekommen sein, erst musste er wie ein Weizenkorn
ersterben – dann! Ja, dann!
Und so
geschah es! Pilatus fand noch nicht zu Jesus. Aber sechs Stunden später, als
das Weizenkorn erstorben war, als Jesus den letzten Schrei getan hatte – da war
es ein Heide, der die Türen aufstieß. Der römische
Hauptmann unter dem Kreuz glaubte und bekannte: „Dieser ist Gottes Sohn!“
Und
seitdem stehen die Türen offen. Aus allen Nationen sammelt sich Jesu Volk, das
seinen König anbetet.
Beleb,
erlaucht, erwärm, entflamme
Doch
bald die ganze weite Welt
Und
zeig dich jedem Völkerstamme
Als
Heiland, Friedefürst und Held.
5.
März
Und da Pilatus auf dem Richtstuhl saß,
schickte sein Weib zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit
diesem Gerechten!“
Matthäus 27, 19
Die
Spannung ist auf das Höchste gestiegen vor dem Palast des Pilatus. Er hat die
Tausende gefragt, ob sie ihre Stimme nicht für Jesus abgeben wollen.
Und – furchtbar!
– nicht eine einzige arme Stimme meldete sich.
Da wird
die Verhandlung unterbrochen. Ein Bote tritt zu Pilatus, geschickt von dessen
Frau. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier melde sich nun doch eine
Stimme für Jesus; eine Stimme, mit der niemand gerechnet hat.
„Er ist ein
Gerechter!“ lässt die Frau sagen. Ja, das klingt positiv. Aber – was sagt der
Bote noch? „Habe du nichts zu schaffen mit ihm!“
Und jetzt
steht die Frau Pilatus auf einmal vor uns, recht als der Typ des
abendländischen Menschen. Der sagt: „Jesus? Ja gewiss! Wir sind doch alle
christlich. Natürlich! Aber – wie? Ich soll vor aller Welt meine Stimme für ihn
abgeben? Ich soll ihn als König und Herrn anerkennen? Ich soll eine
Entscheidung treffen? Unmöglich. Da halte ich mich heraus!“
„Da halte
ich mich heraus!“ Das ist die Lebensparole der meisten. „Pilatus, halte dich
heraus!“ lässt die kluge Frau sagen. Die kluge Frau? O die Närrin!
Pilatus
soll sich heraushalten! Wie denn?
Und da
wird etwas Unheimliches deutlich: Gott erlaubt es uns nicht, uns aus der Sache seines
Reiches herauszuhalten. Pilatus wollte neutral bleiben, er wusch seine Hände in
Unschuld. Aber so wurde er der Mörder Jesu.
Welch ein
Zeichen für uns!
O
nein, ich will und kann nicht mehr,
Mein
Freund, betrüben dich.
Dein
Herz verbindt mich allzusehr,
Ach
bind mich ewiglich.
6.
März
Pilatus sprach zu ihnen: „Was soll ich denn machen mit Jesus?“
Matthäus 27, 22
Es geht
wirklich wunderlich zu in der Leidensgeschichte Jesu!
Immer
wieder lesen wir, dass man den Herrn Jesus verspottet hat. Man hat alles getan,
um ihn lächerlich zu machen. Die Kriegsknechte zum Beispiel haben in der albernsten
Weise seinen Königsanspruch verhöhnt. Sie haben eine Krone auf sein Haupt
gedrückt – aber es war eine Krone aus Dornen. Sie haben ihm einen roten Mantel
umgehängt, wie ihn die Könige tragen – doch es war ein alter Soldatenmantel.
Als aber
Jesus in diesem Aufzug vor dem Volke erschien, rief Pilatus erschüttert: „Seht,
ein Mensch!“ Und das hieß: „All die Menschen, die ich bisher erlebt habe, waren
ja Tiere, Bestien, Affen, Pfauen und Tiger. Jetzt – ich muss es bekennen – sehe
ich zum ersten Mal einen Menschen!“
Offenbar
war es nicht gelungen, Jesus lächerlich zu machen. Und so ging es weiter.
Unendlicher Spott traf den Herrn Jesus, als er am Kreuze hing. Aber das Ende
war, dass ein Hauptmann bekannte: „Dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Die Welt
hat seitdem immerzu versucht, Jesus und das Evangelium lächerlich zu machen.
Das ist nie gelungen.
Aber – und
das ist das andere, was die Passionsgeschichte zeigt – die Menschen, die ihn
verachten, werden vor ihm lächerlich. Seht nur den Pilatus! Er ist Richter. Und
statt zu richten, fragt er hilflos den Pöbel: „Was soll ich denn machen mit dem
Angeklagten?“ Einen armseligeren Richter und hilfloseren Mann hat es nie wieder
gegeben – als diesen stolzen Römer. O Pilatus!
Wer Jesus
verachtet, wird lächerlich, furchtbar lächerlich. Denn in Gottes Wort steht: „Der
im Himmel sitzt, lacht ihrer.“ Das ist schrecklich, dies Lachen!
Wir
danken dir, Herr Jesu Christ,
Dass
du für uns gestorben bist
Und
hast uns durch dein teures Blut
Gemacht
vor Gott gerecht und gut.
7.
März
Da nahm Pilatus Wasser und wusch die Hände
vor dem Volk und sprach: „Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten!“
Matthäus 27, 24
O Pilatus!
Nun bist du soweit, dass ein kleines Kind über dich lachen kann!
Ein
Richter, der feierlich erklärt, dass der Angeklagte ein „Gerechter“ ist – und
diesen Gerechten zugleich zum Tode verurteilt – und dann eine kleine Aufführung
veranstaltet, um zu sagen, er sei unschuldig an dem Justizmord –: Das ist in
der Tat hoffnungslos albern!
Und
trotzdem lohnt es sich, einen Augenblick über diesen Satz des Pilatus
nachzudenken. „Ich bin unschuldig am Tode Jesu!“ – das ist ein Satz, den kein
einziger Mensch in der Welt sagen kann.
Es gibt
nur eine einzige Gemeinsamkeit unter den Menschen: Sie sind alle schuldig am
Tode Jesu. Im Alten Testament heißt es: „Der Herr warf unser aller Sünden auf
ihn.“
Hört es: „Unser
aller Sünden“! Da kann sich keiner
ausschließen. Die Menschen sind unheimlich zertrennt in Völker, Rassen,
Kulturen, politische Überzeugungen, Lebensalter und Stände. Aber eins verbindet
heimlich alle: Wir sind schuldig am Blute dieses Gerechten!
Wohl dem,
der das begreift, zugibt und bekennt! Dann darf er nämlich lernen, diesen Satz
des Pilatus ein wenig zu verändern. Und so verändert wird der Satz zum Bekenntnis
des Glaubens: „Ich bin unschuldig durch
das Blut dieses Gerechten.“ Denn „sein Blut macht uns rein von aller Sünde“.
Christen
dürfen fröhlich bekennen: „… alle, alle meine Sünde hat sein Blut hinweg getan!“
Dein
Blut, mein Schmuck, mein Ehrenkleid,
Dein
Unschuld und Gerechtigkeit,
Macht,
dass ich kann vor Gott bestehn
Und
zu der Himmelsfreud eingehn.
8.
März
… und führten Jesus hin, dass sie ihn kreuzigten.
Matthäus 27, 31
Die
Leidensgeschichte zeigt uns alle Beteiligten in einer aufgeregten und
fieberhaften Tätigkeit.
Der Hoherat hält Nachtsitzung; Ratsherren mischen sich unter
das Volk und hetzen; Pilatus macht eine kleine, wunderliche Aufführung: wäscht
sich die Hände und beteuert seine Unschuld; die Jünger bringen sich in
Sicherheit; Judas quält sich, um seinem armen Leben ein Ende zu bereiten;
Häscher marschieren durch nächtliche Straßen; das Volk rennt, schreit, brüllt
und spottet… Kurz, alle sind außerordentlich beschäftigt, Außerordentliches zu
tun.
Nur ein
einziger tut nichts – Jesus. Um ihn dreht sich alles. Aber er selbst leidet,
schweigt und lässt alles mit sich geschehen.
So
schildern es die Berichte der Evangelien: Jesus ist still und tut nichts!
Tut er
wirklich nichts?
Lasst uns
einmal forschen in den übrigen Büchern der Bibel! Dann finden wir: Jesus ist
der einzige, der wirklich etwas tut. Er vollendet eine große Tat. Eine Menge
Worte reden von seiner Aktivität:
„Er hat
unsere Sünden hinaufgetragen auf das Holz.“ – „Er hat der Schlange den Kopf
zertreten.“ – „Seine Seele hat gearbeitet.“ – „Er hat den Zaun abgetan, der
zwischen Juden und Heiden war.“ – „Er hat sich selbst geopfert.“
Das sind
nur ein paar Worte, die von Jesu Tun zeugen. Gott schenke uns offene Augen, dass
wir in dem stillen, leidenden Lamm den erkennen, der alles getan hat, was wir
nicht tun konnten – zu unserm ewigen Heil!
Doch
du hast für mich besieget
Sünde,
Tod und Höllenmacht,
Du
hast Gottes Recht genüget,
Seinen
Willen ganz vollbracht
Und
mir eben zu dem Leben
Durch
dein Sterben Bahn gemacht.
9.
März
Da fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein
Kreuz trug.
Matthäus 27, 32
Das Herz
dieses Simon hat gewiss zuerst rebelliert und rumort über solche Gewalttat und
Willkür der römischen Soldaten.
Erst
später, als er ein Jünger Jesu geworden war, ging es ihm auf, dass er hier an
der einzig richtigen Stelle war. Denn der Herr Jesus hat einmal gesagt: „Wer
mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“
Das ist
ein Wort, das man einem Weltmenschen überhaupt nicht erklären kann. Wer aber
ein Jünger Jesu wird, versteht es sofort. Denn er weiß, dass unsere alte,
gottlose Natur nicht in Gottes Reich hineinpasst. Die muss „mit Christo gekreuzigt
werden“. Gottes Wort sagt: „Die Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch
samt den Lüsten und Begierden.“
Wie der
Herr Jesus am Kreuz unsere verlorene Sache zu der seinigen gemacht hat, so
macht nun ein Jünger in der Nachfolge das Kreuz Jesu zu dem seinigen. Kurz: Er
trägt dem Heiland das Kreuz nach.
Und dabei
geht es nie ohne Zwang ab. Den Simon musste man zwingen, dem Herrn Jesus das
Kreuz nachzutragen. Und unsere alte Natur muss man ebenso zwingen. Das ist der
eigentliche Kampf eines Christenlebens, dass man seine Natur zwingt, dem Herrn
das Kreuz nachzutragen. Alle anderen Kämpfe und Nöte, die von außen kommen,
schlägt ein ernster Jünger nicht so hoch an.
Mein
Kreuz und meine Plagen,
Sollt's auch sein Schmach und Spott,
Hilf
mir geduldig tragen;
Gib,
o mein Herr und Gott,
Dass
ich verleugne diese Welt
Und
folge dem Exempel,
Das
du mir vorgestellt.
10.
März
Da fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein
Kreuz trug.
Matthäus 27, 32
Dass
dieser Mann aber auch ausgerechnet Simon hieß! Da muss man ja sofort an den
andern Simon denken, an den Simon Petrus.
Und dann
fällt uns ein, dass dieser Simon Petrus eigentlich hierher gehört hätte; dass
er eigentlich der Mann hätte sein sollen, der hinter Jesus her nach Golgatha
ging; dass er von Rechts wegen dem Herrn Jesus das Kreuz hätte nachtragen
müssen. Denn dieser Simon Petrus hatte ein paar Stunden vorher feierlich und
vor Zeugen erklärt, dass er lieber sterben wolle als Jesus verlassen.
Aber nun
war der Simon Petrus nicht da, als es galt, dem Heiland das Kreuz nachzutragen.
Doch unser Gott kommt nicht in Verlegenheit durch unsere Untreue. Ein anderer
Simon nimmt nun den Platz des Simon Petrus ein.
Diese
Sache ist wohl wert, dass wir über sie nachdenken. Wenn Simon Petrus
ausscheidet, tritt Simon von Kyrene ein. Wenn Judas
fällt, beruft der Herr einen Paulus zum Apostel. Wenn – im Alten Bund – der
König Saul ungehorsam wird, dann erwählt der Herr sich einen David.
Das heißt:
Er hat uns nicht nötig. Und wenn wir unsern Platz im Gefolge des Gekreuzigten
verachten, beruft er einen andern an unsere Stelle.
Er ist
nicht auf uns angewiesen. Es ist Ehre, wenn wir ihm folgen, dienen und das
Kreuz nachtragen dürfen.
Ich
bin, mein Heil, verbunden
All
Augenblick und Stunden
Dir
überhoch und sehr;
Was
Leib und See! vermögen,
Das
soll ich billig legen
Allzeit
an deinen Dienst und Ehr.
11.
März
Da sie Jesus aber gekreuzigt hatten …
Matthäus 27, 35
Vielleicht
verstehen wir recht wenig von der Bedeutung des Kreuzes Jesu. Eins aber können
wir doch alle lassen: Wie viel hat es Gott gekostet, uns zu helfen! Wie schlimm
muss es um uns stehen, dass Gott solch eine umständliche Veranstaltung treffen musste,
um uns selig zu machen!
Als ich
noch ein kleiner Kerl war, bekam ich Diphtherie. Ich hatte keine Ahnung, was
das für eine Krankheit sei. Sonst, wenn eins von uns Kindern krank war, machte
meine Mutter wenig Umstände. Aber nun, bei dieser
neuen Krankheit, entstand eine gewaltige Unruhe um mich: Mein Bett wurde aus
dem Kinderzimmer in ein abgelegenes Zimmer getragen. Ein Arzt machte sich
mitten in der Nacht mit mir zu schaffen.
Ich weiß
noch, wie mich auf einmal der Schrecken packte: „Wenn die großen Leute so viel
mit mir anstellen, muss es wohl sehr schlimm um mich stehen!“
Und nun: Wie
viel Umstände macht sich doch Gott um uns! Er sendet seinen eingeborenen Sohn.
Die Engel kommen zu den Menschen und rütteln sie auf mit der Botschaft von
seiner Geburt. Dieser Sohn wird gekreuzigt und wieder auferweckt.
Ja, wenn
ich gar nichts von all dem verstünde – eins wäre mir klar: Es muss schlimm um
mich stehen, dass so viel nötig war zu meinem Heil. Und auch das würde ich
begreifen: Wie ernst ist es Gott um mich zu tun!
Herr, „lass
mir nie kommen aus dem Sinn, / Wie viel es dich gekostet, / Dass ich erlöset
bin“!
Drum
sag ich dir von Herzen
Jetzt
und mein Leben lang
Für
deine Pein und Schmerzen,
O
Jesu, Lob und Dank,
Für
deine Not und Angstgeschrei,
Für
dein unschuldig Sterben,
Für
deine Lieb und Treu.
12.
März
Auf dass erfüllt würde die Schrift, die da
sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über meinen Rock
das Los geworfen.“ Solches taten die Kriegsknechte.
Johannes 19, 24
Da sind
die römischen Soldaten!
Lachend
teilen sie die geringe Beute. Es war Sitte, dass sie die Kleider der
Gerichteten bekamen. Nun sitzen sie und würfeln um den Rock Jesu.
Über ihren
Häuptern kämpfte und starb der Sohn Gottes. Kämpfend und sterbend riss er die
Tür zum Paradiese auf, die seit dem Sündenfall verschlossen war. Ja, über ihnen
öffneten sich die Gnadenpforten. Gott breitete in Jesus seine Arme aus nach
Sündern.
Aber die
Kriegsknechte sahen von all dem nichts. Ein wenig irdischer Tand war ihnen
wichtiger.
Wie viele
gibt es, die um der irdischen Dinge willen ihre Seligkeit verspielen und verwürfeln.
Gewiss sind die irdischen Sorgen nicht unwichtig. Aber wehe uns, wenn wir um
des „Kinderspiels am Wege“ willen die Errettung versäumen! Lasst uns nicht so
stumpf sein wie die Kriegsknechte!
Um Jesu
Kleid war ihnen zu tun. Wenn wir einmal sterben, legen wir alle Kleider ab. Und
am Jüngsten Tage stehen wir arm, nackt und bloß vor Gott. Wie furchtbar, so
bloß vor Gott zu stehen!
Nicht alle
stehen bloß vor Gott. Die Offenbarung sagt von den Jüngern Jesu: „Ihnen ward
ein weißes Kleid gegeben. Das ist die Gerechtigkeit der Heiligen.“ Selig, wer
im Gericht sich kleiden kann in Jesu Gerechtigkeit!
Die
Kriegsknechte zankten um den armen Rock. Und das Kleid der Gerechtigkeit, das
Jesus ihnen geben wollte, verachteten sie. – und wir? „Trachtet am ersten nach
dem Reiche Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“
Christi
Blut und Gerechtigkeit,
Das
ist mein Schmuck und Ehrenkleid,
Damit
will ich vor Gott bestehn,
Wenn
ich zum Himmel werd' eingehn.
13.
März
Und sie saßen allda und hüteten sein.
Matthäus 27, 36
Hier ist
jetzt alles auf den Kopf gestellt!
Menschenkinder,
die so unendlich gefährdet sind an Leib und Seele, spielen sich als Hüter auf.
„Der Hüter
Israels“ aber hängt am Kreuz und wird behütet. Da ist nun wirklich alles
umgedreht.
Doch so
ist es auf Golgatha:
Der
Unschuldige zittert unter dem Zorn Gottes. Die Sünder aber gehen frei aus.
Der Sohn
Gottes ist verworfen und ruft: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen!?“ Die
Verworfenen aber werden begnadigt.
Auf dem Sohne
Gottes, dem alle Ehre gebührt, sammelt sich alle Schmach. Aber der Schächer,
schmachbedeckt und verachtet, wird angenommen als Kind des lebendigen Gottes.
Die
frommen Pharisäer und Schriftgelehrten spotten über den sterbenden Heiland. Der
heidnische Hauptmann aber bekennt: „Dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Man könnte
noch lange weitermachen. Das Kreuz ist wirklich ein Geschehnis, das alles auf
den Kopf stellt. So könnte man es zeigen.
Aber – die
Sache ist vielmehr so, dass durch den Sündenfall alles verkehrt wurde. Und es
hat Gott gefallen, durch dies Kreuz alles Verkehrte wieder umzudrehen, richtig
zu stellen und in Ordnung zu bringen.
Seltsames
Geschehen!
Wie
wunderbarlich ist doch diese Strafe!
Der
gute Hirte leidet für die Schafe,
Die
Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,
Für
seine Knechte.
16.
März
Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger
dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das
ist dein Sohn.“
Johannes 19, 26
Es ist
seltsam, wie Jesus hier seine Mutter anredet: „Weib!“
Bis zu
dieser Stunde war Jesus der Sohn Marias, der Mann aus Nazareth, der Bruder
seiner Brüder. Nun aber löst er sich aus dem natürlichen Lebenskreis. Er sagt: „Weib,
ich bin nicht mehr dein Sohn. Du hast jetzt keine natürlichen Ansprüche mehr an
mich.“
Jesus
wurde in dieser Stunde in Wahrheit zum Heiland der Welt.
Wir können
uns die Bedeutung des Sterbens Jesu gar nicht umfassend genug vorstellen. Sein
Tod ist das Heil für alle Jahrhunderte, für alle Völker und Erdteile, für alle
Menschen.
Der
Schächer am Kreuz kam zum Frieden mit Gott durch den gekreuzigten Herrn Jesus.
Aber ebenso gibt es für uns Menschen im modernen Zeitalter der Technik keinen
anderen Weg zum Seligwerden als Jesu Kreuz.
Es gibt
für uns kein anderes Heil als das, welches auch für die Chinesen gilt: der
Opfertod Jesu für Sünder.
Der gelehrteste Akademiker und der Schwachbegabteste, der
reichste Milliardär und der ärmste Bettler müssen denselben Weg gehen, wenn sie
Frieden mit Gott und Vergebung der Sünden wollen: den Weg über Golgatha.
Man hat je
und dann gesagt: „Wie, wenn auf anderen Sternen Menschen wären? Wie würden die
denn selig?“ Wir wissen nur eine
Antwort: „Wir müssten sehen, dass wir ihnen so schnell wie möglich verkündigen:
Jesus errettet alle Welt.“
Jesus ist
der Heiland aller Welt. Darum – Gott sei Dank! – auch unserer.
Jesu,
der du wollen büßen
Für
die Sünden aller Welt
Durch
dein teures Blutvergießen,
Der
du dich hast dargestellt
Als
ein Opfer für die Sünder,
Die
verlornen Adamskinder:
Ach,
lass deine Todespein
Nicht
an mir verloren sein.
17.
März
Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger
dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das
ist dein Sohn.“
Johannes 19, 26
Das ist so
wunderbar: In derselben Stunde, in der Jesus zum Heiland der Welt wird – in
derselben Stunde zeigt er: Es geht mir um den einzelnen Menschen.
Im
politischen Leben ist es umgekehrt. Da ist der einzelne nichts. Das Volk ist
alles!
Ganz
anders ist es im Reiche Gottes. Es geht Jesus um Maria, um Johannes, um dich
und um mich.
Als der
Heiland am Kreuze hing, starb er zur Versöhnung der ganzen Welt. Da überschaute
er im Geiste Völker und Erdteile, Jahrhunderte und Jahrtausende, für die er der
Erlöser sein wollte.
Aber in
den Jahrtausenden und in den Völkern sah er den einzelnen. Ein Sänger, der das
recht verstanden hat, bezeugt in einem Lied so herrlich: „Und dann auch an mich
gedacht, / Als er rief: Es ist vollbracht.“
Johannes
ist der einzige, der diese kleine Episode unter dem Kreuz erzählt. Selbst Lukas,
der doch „mit Fleiß“ alles zusammengetragen hat, hielt sie nicht für
erwähnenswert. Aber Johannes hat sie berichtet. Denn er selbst erfuhr es
beglückend: „Der Heiland der Welt hat mich sterbend angesehen.“
„Er hat
mich angesehen!“
So dürfen
auch wir wissen, glauben und bekennen.
Wir sind
nicht nur „ein bald verwelkt Geschlechte, ein Blum' und fallend Laub“. Nein,
wir sind angesehen von Jesus, geliebt mit einer ewigen Liebe; wir sind wert
geachtet über alles.
Ewig
soll er mir vor Augen stehen,
Wie
er als ein stilles Lamm
Dort
so blutig und so bleich zu sehen,
Hängend
an des Kreuzes Stamm,
Wie
er dürstend rang um meine Seele,
Dass
sie ihm zu seinem Lohn nicht fehle,
Und
dann auch an mich gedacht,
Als
er rief: „Es ist vollbracht!“
18.
März
Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie
tun!“
Lukas 23, 34
Tobender
Lärm um das Kreuz. Spott, Hass, Gelächter! Zankend teilen die Kriegsknechte die
ärmliche Beute. Andere stehen von ferne und schauen unbeteiligt zu.
Da öffnet
Jesus den Mund: „… sie wissen nicht, was sie tun.“
„… was sie
tun“! Wer sind denn die „sie“? Nur die Juden? O nein, auch die Römer, in deren
Legionen damals viele Deutsche standen. – Wer sind die „sie“? Nur der Pöbel? O
nein, auch die Angesehenen des Volkes. – Wer sind die „sie“? Nur die Gottlosen?
O nein, auch die Frommen und Schriftgelehrten. – Wer sind die „sie“? Nur die
Menschen von damals? O nein, auch die Menschen von heute – wir!! „Ich, ich und
meine Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des
Sandes an dem Meer, l Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget …“
Über uns
alle ruft Jesus sein Urteil: „Sie wissen nicht, was sie tun.“
Entsetzen
spricht aus diesem Wort, abgrundtiefes Entsetzen!
Warum dies
Entsetzen?
Weil Jesus
den Menschen kannte vor dem Sündenfall.
Er war dabei, als Gott den Menschen schuf „ihm zum Bilde“, den freien Menschen,
der „wusste, was er tat“.
Und nun
sieht Jesus den Menschen so, wie die Sünde ihn gestaltet hat: blind, getrieben
von Leidenschaften, unwissend in der Erkenntnis Gottes, entzündet von der
Hölle.
Ja, wir
sind heilsbedürftig!
Du,
ach du hast ausgestanden
Lästerreden,
Spott und Hohn,
Speichel,
Schläge, Strick und Banden,
Du
gerechter Gottessohn,
Nur
mich Armen zu erretten
Von
des Teufels Sündenketten.
Tausend-,
tausendmal sei dir,
Liebster
Jesu, Dank dafür.
19.
März
Jesus aber sprach: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie
tun!“
Lukas 23, 34
Ja,
Entsetzen spricht aus diesem Wort Jesu: „Was hat der Abfall von Gott aus dem
Menschen gemacht!“
Aber
gerade in diesem Wort offenbart sich uns das Wunder der Liebe Jesu – das unfassbare
Wunder der Barmherzigkeit Jesu.
Vielleicht
haben wir uns schon einmal über einen Menschen entsetzt, der uns unbegreiflich
und ganz unbegründet Unrecht zufügte. Vielleicht haben wir uns schon einmal
entsetzt über die unvorstellbare Gemeinheit und Bosheit, die aus einem
Menschenherzen kommen kann.
Dann
wissen wir auch, dass Entsetzen die Liebe tötet. Solch ein Entsetzen ist wie
ein Eishauch, der jedes Mitgefühl, der die guten Blümlein der Liebe mordet.
Jesus
entsetzt sich über uns. Wir könnten verstehen, wenn er die Hände aus den Nägeln
risse und vom Kreuze spränge und riefe: „Vater, lass sie dahinfahren! Sie
wissen nicht, was sie tun! Sie sind ganz und gar verstockt, verblendet, verloren!“
Aber höre:
So ruft Jesus nicht. Was ruft er? „Vater, vergib ihnen!“
Das Wunder
ist geschehen: Das Entsetzen hat die Liebe nicht getötet. Das Entsetzen hat die
Barmherzigkeit nicht getilgt.
„Darum
preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir
noch Sünder waren“
(Römer
5, 8).
Ja – in
der Tat! – „diese Liebe kann erretten“.
Ich
bete an die Macht der Liebe,
Die
sich in Jesu offenbart;
Ich
geb’ mich hin dem freien Triebe,
Womit
ich Wurm geliebet ward;
Ich
will, anstatt an mich zu denken,
Ins
Meer der Liebe mich versenken.
20.
März
Und da wurden zwei Mörder mit Jesus
gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.
Matthäus 27, 38
Trennend
steht das Kreuz des Sohnes Gottes zwischen den beiden Mördern.
Diese
Männer haben früher gewiss recht fest zusammengehört. Zusammen waren sie lustig
gewesen. Gemeinsame Verbrechen hatten sie verbunden. Zusammen hatten sie
gefrevelt. Zusammen hatten sie vor Gericht gestanden. Zusammen waren sie
verurteilt worden.
Aber – nun
waren sie auf einmal getrennt. Das Kreuz Jesu stand zwischen ihnen. Und von
dieser Stunde ab ging ihr Weg auseinander – für alle Ewigkeit! Denn im
Lukas-Evangelium lesen wir, dass der eine dieser Mörder dort am Kreuze zur
Umkehr kam, Buße tat, an den Herrn Jesus glaubte, ihn anrief und errettet
wurde. Jesus verhieß ihm in Vollmacht: „Heute wirst du mit mir im Paradiese
sein.“
Der andere
aber verstockte sein Herz, lästerte den Herrn Jesus und fuhr schließlich in
seinen Sünden dahin.
So ging
der Weg dieser zwei Kumpane für die Ewigkeit auseinander. Das Kreuz Jesu war
zwischen sie gekommen.
So steht
das Kreuz Christi heute noch trennend zwischen den Sündern.
Sünder
sind wir vor Gott alle. Da ist keiner, der nicht „des Ruhms
ermangelte, den wir bei Gott haben sollten“. Nicht einer ist vorhanden, der
erhobenen Hauptes vor Gott treten könnte.
Und
zwischen diese Sünder hat Gott das Kreuz Jesu Christi gestellt – als die große
Trennung. Am Kreuze Christi scheiden sich die Sünder: Die einen kommen hier zur
Erkenntnis ihrer Sünde, zur Buße und zum Glauben – die andern verstocken ihr
Herz und gehen ewig verloren. Wie gewaltig ist dies Kreuz!
Kommt,
groß und kleine Sünder, doch,
Die
ihr mühselig seid:
Dies
liebend Herz steht offen noch,
Das
euch von Sünd befreit.
21.
März
Und da wurden zwei Mörder mit Jesus
gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.
Matthäus 27, 38
Es ist
wirklich erstaunlich: Die ganze Passionsgeschichte berichtet von der Blindheit
der Menschen dem Sohne Gottes gegenüber. Aber dazwischen ist es immer wieder,
als hätten sie den Herrn Jesus doch verstanden.
Da
nagelten sie ihn an das Kreuz und stellten dies Kreuz zwischen zwei hingerichtete
Mörder. Sie hängten den Heiland zwischen die Sünder.
Natürlich –
sie taten das in Hass und Blindheit. Und doch – sie konnten gar nichts Besseres
tun. Denn – dort gehörte Jesus hin. Dort wollte er sein – mitten zwischen den
Sündern.
So fing ja
schon seine Laufbahn an: Da ging er an den Jordan, wo Johannes die Sünder
taufte. Jesus stellte sich mitten in den Schwarm der Menschen mit beladenen
Gewissen und ließ sich auch taufen. Mitten zwischen den Sündern!
Und dann
lesen wir immer wieder, dass viele „Zöllner und Sünder“ zu ihm kamen, ja, dass
er sich sogar von ihnen zum Essen einladen ließ. Da murrten die Pharisäer und
sprachen: „Dieser nimmt die Sünder an und isset mit
ihnen.“ Man kann doch die Verwunderung dieser Pharisäer gut verstehen!
Und nun
ist der Tod Jesu am Kreuze dieses seines Lebens würdig. Er hängt zwischen den
Sündern.
Da kann ja
wohl jeder, auch der Einfältigste, begreifen, dass
Jesus es mit Sündern und ihrer Schuld zu tun hat.
Kein
Wunder, dass alle selbstgerechten Leute ratlos vor diesem Evangelium stehen.
Wem aber das Gewissen erwacht ist, dass er seine Sünde fühlt, der horcht
freudig auf.
Wer
hat dich so geschlagen,
Mein
Heil, und dich mit Plagen
So
übel zugericht't?
Du
bist ja nicht ein Sünder
Wie
wir und unsre Kinder,
Von
Übeltaten weißt du nicht.
22.
März
Dieser hat nichts Unrechtes getan.
Lukas 23, 41
„Wenn
diese schweigen, dann werden die Steine schreien!“ So hatte Jesus den Obersten
seines Volkes erklärt, als sie ihn aufforderten, den Lobpreis seiner Jünger
abzustellen.
Nun
schwiegen die Jünger. Nun war es Zeit, dass die Steine schrieen und Jesus
lobten. Und sieh! Es geschieht. Oder, vielmehr etwas, was noch viel stummer und
härter ist als die Steine, erhebt seine Stimme zu einem Zeugnis für Jesus: ein
hartes, in der Sünde hart gewordenes Menschenherz. Der Schächer, der neben
Jesus am Kreuz hängt, legt laut ein Zeugnis für ihn ab.
„Dieser
hat nichts Unrechtes getan!“ Damit ergriff er Partei für Jesus gegen alle die,
die unter dem Kreuz standen, gegen Römer und Pharisäer und Hohepriester.
Das ist
etwas Großes. Man ist es gewohnt, dass ein Verurteilter seine Unschuld
beteuert. Das ist weiter nichts Verwunderliches. Aber das tut dieser Schächer
nicht. Seine Sünde hat er bekannt: „Wir
empfangen, was unsere Paten wert sind.“ Aber nun rühmt er Jesus: „Der ist gut!
Der ist heilig! Der ist rein!“ Wahrlich, die Steine schreien für Jesus!
„Dieser
hat nichts Unrechtes getan!“ sagt der Schächer. Warum er selbst da hängt, weiß
er nur zu gut. Aber warum hängt der Unschuldige am Kreuz?
„Ich trage
meine Schuld“, denkt der Schächer. „Aber wessen Schuld trägt der dort, der
Reine, der Unschuldige?“
Und durch
sein Herz zieht eine Erinnerung an alte Bibelworte, die er in seiner Jugend
hörte, von einem, „der der Welt Sünde trägt“, von einem, „auf den Gott unser
aller Sünde wart“.
Und er erfasst
glaubend: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten“ (Jesaja 53).
Wie
wunderbarlich ist doch diese Strafe!
Der
gute Hirte leidet für die Schafe,
Die
Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,
Für
seine Knechte.
23.
März
Wir zwar sind billig darin, denn wir empfangen, was unsere Taten wert
sind.
Lukas 23, 41
Golgatha,
ein Ort voller Wunder!
Oder ist
es kein Wunder: Der Gesetzlose verkündet
das Gesetz! Der Rechtlose verkündigt das Recht!?
Der
Schächer, der neben Jesus am Kreuz hing, war ein Gesetzloser. Er hatte nicht
nur das menschliche Gesetz, sondern auch das Gesetz Gottes verachtet und mit
Füßen getreten. Er hatte sich außerhalb der göttlichen Ordnungen und Rechte gestellt.
Und nun – welche
Veränderung hat Gott im Herzen dieses Mannes bewirkt. Dieser. Gesetzlose
verkündet das Gesetz: „Der Sünder hat das Gericht und den Tod verdient.“
Nicht als
eine theoretische Erkenntnis spricht er das aus. O nein! Er selbst beugt sich
unter das göttliche Gesetz: „Ich, der Sünder, habe das Gericht Gottes und den
Tod verdient.“
Unter dem
Kreuze standen viele Menschen. Wo war einer, der solche Erkenntnis gehabt
hätte? Der so sich unter Gottes Gerichtsurteil gebeugt hätte? Der so Gott recht
gegeben hätte?
Weil sie
das nicht taten, konnten sie auch Gottes Heil in Jesus nicht erkennen.
Denn nur
wo ein Mensch Gott Recht gibt, wo ein Mensch seinen verlorenen Zustand erkennt
und Buße tut, kann auch rechte Heilserkenntnis anbrechen.
So wird
dieser aufrichtige Schächer für uns zum Bußprediger. Dass wir doch mit ihm
sprechen lernten: „Herr, wir haben deine Gerichte verdient. Unsere Taten taugen
nicht vor dir.“ Dann dürfen wir auch mit ihm an Jesus froh werden.
Erbarm
dich deiner bösen Knecht;
Wir
flehe um Gnad` und nicht um Recht;
Denn
so du, Herr, den rechten Lohn
Uns
geben wollt'st nach unserm Tun,
So
müsst die ganze Welt vergehn,
Und
könnt kein Mensch vor dir bestehn.
24.
März
Und er sprach zu Jesus: „Herr, gedenke an
mich, wenn du in dein Reich kommst.“
Lukas 23, 42
Golgatha!
Wunderbare
Dinge geschehen dort: Der Verirrte
findet den richtigen Weg.
Ja, ein
Verirrter war er, der Mann dort neben Jesus am Kreuz. Er hatte den rechten Weg
und jeden Halt verloren. Dunkle Leidenschaften hatten ihn mitgerissen, falsche
Freunde hatten ihn verführt – so war das Schiff seines Lebens steuerlos dahin getrieben.
Nun kam
der Schlussstrich – ein Leben versinkt in ewiger Finsternis!
Aber nein –
da geschieht die Wendung, die Rettung! Neben dem Verirrten, dessen Fuß nie
einen geraden Weg fand, hängt ein anderer. Der hat ein paar Stunden vorher
gesagt: „Ich bin der Weg … niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ Der Schächer
hat es nicht gehört. Aber es ist, als habe er es gehört. Er erkennt es, glaubt
es, fasst es und – geht den einzigen Weg, der zum Vater führt.
Keinem unter all
denen, die unter dem Kreuz stehen, sind so hell die Augen aufgetan. Keiner
sieht so klar den guten Weg zum Vater wie – der Verirrte.
Wie ist
das möglich?
Ach, die
anderen haben alle noch genug an ihren eigenen Wegen; sie sind noch zu
zufrieden und sicher auf ihren selbst gewählten Pfaden. Wie sollten sie
begreifen, dass ihre Wege verloren sind!
Aber der,
welcher keinen Weg mehr sieht, dessen Pfad in Nacht versinken will, der sieht:
Es gibt nur einen rechten Weg. Und
das ist der Weg, den Gott in Jesus gegeben hat. Möchten wir ihn sehen und
gehen!
Ich
lief verirrt und war verblendet,
Ich
suchte dich und fand dich nicht,
Ich
hatte mich von dir gewendet
Und
liebte das geschaffne Licht.
Nun
aber ist's durch dich geschehe,
Dass
ich dich hab’ ersehn.
25.
März
Jesus sprach zu ihm: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“
Lukas 23, 43
Hier sehen
wir das größte Wunder von Golgatha: Der
Ausgeschlossene schließt auf!
Ausgeschlossen
ist Jesus, wie nie ein Mensch ausgeschlossen war. Die Menschen haben ihn aus
ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen. „Die Menschen liebten die Finsternis mehr
als das Licht.“ Die Erde hat keinen Raum mehr für den Sohn Gottes. Schon bei
der Geburt blieb ihm nur der geringste Raum: ein Stall. Nun ist er ganz ausgeschlossen:
Zwischen Himmel und Erde hängt der Sterbende.
Und auch
der Himmel hat ihn ausgestoßen. Gott warf unser aller Sünden
auf ihn. Nun ruft der Sündenbeladene – und doch Schuldlose: „Mein Gott, mein
Gott, warum hast du mich verlassen!“ Ja – es ist unfassbar und doch wahr: Auch
der Himmel hat ihn, den Sohn, ausgeschlossen, damit er an unserer Statt ganz
von Gott verlassen sei.
So war
niemals ein Mensch ausgeschlossen von Himmel und Erde, von Gott und Menschen
wie Jesus, als er am Kreuze hing.
Und dieser
Ausgestoßene schließt dem bußfertigen Schächer den Himmel auf!
Er tut es.
Und er ist der einzige, der es tun kann. „Er hat die Schlüssel Davids. Er tut
auf, und niemand schließt zu. Und er schließt zu, und niemand tut auf“, sagt
Offenbarung 3 von Jesus.
Es gibt
auch für uns keinen anderen, der uns wirklich auftun könnte, als „das Lamm
Gottes, das der Welt Sünde trägt“.
Ach,
sucht doch den, lasst alles steten,
Die
ihr das Heil begehret;
Er
ist der Herr und keiner mehr, Der euch das Heil gewähret.
Sucht
ihn all Stund'
Von
Herzensgrund,
Sucht
ihn allein,
Denn
wohl wird sein
Dem,
der ihn herzlich ehret.
26.
März
Und von der sechsten Stunde an ward eine
Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.
Matthäus 27, 45
Als der
Sohn Gottes in die Welt kam, wurde die dunkle Nacht erleuchtet.
Als aber
der Sohn Gottes am Kreuze starb, da ward der helle Tag verdunkelt.
Das hatte
eine tiefe Bedeutung: Jesus ist das Licht der Welt. Die Verwerfung Jesu
bedeutet schreckliche Finsternis.
Es ist
unheimlich, wie der Teufel alles verdreht. Aller Kampf gegen Christus ist immer
geführt worden unter der Parole: „Wir wollen endlich die Finsternis vertreiben
und Licht bringen.“
Darum ist
es so wichtig, dass wir die Botschaft jener dunklen Stunde vom Karfreitag
hören: Die Verwerfung Jesu bedeutet Finsternis.
Das
christliche Abendland ist Schritt für Schritt weitergegangen auf dem, Wege der
Verachtung Jesu. Und wurde der Weg der letzten Jahrhunderte nicht ein Weg in
die Nacht?
Aber da
gibt es nun eine kleine eindrucksvolle Geschichte: Als Pharao, der König
Ägyptens, gegen Gott kämpfte, sandte Gott seine Plagen, als eine von denen eine
furchtbare Finsternis.
Aber – so
heißt es in der Bibel – „in den Häusern des Volkes Gottes war es licht“. Mag
die Welt durch die Verwerfung Jesu noch so finster werden, so wird doch in den
Häusern der Kinder Gottes allezeit Licht genug sein – weil da Jesus ist.
Du
bist ein Licht und wohnst im Licht.
Ach
mach mich licht und rein,
Zu
schauen, Herr, dein Angesicht
Und
dir vereint zu sein!
27.
März
Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss
in zwei Stücke von obenan bis unten aus.
Matthäus 27, 51
Das gab
eine Aufregung und ein Staunen in Jerusalem, als bekannt wurde: Gerade in dem
Augenblick, als Jesus draußen vor der Stadt auf Golgatha starb, da zerriss ohne
einen äußeren ersichtlichen Anlass der riesige Vorhang im Tempel.
Der große
Vorhang! Hinter dem war das „Allerheiligste“ des Tempels. Hinter dem großen
Vorhang war das tiefe Dunkel, in dem Gott wohnte. Hinter diesen Vorhang durfte
nur ein einziges Mal im Jahr der Hohepriester gehen, um am Versöhnungsfest das
Blut des Versöhnungsopfers zu sprengen. Dieser Vorhang war nun von oben bis
unten zerrissen!
Vielleicht
sagte ein kleiner Junge erstaunt zu seinem Vater: „Da kann ja nun jeder zu Gott
Reinlaufen!“
Und dieser
kleine Junge hätte die Wahrheit getroffen. Das wollte Gott sagen: Seitdem der
Heiland für die Sünder gestorben ist, kann jeder zum Herzen Gottes „Reinlaufen“.
Daran
ändert auch nichts, dass die verblendeten Priester sofort wieder einen neuen
Vorhang anschafften. Die blinde Welt ist ja dauernd beschäftigt, den suchenden
und zerbrochenen Herzen den Weg zum Herzen Gottes zu versperren. Aber Jesu Tod
hat endgültig den Vorhang zerrissen. Der Weg zum Vater ist für alle jetzt
aufgetan.
Welch eine
Botschaft ist das, die der zerrissene Vorhang verkündet! Als ich kürzlich einen
hohen Beamten sprechen wollte, hieß es: „Das wird sich kaum machen lassen.
Vielleicht verhandeln Sie mit dem Sekretär!“
Aber der
Weg zum Herrn aller Herren, zum lebendigen Gott, ist frei und offen! Offen
durch das Sterben des Sohnes! Welch eine Botschaft! Lasst uns durch den
zerrissenen Vorhang gehen!
Heut
schleußt er wieder auf die Tür
Zum
schönen Paradeis;
Der
Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott
sei Lob, Ehr und Preis!
28.
März
Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen.
Matthäus 27, 52
Das
Unheimlichste und Quälendste in der Leidensgeschichte
Jesu ist das Schweigen Gottes.
Als der
Sohn Gottes sein Wirken begann, da zeugte Gott von ihm: „Dies ist mein lieber
Sohn …“ Aber in der Passion schweigt Gott.
Bis zum
letzten Atemzug umgab den Heiland nur das Reden, Rufen, Schwätzen und Plappern
der Menschen. Menschen redeten! Menschen richteten! Menschen spotteten! – Und
Gott schwieg!
Nun hat
der Herr Jesus den letzten Schrei getan. Und da – da beginnt Gott zu reden. Nun
ergreift er das Wort. Mit dem Zerreißen der Felsen beginnt es. Und damit, dass
er den Fürsten des Lebens aus den Toten ruft, geht es weiter. Und dann folgt an
Pfingsten die Ausgießung des herrlichen starken Gottesgeistes. Das alles begann
mit dem Erdbeben. Nun hat Gott das Wort.
Es wird
immer wieder solche Zeiten geben, wo die Menschen mit ihrem Wesen einen großen
Lärm machen. Wie alles übertönend wird es erst sein, wenn einmal der Antichrist
kommt in der letzten Zeit! Das ist die „Stunde des Menschen“.
Aber – Gottes
Volk, sei getrost! Der Mensch behält nicht das letzte Wort. Handle du in
solchen Zeiten nach dem Rat, den Gott dir durch Jesaja gibt: „Geh hin, mein
Volk, in deine Kammer und schließ die Tür nach dir zu; verbirg dich einen
kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe.“
Es
erscheint gewiss die Stunde, wo Gott das Wort bekommt, wo die Felsen zerreißen
und das arme Geschwätz der Menschen untergeht in seiner gewaltigen Rede.
Gott
der Herr regiert;
Ihm
allein gebührt
Ehre,
Macht und Reich.
Völker,
bücket euch,
Bücket
euch vor ihm
Auf
den Cherubim!
Seht,
die Erde bebet,
Wenn
er sich erhebet!
29.
März
Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen.
Matthäus 27, 52
Das
geschah in demselben Augenblick, als der Herr Jesus am Kreuze den letzten
Schrei getan hatte.
Da
zerrissen Felsen!
Es ist,
als wenn Gott uns damit etwas über das Kreuz hätte sagen wollen.
„Das Wort
vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig
werden, ist es eine Gotteskraft“, heißt es in der Bibel.
„Gottes-Kraft“.
Im Griechischen steht das Wort „dynamis“. Davon kommt
„Dynamit“. Dynamit also ist das Wort vom Kreuz. Mit Dynamit sprengt man Felsen.
Mir
scheint, dies wollte Gott deutlich machen, als beim Tode Jesu die Felsen
zerrissen. Das Wort vom Kreuz ist mehr als das: Es zersprengt, was viel härter
ist als Felsen: Es sprengt Menschenherzen.
In einem
schwäbischen Ort lebte ein reicher, harter, selbstgerechter Bauer. In dies Dorf
nun kam ein Pfarrer, dem es ein heiliges Anliegen war, Menschen dem Herrn
zuzuführen, damit sie vom ewigen Verderben errettet würden.
Es gab
eine große Bewegung. Nur der reiche Bauer spottete. Aber aus Neugier ging er
doch auch eines Tages mit in die Kirche. Als er sich setzte, flüsterte er
seinem Nachbarn zu: „Jakob, mi kriegt er net!“ Selbstsicher und stolz saß er da, als der Pfarrer auf
die Kanzel trat.
In großer
Geistesvollmacht redete der nun von Gottes Gericht. Und dann wies er in
lieblichen Worten auf das Kreuz Christi zur Errettung.
Da wurde
der Bauer unruhig. Und schließlich beugte er sich zu seinem Nachbarn und
flüsterte unter Tränen: „Jakob, jetzt hot er mi!“ Und
mit dem „er“ meinte er nicht den Pfarrer, sondern den gekreuzigten Herrn.
Ja, das
Wort vom Kreuz sprengt Felsen.
Dein
Wort bewegt des Herzens Grund,
Dein
Wort macht Leib und See! gesund,
Dein
Wort ist's, das mein Herz erfreut,
Dein
Wort gibt Trost und Seligkeit.
30.
März
Da aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott.
Lukas 23, 47
Unzählige
sind es, die den Lobgesang unter dem Kreuz anstimmen, die fröhlich geworden
sind über der Erkenntnis:
„Ich
glaube, dass Jesus Christus mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat,
erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels…
mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und
Sterben.“
So hat es
Luther bekannt. Und so rühmt die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten.
Habt ihr
einmal daran gedacht, wer dies Bekenntnis unter dem Kreuz Christi zuerst
gesprochen hat?
Ein
heidnischer Hauptmann war es. „Da aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries
er Gott.“
Lobgesänge
und Anbetung unter dem Kreuz? Während die Jünger sich erschrocken verstecken,
während die Menge verstört heimeilt, während die Schriftgelehrten in Hass sich
verstocken – „preist er Gott“.
Wie kommt
er dazu? „Da der Hauptmann sah, was da geschah …“ Der Hauptmann sah. Ja, das ist es: „Sehet auf mich,
aller Welt Enden, so werdet ihr errettet“, sagt der Herr.
Der
Hauptmann blieb nicht allein. Seit 2000 Jahren haben viele auf das Kreuz
gesehen, wie das alttestamentliche Gottesvolk in der Wüste auf die eherne
Schlange sah. Und sie wurden errettet.
Es ist
rettende Kraft im Kreuz. Und darum werden sie nie mehr verstummen, die
Lobgesänge unter dem Kreuz.
Es
ist das Lied vom Lamme,
Das
herrlich neue Lied,
Das
von dem Kreuzesstamme,
Durch
Ewigkeiten zieht,
Das
Lied von Jesu Wunden,
Von
Jesu Sieg und Macht,
Wie
er ein Heil gefunden,
Das
hier schon selig macht.
31.
März
Man wird sie nennen die Erlösten des Herrn.
Jesaja 62, 12
Als ich
noch ein kleiner Junge war, führte mich mein Vater einmal durch eine alte
Stadt. Da kamen wir auch an den „Schuldturm“.
„Sieh!“
erklärte mir mein Vater, „wenn in alter Zeit ein Mann Schulden gemacht hatte,
die er nicht bezahlen konnte, dann wurde er in diesen Turm gesperrt und so
lange darin festgehalten, bis er die Schulden bezahlte.“
Erschüttert
schaute ich auf das alte Gemäuer. „Vater“, sagte ich, „in dem Turm konnte er
doch erst recht nichts verdienen. Da kam er ja sein Leben lang nicht heraus.“
„Doch!“
erwiderte mein Vater, „wenn ein anderer für ihn bezahlte und ihn loskaufte.“
Können wir
nachfühlen, wie solch einem Gefangenen zumute war, wenn da auf einmal die
rostige Tür aufging? Wie mag solch ein Mann seinem Wohltäter um den Hals gefallen
sein! Können wir uns das vorstellen?
Rechte
Christen können es sich vorstellen. Denn dies ist ja ihre Geschichte. „Man wird
sie nennen die Erlösten des Herrn.“ Wörtlich heißt es da: „… die Losgekauften
Gottes“.
Das sind
die Leute, denen eines Tages erschreckend aufging, dass man Gottes Gebote
halten müsse. Und dann entdeckten sie mit Entsetzen, dass sie mit ihrer bisherigen
Gleichgültigkeit ja schon so viel schuldig geblieben waren. Nun versuchten sie,
es besser zu machen. Aber – es gelang nicht. An keinem Tag erfüllten sie ihr „Soll“.
Die Schuld stieg von Tag zu Tag.
Und dann –
ja, dann erfuhren sie die frohe Kunde: Ein anderer hat für dich bezahlt: der
Sohn Gottes selbst, als er für dich starb. Das haben sie geglaubt und sind
dankbar und froh in die Freiheit der Kinder Gottes gegangen. Nun sind sie „Losgekaufte
Gottes“. Selige Leute!
Ich
will dein Diener bleiben
Und
dein Lob herrlich treiben
Im
Hause, da du wohnest
Und
Frommsein wohl belohnest.
1.
April
Jesus ist um unserer Sünden willen
dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.
Römer 4, 25
In einem
Wort sind hier die großen Taten Gottes zu unserem Heil zusammengefasst.
An den
Extern-Steinen im Teutoburger Wald ist ein uraltes Steinbild aus der Zeit, als
das Evangelium zu unseren Vorfahren kam. Man muss es recht lange studieren, bis
man versteht, was der Steinbildhauer mit diesem Steinbild sagen wollte.
Da sieht
man zunächst, wie Jesus vom Kreuz genommen wird. Jesu Gestalt ist gebeugt und
zusammengebrochen. Es sieht aus, als wenn unsichtbare, riesige Lasten ihn
erdrückt hätten.
Aber auf
demselben Bild sieht man denselben Heiland noch einmal. Da schaut er königlich
und strahlend und schwingt in seiner Hand eine Siegesfahne.
Was wollte
der alte Bildner damit sagen? Er wollte seinen Landsleuten damit predigen, dass
sie den ganzen Rat Gottes zu unserem
Heile in eins sehen sollten: Jesu Tod für uns und Jesu Auferstehung gehören
zusammen.
Es gibt
Menschen, die kennen nur Jesu Kreuz, aber nicht seine Auferstehung. So aber
kann man die Heilsbedeutung des Kreuzes Jesu nicht verstehen. Wir müssen
wissen, dass der Jesus, der starb, auch auferstanden ist. Nur dann können wir
begreifen, dass sein Tod unsere Versöhnung und unsere Errettung ist.
Und es
gibt andere Christen, die wollen sich nur am erhöhten, siegenden Heiland freuen
und wollen einen Bogen um das Kreuz herum machen. So aber kommt es in unserem
Leben zu keiner Buße. Und damit auch zu keinem rechten, fröhlichen
Heilsglauben.
Jesus
starb für uns und – Jesus lebt für uns. Darin steht unser Heil.
Ich
trau auf dich, o Gott, mein Herr;
Wenn
ich dich hab, was will ich mehr?
Ich
hab ja dich, Herr Jesu Christ,
Du
mein Gott und Erlöser bist.
2.
April
Und sie sprachen untereinander: „Wer wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür?“
Markus 16, 3
O, unsere
Sorgen! Im „Faust“ sagt Frau Sorge: „… in verwandelter Gestalt üb' ich grimmige Gewalt.“
Auch über
diese Frauen übte die Sorge „grimmige Gewalt“. Sie kamen von einer Not in die
andere. Erst der schreckliche Karfreitag! Dann die Angst um das eigene Leben!
Und als sie nun die letzte Liebespflicht an Jesus erfüllen wollten – „Wer wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür?“
Und doch
lag eine leise Hoffnung in ihrer Frage: „Es findet sich vielleicht ein starker
Mann, der uns hilft.“ Aber hier irrten sich die Frauen. Nicht von Menschen kam
ihnen die Hilfe. „Sie sahen dahin und wurden gewahr, dass der Stein abgewälzt
war.“ Der lebendige Gott selbst hatte eingegriffen.
Das Schöne
an der Geschichte ist, dass der Stein schon abgewälzt war, während die Frauen
sich noch sorgten. Sie hätten sich die Sorge sparen können.
Dem
gesegneten Gottesmann J. P. Diedrichs klagten einmal ein paar Freunde ihre
Sorgen. Da erwiderte er: „Ich machte kürzlich mit Freunden eine Kutschfahrt.
Ich saß auf dem Rücksitz. Als wir eine Straße mit Schlaglöchern und Steinen
passiert hatten, stöhnten die Freunde: ,Das war ja
schrecklich! Wir dachten beim Anblick der schlechten Straße, der Wagen ginge zu
Bruch!' – Ich aber hatte die Fahrt genossen. Das lag daran, dass ich rückwärts
fuhr. Ich sah die Löcher erst, wenn wir drüber weg waren.“ – Dann wendete er
das aufs Geistliche an: „Ein Christ überlässt die Sorgen um das Kommende dem
Heiland. Er fährt gleichsam rückwärts. Er betrachtet, durch wie viel Nöte ihn
sein Herr herrlich hindurchgeführt hat. Und darüber wird sein Herz voll Lob und
Dank.“
Quält
dich ein schwerer Sorgenstein,
Dein
Jesus wird ihn heben;
Es kann
ein Christ bei Kreuzespein
In
Freud und Wonne leben.
Wirf
dein Anliegen auf den Herrn
Und
sorge nicht; er ist nicht fern,
Weil
er ist auferstanden.
3.
April
Er ist auferstanden!
Markus 16, 6
In der
russischen Kirche gibt es eine merkwürdige Ostersitte: das Ostergelächter. Da
stimmt man ein gewaltiges Gelächter an. Und mit diesem Gelächter verspottet man
den Teufel, die Welt und das eigene kleine Herz, die den Sieg des Sohnes Gottes
aufhalten wollen und doch seine Auferstehung nicht hindern können.
Als dem
Abraham ein Sohn geboren worden war, sagte Sara: „Der Herr hat mir ein Lachen
zugerichtet.“
So rühmt
die Gemeinde Jesu Christi an Ostern auch: „Der Herr hat uns ein Lachen
zugerichtet.“
Wie bang
und armselig sah es in dem kleinen Häuflein der Gemeinde Jesu Christi wenige
Stunden vorher aus! Da fürchtete man sich vor der schrecklichen, unheimlichen
Macht der Menschen, die den Heiland von den Jüngern weggerissen und ans Kreuz
geschlagen hatten. Da fürchtete man sich vor der Not des eigenen Herzens. Diese
Jünger und Jüngerinnen kamen sich wie von Gott verlassen vor. Frierend und
einsam standen sie in der entgotteten Welt, als man den Heiland ins Grab
gesenkt hatte. Wie verlassene Kinder. Und wenn man diese Geschichten liest, ist
es, als sei ein Geist der Schwermut über die Jünger gekommen, wie er je und
dann aus den Tiefen der finsteren Welt aufsteigt und sich über unbeschirmte
Herzen legt.
Und mit
einem Schlage ist alles verändert. „Gott hat uns ein Lachen zugerichtet.“ Der Schlange ist der Kopf zertreten. Verflogen ist alle
Schwermut, zum Spott geworden alle Menschenmacht. Denn Jesus ist auferstanden!
Dieses
Ostergelächter sollte die ganze Christenheit der Welt und dem Teufel zum Trotz
wieder anstimmen.
Der
dänische Philosoph Kierkegaard sagt: „Es muss ja alles gut werden, weil Jesus
auferstanden ist.“
Der
Feind wird schaugetragen
Und
heißt nunmehr ein Spott;
Wir
aber können sagen:
Mit
uns ist unser Gott.
4.
April
Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot.
Matthäus 28, 4
Hier sehen
wir die Welt der Verlorenen.
Sie wird
in der Ostergeschichte dargestellt durch die Kriegsknechte. O, wie trotzig
stehen sie da mit ihren Schwertern und Spießen! Denn das ist ja das Wesen der
verlorenen Welt, dass sie sich auf ihre Macht verlässt.
Aber mit ihrer Macht waren die Kriegsknechte
verloren.
Unser
Geschlecht hat es erschütternd erlebt, wie machtlos alle Macht ist, wie Gott „Bogen
zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt“.
Aber wer
lernt daraus? Nach wie vor rennt alles nach Einfluss und Macht. Wohl dem, der
mit David glaubend bekennt: „Der Herr ist meine Macht und mein Heil.“
Die Hüter
bewachten Jesu Grab. Er sollte tot bleiben. Das ist auch so ein Kennzeichen der
verlorenen Welt, dass sie den Herrn Jesus im Grabe halten will. Sie mag Jesus
nicht. Sie empfindet ihn als einen Fremden.
O
närrische Welt! „Wüssten's doch die Leute, / Wie's
beim Heiland ist, / Sicher würde heute / Mancher noch ein Christ!“
„Die Hüter
wurden vor Furcht, als wären sie tot.“ Wenn jemand ohnmächtig daliegt, dann
springen doch alle mitleidigen Seelen sofort herbei, um zu helfen. Gibt es nun
einen Mitleidigeren als den Herrn Jesus?
Aber – wie
erstaunlich ist das: Er geht gleichgültig an ihnen vorüber und sucht seine
weinenden Jünger.
Das ist
erschütternd. Es gibt eine Grenze der Verstockung und des inneren Todes, wo uns
Jesus nicht mehr sucht. Da darf man, wie die Hüter nachher taten, machen, was
man will. Man darf lügen und betrügen. Das Gewissen rumort nicht mehr. Und über
allem steht das Wort „verloren“.
Gnadenlose,
verlorene Welt! Dass wir doch aus ihr errettet würden!
Das
stille Lamm jetzt nicht mehr schweigt,
Sich
mutig als ein Löwe zeigt;
Kein
harter Fels ihn hält und zwingt,
Grab,
Siegel, Riegel vor ihm springt. Halleluja.
5.
April
Aber der Engel sprach zu Maria Magdalena und
der anderen Maria: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den
Gekreuzigten, suchet… Er ist auferstanden…
Matthäus 28, 5 und 6
Hier sehen
wir die Welt der Geretteten.
Zwei
einfache Frauen sind es. Das ist keine imponierende Sache. Die Gemeinde der
Erretteten wird der Welt nie Eindruck machen. Jesus selbst sagt, es sei eine „kleine
Herde“. Und doch: Lieber bei der kleinen Schar, die selig wird, als bei der
großen Masse, die verloren geht.
Diese
Frauen suchen Jesus. Und zwar Jesus, den „Gekreuzigten“.
Sie
suchten nicht einen edlen Menschen, ein Vorbild in der Tugend, einen
Religionsstifter oder einen genialen Lehrer. Nein, sie suchten Jesus, den
Gekreuzigten.
Er ist es,
den auch wir brauchen. Wo sollten wir sonst unser beladenes Gewissen abladen
können?! Wo sollten wir Vergebung der Sünden finden?! Wo Frieden mit Gott?!
Aber die
Frauen suchten ihn am falschen Platze. Wenn sie früher besser auf seine Worte
geachtet hätten, so hätten sie ihn nicht im Grabe gesucht. Da sehen wir, dass
auch die Geretteten, solange sie in dieser Welt leben, vor falschen Wegen nicht
sicher sind. O ja, sie irren manches Mal. Und die Welt hat eine große Freude
daran, wenn die Kinder Gottes Fehltritte tun. Aber der Engel des Herrn weist
diese Frauen auf das Wort des Herrn hin, dass er auferstehen werde. So ist es:
Das Wort Gottes sorgt dafür, dass Kinder Gottes wieder zu ihrem Heiland finden
und den Weg zum ewigen Leben nicht verfehlen.
Das
Schönste aber ist das Wort des Engels: „Fürchtet euch nicht!“ Gerade vorher ist
erzählt, dass die Hüter vor Furcht wurden, als wären sie tot. Aber: „Fürchtet
euch nicht!“, das ist nicht ihnen gesagt, sondern diesen Frauen und allen
Kindern Gottes. Und was die Hüter und die Welt verzweifeln macht, das tröstet
sie.
O
Wunder groß, o starker Held!
Wo
ist ein Feind, den er nicht fällt?
Kein
Angststein liegt so schwer auf mir,
Er
wälzt ihn von des Herzens Tür. Halleluja.
6.
April
Es liefen aber die zwei miteinander, und der
andere Jünger lief zuvor, schneller denn Petrus, und kam am ersten zum Grabe.
Johannes 20, 4
Das war
ein wunderlicher Wettlauf!
Da jagen
der alte Petrus und der junge Johannes aus dem Stadttor hinaus. Es war klar, dass
der junge Johannes den Wettlauf gewinnen musste. Petrus kam später. Dafür ging
er dann gründlicher zu Werk. Der leichtfüßige Johannes war vor dem Grabe stehen
geblieben. Petrus untersuchte das Grab genau.
Zwei
grundverschiedene Temperamente. Und doch – beiden geht es nicht auf, dass Jesus
auferstanden ist. Es gibt besinnliche Leute; man sollte meinen, die wären von
Natur aus eher für das Evangelium veranlagt als etwa oberflächliche Charaktere.
Es gibt Leute, von denen man sagt, dass sie „religiös veranlagt“ seien. Und
andere wieder sind stolz darauf, ganz und gar unreligiös zu sein. An den
Jüngern sehen wir, dass alle gleich weit vom Evangelium entfernt sind. Es gibt
keine natürliche Anlage, die uns das Evangelium leichter oder schwerer erfassen
ließe.
Das
natürliche Temperament und die natürliche Veranlagung des unerleuchteten Menschen
schaffen nicht den Eingang in das Reich Gottes.
Der
bedächtige Petrus wie der jugendlich-schnelle Johannes – beide hätten den
auferstandenen Heiland nicht gefunden, wenn – der Herr Jesus nicht sie gesucht und gefunden hätte.
Das ist
es: Der Gottloseste und der Frömmste, der Besinnliche und der Leichtlebige
werden Gleicherweise dann zum Heilsglauben kommen, wenn der Herr Jesus selbst
sie sucht. Er sagt: „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch
erwählt.“
Darum
müssen wir ungeheuer Acht geben, wenn der Herr Jesus uns sucht, wenn seine
Stimme unser Gewissen trifft.
Hältst
du dich nicht zuerst an mich gehangen,
Ich
wär von selbst dich wohl nicht suchen gangen;
Drum
sucht’st du mich und nahmst mich voll Erbarmen
In
deine Arme.
7.
April
Da ging Simon Petrus hinein in das Grab und
sieht die Leinen gelegt und das Schweißtuch … zusammengewickelt an einem besonderen
Ort.
Johannes 20, 6 und 7
Da stehen
die beiden Jünger in der leeren Grabeshöhle. Sie machen die Augen weit auf. Sie
sehen auch mancherlei: Sie sehen die Leinen schön zusammengelegt. Sie sehen das
Kopftuch besonders gelegt. Sie sehen, dass hier „was los war“, dass hier die
Engel dem Herrn Jesus – wie Albrecht Bengel so schön sagt – „aufgewartet haben“.
Aber die Jünger können sich keinen Vers darauf machen.
Die Sinne
können eben das Evangelium nicht erfassen.
Ein
Forscher durchquerte einst die Wüste. Jeden Tag dreimal breiteten seine
mohammedanischen Begleiter ihre Gebetsteppiche aus zum Gebet. Der Forscher
verspottete sie: „Habt ihr euren Gott je gesehen oder betastet?“ – „Nein!“ – „Dann
seid ihr Narren, dass ihr an diesen Gott glaubt.“
Als sie
eines Morgens aus ihrem Zelt traten, sagte der Gelehrte beiläufig: „Heute Nacht
ist hier ein Kamel vorbeigekommen.“ Da blitzte es in den Augen eines Arabers
auf: „Haben Sie dieses Kamel gesehen oder betastet?“ – „Nein!“ – „Dann sind Sie
ein Narr, dass Sie an ein Kamel glauben, das Sie weder gesehen noch betastet
haben.“ – „O, man sieht doch die Spuren hier im Sande“, sagte der Gelehrte. – In
dem Augenblick stieg die Sonne mit herrlichem Glanz empor. Der Araber zeigte
auf die überwältigende Pracht: „Und hier sehe ich die Spur des Gottes, den ich
anbete.“
Seht, das
können die Sinne: die Spuren erkennen. Die Jünger sahen auch die Spuren der
Auferstehung. Aber – weiter kommen die Sinne nicht. Gottes Herz und sein Heil
erkennen sie nicht.
Und darum
muss eine große Erleuchtung unseres Inwendigen stattfinden. Der Herr wolle uns
erleuchtete Sinne geben zu seiner Erkenntnis!
Lass
deines guten Geistes Licht
Und
dein hellglänzend Angesicht
Erleuchten
mein Herz und Gemüt,
O
Brunnen unerschöpfter Güt.
8.
April
Und sie gingen wieder vom Grabe und
verkündigten das alles den elf Jüngern und den anderen allen. Und es deuchten
sie ihre Worte eben, als wären’s Märlein.
Lukas 24, 9 und 11
Die armen
Jünger! Das war eine ihrer dunkelsten Stunden! Alle ihre religiösen Erwartungen
vom Reiche Gottes waren zusammengebrochen, als Jesus, ihr Meister, am Kreuze
starb. Nun sitzen sie am hellen, lichten Ostermorgen hinter verschlossenen
Türen.
Da klopft
es. Zögernd machen sie auf. Ein paar Frauen stehen da und erzählen ihnen
atemlos: „Jesus lebt!“
Die Jünger
winken ab: „Weibererzählungen! Das sind ja Märlein!“
Ach, wie
elend und trostlos sah es bei diesen Jüngern aus. Aber das Merkwürdige war, dass
sie sich dabei sicher noch sehr erhaben, klug und weise vorkamen, als sie die
Berichte der Frauen als Märlein abtaten.
Und die
Frauen, die doch den Herrn selbst gesehen hatten, werden sich sicher recht
verwundert haben über solchen Unverstand, der sich selber noch klug und erhaben
vorkam.
So wie die
Jünger damals waren, so ist die blinde Welt zu allen Zeiten bis auf unsere
Tage: ungläubig, blind und aufgeblasen gegenüber den großen Taten Gottes.
Und da ist
es schon eine große und frohe Tatsache, dass der Herr Jesus seine Jünger nicht
in ihrer Finsternis ließ. Als er unter sie trat und sprach: „Friede sei mit
euch“, da wurden sie beschämt und überfroh zu gleicher Zeit.
Und ich
weiß auch für uns nichts Herrlicheres, als dass der Herr in unsere Nacht
hereinbricht und sich offenbart als der Lebendige.
Wach
auf, mein Herz, die Nacht ist hin,
Die
Sonn’ ist aufgegangen.
Ermuntre
deinen Geist und Sinn,
Den
Heiland zu empfangen,
Der
heute durch des Todes Tür
Gebrochen
aus dem Grab herfür,
Der
ganzen Welt zur Wonne.
9.
April
Und als Maria das sagte, wandte sie sich
zurück und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus
zu ihr: „Weib, was weinest du? Wen suchest du?“
Johannes 20, 14 und 15
„Wen
suchest du?“
Das ist
eine Frage, die unser Leben in die Klarheit führen kann. Sie kann sehr
beschämend für uns werden. Denn wir müssen vielleicht antworten: „Ach Herr, ich
suche mich selbst.“ Und dann wird auf einmal die ganze Armseligkeit unseres
Lebens offenbar.
Als der
auferstandene Herr Jesus unerkannt der weinenden Maria diese Frage vorlegte,
kam Maria keinen Augenblick in Verwirrung. Ihr Herz suchte nur Jesus.
Ein
Missionar, der in Indien arbeitete, erzählt: Eines Tages erschien schmutzig und
verkommen ein indischer Straßenjunge in der Missionsschule und fragte
aufgeregt: „Wohnt hier Jesus?“ – „Was willst du denn von dem?“ – „Ich möchte
ihn sehen und ihm alles sagen. Ich lüge, ich stehle, ich tue Böses. Aber ich
fürchte mich vor der Hölle. Und nun habe ich einen weißen Mann sagen hören, dass
der Herr Jesus von der Hölle erlösen kann. Darum möchte ich ihn sprechen.“
Wen suchen
wir?
Wenn es
uns geht wie der Maria, dass wir von Herzen den Heiland suchen, dann dürfen wir
seine Frage einmal umdrehen und dürfen ihn
fragen: „Herr, wen suchst du?“ Und
da antwortet er: „Ich suche dich.“
Das ist in
unserer Textgeschichte offenbar geworden, als der Herr Jesus Maria mit Namen
ruft: „Maria!“
Seht,
darum kann ein Herz, das aufrichtig den Herrn Jesus sucht, ihn gar nicht
verfehlen. Denn er selbst hat sich aufgemacht, uns zu suchen. Er verspricht: „So
ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden fassen.“
Ich
bete an, Herr Jesu Christ,
Und
sage: Ich bin dein!
Nimm
mich zu dir; denn wo du bist,
Soll
auch dein Diener sein.
10.
April
Spricht Jesus zu ihr: „Weib, was weinest du?“
Johannes 20, 15
Hier
lernen wir, was dem Sohne Gottes das Allerwichtigste ist.
Es ist am
Morgen seiner Auferstehung. Die Heilstat von Golgatha ist vollbracht. Nun
beginnt ein Kriegszug von geradezu gigantischem Ausmaß. Denken wir nur einmal
daran, welch ein Kampf um das Evangelium in aller Welt heute gekämpft wird. Nun
seht den großen, siegreichen Feldherrn am Auferstehungsmorgen!
Wo finden
wir ihn? Finden wir ihn etwa auf dem Marktplatz von Jerusalem, wo er Tausende
mit hinreißenden Worten zu einem heiligen Feldzug aufruft? Oder sehen wir ihn
umgeben von seinen Getreuen über die Landkarten der Welt gebeugt in ernster
Beratung?
Nichts
dergleichen! Er ist in den stillen Garten des Joseph zurückgekehrt, weil das
Weinen der Magdalena ihn gezogen hat.
Eine
weinende Seele, ein Herz, das sich nach ihm sehnt, ein zerbrochenes Herz und
ein zerschlagenes Gemüt – das geht bei dem Herrn Jesus allem andern vor.
Es müsste
der Welt doch unheimlich werden, in weich souveräner Hoheit Jesus an ihr, ihrer
Art und ihren Anliegen vorübergeht und sich in abgründiger Barmherzigkeit einer
weinenden Seele zuwendet.
So ist
Jesus. Das ist die frohe Botschaft für die Elenden: Wenn jemand ganz in der
Tiefe ist, wenn alle Sünden gegen einen aufstehen, wenn ein Herz verzweifeln
will, weil Gott so schrecklich ferne zu sein scheint – dann ist der Heiland da
und beugt sich herab: „Was weinest du?“
Herr,
mein Hirt, Brunn aller Freuden,
Du
bist mein,
Ich
bin dein,
Niemand
kann uns scheiden!
Ich
bin dein, weil du dein Leben
Und
dein Blut
Mir
zugut
In
den Tod gegeben.
11.
April
Spricht Jesus zu ihr: „Ich fahre auf zu
meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Johannes 20, 17
Man muss
darauf achten, dass der Auferstandene nicht sagt: „Ich fahre auf zu meinem
Vater.“ Mit großem Nachdruck sagt er: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Hiermit
sagt Jesus etwas Wunderbares: dass seine Jünger zum lebendigen Gott dasselbe
Verhältnis haben dürfen wie er selbst. Wir dürfen zu Gott stehen wie Jesus! Das
ist die Frucht seines Todes, wo er unsere Sünde weggetragen und uns versöhnt
hat.
Um das
recht zu verstehen, müssen wir zurückdenken an die Anfänge: Nach dem Sündenfall
trieb Gott die Menschen aus dem Garten Eden. Das Tor zu Gott ward verschlossen.
Als aber
Jesus in die Welt kam, da tat sich das Tor auf. Wir singen an Weihnachten: „Heut
schleußt er wieder auf die Tür / Zum schönen Paradeis …“
Und als
Jesus zurückkehrte zum Vater, da ließ er nach seiner Himmelfahrt die Türe
hinter sich offen.
Darum
spricht Paulus von dem „offenen Zugang zu dieser Gnade, darin wir stehen“. Und
der Hebräer-Brief sagt: „So wir nun haben die Freudigkeit zum Eingang in das
Heilige durch das Blut Jesu, so lasset uns hinzugehen.“
Christen
sind Leute, die eine offene Tür zum Himmel haben. Sie wandeln im „Morgenglanz
der Ewigkeit“, der aus der offenen Tür bricht. Und sie wissen, dass sie selbst
einmal hindurchgehen werden.
Drum
sei Gott Lob, der Weg ist gmacht,
Uns
steht der Himmel offen.
Christus
schließt auf mit großer Pracht,
Vorhin
war alls verschlossen.
Wer’s
glaubt, des Herz ist freudenvoll,
Dabei
er sich doch rüsten soll,
Dem
Herren nachzufolgen. Halleluja.
12.
April
Spricht Jesus zu ihr: „Ich fahre auf zu
meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Johannes 20, 17
Was ist
das für ein Jubel, wenn Matrosen nach langer Reise den Heimatwimpel setzen. „Nach
Hause!“
Solcher
Jubel klingt aus dem Wort Jesu: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem
Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Glaubt
ihr, dass Jesus, der Sohn Gottes, Heimweh gehabt hat, solange er auf Erden war?
O ja! Schon als Zwölfjähriger blieb er im Tempel Gottes zurück und sagte zu
Maria: „Muss ich nicht sein in dem, was meines Vaters ist?“ Dieses Heimweh Jesu
spüren wir, wenn er nächtelang in die Einsamkeit der Berge ging, um mit dem
Vater zu reden. Und dies Heimweh brach erschütternd heraus, als er am Kreuz
rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“
Nun aber
ist das Werk der Erlösung vollbracht: „Ich fahre auf!“
Dies Wort
wurde zuerst zu Maria Magdalena gesprochen. Die Magdalena hätte erschrocken
denken können: „Und was soll denn aus mir werden? Und aus den Jüngern? Und aus
all denen, die Jesus lieb haben? Sollen wir traurig zurückbleiben?“
Es ist
merkwürdig, dass weder Maria Magdalena noch die anderen Jünger, denen Jesus
erschien, so dachten oder sagten. Sie begriffen: Die große Liebe, die den Sohn
Gottes in die Welt Hereintrieb, die den König des Himmels in Tod und Grab
brachte, die wird das angefangene Werk auch zu Ende führen.
Der
Heiland, der als Erniedrigter die Seinen geliebt hat bis ans Ende, der wird
auch als Erhöhter die Hand nicht ablassen von den Seinen, bis er alles zum
letzten Ziel gebracht hat.
Zeuch
uns nach dir
Nur
für und für
Und
gib dass wir nachfahren
Dir
in dein Reich,
Und
mach uns gleich
Den
auserwählten Scharen.
13.
April
Am Abend aber desselben ersten Tages der
Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor
den Juden, kam Jesus.
Johannes 20, 19
Eigentlich
hatte Jesus gar keine Veranlassung, zu seinen Jüngern zu kommen.
Sie hatten
ihn doch in Gethsemane schmählich im Stich gelassen. Ja, Petrus hatte ihn
dreimal ganz offen verleugnet.
Und wie ungehorsam
waren sie! Ausdrücklich hatte er seinen Jüngern befohlen, sie sollten nach dem
Norden des Landes, in die Einsamkeit von Galiläa, gehen. Dort sollten sie ihn
sehen. Stattdessen saßen sie hier in Jerusalem.
Und wie
ungläubig waren sie! Wie oft hatte Jesus ihnen gesagt, dass „des Menschen Sohn
solches leiden müsse und dass er am dritten Tage auferstehen werde“.
Und wie
furchtsam waren sie! Statt auf ihren siegreichen Herrn zu vertrauen, dachten
sie nur an die Gefahren, die ihnen drohten.
Man könnte
es wahrhaftig verstehen, wenn der Herr Jesus diese ungetreue Jüngerschar ganz
und gar hätte fallen lassen. Und nicht nur diese Jüngerschar, sondern auch uns;
denn der Unglaube und die Menschenfurcht und der Ungehorsam sind ja bei uns
genauso zu finden wie bei den Jüngern.
Aber – wie
treu ist Jesus! Er geht seinen Jüngern nach. Er lässt sie nicht fallen. Er
sucht sie immer und immer wieder auf. Er zerbricht das zerstoßene Rohr nicht
und löscht den glimmenden Docht nicht aus.
Von Rechts wegen hätte unser Heiland uns
längst verstoßen müssen. Aber es geht bei ihm von Gnaden wegen. Was würde aus uns, wenn Jesus nicht so treu wäre!
Gelobt sei der gute Hirte seiner Schafe!
Auf
Gnade darf man trauen,
Man
traut ihr ohne Reu;
Und
wenn uns je will grauen,
So bleibes: Der Herr ist treu.
14.
April
Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.
Lukas 24, 34
Es war
wohl eine späte Nachtstunde, als die Emmaus-Jünger froh bewegt in Jerusalem in
den Kreis der Jünger traten, um den Ängstlichen und Betrübten ihre wundersame
Begegnung mit dem Auferstandenen zu berichten.
Aber sie
kamen zuerst gar nicht zu Wort. Gar nicht mehr ängstlich und betrübt, sondern
voll Siegesfreude finden sie die Jünger vor. Und es war wohl ein rechter
Tumult, als es jeder zuerst berichten wollte: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden
und dem Simon erschienen.“
Was liegt
nicht alles in dem Wörtlein „wahrhaftig“!
Da spricht
die Vernunft, die sich lange, fange
gewehrt hat und sich nun geschlagen gibt vor der Wirklichkeit des lebendigen
Gottes: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Da spricht
die Seele. Lange hieß es: „Wie der
Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir!“ Nun
hat Gott geantwortet. Und sein herrliches Tun unter den Menschenkindern schenkt
uns den Retter und Todesüberwinder. Nun heißt es: „Mein Leib und Seele freuen
sich in dem lebendigen Gott.“
Da spricht
das Herz. Es hat gezittert und sich
gefürchtet, als es am Karsamstag so aussah, als wollten Menschenmacht und
Menschenbosheit triumphieren. Nun ist das Herz froh und getrost: „Mein Herze
geht in Sprüngen / Und kann nicht traurig sein, / Ist voller Freud und Singen,
/ Sieht lauter Sonnenschein.“
Da spricht
der Mund, der nicht mehr schweigen
kann, der es aller Welt bezeugen muss: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“
Christ
ist erstanden
Von
der Marter alle;
Des
soll'n wir alle froh sein,
Christ
will unser Trost sein.
Kyrieleis.
Wär er
nicht erstanden,
So wär die Welt vergangen;
Seit
dass er erstanden ist,
So lob’n wir den Vater Jesu Christ.
Kyrieleis.
15.
April
Jesus … spricht zu ihnen: Friede sei mit
euch. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite … Da
sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch.
Johannes 20, 19 bis 21
Einen
unbeschreiblichen Frieden bringt der Herr Jesus in Herz und Haus. Dass wir doch
alle davon ein reichliches Teil bekämen!
Aber
dieser Friede ist nicht ein seliges, grundloses Gefühl.
O nein!
Dieser Friede Jesu hat seinen Grund. Und er wird erfahren im Gewissen. Jesus
bringt ihn nur zu denen, die die Ursache ihrer Friedlosigkeit sehen und sehen
wollen: die Wirklichkeit der Sünde.
Der
Friede, den Jesus bringt, hat seinen tiefen Grund in der Vergebung der Sünden.
Weil der Friede Jesu aus der Vergebung der Sünden kommt, darum wird er im
Gewissen erfahren.
Wollen wir
Vergebung? – Dann müssen wir sehen, wie Jesus in unserem Text sich zeigt: „Da
zeigte er ihnen die Hände und seine Seite.“
Was zeigte
denn Jesus da? Er zeigte seine durchgrabenden Hände. Diese Hände haben die
Handschrift zerrissen, die gegen uns war. Diese Hände haben unsere Sünde ans
Kreuz getragen. Diese Hände wurden um unsertwillen durchbohrt.
Es ist
nicht von ungefähr, dass Jesus zweimal sagt: „Friede sei mit euch!“ Und dass er
dazwischen seine Nägelmaie zeigt. Der gekreuzigte Heiland der Sünder – der ist
es, der den Frieden bringt. Der allein. Der aber wirklich. Gelobt sei er!
Deinen
Frieden gib
Aus
so großer Lieb
Uns,
den Deinen, die dich kennen
Und
nach dir sich Christen nennen;
Denen
du bist lieb, Deinen Frieden gib.
16.
April
Da sie aber davon redeten, trat er selbst,
Jesus, mitten unter sie … sie erschraken aber und fürchteten sich, meinten, sie
sähen einen Geist.
Lukas 24, 36 und 37
Unverständliches
Verhalten der Jünger!
Die zwei
traurigen Emmaus-Jünger waren dem auferstandenen Herrn Jesus begegnet. Eilig
liefen sie zurück und suchten die Freunde auf. Aber ehe sie ihren Bericht loswerden
konnten, erzählten die ihnen ganz aufgeregt: Wir wissen alles, „der Herr ist
wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen“. Und dann erzählen die beiden
den aufhorchenden Jüngern ihr Emmaus-Erlebnis: ihre
Begegnung mit dem Manne Jesus, der von den Toten auferstanden ist.
„Und als sie
noch davon redeten …“ – so erzählt der Text – „trat er selbst, Jesus, mitten
unter sie.“
Man sollte
doch nun wirklich annehmen, diese Jünger seien nach all den Berichten genügend
vorbereitet gewesen auf das Erscheinen Jesu. Die Auferstehung war ihnen
verkündigt. Sie hatten der Verkündigung geglaubt. Sie redeten davon.
Nun trat
Jesus mitten unter sie. Jetzt müsste der Bericht doch weitergehen: „Sie aber
jubelten, fielen ihm zu Füßen …“
Zu unserem
Erstaunen aber hören wir etwas ganz anderes: „Sie erschraken … meinten, sie
sähen einen Geist.“ Und es dauerte sehr lange, bis der Herr Jesus sie von der
Wirklichkeit seines Lebens und damit von der Wirklichkeit ihres Heils
überzeugen konnte.
Diese
Jünger sind ein Bild der Christenheit. Man weiß von Jesus. Man weiß von Sünde
und Errettung. Aber man weiß davon eben nur theoretisch, nur vom Hörensagen.
Wie würden wir erschrecken, wenn Jesus jetzt unter uns träte! Und wir werden
erschrecken. Denn er kommt wieder.
Wir
brauchen ein Christentum der göttlichen Wirklichkeiten, wo man den lebendigen
Herrn wirklich kennt und in ihm seines Heils gewiss geworden ist.
Er
ist erstanden von dem Tod,
Hat
überwunden alle Not;
Kommt,
seht, wo er gelegen hat!
Halleluja.
17.
April
Da sie aber noch nicht glaubten vor Freuden
und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: „Habt ihr hier etwas zu essen?“
Lukas 24, 41
Der
Schriftsteller Josef Wittig schreibt so köstlich in
seinem Buch „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“ von der
Auferstehung Jesu: „Er hätte aufwachend die ganze Apostel- und Jüngerschar, das
ganze Priester-Kollegium von Jerusalem samt der römischen Beamtenschaft um das
Grab versammeln können, um vor aller Augen die Tür zu sprengen und glorreich
aus dem Grabe hervorzugehen … Ich zum Beispiel, da ich noch so sehr von dieser
Welt bin, hätte mir gleich eine polizeiliche oder wenigstens pfarramtliche
Bescheinigung verschafft, schon um meinen späteren Verteidigern ihre großen
Mühen zu erleichtern.“
Jesus hat
es nicht getan. Gestorben ist er so, dass es in die Akten der Weit kam.
Auferstanden ist er so, dass es in die Akten des Glaubens kommt.
Aber wie
ungläubig ist das Menschenherz! Wie wenig ist es imstande, die großen Taten
Gottes zu begreifen! Als die Jünger Jesus sahen, glaubten sie zuerst nicht aus
Furcht, es sei ein Gespenst. Nachher glaubten sie nicht aus Freuden.
Aber der
Herr Jesus ruhte nicht, bis er ihren Unglauben überwunden und sie zur Gewissheit
geführt hatte. Er ließ sich betasten. Er aß und trank vor ihnen.
Denn es
liegt ihm soviel daran, dass wir gewiss werden. Gewissheit müssen wir haben im
Kampf des Lebens, Gewissheit in den Anfechtungen, Gewissheit, wenn das Gewissen
uns verklagt, Gewissheit im Sterben.
Uns zeigt
sich Jesus nicht mehr wie seinen Jüngern. Aber wir haben das gewisse Zeugnis
der Apostel. Und wir haben einen Heiligen Geist, der es in unseren Herzen
versiegelt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Für
diesen Trost, o großer Held,
Herr
Jesu, dankt dir alle Welt.
Dort
wollen wir mit größ’rem Fleiß
Erheben
deinen Ruhm und Preis.
Halleluja.
18.
April
Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.
Psalm 16, 10
Als
Abraham einst seine Zelte im Hain Mamre aufgeschlagen hatte, kam abgehetzt ein
Bote zu ihm und verkündete: „Mächtige Feinde haben die Stadt Sodom überfallen
und alle Einwohner weggeschleppt, darunter auch deinen Neffen Lot.“
Sofort
bewaffnete Abraham 318 Knechte, brach mit ihnen auf, folgte den Feinden in
Eilmärschen. Und bei Nacht überfiel er das Lager der Feinde. Die waren so
bestürzt, dass sie entsetzt flohen und alle Beute zurückließen (1. Mose 14).
Wer wäre
da nicht gern der Bote gewesen, der zu den Gefangenen eilte und ihnen
verkündete: „Ihr seid frei. Ein Stärkerer hat euren starken Feind besiegt!“?
Solch ein
Freuden- und Siegesbote will das Osterfest sein. Es gibt einen schauerlichen
und starken Feind, der uns alle davon schleppt, den Tod. Aber hier in der
Ostergeschichte steht die ungeheure Sieges- und Freudenkunde: Der Tod ist
überwunden!
Das ist
allerdings eine ungeheuerliche Botschaft. Denn die Macht des Todes ist nicht
auszusprechen. Wie unbarmherzig fährt er drein! Und wie respektlos ist der Tod!
Er schleppt nicht nur die Alten und Elenden davon. Er fällt den Jüngling in der
Blüte. Er reißt dem König die Krone vom Haupt. Er jagt den planenden
Großindustriellen von seinen Projekten.
Aber nun
wird dem alles beherrschenden Tod ein mächtiges „Halt!“ zugerufen – vom
lebendigen Gott. Christus sagt schon im Alten Bund: „Du wirst meine Seele nicht
dem Tode lassen.“ Und er hat Recht behalten.
In der
Auferstehung Jesu ist gleichsam eine Durchbruchsschlacht geschehen durch die
Front des Todes. Und hinter dem auferstandenen Herrn her strömen die an ihn
glaubenden Scharen ins ewige Leben.
Schwing
deine Siegesfahne
Auch
über unser Herz,
Den
Lebensweg uns bahne
Vom
Grabe himmelwärts.
19.
April
Gott hat mir ein Lachen zugerichtet.
1. Mose 21, 6
Der
Schweizer Schriftsteller und Pfarrer Nikolaus Bolt erzählt
in seinem Buch „Wege und Begegnungen“, wie er einmal in einem Schweizer
Lazarett bunt eingebundene Bibelbüchlein verteilt habe. Die Soldaten hätten sie
gern genommen, und dann habe einer gesagt: „Das gfallt
üs, dass das Büchli nümme schwarz ibunda fisch.“ – Vielleicht
wollte der Soldat sagen, in der Bibel ist so viel von Freude die Rede, dass die
gewöhnliche schwarze Einbandfarbe schlecht dazu passt.
Nun, auf
den Einband kommt's nicht an. Aber das stimmt: Es ist viel von Freude die Rede
in der Bibel. Sehr viel!
Umso
seltsamer ist es, dass die Bibel so wenig vom „Lachen“ spricht. Vielleicht
darum, weil das Lachen oft der Ausdruck einer oberflächlichen Freude ist. Die
Freude eines Christen aber, die Freude eines versöhnten Gewissens ist eine
tiefe, wurzelhafte Sache. – Vielleicht liegt's auch
daran, dass die Freude. der Christen meist eine „Freude unter Tränen“ ist, weil
Kinder Gottes durch viel Anfechtung und Leid gehen müssen.
Aber eine
Frau gibt's in der Bibel, von der zweimal berichtet wird, dass sie lachte. Das
war Abrahams Weib. Als der Herr dem alten Abraham einen Sohn verhieß, „da
lachte Sara hinter der Türe“. Das war ein ungutes Lachen. Ein Lachen, mit dem
die Vernunft Gottes Verheißung verspottete. Sara schämte sich später auch
dieses Lachens.
Aber dann
hat Sara noch einmal lachen müssen: als Gott sein Wort wirklich wahr machte und
ihr einen Sohn schenkte. Das war ein stolzes, dankbares Lachen. „Gott hat mir
ein Lachen zugerichtet“, sagt Sara.
Ja, das
ist es, was Christen lachen macht mit einem Lachen, davor die Hölle erschrickt,
das Wissen: Gott macht sein Wort wahr. Wie wird dies frohe Lachen in der
Ewigkeit erklingen, wenn alle Verheißungen erfüllt sind! „Dann wird unser Mund
voll Lachens und unsere Zunge voll Rührens sein.“
Wenn
alles wankt, dein Zeugnis nicht,
Du hältst,
was deine Huld verspricht,
Drum
sucht dein Volk, das dir sich weiht,
Hier
seinen Schmuck in Helligkeit.
20.
April
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.
Psalm 84, 5
Eine
unbändige und nie versiegende Freude haben die Kinder Gottes an ihrem Herrn und
Heiland die loben dich immerdar.“
„Immerdar“!
Wie ein gehetztes Wild musste David sich vor seinen Feinden verstecken in den
Höhlen des Felsgebirges. Er hat da den 57. Psalm gedichtet, wo er von seinem „Jammer“
spricht.
Aber mitten
in dem Psalm heißt es auf einmal: „Mein Herz ist bereit, mein Herz ist bereit, dass
ich singe und lobe.“ Da bricht einfach die unbändige Freude an seinem Heiland
durch und bringt alles andere zum Schweigen.
Ich finde,
es gibt so entsetzlich viel langweilige und gewissermaßen staubige Menschen.
Die brauchen dann Rausch, um ihrem armen Leben einen kümmerlichen Glanz zu
geben.
Auf
rechten Christen aber liegt, auch wenn sie alt werden – ja, je älter sie
werden, desto mehr –, der Glanz eines taufrischen Maimorgens. Das kommt von
dem: „… die loben dich immerdar.“
Kurz ehe
ich dies schrieb, traf ich einen armen, invaliden Bergmann. Meine Seele war
etwas matt, weil ich den ganzen Morgen nur Klagen gehört hatte. „Wie geht's?“
fragte ich. Und setzte gleich hinzu: „Es sind harte Zeiten!“ Da erwiderte er
mit fröhlichen Augen: „Wir haben einen Heiland!“ Nichts weiter! Aber es lag wie
Anbetung in seiner Stimme: „… die loben dich immerdar.“
Es ist gewiss
so, dass der Teufel und die Welt es darauf anlegen, diese Melodie bei uns zu
ersticken. Aber keine Angst: Recht gesehen ist unser Text nicht nur die Feststellung
einer Tatsache, sondern eine Verheißung. Der Herr sorgt dafür, dass seine
Kinder ihn loben können.
Wie
sollt ich nun nicht voller Freuden
ln
deinem steten Lobe steten?
Wie
sollt ich auch im tiefsten Leiden
Nicht
triumphierend einhergehn?
Und
fiele auch der Himmel ein,
So
will ich doch nicht traurig sein.
21.
April
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.
Psalm 84, 5
Es gibt
also richtige „Hausgenossen Gottes“ (Epheser 2, 19).
Sind wir
das? Mit weniger sollten wir uns nicht zufrieden
geben.
Wir
gehören gewiss nicht zu den Feinden Gottes. Denn die pflegen ja im Allgemeinen
keine Andachtsbücher zu lesen. Aber auch wenn man kein Feind Gottes ist, ist
man noch lange kein „Hausgenosse Gottes“.
„… die in
deinem Hause wohnen …“! in jedem rechten Haus gibt es Gäste. Die sind recht vertraut mit den Hausgenossen, ja, sogar mit
dem Hausvater. Aber – sie gehören nicht zur Familie. Vielleicht sind wir je und
dann Gottes Gäste, welche die Verbindung nicht ganz abreißen lassen. Aber – das
ist zuwenig. Kinder Gottes sollten
wir werden!
in jedem
Haus gibt es auch Lieferanten.
Zweimal in der Woche kommt ein Bäcker und bringt Brot. Er ist ein lieber und
wertgeschätzter Mann. Aber – Hausgenosse ist er nicht. Vielleicht sind wir
Gottes Lieferanten. Wir liefern ihm in gewissen Abständen ein Gebetlein ab oder einen Kirchenbesuch oder gar eine gute
Tat. Die Pharisäer waren geradezu Großlieferanten Gottes. Es ist nichts dagegen
zu sagen als das eine: Es ist zuwenig. Kinder
Gottes sollten wir werden!
Ja, wie
wird man das denn?
Das geht
nur durch den Herrn Jesus. Er hat einmal (Johannes 10, 9) gesagt: „Ich bin die
Tür.“ Wer durch diese Tür geht, von dem gilt es: „Wohl denen, die in deinem
Hause wohnen!“
Wir können
es noch besser so klarmachen: Er ist der Sohn Gottes. Wenn er mein Bruder ist –
und was möchte er lieber! –, dann bin ich in die Gottesfamilie aufgenommen,
dann bin ich Kind Gottes und Gottes Hausgenosse. Dann stimme ich dem von Herzen
zu: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen!“
So
wird die Freude ewig sein;
Denn
du, mein Bruder, führst mich ein
Dahin,
wo ich, was du getan,
Im
höhern Chor besingen kann.
22.
April
Gelobet sei der Herr, mein Hort, … meine
Güte und meine Burg, mein Schutz und mein Erretter, mein Schild, auf den ich
traue.
Psalm 144, 1 und 2
Ein
eigenartiger Mann war dieser David, von dem die Bibel uns sehr viel zu
berichten weiß.
Was hat er
nicht alles erlebt! Vom Schafhirten hat er es bis zum König gebracht. Das ist
immerhin eine nicht alltägliche Laufbahn. Und welche Abenteuer hat er
bestanden! Einmal hat er – als Junge noch – mit dem Riesen Goliath gekämpft und
ihn besiegt. Als junger Mann musste er jahrelang fliehen vor dem König Saul.
Was wäre aus dieser Zeit nicht alles zu berichten: Wie er einst in einer Höhle
übernachtete und vorne in der Höhle nichts ahnend seine Gegner lagerten; oder
wie er sich einst in das Lager Sauls schlich …
Kurz, das
ganze Leben dieses David ist randvoll gefüllt mit den interessantesten und
erzählenswertesten Erlebnissen.
Aber nun erzählt die Bibel nicht nur von David,
sondern sie lässt ihn auch selbst zu Worte kommen. Es gibt viele Kapitel, in
denen David selbst spricht.
Und da
sollte man ja nun meinen: In diesen Abschnitten wird David von seinen
Erlebnissen berichten; da wird er – wie ein Weltreisender oder ein alter
Kriegsteilnehmer – den bunten Film seines Lebens vor uns abrollen.
Aber – und
das ist wirklich seltsam! – das tut er nicht. Wo er selbst zu Worte kommt, da
spricht er – von seinem Gott. Wie die Sterne verschwinden, wenn die Sonne aufgeht,
so werden ihm seine Erlebnisse unwichtig vor der großen Wirklichkeit Gottes.
Ja, er selbst wird sich unwichtig. Nur Gott ist wichtig.
„Gelobet
sei der Herr …!“ Das ist eigentlich alles, was er zu sagen hat. Aber er wird
nicht müde, das zu sagen mit immer neuen Worten. Und – eigentlich ist das ja
auch das einzige, was zu sagen sich lohnt.
Dankt
unserm Gott, lobsinget ihm!
Lobsinget
ihm mit lauter Stimm,
Dankt
und lobsinget allesamt!
Gott
loben, das ist unser Amt.
23.
April
Und es ward eine große Freude in derselben Stadt.
Apostelgeschichte 8, 8
Als ich
einst einem jungen Mann die Herrlichkeit des Christenstandes pries, da meinte
er pfiffig: „Mit Speck fängt man Mäuse!“
Er war der
Überzeugung – und diese Überzeugung teilt er mit sehr vielen Leuten –, dass ein
von Gott gelöster Weltmensch in herrlicher, sonniger Freiheit lebe. Und nun versuchen
die Christen mit vielen süßen Worten, diese herrlich freien Leute in einen finsteren
Keller zu locken, wo man nur noch den Kopf hängen lassen kann und ein recht
trübseliges Leben führt.
O was für
eine Verkehrung der Tatsachen! Ich habe damals dem jungen Mann ins Gesicht
gelacht und ihm gesagt: „Die Sache steht genau umgekehrt, wie Sie sie sehen. Der unbekehrte Mensch sitzt in einem sehr
dunklen Keller, den er sich mit allerlei künstlichen Lichtlein
zu erhellen sucht. Dabei aber ist draußen der helle Tag angebrochen, seitdem
der Herr Jesus in die Welt gekommen ist Und nun bitte ich Sie: Springen Sie
doch aus Ihrem finsteren Keller in den hellen Sonnenschein der Gnade Jesu
Christi!“
Ob er es
getan hat, weiß ich nicht. Aber die Leute in jener samaritanischen
Stadt taten es, als Philippus ihnen das Heil Gottes in Jesus verkündigte. In Scharen
verließen sie den dunklen Keller ihres alten Lebens und liefen in den
Sonnenschein und in die Freude und in das wirkliche Leben.
Ich habe
einmal in meinem Jugendkreis gesagt: „ich biete eine Million demjenigen, der
mir jemand nachweist, der es bereut hat, dass er sich zum Herrn Jesus bekehrt
hat. Gewiss, ich habe die Million gar nicht. Aber ich kann diese Prämie getrost
aussetzen. Denn einen solchen Menschen wird niemand auf der weiten Welt
auftreiben können. Wohl aber kann man auf Sterbebetten viele finden, die es
sehr bereuen, dass sie Jesus verachtet haben.“
Bei ihm
ist „große Freude“!
Er
ist dein Schatz, dein Erb und Teil,
Dein
Glanz und Freudenlicht,
Dein
Schirm und Schild, dein Hilf und Heil,
Schafft
Rat und lässt dich nicht.
24.
April
Ich will den Herrn loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem
Munde sein.
Psalm 34, 2
Wann soll
ein Christ seinen Herrn loben?
Die
Vernunft sagt: „Natürlich dann, wenn man dazu in Stimmung ist, wenn es sich aus
einer allgemeinen fröhlichen Gemütsstimmung ergibt.“
Oder: „Dann,
wenn man eine besondere Durchhilfe des Herrn erfahren
hat, dann soll und kann der Christ seinen Herrn loben.“
So sagt
die Vernunft. David aber ist durch den Heiligen Geist anders belehrt worden: „Ich
will den Herrn loben allezeit. Sein
Lob soll immerdar in meinem Munde
sein.“
„Allezeit“
und „immerdar“ sollte ein Christ seinen Herrn loben.
Ja, ist
denn so etwas möglich? Ist denn das nicht zuviel verlangt? Es gibt doch so
viele graue Alltage, wo das Herz gar nicht auf „Lob“ gestimmt ist. Es gibt doch
so viele dunkle Tage, wo schwere Wolken am Himmel unseres Lebens sind. Es gibt
doch Nächte des Leides und der Traurigkeit. Es gibt doch so viel Kampf, Not,
Sünde, Tränen, Herzeleid. – Ist es da nicht überspannt, so zu reden: „Ich will
den Herrn loben allezeit“?
Nun, David
ist durch den Heiligen Geist so belehrt worden. Und wir müssen da achten auf
die Worte: „den Herrn“. Der Herr Jesus ist immer und allezeit anbetungswürdig.
Er gibt das Wasser des Lebens auch im grauesten
Alltag. Er ist der „Stern in allen
Nächten“ und „der Held in jedem Streit“. Es gibt keine Lage, wo wir nicht Jesus
loben könnten und sollten.
Weicht,
ihr Trauergeister,
Denn
mein Freudenmeister,
Jesus,
tritt herein.
Denen,
die Gott lieben,
Muss
auch ihr Betrüben
Lauter
Freude sein.
Duld'
ich schon
Hier
Spott, und Hohn,
Dennoch
bleibst du auch im Leide,
Jesu,
meine Freude.
25.
April
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass
es die Elenden hören und sich freuen. Preiset mit mir den Herrn und lasst uns
miteinander seinen Namen erhöhen.
Psalm 34, 3 und 4
Wenn man
einen Stein in das stille Wasser eines Sees wirrt, dann gibt's Kreise. Diese
Kreise dehnen sich aus, wachsen in die Weite. Und es ist am Schluss nicht mehr
recht festzustellen, wo sie eigentlich zu Ende gehen.
Mit jedem
durch Jesus erretteten Kind Gottes ist es ebenso. Tief im Herzen fängt es an,
das Licht der Heilserkenntnis, das der Geist Gottes anzündet. Aber dann bricht
es heraus, wird zum Zeugnis. Das Zeugnis erreicht andere Menschen; immer
weitere Kreise zieht dies neue Leben. Und nur Gott sieht, wo die Grenzen und wo
das Ende der Wirkungen eines solchen Zeugnisses sind.
In unserem
Psalmwort spricht David hiervon: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.“ Tief
im Herzen beginnt es. Die Seele, die erschrocken war vor Gott und begraben lag
unter der Sündenschuld, hat den Retter erkannt. Wer könnte davon schweigen?
„… dass es
die Elenden hören“. Sind nicht die anderen Seelen in gleicher Lage? Hört es,
ihr Elenden: „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude!“
„… und sich
freuen.“ Jetzt wird es da und dort hell in anderen Herzen. „Wollt ihr nun
schweigen?“ fragt David. „Auf, preiset mit mir den Herrn!“
Und nun
entsteht die Gemeinde Jesu, die Gemeinde geretteter und durch Jesu Blut
erkaufter Menschenkinder, in der man „miteinander seinen Namen erhöht“.
Ist es um
uns her ruhig und tot? Es liegt an uns! Sorgen wir dafür, dass unser Zeugnis
Kreise zieht! Der Herr will es!
Ich
singe dir mit Herz und Mund,
Herr,
meines Herzens Lust;
Ich
sing und mach auf Erden kund,
Was
mir von dir bewusst.
26.
April
Ich wandle fröhlich, denn ich suche deine Befehle.
Psalm 119, 45
Ein
lieblicher Morgen. Der Tau glitzert auf allen Gräsern.
Da klingt's fern, ein frohes Lied fröhlicher Gesellen: „Wer
recht in Freuden wandern will, / Der geh' der Sonn' entgegen …“
Wir sind
ja alle miteinander auf einer Wanderung. Unser ganzes Leben ist „ein Wandern
zur großen Ewigkeit“.
Frisch und
fröhlich marschieren die einen. „Der Himmel hängt ihnen voller Geigen.“ Sie
wissen noch nichts von mittagheißen Straßen und von dunklen Nächten des Leides.
– Trotzig und verbissen marschieren andere daher. Sie sind entschlossen, allen
Widerständen zum Trotz, „ihren“ Weg
zu gehen. – Und wieder andere schleppen sich müde daher. – Und dann die
Gedankenlosen, die mit dem großen Haufen auf ausgetretenen Bahnen dahertrotten –
so rechte Alltagsmenschen!
Da redet
nun in unserem Bibelwort ein Mann, der das Lied: „Wer recht in Freuden wandern
will …“ sicher nicht kannte. Aber – und das ist viel wichtiger – er konnte „recht
in Freuden wandern“. Sein Leben war nicht mehr ein naiver Lebensrausch. Es war
aber auch nicht ein müdes Trotten oder trotziges Rennen. „Ich wandle fröhlich.“
– Warum? – „Denn ich suche deine Befehle.“ Da spricht einer, der mit seinem
Gott in Ordnung gekommen ist. Da spricht einer, der „seine“ Wege aufgegeben hat. Und er hat sich und sein Leben, Lust
und Leid in die ewigen Hände der Gnade gegeben, wo Vergebung, Freiheit und
Frieden sind.
Das ist
der Weg zum fröhlichen Wandern. Auch für uns!
Wohl
einem Haus, da Jesus Christ
Allein
das All in altem ist.
Ja,
wenn er nicht darinnen wär,
Wie
elend wär's, wie arm und leer!
So mach'
ich denn zu dieser Stund'
Samt
meinem Hause diesen Bund:
Wenn
alles Volk vom Herrn abwich,
Doch
dienen wir ihm ewiglich.
27.
April
Ihr habt das Wort aufgenommen unter vielen Trübsalen mit Freuden.
1. Thessalonicher 1, 6
Ist das
denn möglich? Schließen sich „Trübsal“ und „Freude“ nicht gegenseitig aus? Ist
es nicht so: Je mehr Freude – desto weniger Trübsal?
Nun, so
mag ein Weltmensch denken, der von den geistlichen Dingen nichts versteht und
nichts ahnt von dem Reichtum und – der Paradoxie eines rechten Christenstandes.
Im
Christenstand ist es tatsächlich wunderlich: Je mehr Trübsal, desto mehr Freude
im Heiligen Geist. Und: Je mehr Freude am Herrn, desto größere Trübsal.
Wo das
Evangelium aufgenommen wird, da erweckt es Trübsal. Da verliert nämlich der
Mensch alle eigene Gerechtigkeit, alle eigene Weisheit, alle eigene Kraft. Er
wird an sich ganz zuschanden; denn er wird vor Gott offenbar als ein armer,
verschuldeter, sehr erlösungsbedürftiger Sünder. – Zugleich aber erhebt sich
Trübsal von außen: Not, Feindschaft der Welt, Schwierigkeiten aller Art. Als
sei „die Hölle los“. Ja, sie ist auch los. Der Teufel hasst nichts mehr als ein
erwachtes, zerschlagenes, Heilsverlangendes Gewissen. Darum will er es in den
alten Todeszustand zurückscheuchen.
Aber wer
durchbricht, erfährt nun „die Freude“. Der Sohn Gottes tritt auf den Plan,
Jesus. Er heilt das Gewissen. Er schenkt Kraft, Trost, neues Leben. Er geht als
Sonne hell auf.
So nimmt
man „das Wort auf unter vielen Trübsalen mit Freuden“. Und so bleibt’s im Christenstand. Je dunkler es von außen und
innen ist, desto größer wird die Freude im Herrn. Es ist ein Geheimnis. Aber
man kann es erfahren.
So
scheint uns nichts ein Schade,
Was
man um Jesum misst;
Der
Herr hat eine Gnade,
Die
über alles ist.
28.
April
Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber
hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe.
Jesaja 38, 17
Es gibt
soviel bedrückte und trostbedürftige Leute.
Es gibt
aber auch soviel „leidige Tröster“ – wie die Bibel sagt. Ja, sind nicht alle
Menschen „leidige Tröster“?
Ein
erfahrener Christ erzählte: „Ich war einst durch den Tod eines Kindes tief
verwundet und betrübt. Da kamen sehr viele liebe Menschen und sagten gute und ,Tiefempfundene' Worte. Aber ich merkte zu meinem
Schrecken: Diese Worte erreichten mich gar nicht. Sie drangen gar nicht
hinunter in die Tiefe, in der ich war. Trotzdem bin ich getröstet worden. Ich
fand das Wort Jesu: ,Den Frieden lasse ich euch,
meinen Frieden gebe ich euch.' Da habe ich gesagt: ,Herr
Jesus, dann gib deinen Frieden auch mir.' Und er hat ihn mir gegeben.“
Seht, so
ist Jesus der Mann, der trösten, heilen und verbinden kann. Wie viele werden es
einmal in der Ewigkeit jauchzend bekennen: „Du hast dich meiner Seele herzlich
angenommen.“
Da war
einmal vor den Toren Jerichos ein großes Menschengedränge. Tausende von
Neugierigen hatten sich eingefunden, um Jesus zu sehen. Oben in einem Baum aber
saß der Mann Zachäus, der Mann, dessen Leben durch die Sünde im Tiefsten
beunruhigt war. Sein Herz schrie nach dem Heiland. Aber sein Mund war stumm.
Es gehört
zu dem Wunderbaren, dass Jesus unter der lärmenden Menge das heimliche Schreien
dieses Herzens härte. Er beachtete nicht die laute Menge, aber O wie versteht
er die tiefsten Nöte und das geheime Seufzen unserer Seele, und wie herrlich
nimmt er sich unser an!
Seiner
kann ich mich getrösten,
Wenn
die Not am allergrößten;
Er
ist gegen mich, sein Kind,
Mehr
als väterlich gesinnt.
29.
April
Und es ward eine große Freude in derselben Stadt.
Apostelgeschichte 8, 8
In einer
Stadt Samarias gab es eine Erweckung. Wir wissen
nicht einmal den Namen dieser Stadt. Sie wird wohl in der Weltgeschichte keine
große Rolle gespielt haben. Ja, „bei Licht besehen“ wird sie wohl ein recht
elendes „Nest“ gewesen sein.
Überhaupt:
Samaria! Dies Mischvolk dort war ja so verachtet bei Heiden und Juden. Da lohnt
es wirklich nicht, um irgendein Städtlein dieses elenden Landes viel Worte zu
verlieren.
Aber unser
Gott sieht das Verachtete an. Wie oft hat er erwählt, was die Welt verachtet!
Und so hat er dieser samaritanischen Stadt eine
herrliche Erweckung geschenkt, als Philippus das Wort vom Kreuz predigte. Da
gab es zerbrochene Herzen. Da wurden böse Sünden aufgedeckt. Da schaute man in
Herzensnot auf zum Kreuz Jesu Christi und glaubte es von Herzen: „Das Blut Jesu
Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.“
Und nun
wurden alte Feindschaften begraben, zerrüttete Familien neu belebt, gestohlenes
Gut wurde zurückgebracht, denn „die unsauberen Geister fuhren aus“ (V. 7).
Wenn das
geschieht, gibt es Freude, mehr als das schönste Fest sie geben kann. Das sind
die wahren Gottesfeste.
Wie gerne
möchte Gott uns solche Freude bereiten!
Wenn
Gottes Winde wehen
Vom
Thron der Herrlichkeit
Und
durch die Lande gehen,
Dann
ist es sel'ge Zeit.
Wenn
Scharen armer Sünder
Entfliehn
der ew'gen Glut,
Dann
jauchzen Gottes Kinder
Hoch
auf vor gutem Mut.
30.
April
Da sie aber davon redeten …
Lukas 24, 36
Es gibt
ein Bibelwort, das heißt: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“
Wovon
reden wir?
Es gibt
Leute, die reden immer nur von sich selbst: wenn sie alt sind – von ihren
Krankheiten, wenn sie jung sind – von ihren Taten. Da ist das Herz ganz erfüllt
von sich selbst. Angenehm sind solche Leute nicht.
Andere
gibt es, deren Herz ist erfüllt mit Unkeuschheit. Ihr Mund geht über von Zoten
und schmutzigen Witzen. Sie sind eine Plage und ein Verderben für ihre
Umgebung. Und mancher Mutter Sohn wurde durch sie verdorben.
Wieder
andere wissen nur von Eierpreisen zu reden und von Essen und Trinken. Ihr Herz
ist der reinste Lebensmittelladen, angefüllt mit Alltagsdingen. Und wieder
andere verstehen sich auf den Klatsch. Da wird mit ernster Miene der Nächste
durchgehechelt. Und solches Reden verrät ein armseliges Herz.
Im Text
heißt es: „Da sie davon redeten …“ Wovon redeten diese Jünger? – Sie sprachen
miteinander von den großen Taten Gottes, vom Kreuz und von der Auferstehung
Jesu. Welch herrliches Gesprächsthema!
Diese
Jünger waren Leute wie wir. Die Alltagsdinge bewegten sie auch. Aber es ging
ihnen wie einem nächtlichen Wanderer. Der sieht die Sterne und freut sich
daran. Aber auf einmal geht die Sonne auf, und dann sind die Sterne unwichtig.
Da kamen die großen Taten Gottes, da kam Jesus in ihr Leben. Und alles wurde
überstrahlt von diesem hellen Licht.
Lasst uns
doch miteinander von den großen Taten Gottes reden!
O
komm, du Geist der Wahrheit,
Und
kehre bei uns ein,
Verbreite
Licht und Klarheit,
Verbanne
Trug und Schein.
Gieß
aus dein heilig Feuer,
Rühr
Herz und Lippen an,
Dass
jeglicher getreuer
Den
Herrn bekennen kann.
1.
Mai
Freuet euch nicht, dass euch die Geister
untertan sind. Freuet euch aber, dass eure Namen Im Himmel geschrieben sind.
Lukas 10, 20
Große
Erfolge – wie erheben sie die Seele!
Das
erlebten die Jünger, die Jesus als seine Boten ausgesandt hatte. Sie erfuhren
es erst auf diesem Wege recht, welch mächtigem Herrn sie dienten. Ganz
aufgeregt kamen sie zurück: „Herr, es sind uns auch die Dämonen untertan in
deinem Namen.“
Unser
Heiland kennt das Menschenleben. Er weiß, wie schnell nach dem Erfolg der Misserfolg
kommt. Und er kennt das Menschenherz, das bald „himmelhochjauchzend“
und bald „zu Tode betrübt“ ist. Und er will uns unvergängliche Freude schenken.
Darum sagt
er ein wundervolles Wort. Dies Wort bricht nichts ab von der Freude der Jünger
an ihren Siegen. Aber es stellt alles in ein neues Licht: „Freuet euch nicht
darüber, dass euch die Geister untertan sind.“ Es zittert in seinen Worten
etwas von der Sorge um seine Jünger. Er weiß ja, wie oft noch die Macht der
Finsternis siegen wird über die Schwachheit seiner Leute. Und dann wird nur ein
anderes ihnen Trost und unvergängliche Freude sein: „Freuet euch, dass eure
Namen im Himmel geschrieben sind.“
Es gibt
nichts, was uns in Lebenskampf und Todesnot mehr trösten könnte, als dass durch
Jesu Gnade der Name armer Sünder im Lebensbuch stehen darf.
Schreib
meinen Nam' aufs beste
Ins
Buch des Lebens ein,
Und
bind mein See! fein feste
Ins
schöne Bündelein
Der'r,
die im Himmel grünen
Und
vor dir leben frei,
So
will ich ewig rühmen,
Dass
dein Herz treue sei.
2.
Mai
Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken
und lobsingen deinem Namen, du Höchster, des Morgens deine Gnade verkündigen …
Psalm 92, 2 und 3
Ein alter,
erfahrener Christ wurde einst gefragt: „Wie machen Sie es nur, dass Sie so
fröhlich und sicher durch den Alltag gehen?“
Da
antwortete der: „Dies Geheimnis will ich Ihnen gerne verraten. Jeden Morgen, wenn
ich erwache, falte ich meine Hände und spreche: ,Ich
danke dir, Herr Jesus, dass du mich mit deinem Blute erkauft hast. Ich danke
dir, dass ich dein Eigentum sein darf. Amen. – Und dann fuhr er lächelnd fort: „Sehen
Sie, so stelle ich mich zu Beginn des Tages auf den Boden der Gnade. Und ich
beginne den Tag mit der tiefsten Freude, die es gibt: mit der Freude über das
Heil Gottes in Jesus.“
Ja, „es
ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken … des Morgens seine Gnade verkündigen.“
Unsere
Tage sind oft so arm, kümmerlich und gedrückt. So ein „köstlich Ding“, so ein
Höhepunkt, ein heller Glanz fehlt ihnen. Unsere Tage sind so oft „grau in grau“.
Hier wird
uns ein „köstlich Ding“ gezeigt, das unser Leben froh macht und unsere Alltage
heiligt – ein „köstlich Ding“, das unser Alltagsleben mit Ewigkeitslicht überstrahlt
und jeden Tag zum „Gottestag“ macht. „Dem Herrn danken … des Morgens seine
Gnade verkündigen“!
Und das
werden wir erfahren: Bei dem Herrn Jesus ist jedes Danken ein neues Nehmen. Und
jedes Nehmen führt in neues Danken für erfahrene Gnade.
Du
meine Seele, singe,
Wohlauf
und singe schön
Dem,
welchem alle Dinge
Zu
Dienst und Willen steten.
Ich
will den Herren droben
Hier
preisen auf der Erd';
Ich
will ihn herzlich loben,
Solang
ich leben werd'.
3.
Mai
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten.
Psalm 84, 6
Woran
liegt es denn, dass es in unserem Leben gar nicht so recht stimmt? Dass über
unserem Leben ganz und gar nicht das Wort steht: „Wohl den Menschen…!“
Es liegt
an uns. Es liegt daran, dass wir in völliger Verkennung unseres armen und
verlorenen Zustandes uns selbst für unsere Stärke halten.
„Wohl den
Menschen, die den Herrn für ihre Stärke halten“! Was heißt denn das? Eine
kleine, alltägliche Geschichte soll es uns deutlich machen:
Jungen
balgen sich auf der Straße. Ein großer, starker Junge hat einem kleinen Kerl
den Ball weggenommen. Und als der ihn wieder an sich reißen will, bekommt er
noch Prügel. Weinend zieht er ab. Aber auf einmal versiegen die Tränen.
Triumphierend dreht er sich um: „Wart, ich habe einen großen Bruder; der hilft
mir!“
Der Kleine
hielt nach seiner schmerzlichen Erfahrung nicht mehr sich selbst für seine
Stärke. Aber er war doch siegesgewiss. Er hielt seinen Bruder für seine Stärke.
„Ich habe
einen großen Bruder, der führt meine Sache!“ So triumphieren die Jünger Jesu
gegen Satan. und Welt, gegen Fleisch und Blut, ja gegen ihr eigenes,
anklagendes Herz. „Ich habe einen großen Bruder!“ Das ist der Herr Jesus, der
sich nicht schämt, uns Schwache, Arme, Schuldbeladene seine Brüder zu heißen.
Wir sind
schwach. Wie sollten wir allein fertig werden! Aber wohl uns, die wir den Herrn
für unsere Stärke halten dürfen!
Wenn
ich mein' Hoffnung stell zu dir,
So
fühl ich Fried und Trost in mir;
Wenn
ich in Nöten bei und sing,
So
wird mein Herz recht guter Ding.
Dein
Geist bezeugt, dass solches frei
Des
ew'gen Lebens Vorschmack
sei.
4.
Mai
Wohl den Menschen, die von Herzen dir nachwandeln.
Psalm 84, 6
Dass wir
uns nur keine falschen Vorstellungen vom Christenstand machen!
Wir denken
uns die Sache meist so: Wir wollen unseren
Weg, der uns wohlgefällt und den wir uns ausgedacht
haben, gehen. Und dann wollen wir den Herrn bitten, dass er mit uns gehe und
uns in unseren Wegen segne und
behüte.
Solange
wir noch so stehen, werden wir schwere Enttäuschungen erleben. Der Herr wird
nicht mit uns gehen. Er wird uns nicht segnen, sondern uns die bitteren Früchte
unserer Torheit essen lassen. Er wird uns nicht behüten, sondern uns fallen
lassen.
Denn er
denkt gar nicht daran, uns auf unseren
Wegen nachzuwandeln. Solange wir so stehen, haben wir keine Verheißung; solange
steht das „Wohl den Menschen…“ nicht über unserem Leben.
Nicht er
will mit uns ziehen, sondern wir sollen mit ihm ziehen. Nicht darum geht es, ob
Jesus unsere Wege mitgehen will, sondern darum, ob wir Jesu Wege mitgehen wollen.
„Jesus von
Herzen nachwandeln“ – das heißt: seine eigenen Wege drangeben und fragen: „Herr,
was willst du, dass ich tun soll?“
„Jesus von
Herzen nachwandeln“ – das heißt: sich nicht fürchten vor dem schmalen Weg, der
zum ewigen Leben führt. Das heißt: sich nicht scheuen vor dem Kreuz, ohne das
man auf Jesu Weg nicht gehen kann.
„Jesus von
Herzen nachwandeln“ – das heißt: alles können außer dem einen: einen Schritt
tun ohne ihn. Lasst es uns lernen! Dann gilt uns das „Wohl den Menschen …“
Jesu,
geh voran
Auf
der Lebensbahn,
Und
wir wollen nicht verweilen,
Dir
getreulich nachzueilen;
Führ
uns an der Hand
Bis
ins Vaterland.
5.
Mai
Er tut alles fein zu seiner Zeit.
Prediger 3, 11
Wettläufer
sind angetreten zum Wettlauf.
Da steht
seitwärts der Mann mit der Stoppuhr. Alle sehen auf ihn. Da – der Startschuss
knallt. Er drückt auf die Uhr – die Läufer rennen los.
Wie dieser
Mann es mit den Läufern macht, so möchten wir es gern mit Gott machen. Wir
sehen auf unsere Uhr und –: „Jetzt, lieber Gott, ist es Zeit zum Eingreifen!
Jetzt ist es Zeit zu helfen! Jetzt ist es Zeit, die Bösen zu strafen!“
Gott denkt
aber gar nicht daran, sich von uns vorschreiben zu lassen, wann er handeln
soll: „Er tut alles fein zu seiner
Zeit.“ Und wer Gottes Macht erfahren will, der muss es lernen, seine Uhr
wegzulegen und sich nach Gottes Uhr zu richten.
Gottes Uhr
geht meist langsamer als unsere Uhr. Manchmal auch schneller. Aber jedenfalls
meist anders als unsere Uhr. Er hat seine
Zeit. Und er tut alles nach seiner Zeit.
Und zwar
tut er alles „fein“ zu seiner Zeit. Ach, was gäbe das für Unheil, wenn Gott
sich nach unserer Ungeduld richten wollte! Weil er das nicht tut, darum
geschieht alles „fein“, was durch ihn geschieht.
Ein
Beispiel: Wenn es nach den Jüngern Jesu gegangen wäre, hätte Gott schon im
Garten Gethsemane eingreifen müssen. Aber das war nicht seine Stunde. „Das ist
eure Stunde“, sagt Jesus zu seinen Häschern.
Seine Stunde kam erst am Ostermorgen. Und dadurch wurden wir erlöst und
erkauft, „von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels“.
Das darf
uns trösten und gewiss machen in dunklen Nächten, wo wir nichts fühlen von
seiner Macht: „Er tut alles fein zu seiner Zeit.“
Bleibt
gleich die Hilf' in etwas lange,
Wird
sie dennoch endlich kommen;
Macht
dir das Harren angst und bange,
Glaube
mir, es ist dein Frommen.
Was
langsam schleicht, fasst man gewisser,
Und
was verzeucht, ist desto süßer.
Gib
dich zufrieden.
6.
Mai
Abraham dachte: Gott kann auch wohl von den Toten erwecken.
Hebräer 11, 19
Ich saß
einmal zusammen mit einem frommen Landwirt, und wir tauschten. unsere Sorgen
aus um unsere Kirche. Mir war das Herz schwer über allerlei traurigen Dingen,
die geschehen waren. Und es standen noch finstere Wolken am Himmel.
Da zog der
Landwirt seine Bibel aus der Tasche, schlug das Glaubenskapitel im
Hebräer-Brief auf und las Vers 19 a: „Abraham dachte: Gott kann auch wohl von
den Toten erwecken.“ Dann sagte er: „Sehen Sie, hier habe ich mir zwei Wörtlein
unterstrichen, die mir schon oft ein großer Trost geworden sind: ,Gott kann'.“
„Gott
kann.“ Das sollten wir nicht nur in unseren Bibeln, sondern auch in unseren
Herzen unterstreichen und hervorholen in Tagen des Kampfes und der Not.
Luther
übersetzt hier: „Abraham dachte“. Wörtlich übersetzt heißt es: „Abraham
rechnete: Gott kann.“
Die Welt
rechnet und kalkuliert anders. Der Glaube aber jubiliert: „Gott kann.“ Ja, Gott
kann Tote auferwecken. Unser Gott kann seinem Volk Wege in den Meeresfluten
geben. Unser Gott kann sein Volk speisen in der Wüste. Unser Gott kann das
stolzeste Herz demütigen. Unser Gott kann den hoffnungslosesten Zweifler
erleuchten. Unser Gott kann den gebundensten Sünder
befreien.
Darum
kommt alles darauf an, dass wir diesen Gott, der so Herrliches kann, zum Freunde
haben. Denn es ist hoffnungslos und schrecklich, den zum Feinde zu haben, dem
niemand widerstehen kann. Sind wir aber durch Jesus mit ihm versöhnt, dann sind
wir gut dran, auch auf schweren Wegen, wie sie Abraham gehen musste, als er
seinen Sohn zum Opferaltar führte.
Dein
ewge Treu und Gnade,
O
Vater, weiß und sieht,
Was
gut sei oder schade
Dem
sterblichen Geblüt;
Und
was du dann erlesen,
Das
treibst du, starker Held,
Und
bringst zu Stand und Wesen,
Was
deinem Rat gefällt.
7.
Mai
Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!
Psalm 103, 2
In einer
westdeutschen Großstadt steht an einer der Hauptgeschäftsstraßen eine alte
Kreuzigungsgruppe. Ein frommer Meister hat vor Jahrhunderten dies Bild in Stein
gehauen und aufgestellt.
Jetzt ist
es schon recht verwittert und geschwärzt. Große Bauten sind ringsherum
entstanden. Aber das Kreuz steht noch da.
Tausende
laufen täglich daran vorbei. Fröhliche und beschwerte Herzen gehen daran
vorüber, Gute und Böse. Hohe Leute in Autos fahren vorbei, und müde Bettler mit
zerrissenen Schuhen lehnen sich einen Augenblick daran.
Aber wer
von all diesen sieht das Kreuz?!
Ist es mit
dem wirklichen Kreuz Jesu nicht ebenso? Das hat Gott mitten in der Menschenwelt
aufgerichtet. Es ist der Ort, wo wir alle unsere Lasten ablegen dürfen, wo das
beladene Gewissen Vergebung findet und das unruhige Herz den Frieden.
Aber die
Menschen sind so erfüllt mit ihren Dingen, dass sie an dem großen Heil Gottes
in Jesus vorüberhasten. Ja, viele denken – wie bei jenem Kreuz in der Großstadt
–: „Das Wort vom Kreuz passt nicht mehr in unsere Zeit hinein. Es ist nur noch
eine Erinnerung an alte Zeiten.“
„Vergiss
nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Ja, vergiss es nicht! Im Kreuz ist Heil,
Frieden, Gnade Gottes, Leben, ewiges Leben. Halte ein in deinem Rennen, bleibe
stehen vor dem Kreuze Jesu, und sieh, was er dir Gutes getan hat!
Mein
Lebetage will ich dich
Aus
meinem Sinn nicht lassen,
Dich
will ich stets, gleich wie du mich,
Mit
Liebesarmen fassen;
Du
sollst sein meines Herzens Licht,
Und
wenn mein Herz in Stücke bricht,
Sollst
du mein Herze bleiben.
Ich
will mich dir, mein höchster Ruhm,
Hiermit
zu deinem Eigentum
Beständiglich
verschreiben.
8.
Mai
Gott, der Herr, ist Sonne und Schild.
Psalm 84, 12
Als die
Jugendbewegung viele junge Menschen in Deutschland ergriff, hörte man oft ein
Lied, in dem immer wieder vorkam: „… uns geht die Sonne nicht unter!“
Es mag
viele geben, die dies Lied nicht kennen. Aber das junge Herz singt es doch
allezeit fröhlich: „… uns geht die Sonne nicht unter!“
Und nun
möchte ich einmal die fragen, die dies Lied einst gesungen haben: „Sagt, ist
euer Leben auf dieser Höhe geblieben? Ist euch die Sonne nicht untergegangen?“
Und ich
weiß, viele werden stille werden. Und die meisten werden anfangen zu klagen und
zu erzählen, wie das Leben ihnen Enttäuschungen gebracht hat, wie die Ideale
der Jugend zerbrochen sind, wie die Sonne in ihrem Leben untergegangen ist. Und
viele werden verbittert schweigen.
Ich stand
einmal an einem Krankenbett. Eine bedeutende Frau, die in ihrem Leben viel heiße Kämpfe durchgefochten hatte, lag im Sterben. Da
bat sie die Umstehenden, man möchte ihr ihren Lieblingsvers singen. Es ist mir unvergesslich,
wie dann an diesem Sterbebett es jubelnd erklang: „Die Sonne, die mir lachet, /
ist mein Herr Jesus Christ. / Das, was mich singen machet, / Ist, was im Himmel
ist.“
Ja, es
gibt eine Schar von Menschen, denen in Wahrheit die Sonne nicht untergeht. Das
sind die, die erfahren haben: „Gott, der Herr, ist Sonne!“ – die das lebenschaffende Licht dieser Sonne in Jesus Christus, ihrem
Herrn und Heiland, gefunden haben.
Wir
Christen rühmen: „Uns geht die Sonne nicht unter.“
Ich
will von deiner Güte singen,
Solange
sich die Zunge regt;
Ich
will dir Freudenopfer bringen,
Solange
sich mein Herz bewegt;
Ja,
wenn der Mund wird kraftlos sein,
So
stimm ich noch mit Seufzen ein.
9.
Mai
Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen
Nöten.
Psalm 34, 7
Beim Gebet
hängt so viel von der rechten Herzensstellung ab.
Als der
Herr Jesus am Kreuz hing, riefen beide Übeltäter, die mit ihm gekreuzigt
wurden, ihn an.
Der eine
forderte frech und höhnisch: „Bist du Christus, so hilf dir selbst und uns!“
Der redete, als hätte er ein Recht, etwas zu fordern. Und während er forderte,
sprach doch aus jedem Wort der Unglaube. Es war, als wenn er sagen wollte: „Ich
will dir, Herr Jesus, mal eine Gelegenheit geben, Glauben zu wecken oder doch
dich beliebt zu machen. Aber ich vermute, es wird wohl nichts werden.“
Auf dies
Gebet hat der Herr nicht geantwortet. „Da dieser Stolze rief, hörte der Herr
nicht und ließ ihn in allen seinen Nöten.“ So könnten wir sinngemäß das
Psalmwort umkehren.
Auf die
Forderungen ungebeugter Herzen antwortet der Herr mit Schweigen.
Aber dem
anderen Schächer, der gebeugten Herzens ihn anrief, öffnete er die Tore des
Himmelreichs. „Da dieser Elende
rief, härte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten.“
Darauf
kommt alles an, ob wir klein geworden sind in unseren eigenen Augen. Darauf
sieht Gott, ob einer zerschlagenen und elenden Herzens ist.
Das
freche, stolze Reden des Pharisäers im Tempel war ein vergebliches Reden. Aber
das Rufen aus der Tiefe eines Sünderherzens, das Gebet des Zöllners: „Gott sei
mir Sünder gnädig!“ ward erhört.
Die Gebete
aus der Tiefe hört unser Gott gern.
Ich
begehre nichts, o Herre,
Als
nur deine freie Gnad',
Die
du gibest,
Den
du liebest
Und
der dich liebt in der Tat.
Lass
dich finden,
Lass
dich finden,
Der
hat alles, der dich hat.
10.
Mai
Und es geschah, da Jesus seine Jünger
segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an
und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude.
Lukas 24, 51 und 52
„Kinder!“
pflegte unsere Mutter zu sagen, wenn wir am Himmelfahrtsmorgen erwachten, „heute
ist der Tag der Thronbesteigung unseres Heilandes. Wenn Könige diesen Tag
feiern, dann darf man von ihnen etwas Besonderes erbitten. So wollen wir es bei
unserm Heiland auch machen!“
Nun weiß
ich zuwenig über Könige Bescheid, um nachprüfen zu können, ob es so ist. Und
ich glaube auch nicht, dass man diese Behauptung meiner Mutter biblisch belegen
kann.
Aber
jedenfalls lernten wir, das Fest der Himmelfahrt als einen Freudentag
ohnegleichen anzusehen.
Thronbesteigung
des Sohnes Gottes! „Er hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.“
Den Jüngern
bebte das Herz vor Freude. Nach der Niedrigkeit des Leidens, nach der Schmach
des Kreuzes wurde ihr geliebter Heiland nun herrlich erhöht. „Sie beteten ihn
an.“
Wer den
Herrn Jesus liebt, der wird sich voll Freuden im Geist neben den Aposteln
niederwerfen: „Siegesfürst und Ehrenkönig, / Höchst verklärte Majestät, / Alle
Himmel sind zuwenig, / Du bist drüber hoch erhöht. / Sollt ich nicht zu Fuß dir
fallen / Und mein Herz vor Freuden wallen, / Wenn mein Glaubensaug'
betracht' / Deine Glorie, deine Macht!“
Ein
bedeutender Mann klagte vor einiger Zeit über die „schwindenden Positionen des
Christentums“. Ach, du liebe Zeit! Es kann sein, dass unsere Positionen immer mehr schwinden, weil wir immer gott-loser
und haltloser werden. Aber Jesus hat die
Position aller Positionen: „Sein Thron steht ewig!“
Gen
Himmel aufgefahren ist, Halleluja,
Der
Ehrenkönig Jesus Christ. Halleluja.
Er
sitzt zu Gottes rechter Hand, Halleluja,
Herrscht
über Himmel und alle Land. Halleluja.
11.
Mai
Und es geschah, da Jesus sie segnete, schied
er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Lukas 24, 51
Das steht
so einfach da: „Er fuhr gen Himmel.“
„Ach,
lieber Lukas“, möchte man ausrufen, „weißt du denn nicht, dass diese
Himmelfahrt für die Vernunft eine unfassbare Sache ist? Weißt du nicht, dass
eine Menge Fragen auftauchen, naturwissenschaftliche und philosophische und
theologische Fragen? Weißt du das nicht, Lukas?“
Wir
bekommen keine Antwort auf all diese Fragen. Der Bericht des Lukas geht
königlich darüber hinweg. Das ist der gewaltige Stil der Bibel: „Er fuhr auf
gen Himmel.“
So erzählt
kein Märchenerzähler. So spricht einer, der eine erschütternde Tatsache
berichtet, die er nur einfach hinstellen kann und die ihn selber überwältigt.
Wie
wunderbar ist Christus! Luther sagt dazu in einer Auslegung des Himmelfahrtpsalmes (110. Psalm): „Was sind nun alle Könige
und Fürsten mit all ihrer Macht und Regiment gegen diesen, der da sitzt und
regiert in dem Stuhl göttlicher Majestät? Es sind arme Bettler und elende
Menschen, die sich selbst nicht raten und helfen können.“
„Und fuhr
auf gen Himmel.“
Und die
Feinde? Der kühle Pontius Pilatus und der hasserfüllte Hoherat
und das spottende Volk?
Auch über
sie geht der Bericht hinweg. Was soll man da noch von den Feinden Christi
sagen, wo es heißt: „Und er fuhr auf gen Himmel“?
Calvin
sagt: „Wie auch die Welt rast, so reichen ihre Hände doch nicht so weit,
Christus von der Rechten des Vaters herabzuziehen; und weil Christus nicht für
sich regiert, sondern zu unserem Besten, werden wir unter der Hut dieses unbesieglichen Königs sicher und unversehrt sein.“
Nun
freut sich alle Christenheit
Und
singt und springt ohn alles Leid.
Gott
Lob und Dank im höchsten Thron,
Weil
unser Bruder Gottes Sohn. Halleluja.
12.
Mai
Und es geschah, da er sie segnete, schied er
von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Lukas 24, 51
Der letzte
Eindruck!
Wie mag
sich den Aposteln dies Bild ihres Herrn und Heilandes eingeprägt haben: „Da er
sie segnete …“
In
mancherlei Lagen hatten sie ihn gesehen: Sie hatten ihn zornig gesehen, als er
den Tempel reinigte. Gewaltig hatte er vor ihnen gestanden, als er den Sturm
stillte. Als das „Lamm, das seinen Mund nicht auftut“, war er ihnen am
Karfreitag erschienen. In herzlicher Liebe hatte er unter ihnen geweilt, als er
ihnen das Abendmahl austeilte.
Der letzte
Eindruck aber war so: durchgrabene Hände, aufgehoben
zum Segnen. Unauslöschlich hat sich dies Bild ihnen eingeprägt. Und wir
verstehen, dass sie dann „mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehrten“.
„Mit
großer Freude“! Denn es ist eine herrliche Sache, unter den aufgehobenen
Segenshänden des Herrn Jesu zu stehen.
Es werden
nachher in der Apostelgeschichte seltsame Dinge von diesen Männern erzählt:
Furchtlos trotzen sie der Welt und ihren Drohungen; in Gefängnissen singen sie
Loblieder; getröstet gehen sie in den Tod; freudig greifen sie eine ganze Weit
an; mutig tragen sie Jesu Fahnen unter die Völker.
Das kann
man ja nur begreifen, wenn man versteht: Sie wussten sich unter diesen
segnenden, durchgrabenen Händen Jesu.
Und dort
dürfen auch wir stehen und zum Frieden kommen. Es gibt keinen besseren,
sichereren, fröhlicheren Platz als unter diesen Segenshänden.
Nun
ist dieses dein Geschäfte
In
dem obern Heiligtum,
Die
erworbnen Segenskräfte
Durch
dein Evangelium
Allen
denen mitzuteilen,
Die
zum Thron der Gnaden eilen,
Nun
wird uns durch deine Hand
Heil
und Segen zugewandt.
13.
Mai
Jesus ist aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.
Epheser 4, 10
Es gibt
ein Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff mit dem Titel „Himmelfahrt“. Das
beginnt:
„Er war ihr eigen dreiunddreißig Jahr.
Die Zeit ist hin, ist hin!
Wie ist sie doch nun alles Glanzes bar,
Die öde Erd', auf der ich atm' und bin …“
Wenn es
wirklich so wäre, dann könnte man eines in den evangelischen Berichten nicht
verstehen: nämlich die Freude, die nach der Himmelfahrt die Herzen der Jünger erfüllte.
So sehen doch die Leute nicht aus, die Abschied genommen haben. Nein! Diese
Apostel hatten nicht von Jesus Abschied genommen. Er war ihnen nun auf ewig
geschenkt.
Es ist ein
eigenartiges Wort, in dem Paulus diese Tatsache den Ephesern schreibt: „Er ist
aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.“ Damit ist gesagt: „Nun
ist die Welt voll Jesus.“ Der Satz klingt wohl merkwürdig. Aber so bezeugt der
Paulus durch den Heiligen Geist. Und so verstanden es alle Apostel: „Die Welt
ist voll Jesus.“
Und wenn
nun die Menschen auf all das graue Elend sehen, wenn sie uns sagen: „Die Weit
ist voll Tränen, voll Jammer, voll Ungerechtigkeit, voll Schuld, voll Not“,
dann wollen wir ihnen in fröhlichem Glauben antworten: „Ja, aber die Welt ist
auch voll Jesus.“
Sie ist
nicht „alles Glanzes bar, die öde Erd', auf der ich atm' und bin“. Sie ist voll
Jesus. Und das ist Trost, Leben, Gnade und Hoffnung.
Du
kannst alles allerorten
Nun
erfülln und nahe sein;
Meines
armen Herzens Pforten
Stell
ich offen, komm herein!
Komm,
du König aller Ehren,
Du musst
auch bei mir einkehren;
Ewig
in mir leb und wohn
Als
in deinem Himmelsthron.
14.
Mai
Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes
empfangen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein zu
Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Apostelgeschichte 1, 8
Hier wurde
der größte und seltsamste Kriegszug beschlossen, den die Weitgeschichte je
gesehen hat.
Jesus, der
Sohn Gottes, hat sein Leben für die Weit dahingegeben.
Jetzt nimmt er den Kampf um die verlorene Welt auf. Nachdem er selbst auf
Golgatha den Einbruch in das Reich der Finsternis gemacht hat, sendet er nun
seine Streiterscharen aus.
Eine seltsame
Armee ist es, die auszieht zum Kampf! Schon die Zahl ist auffallend: elf
Männer! Noch nie hat eine so kleine Streiterschar einen so großen Krieg
begonnen. Aber es sind elf Männer mit Jesus. Elf Männer – das wäre nichts. Aber
elf Männer mit Jesus – das ist eine große Macht.
Und die
Ausrüstung dieser Streiterschar? „Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes
empfangen“! Das ist keine Ausrüstung, die die Weit
fürchtet oder ernst nimmt. Aber es ist eine göttliche Ausrüstung von oben. Und
darum ist sie machtvoll.
Und die
Taktik dieser Streiterschar Jesu? „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Die Gemeinde
Jesu hat keine andere Taktik und darf keine andere haben als die, dass sie überall
und immer, zur Zeit und zur Unzeit, ihren Herrn und
sein Kreuz und Auferstehen verkündigt und bezeugt.
Und der
Kriegsschauplatz? „Bis an die Enden der Erde.“ So weit die Erde ist, so weit
gehen auch die Aufgaben und das Ziel der Gemeinde Jesu Christi.
Bis in
unsere Tage geht dieser Kriegszug. Auch wir sind gerufen zum Streit.
In
deiner Kraft wir liegen ob,
Dass
weit erschall dein' Ehr' und Lob
Und
alle Welt des innewerd',
Dass
du noch lebst und herrschst auf Erd'.
Halleluja.
15.
Mai
Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben.
Hesekiel 36, 26
Überall
wird auf Pfingsten gerüstet. Bei manchen ist noch großer Hausputz. Die Jungen
richten ihr Rad für eine Pfingstfahrt. Das junge Mädchen läuft zur Näherin, ob
das Frühlingskleid fertig ist. Und alle schauen jeden Morgen zum Himmel, ob
denn nun wirklich die Frühlingssonne da sei.
Überall
Zurüstung für Pfingsten! Es ist nichts zu sagen gegen diesen fröhlichen Eifer.
Aber wir Christen sollten wissen, dass es an Pfingsten um mehr geht als um zwei
freie Tage. Es geht um den Heiligen Geist. Und darum besteht alle rechte Pfingstzurüstung
darin, dass wir uns bereit machen für diesen Heiligen Geist.
Wenn man
einen Blick tut über die Christenheit in Deutschland, dann muss man wohl
dankbar sagen: Es ist viel Fragen nach Gott vorhanden, viel Liebe zu Jesus und
viel Opferbereitschaft für die Werke des Reiches Gottes.
Und doch –
wir gleichen so vielfach den Jüngern nach Ostern. Bei denen war auch Liebe zu
Jesus und Bereitschaft zu Opfer und Dienst. Aber es fehlte ihnen die neu
gestaltende Kraft des Heiligen Geistes, die das Herz wirklich neu macht und
feste Heilsgewissheit gibt. Wir sind trotz allem dürres Land. Aber dürres Land,
auf das Gott den Regen seines Geistes gießen will.
Ja, Gott
will. An ihm fehlt es nicht: „Ich will euch ein neues Herz und einen neuen
Geist in euch geben.“ Die Frage ist nur, ob wir wollen. Da fehlt es meist. Wir
fürchten uns vor der ganzen totalen Gottesherrschaft in unserem Leben. Dass wir
doch wollten!
Komm,
o komm, du Geist des Lebens,
Wahrer
Gott von Ewigkeit,
Deine
Kraft sei nicht vergebens,
Sie
erfüll uns jederzeit;
So
wird Geist und Licht und Schein
In
dem dunklen Herzen sein.
16.
Mai
Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.
Apostelgeschichte 2, 21
Das muss
schon ein besonderes Wort sein!
Es steht
nämlich dreimal in der Bibel. Und da die Bibel mit den Worten sehr sparsam ist
(man denke nur, wie knapp die aufregende Ostergeschichte berichtet wird!), so
ist dieses Wort von besonderer Wichtigkeit.
Wir wollen
uns diese Bedeutsamkeit am Gegenteil deutlich machen. Im „Faust“ hat Goethe ein
Glaubensbekenntnis formuliert, das seitdem das Bekenntnis von Tausenden
geworden ist. Ja, es ist vielleicht unser Verhängnis, dass jeder „Gebildete“
dem großen Dichter dies Bekenntnis nachplappert. Da sagt Faust zu Gretchen: „Und
wenn du ganz in dem Gefühle selig bist / Nenn es dann, wie du willst / Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! / Ich habe keinen Namen /
Dafür! Gefühl ist alles; / Name ist Schall und Rauch / Umnebelnd Himmelsglut.“
So sagt Goethe!
Gottes
Wort sagt genau das Gegenteil. Gottes Wort sagt: „Das Gefühl hat keinen Wert.
Gib nichts drum! Aber der Name! Auf den Namen kommt alles an! Wer den Namen des
Herrn anrufen wird, soll selig werden.“
Es kommt
alles darauf an, dass wir den rettenden, starken, Seligmachenden Namen Jesus kennen und anrufen.
Da wird so
deutlich, wie die Bibel uns aus dem Dunst unserer nebelhaften Gefühle in eine
göttliche, Klarheit führt.
Darum
mahnt uns der Apostel Paulos nicht: „Folge nur dem Drang deiner blinden
Gefühle!“, sondern: „Wachset in der Erkenntnis Jesu Christi.“ Je mehr wir darin
zunehmen, je klarer wir seine unendliche Liebe, seine Stellvertretung für
Sünder, sein völliges Heil, die Kraft seines Blutes, die Herrlichkeit seiner
Auferstehung erkennen, desto freudiger und gewisser werden wir diesen Namen
anrufen und darin die wunderbarsten Erfahrungen machen.
Wer
ist wohl wie du,
Jesu,
süße Ruh?
Unter
vielen auserkoren,
Leben
derer, die verloren,
Und
ihr Licht dazu;
Jesu
süße Ruh.
17.
Mai
Von Herzen begehre ich dein des
Jesaja 26, 9
Ein Mann
in Herzensunruhe!
In der
Nacht hat sie ihn überfallen „wie ein Gewappneter“.
Aber – dieser
Mann kann beten. Es ist das Schreckliche in unseren Tagen, dass die Menschen in
ihrer Herzensunruhe die Fähigkeit zum Beten verloren haben. Es ist eigentlich
alles schon gut und uns ist geholfen, wenn wir beten können.
Als man in
der Schweiz den Gotthard-Tunnel baute, fing man gleichzeitig im Süden und
Norden an, die Stollen Vorzutreiben. Als sie sich einander näherten, vernahm
man in dem einen Stollen die dumpfen Sprengungen des anderen.
Auch Gott
arbeitet sich zu uns heran. Vielleicht haben wir in stillen Stunden oder in
besonderen Ereignissen schon sein Klopfen gehört. Und vielleicht ist auch unser
Herz auf dem Weg und sehnt sich nach dem lebendigen Gott. Und doch gibt es noch
kein Gespräch zwischen ihm und uns, weil Felsmauern zwischen uns sind.
Es muss so
ein letzter Durchbruch geschehen wie dort bei dem Gotthard-Tunnel. Da kam
nämlich ein Augenblick, in dem eine Sprengung die letzte Felsmauer öffnete. Und
durch das Loch reichte ein Staubbedeckter Arbeiter seinem Kameraden, der vom
anderen Stollen herantrat, die Hand.
Das ist
eine selige Stunde, wenn die letzte Mauer zwischen unserem Gott und uns fällt
und wir es ihm sagen können: „Von Herzen begehre ich dein.“
Die Bibel
berichtet von einem Zöllner, der in dieser Stunde betete: „Gott, sei mir Sünder
gnädig!“ Ein Wort, hineingesprochen in das Angesicht und Herz Gottes, der sich
in Jesus durch alles hindurch zu uns hingearbeitet hat.
Nun
ergreif ich dich,
Du
mein ganzes Ich;
Ich
will nimmermehr dich lassen,
Sondern
gläubig dich umfassen,
Weil
im Glauben ich
Nun
ergreife dich.
18.
Mai
Herr, du bist vormals gnädig gewesen deinem
Lande. Willst du uns denn nicht wieder erquicken?
Psalm 85, 2 und 7
Ein
bekümmertes Gemüt spricht hier. Vielmehr: Es
sprach vor zweieinhalbtausend Jahren. Aber dieses Wort könnte ebenso heute
gesprochen sein. Die Welt hat sich gewandelt. Doch die Dunkelheit und Not der
Herzen ist geblieben. Ein Strom von Kümmernis rauscht unheimlich durch diese
dunkle Welt.
Aber
diesem Strom kommt ein anderer Strom entgegen: Der Strom des herzlichen
Erbarmens unseres Gottes. Dieser herrliche Strom entspringt im Herzen Gottes.
Und in Jesus strömt er gewaltig in die Welt hinein. „Wohin dieser Strom sich
nur immer ergießt, / Da jubelt und jauchzet das Herz, / Das nunmehr den
köstlichen Segen genießt, / Erlöset von Sorgen und Schmerz.“
Das
bekümmerte Herz, das in unserem Psalmwort spricht, weiß davon. Und so wirft es
sich mit all seinem Jammer an das Herz des Heilandes. Wenn wir in die Bibel hineinschauen,
finden wir überall solche Menschen, die ihre Kümmernis nicht bei sich behalten,
sondern sie hineinwerfen in den Strom der Liebe Jesu.
Die
meisten Menschen stauen ihre Bekümmernis in ihrem Herzen. Das gibt ein rechtes
Elend. Da geht es zu wie bei einer Talsperre, bei der alle Abflüsse gesperrt
sind: Der Druck wird zu stark. Und schließlich fließt es über die Staumauer als
Verbitterung, Stumpfheit oder als verzweifelter Leichtsinn. Und die Ärzte reden
von Neurose oder Komplexen.
Wohl dem,
der Jesu Liebe kennt und alle Kümmernis in sein Heilandsherz werfen kann! Wo
vorher die Kümmernis herrschte, wohnt dann sein Friede.
Wir
liegen hier vor dir im Staube,
O
Vater, mit zerknirschtem Geist;
Uns
hält und stärkt allein der Glaube,
Dass
du noch der Erbarmer seist.
Ach
hast du noch ein Vaterherz,
So
siehe doch auf unsern Schmerz!
19.
Mai
… auf dass ihr erfüllet werdet mit allerlei
Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles, das wir bitten
…
Epheser 3, 19 und 20
Ein
deutsches Sprichwort sagt: „Bescheidenheit ist eine Zier.“ Und das ist bestimmt
wahr. Aber es gibt auch ein gegenteiliges Sprichwort. Das heißt: „Nur die
Lumpen sind bescheiden.“
Es ist ein
tiefer Sinn auch in diesem derben Wort. Es besagt, dass es Fälle gibt, wo
Bescheidenheit fehl am Platze ist. Ja, noch mehr: „Nur
die Lumpen sind bescheiden“ – das will heißen: „Wer ein böses Gewissen hat, der
kann nicht mit Freudigkeit bitten.“
Das gilt
nun namentlich für das geistliche Leben eines Christen. O, da sind wir so
bescheiden, so anspruchslos: Ein ganz klein bisschen Liebe zum Herrn, ein
Fünkchen Glauben, ganz geringe Erkenntnis, eine unbestimmte Hoffnung auf „ein
besseres Jenseits“, das ist alles, was wir haben.
Warum
wollen wir nicht mehr? Warum
erbitten wir nicht mehr? Das böse
Gewissen ist die Ursache. Wenn wir mit der Sünde ganz brechen und die
Versöhnung in Jesus ganz ergreifen, werden wir freudig, mehr zu erbitten.
Seht nur
einmal auf den Apostel Paulus! In Vers 14 fängt er an: „Ich beuge meine Knie
vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi …“ Und dann erbittet er der Gemeinde
in Ephesus die herrlichsten Dinge: Kraft, Einwohnung Christi, Glauben, Liebe,
Erkenntnis – sechs ganze Verse lang. Und er schließt mit der Bitte: „… dass ihr
erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle“! Das ist doch viel! Das ist doch
genug!
Aber
Paulus geht noch weiter. Jetzt fährt er fort: „Gott kann aber überschwänglich
mehr geben, als wir erbitten.“ „Überschwänglich mehr“!
O dass wir
nicht so bescheiden wären in geistlichen Dingen!
Wohl
mir, dass ich dies Zeugnis habe;
Drum
bin ich voller Trost und Freudigkeit
Und
weiß, dass alle gute Gabe,
Die
ich von dir verlanget jederzeit,
Die
gibst du und tust überschwänglich mehr,
Als
ich verstehe, bitte und begehr.
20.
Mai
Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie
von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen.
Apostelgeschichte 2, 3
Vor meinem
Hause ist auf dem Bürgersteig ein unebener Stein. Lange Zeit bin ich jedes Mal
über ihn gestolpert.
Und so
kommt mir dieser Vers vor. Sooft ich diese Geschichte las, stolperte ich über
das Wörtlein „er“. Das ist ja gar kein richtiges Deutsch! Entweder ist von den
Zungen die Rede, dann muss es heißen: „Sie setzten sich.“ Oder es geht um das
Feuer. Dann müsste da stehen: „Es setzte sich.“
Aber nun
heißt es hier: „Er setzte sich auf einen jeglichen.“ Wer ist dieser „er“, der
hier zunächst gar nicht mit Namen genannt ist?
Da ist der
Heilige Geist gemeint. Und durch dieses auffällige, ja geradezu entschlossene „er“
will der Schreiber sagen, dass der Heilige Geist eine Person ist, die dritte
Person der Dreieinigkeit.
Es ist
nichts Verschwommenes in der Offenbarung Gottes. Der Heilige Geist ist auch
nicht irgendein blinder, dumpfer Geist. Er hat nichts gemein mit den
Geistesströmungen, die je und dann die Menschen zu den seltsamsten Taten
fortreißen.
Der
Heilige Geist ist Person. Darum ist es sinnvoll, dass unsere Pfingstlieder ihn
betend ansprechen: „O heilger Geist, kehr bei uns ein
…“ – „Du Quell, draus alle Weisheit fließt …“
Der
Heilige Geist ist Person. Darum weiß er auch, was er will. Er hat ein klares, zielbewusstes
Wollen. Und mit diesem Wollen setzt er sich durch gegen alle Torheit und gegen
jeden Widerstand der Menschen. Der Heilige Geist will Jesus verklären. Darum
deckt er die Herzen auf, dass sie ihren verlorenen Zustand erkennen und zu
Jesus eilen. Wo Jesus verklärt wird, da ist der Heilige Geist am Werk. Möchte
er auch an uns sein gutes Werk vollenden!
Du
unerschöpfter Quell des Lebens,
Allmächtig
starker Gotteshauch,
Dein
Feuermeer ström nicht vergebens,
Ach
zünd in unsern Herzen auch.
21.
Mai
Sie entsetzten sieh aber alle.
Apostelgeschichte 2, 7
Ob wir
nicht doch die Pfingstgeschichte missverstehen?
„Pfingsten!“
– Da klingt uns im Ohr Goethes Gesang: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald …“
Ja, sind
nicht auch in unserm Gesangbuch fast alle Lieder auf diesen Klang gestimmt:
Pfingsten – das liebliche Fest? „Schmückt
das Fest mit Maien, / Lasset Blumen streuen, / Zündet Opfer an …“
Seltsam –
in der Pfingstgeschichte herrscht ein ganz anderer Ton: „Da kam die Menge
zusammen und wurde bestürzt …“ Und ein paar Sätze weiter: „Sie entsetzten sich
aber alle und verwunderten sich …“ Und noch einmal: „Sie entsetzten sich alle
und wurden irre und sprachen einer zum andern: Was will das werden?“
Die Menge,
die da am ersten Pfingsttag zusammenkam, hatte offenbar gar nicht den Eindruck
von einem „lieblichen Fest“. Nein, nicht einmal von einem Fest! Sie machten
viel eher den Eindruck von Leuten, die einer Katastrophe beiwohnen; von Leuten,
die unversehens in einen sehr großen Schrecken geraten sind.
Jawohl!
Eine Katastrophe erlebten diese Leute: Sie wurden vom Heiligen Geist vor den
lebendigen Gott gestellt.
Es waren
ja wohl fromme Leute. Sie waren zu einem der Tempelfeste nach Jerusalem
gekommen. Die Bibel sagt sogar ausdrücklich, es seien „gottesfürchtige Leute“
gewesen.
Aber es
ist doch etwas anderes, wenn man plötzlich vor den Lebendigen gestellt wird. Da
entsetzt sich der Mensch. Da wird das Gewissen erschreckt.
Aber
gerade das will der Heilige Geist. Denn nur ein erschrockenes Gewissen kann
recht Jesu Stimme hören.
Geist
der Weisheit, gib uns allen
Durch
dein Licht
Unterricht,
Wie
wir Gott gefallen.
Lehr
uns, recht vor Gott zu treten,
Sei
uns nah
Und
sprich Ja,
Wenn
wir gläubig beten.
22.
Mai
Sie entsetzten sich aber alle … und sprachen
einer zu dem andern: Was will das werden? Die andern aber hatten ihren Spott.
Apostelgeschichte 2, 12 und 13
Als ich
nachdenklich die Pfingstgeschichte las, fiel mir etwas auf. Da heißt es: „Sie
entsetzten sich alle.“ „Alle“ – da
gibt es keine „anderen“. Aber gleich darauf heißt es: „Die andern hatten ihren
Spott.“ Müsste es nicht heißen: „Die einen
entsetzten sich – die andern
spotteten“?
„Alle“ und
„die andern“ – das gibt es doch logischerweise gar nicht. Und man könnte im
ersten Augenblick denken: „Hier liegt eine Flüchtigkeit des Verfassers vor.“
Aber der
Heilige Geist hat wohl gewusst, warum er das so schreiben ließ. Es liegt ein
tiefer, ja erschreckender Sinn darin:
„Alle“,
die für Gott in Betracht kommen, wurden vom Wirken des Heiligen Geistes
beeindruckt. Die andern liegen für Gott unter dem Blickfeld, sie sind
eigentlich gar nicht erwähnenswert. Sie zählen für Gott gar nicht mit.
Wie
erschreckend für die Spötter! Sie hielten sich für so klug und überlegen. Wie
wären sie erschrocken, wenn sie gewusst hätten, dass sie für Gott nur „die
andern“ neben „allen“ sind! Das ist die Stellung der Bibel auch sonst. Im Psalm
1 heißt es: „Sie sind wie die Spreu, die der Wind verstreut.“
Diese
ganze Sache ist darum verwunderlich, weil die „alle“ in der Bibel auch die „kleine
Herde“ genannt sind. Aber Zahlen spielen vor Gott keine Rolle. Ihm gilt nur die
kleine Herde. Hier sind sie ihm „alle“, mögen die Spötter nach Millionen
zählen.
Das ist
erschreckend: Dass wir doch ja nicht so an den Rand von Gottes Blickfeld
geraten! – Das ist tröstlich: Wie ruht doch Gottes Blick mit Liebe auf denen,
die von seinem Geist bewegt werden!
O
heiliger Geist, o heiliger Gott,
Erleucht
uns durch dein göttlich Wort;
Lehr
uns den Vater kennen schon,
Dazu
auch seinen lieben Sohn.
O
heiliger Geist, o heiliger Gott!
23.
Mai
… den habt ihr angeheftet und erwürgt.
Apostelgeschichte 2, 23
Wie viel seltsames
enthält die Pfingstgeschichte! Da wird berichtet, dass lauter Fremde,
Festpilger aus aller Herren Länder, sich um die Apostel scharten. Leute aus
Jerusalem waren zunächst wohl nur wenige dabei.
Diesen
Fremden predigt Petrus von Jesus. Und da sagt er zweimal: „… den habt ihr erwürgt und angeheftet und
gekreuzigt.“
Man möchte
den Petrus unterbrechen: „Petrus, was redest du für Unsinn! Die allermeisten
von diesen Leuten waren ja am Karfreitag gar nicht dabei!“
Ich habe
einmal an einer Versammlung teilgenommen, die sehr schlecht besucht war. Und da
hat der Redner schrecklich gescholten, dass nur so wenige gekommen seien. Er
hat die Anwesenden gescholten dafür, dass die andern nicht anwesend waren. Ein
ungeschickter Redner!
So will
uns auch der Petrus hier vorkommen, als er den Fremden sagt: „Ihr habt Jesus
erwürgt.“ Und man erwartet einen heftigen Protest der Hörer.
Aber was
geschieht? „Da ging's ihnen durchs Herz.“ Das ist die Wirkung des Heiligen
Geistes, dass man weiß: „Ich habe den Heiland ans Kreuz gebracht mit meinen
Sünden.“
Der
Dichter Paul Gerhardt lebte im 17. Jahrhundert. Er war also am Karfreitag nicht
bei denen, die schrieen: „Kreuzige ihn!“ Und doch sang er: „Ich, ich und meine
Sünden, / Die sich wie Körnlein finden / Des Sandes
an dem Meer, / Die haben dir erreget / Das Elend, das dich schläget,
/ Und das betrübte Marterheer.“
Seht, dies
zeigt der Heilige Geist: Das Kreuz Christi ist meine Schuld. Aber auch meine
Errettung.
Doch
lass mich ja nicht allein
Deine
Marter sehen,
Lass
mich auch die Ursach fein
Und
die Frucht verstehen.
Ach,
die Ursach war auch ich,
Ich
und meine Sünde.
Diese
hat gemartert dich,
Dass
ich Gnade finde.
24.
Mai
Gott ist’s aber, der uns befestigt samt euch
In Christum und uns gesalbt und versiegelt und In unsere Herzen das Pfand, den
Geist, gegeben hat
2. Korinther 1, 21 und 22
Was für
eine Sprache wird in diesem Bibelwort gesprochen!
Ein
moderner Normalmensch, der in der Atmosphäre von Radio und Fernsehen lebt, kann
sie gar nicht verstehen. Das, was hier von dem Apostel Paulus gesagt wird, ist
den meisten so unverständlich wie – Chinesisch.
Ein alter
Christ legte einem jungen Manne nahe, er möge doch die Bibel lesen. Da erklärte
der empört: „Das habe ich einmal versucht. Aber ich habe es schnell aufgegeben.
Denn schon die Sprache und erst recht die Fragestellung der Bibel sind uns
Heutigen ja so fremd, dass man uns wirklich solch ein Buch nicht mehr zumuten
kann.“
Darauf
erwiderte der Alte: „Sehen Sie! Wenn ich in der Zeitung einen Fußball- oder
einen anderen Sportbericht finde, dann bin ich ganz außerstande, die Sache zu
verstehen. Das wimmelt von Fachausdrücken, die mir fremd sind. Die Sportberichter aber geben sich gar keine Mühe, ihre Sache
für mich verständlicher zu machen. Sie denken: Wenn dieser Alte sich für unsern
Sport interessiert, dann möge er gefälligst unsere Sprache lernen! – Nun gut!
Sollte Gott für sein Wort das nicht noch mehr beanspruchen? Wer ein Kind Gottes
werden will, der muss sich schon in die Bibel hineinlesen und ihre uns armen
Gegenwartsmenschen so fremde Sprache lernen.“
Dass uns
die Sprache der Bibel oft so fremd vorkommt, ist nur ein erschreckender Beweis
dafür, wie ferne unser ganzes Denken dem Denken Gottes
ist
Dass wir
doch unser „zeitgemäßes“ Denken richten ließen von den göttlichen Gedanken der
Bibel! Wir haben einen guten Sprachmeister, der uns die biblische Sprache verstehen
lehrt. Das ist der Heilige Geist. Um den dürfen wir bitten.
Unser
Wissen und Verstand
Ist
mit Finsternis umhüllet,
Wo
nicht deines Geistes Hand
Uns
mit hellem Licht erfüllet;
Gutes
denken, tun und dichten
Musst
du selbst in uns verrichten.
25.
Mai
Gott ist’s aber, der uns gesalbt hat.
2. Korinther 1, 21
Richtige
Christen sind anders als andere Leute. Sie haben etwas, was die Welt sonst
nicht hat und nicht kennt. Nämlich eine „Salbung“ durch den Heiligen Geist.
Die Bibel
erzählt eine Geschichte von dem Hirtenjungen David, der als der Jüngste unter
seinen großen Brüdern eine bescheidene Rolle spielte.
Dieser
David wurde eines Tages vom Felde weg in das Haus seines Vaters gerufen. Dort
stand der Prophet Samuel. Der salbte ihn in aller Stille zum König.
David ging
nun weiter aufs Feld. Und zunächst änderte sich nichts in seinem Leben. Aber – er
war ausgezeichnet. Er war gesalbt.
So steht
es mit den wahren Christen. Sie haben in der Stille über dem Lesen der Bibel
und beim Gebet eine Salbung bekommen. Sie sind auserlesene Leute!
Das klingt
sehr stolz. Darum muss es noch ein wenig deutlich gemacht werden.
„Auserlesen“!
Wenn wir dies Wort von einem Menschen sagen, dann denken wir an seine
vorzüglichen Eigenschaften und besonderen Qualitäten. Ein genialer Dichter, ein
kluger Politiker, ein großer Redner – das sind in unseren Augen „auserlesene
Leute“.
Die Bibel
versteht darunter etwas ganz und gar anderes. Wenn sie von „auserlesenen“
Leuten spricht, dann denkt sie nicht an menschliche Eigenschaften und
Qualitäten, sondern vielmehr an die Taten Gottes. Auserlesene Leute nach der
Bibel sind Menschen, die Gott erwählt hat, die er im Blute Jesu gereinigt und
die er mit dem Heiligen Geist erfüllt hat.
Ja, so
sind Christen gesalbte, erlesene Leute. in sich selbst sind sie nichts als
Sünder, Elende, Arme. Aber die Gnade hat sie zu Söhnen des lebendigen Gottes
gesalbt.
Schaff
in mir, Herr, den neuen Geist,
Der
dir mit Lust Gehorsam feist’t
Und
nichts sonst, als was du willst, will;
Ach
Herr, mit ihm mein Herz erfüll.
26.
Mai
Gott ist's aber, der uns befestigt samt euch
in Christum und uns gesalbt und versiegelt und in unsere Herzen das Pfand, den
Geist, gegeben hat.
2. Korinther 1, 21 und 22
Wenn wir
einen Fragebogen ausfüllen, dann schreiben wir in die Rubrik „Konfessionsstand“
z. B. das Wörtlein „evangelisch“.
Schreiben
wir das mit Recht, oder ist das eine böse Fälschung? Wir sind schnell bei der
Hand zu sagen: „Es stimmt.“ Doch meist nehmen wir die Maßstäbe aus unserm
eigenen Herzen. Das aber ist verkehrt. Nur ganz allein Gottes Wort kann uns
sagen, was rechter Christenstand ist. Und da ist obiges Wort so wichtig, weil
es uns klar darüber Auskunft gibt, worin ein rechter Christenstand besteht.
Als ich
einst einem Manne das Evangelium bezeugen wollte, wehrte er ab: „Ich bin doch
ein Christ! Ich glaube doch auch an den Herrgott!“
Tausende
denken so. Aber dies ist kein Christenstand. Der Apostel Jakobus schrieb einmal
für solche Leute den Satz: „Du glaubst, dass ein einiger Gott sei? Du tust wohl
daran; die Teufel glauben's auch und – zittern.“ Da
ist ja wahrhaftig der „Glaube“ der Dämonen noch ernsthafter als der jenes
Mannes. Denn die zittern wenigstens vor Gott, was ich bei jenem Manne und
seinesgleichen nie bemerkt habe.
Es ist
schon so: Wir müssen uns von dem Worte Gottes belehren lassen, was ein
richtiger, Seligmachender und wahrer Christenglaube sei.
Unser
Bibelwort sagt Großes aus: „Befestigt in Christus.“ „Gesalbt mit dem Heiligen
Geist der Gnade und Wahrheit.“ „Versiegelt zum ewigen und unbestreitbaren
Eigentum des lebendigen Gottes.“ „Beschenkt mit dem Geist eines innigen
Herzensfriedens als Vorschmack zukünftiger
Herrlichkeit!“
Das sind
große Dinge. Sie machen einen wahren, seligen Christenstand aus.
Erwecke,
läutre und vereine
Des
ganzen Christenvolkes Schar
Und
mach in deinem Gnadenscheine
Dein
Heil noch jedem offenbar.
27.
Mai
Gott ist's aber, der uns befestigt samt euch in Christus.
2. Korinther 1, 21
Unsere
Zeit hat ein seltsames Wörtlein geschaffen, das Wort „stur“. Das ist ja nun
eigentlich ein Schimpfwort.
Aber es
kommt mir vor, als wenn in unserem Textwort der Apostel Paulus eine Art
Sturheit geradezu rühmt und preist.
Es gibt
wohl zweierlei Sturheit: Die eine aus Dummheit oder Fanatismus (das ist sehr
oft dasselbe). Die andere aber kommt daher, dass man einen Weg und ein Ziel
gefunden hat und sich davon auf keinen Fall abbringen lassen will. Und um diese
zweite Art geht es hier. Wenn ein Wanderer auf einem schmalen Pfad durch ein
Moor geht, wäre er sehr töricht, wenn er nicht unbeirrt seinen Weg weiterginge.
Davon ist
hier die Rede. „Gott hat uns befestigt in Christus.“ Im griechischen Text heißt
es wörtlich: „Gott ist es, der uns die feste Richtung auf Christus gibt.“
Hier
handelt es sich einfach darum, wo in unserem Leben der Herr Jesus steht.
Bei den
meisten Menschen steht der Herr Jesus hinter dem Rücken, so dass man ihn gar
nicht sehen kann. Dann gibt es solche, die ein bisschen christlich geworden
sind. Sie haben eine halbe Wendung gemacht. Nun steht Jesus irgendwo an der
Seite, so dass man gelegentlich einen Blick auf ihn werfen kann.
Bei
richtigen Christen aber steht Jesus vorn. „Gott gibt uns die feste Richtung auf
Christus.“ Da ist es so, dass man ihn immer vor Augen hat. Bei jedem Schritt
steht man vor ihm und kann ihm nicht ausweichen. Wenn man aufsieht, sieht man
ihn. Wenn man geht, ist er da. Wenn man stürzt, fällt man in seine Arme.
In einem
Liede heißt es: „Der Fürst meines Friedens ist nahe, / Sein Antlitz ruht
strahlend auf mir.“
Liebe,
die mich hat gebunden
An
ihr Joch mit Leib und Sinn,
Liebe,
die mich überwunden
Und
mein Herz hat ganz dahin:
liebe,
dir ergeb ich mich,
Dein
zu bleiben ewiglich.
28.
Mai
Gott ist's aber, der uns versiegelt hat.
2. Korinther 1, 22
Ja, gewiss!
Es ist für unser stolzes Herz nicht sehr schmeichelhaft, dass der Apostel
Paulus hier einen Ausdruck gebraucht, den man auf den Sklavenmärkten des
Altertums hören konnte.
Die
reichen Römer hatten damals riesige Ländereien und Güter, auf denen sie
Hunderte von Sklaven beschäftigten. Diesen Sklaven nun wurde ein Zeichen
eingebrannt auf Schulter oder Stirn, das sie als Eigentum ihres Herrn auswies.
So „brennen“ heute reiche Bauern ihr Vieh.
An dieses
Siegel denkt Paulus, wenn er uns beschreiben will, wie ein richtiger
Christenstand beschaffen ist.
Christen
tragen dies Brandzeichen allerdings nicht äußerlich auf der Haut, sondern
inwendig in Herz und Gewissen. Und dies Versiegeln der Kinder Gottes ist eines
der lieblichsten Geschäfte des Heiligen Geistes.
Das Bild
ist großartig und eindrucksvoll. Wie die Sklaven gekauft wurden, ohne dass sie
einen Pfennig dazutaten, so wissen sich Kinder Gottes von Gott erkauft durch
den köstlichsten Kaufpreis. „Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber
oder Gold erkauft seid …, sondern mit dem teuren Blut Christi“, sagt der
Apostel Petrus.
Und der
Herr versiegelt seine Knechte. Brennend schreibt es der Heilige Geist in ihr
Herz: „Du bist angenommen als ewiges Eigentum Gottes.“
Wenn solch
ein Sklave sein Brandsiegel ansah, hatte er keinen Zweifel darüber, wem er
gehörte. So will der Apostel hier sagen: „Die Krönung eines Christenstandes ist
es, dass man ganz gewiss wissen darf: Ich gehöre dem Herrn!“
Allerdings
– das muss noch gesagt werden: In einem stimmt das Bild nicht: Sklaverei war
ein trauriger Stand. Sklave Gottes zu sein aber ist herrlich!
Seiner
Hand entreißt mich nichts;
Sollt
ich ihn mit Kleinmut schmähen?
Mein
Erbarmer selbst verspricht’s;
Sollt
ich ihm sein Wort verdrehen?
Nein,
er lässt mich ewig nicht;
Das
ist meine Zuversicht.
29.
Mai
Gott ist's aber, der uns versiegelt und in
unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.
2. Korinther 1, 21 und 22
Paulus war
ein Mann mit einem hohen Geist. Und es ist rührend, wie dieser gelehrte Mann
hier ein Bild um das andere sucht, um sich den einfachen Leuten in Korinth verständlich
zu machen. Es hieß eben bei ihm immer: „Die Liebe Christi dringet uns also.“
Wo Luther
hier „Pfand“ übersetzt, da steht im griechischen Text ein Wort, das eigentlich „Anzahlung“
bedeutet.
Das Wort „Anzahlung“
ist uns heute ja wieder sehr geläufig: Da will sich ein armer Mann eine
Kücheneinrichtung kaufen, weil er heiraten will. Er kann aber die Summe nicht
auf einmal erlegen. So geht er in ein „Anzahlungsgeschäft“, wie sie massenweise
in unsern Großstädten zu finden sind. Da kauft er nun seine Küche und macht
eine Anzahlung. Den Rest der großen Kaufsumme erlegt er erst später, wenn er
dazu in der Lage ist.
Eigentlich
ist das ein unerhörtes Bild. Denn der Mann, der die Anzahlung macht, ist ja
Gott. Er hat seinen Kindern ein völliges Heil zugedacht: völlige Freude,
völligen Frieden, völlige Ruhe, völlige Freiheit von der Sünde, völlige
Freiheit vom Tode und von Leid und Schmerz.
Das alles
will er uns bezahlen. Er, der uns doch ganz und gar nichts schuldig ist. Ja,
wir können dies unerhörte Bild gar nicht anders verstehen, als dass der große
Gott sich durch seine unendliche Liebe zu unserm Schuldner macht. Seine Liebe
macht ihn zum Schuldner der Sünder! Das ist groß]
Und nun
kann er uns noch nicht alles geben. Nicht weil er arm wäre. Sondern weil er's
uns als Erbe in einer ganz neuen Welt zugedacht hat. Inzwischen aber gibt er
den Seinen die Anzahlung durch den Heiligen Geist. So ist das Herz der Christen
schon voll Freude auf das, was noch kommen soll.
Wie
bist du mir so zart gewogen,
Und
wie verlangt dein Herz nach mir!
Durch
Liebe sanft und tief gezogen,
Neigt
sich mein Alles auch zu dir.
Du
traute Liebe, gutes Wesen,
Du
hast mich und ich dich erlesen.
30.
Mai
Gott ist's aber, der uns versiegelt und in
unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hat.
2. Korinther 1, 21 und 22
Wie
glücklich waren wir Kinder vor Weihnachten! Da war ein verschlossenes Zimmer.
Und wir wussten: Darin sind die schönsten Geschenke für uns. Wir hatten sie
noch nicht. Und doch – sie gehörten uns schon.
So ist es
mit denen, die dem Herrn Jesus angehören: Sie gehen herrlichen Dingen entgegen.
Die haben sie noch nicht. Aber die gehören ihnen schon. Durch den Heiligen
Geist haben sie schon eine Anzahlung der künftigen Herrlichkeit.
Wir wollen
uns das an ein paar Stücken klarmachen: Gottes Wort sagt, dass in der
zukünftigen Weit Gott unter seinem Volke wohnen wird. Nun, das steht noch aus.
Aber der Heilige Geist gibt den Gläubigen hier schon einen durchdringenden
Eindruck von der Gegenwart ihres Herrn.
Kierkegaard
ließ auf seinen Grabstein einen Vers schreiben, indem es heißt: „… da werd ich
ewiglich mit Jesus sprechen.“ Mit Jesus sprechen von Angesicht zu Angesicht!
Das wird herrlich sein. Aber solange das noch aussteht, besteht das Angeld darin, dass der Heilige Geist uns beten lehrt. So
dürfen wir jetzt schon im Glauben unser Herz vor ihm ausschütten.
Die Bibel
sagt: „Der Herr wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ Darauf freuen wir
uns. Aber hier schon haben wir ein Angeld: dass der
Geist uns mit Trost erfüllt mitten im Leid.
Alle
Sünde, „die uns anklebt und träge macht“, wird in der neuen Welt von uns
genommen sein. Das wird schön! Aber inzwischen haben wir das Angeld, dass der Heilige Geist uns je und dann Sieg schenkt
über uns selbst.
Völlige
Freude wird uns einst umgeben. Aber auch das Angeld
ist schön, dass wir uns hier schon freuen dürfen im Herrn.
Kurz – Christen
sind reiche Leute! Und das Eigentliche kommt noch. Wie sollten wir nicht
fröhlich sein!
Ich
bin zufrieden,
Dass
ich die Stadt gesehn,
Und
ohn Ermüden
Will
ich ihr näher gehn
Und
ihre hellen, goldnen Gassen
Lebenslang
nicht aus den Augen lassen.
31.
Mai
Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
Römer 8, 14
Wenn ein
reicher Mann ein armes Findelkind adoptiert, dann nimmt er sich auch um dies
Kind an. Er nimmt ihm seine Lumpen und kleidet es lieblich und schön. Er
schickt es in die Schule und lässt ihm eine sorgfältige Erziehung angedeihen.
Nicht
anders macht es unser Gott.
In Jesus,
unserem Heiland, macht er uns zu seinen Kindern. Aus verlorenen „Kindern des
Zorns“ werden wir durch Jesu Verdienst zu versöhnten Gotteskindern – durch den
Glauben.
Aber nun
soll nur ja keiner meinen, das ginge ohne eine ganze Umstellung unseres Lebens.
Nun bilde sich nur ja keiner ein, der starke Herr lasse seine Kinder einfach in
ihrem alten, elenden und gottlosen Wesen weitermachen! O nein!
Wer ein
Kind Gottes geworden ist, der kommt nun recht in die Erziehung und Schule des
guten Heiligen Geistes.
Dieser
Heilige Geist Gottes ist ein recht ernster und beunruhigender Lehrmeister. Die
Bibel sagt: Er „treibt“ uns. Er nimmt es genau. Er lässt uns über keiner Sünde
und Unart ruhig werden. Er mahnt, und er straft. Er zerbricht und demütigt. Und
zugleich führt er uns immer tiefer in die Erkenntnis des Heiles
Gottes, immer tiefer in das Verständnis des Wortes Gottes, immer tiefer in das
Meer des Friedens und der Liebe Jesu.
Wie ein
Bildhauer ein Modell vor Augen hat, nach dem er arbeitet, so hat der Heilige
Geist in all seinem Wirken, Tun und „Treiben“ ein Bild, nach dem er uns
gestalten will: das Bild Jesu. Gebe Gott, dass wir uns völlig in die Zucht des
Heiligen Geistes geben!
Zieh
ein, lass mich empfinden
Und
schmecken deine Kraft,
Die
Kraft, die uns von Sünden
Hilf'
und Errettung schafft.
Entsünd’ge
meinen Sinn,
Dass
ich mit reinem Geiste
Dir
Ehr und Dienste leiste,
Die
ich dir schuldig bin.
1.
Juni
Jesus antwortete und sprach zu Nikodemus: „Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so
kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
Johannes 3, 3
Ist dieser
Satz Jesu nicht unerträglich?
Wenn
irgendein Verbrecher oder gemeiner Kerl vor ihm gesessen hätte, dann würde uns
sein Wort von der Wiedergeburt wohl einleuchten.
Aber da
saß ja ein edler Mann vor ihm. Dieser Nikodemus war ein Idealist, ein Mann, der
„stets strebend sich bemühte“, das Gute, Edle und Wahre zu tun.
Ja, ist
denn das nichts? Sollte so ein Mann denn nicht vor Gott bestehen können? Ist es
nicht einfach unfassbar, dass Jesus gerade diesem Mann das Wort von der
Notwendigkeit der Wiedergeburt sagt?
Ein
Beispiel soll es uns klarmachen: Da kommt ein Reisender aus Holland nach
Deutschland zurück. Er hat in seinem Geldbeutel noch einen holländischen
Gulden. Das ist ein gutes Geld, und er kann in Rotterdam allerlei dafür kaufen.
Aber als
er nun in einer deutschen Stadt den Gulden ausgeben will, wird er abgewiesen: „Gewiss,
der Gulden ist gut. Aber er gilt hier nicht. Hier gilt nur Geld, welches das
deutsche Hoheitszeichen trägt.“
So ist es
mit dem Reiche Gottes. „Nikodemus“, sagt Jesus, „du bist gewiss ein edler Mann.
Aber im Reiche Gottes gilt nur das Herz, in das der Heilige Geist mein Bild geprägt
hat. Darum musst du wiedergeboren werden.“
Dies Wort
spricht das Urteil über all unseren menschlichen Hochmut und treibt uns in die
Arme Jesu.
Schaff
in mir, Herr, den neuen Geist,
Der
dir mit Lust Gehorsam Ieist't
Und
nichts sonst, als was du willst, will;
Ach
Herr, mit ihm mein Herz erfüll.
2.
Juni
Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Kolosser 1, 18
Stellen
wir uns einmal vor, unsere Glieder fingen eines Tages an zu streiken. Sie
beschlössen, sie wollten sich der Befehlsgewalt und Herrschaft des Gehirns
entziehen und selbständig werden.
Du liebe
Zeit! Das gäbe ein Gehampel und Gestrampel; das gäbe ein Durcheinander und
Elend! Ganz gewiss würden wir ein Gelächter und Gespött für die ganze Welt!
Nun, so lächerlich
diese Vorstellung ist – sie hat eine ernste Seite. „Jesus ist das Haupt des
Leibes, nämlich der Gemeinde"! Das bedeutet: Wenn die Gemeinde Jesu nicht
vor Menschen und Engeln mit Recht zum Gespött werden soll, dann muss das Haupt
die ganze und volle Befehlsgewalt haben. Dann muss auch das kleinste Glied der
Gemeinde Jesu ganz gehorsam sein.
Sind wir
Glieder am Leibe Jesu? Das ist die erste und entscheidende Frage!
Sind wir
Glieder am Leibe Jesu? Dann geht es nicht an, dass wir irgendein Gebiet unseres
Lebens dem Gehorsam unter Jesus entziehen – etwa unsere Ehe, oder unser
Berufsleben, oder unsere Geldverhältnisse, oder unsere freie Zeit. Sonst werden
wir kranke, ja sterbende Glieder am Leibe Christi.
Dieser
Gehorsam in großen und alltäglichen Dingen ist schwer. Unser natürliches Wesen
will sich immer regen und selbständig sein. Es will Rebellion machen gegen das
Haupt.
Wie gut, dass
der Herr uns seinen guten Heiligen Geist gegeben hat. Möchte er durch den recht
Sieg haben in unserem Leben, dass wir willig ihm, dem Haupt, dienen!
Gib
Freudigkeit und Stärke,
Zu
stehen in dem Streit,
Den
Satans Reich und Werke
Uns
täglich anerbeut;
Hilf
kämpfen ritterlich,
Damit
wir überwinden
Und
ja zum Dienst der Sünden
Kein
Christ ergebe sich.
3. Juni
Er ist
das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Kolosser 1, 18
Wundersam ist die Verbindung in unserem Leib zwischen Gliedern und
Haupt!
Wenn dem kleinen Finger nur der kleinste Schmerz zugefügt
wird, dann wird das sofort durch die Nerven dem Gehirn mitgeteilt. Es gibt
keinen Schmerz, keine Wunde, an der das Haupt nicht teilhätte.
Das gilt auch für die Gemeinde Jesu, die des Herrn Leib ist.
Er, Jesus, ist das Haupt. Er thront nicht in den Wolken, unberührt und unbekümmert um die
Nöte und Kämpfe der
Seinigen, „in olympischer Ruhe".
O nein! Er ist in engster und nahester Verbindung mit
einem jeden Glied seiner Gemeinde. Trifft irgendein Glied eine Not, ein Leid,
ein Schmerz: Jesus nimmt daran teil. Unser Leid ist sein Leid, unser Schmerz
ist sein Schmerz, unsere Not ist seine Not.
„Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen." Dies Wort vom
Leiden Jesu dürfen wir auch in diesem Sinne verstehen.
Das ganze Neue Testament zeugt davon. Jesus hörte das
Rufen der bedrängten Gemeinde. Und als sie betete, bewegte sich die Stätte. Jesus
tröstete den sterbenden Stephanus überschwänglich und ließ den Petrus aus des
Todes Rachen befreien.
Jedes Glied des Leibes Christi ist dem Haupt gleich nahe.
Und sei es das kleinste und geringste – es ist nie allein mit irgendeinem
Schmerz. Jesus, das Haupt, weiß darum. Welch reicher Trost!
Er ist voll Güt und Freundlichkeit,
Voll Lieb und Treu zu
jeder Zeit.
Sein' Gnade währet dort
und hier
Und seine Wahrheit für
und für.
4.
Juni
Wir können's ja
nicht lassen, das wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben.
Apostelgeschichte 4, 20
Eine
erstaunliche Wendung in einem seltsamen Prozess! Der Hohe Rat: kluge Köpfe,
aber bekümmert und sorgenvoll!
Da hat man
diesen Jesus endlich zu Tode gebracht. Es war nicht leicht gewesen. Aber dann
hatten sie gesiegt. Jesus war tot! Bewacht im Grabe noch! Nun wird's wohl Ruhe
geben!
Aber es
gab keine Ruhe. Im Gegenteil! Immer neue Unruhe. Da kamen zuerst die
Kriegsknechte mit der ungeheuerlichen Nachricht: „Dieser Jesus hat das Grab
gesprengt!“
Kaum zwei
Monate später bekennen 3000 Menschen in Jerusalem sich zum Gekreuzigten.
Und nun
stehen hier zwei kleine Handwerker vor Gericht. Sie sind auf frischer Tat ertappt
worden, wie sie im offiziellen Tempel diesen Jesus verkündigten.
Da muss
ernsthaft durchgegriffen werden. „Man wird doch wohl mit diesen kleinen Leuten
fertig werden!“ Also werden sie ernstlich bedroht, jetzt doch abzulassen von
diesem Jesus: Sie kämen damit doch nicht durch. Und man sei zum Äußersten
entschlossen.
So, das
wird genügen! Da richtet sich Petrus auf und sagt einfach: „Wir können's ja nicht fassen …“ – Armer, blinder Hoher Rat! Wer
will das Lebenswort von Jesus aufhalten?! Dies Wort – es „läuft den Weg gleich
als ein Held“. Gewalt, List, Drohung, Überredung – die ganze Weit und die Hölle
vermögen nicht, das Evangelium aufzuhaften. Und solange die Welt sein wird,
wird es Sünder froh und selig machen und die Gemeinde Jesu sammeln.
Wort
des Lebens, stark und rein,
Alle
Völker harren dein;
Walte
fort, bis aus der Nacht
Alle
Welt zum Tag erwacht.
5.
Juni
Da sie das hörten, hoben sie ihre Stimme auf einmütig zu Gott.
Apostelgeschichte 4, 24
Nun war es
entschieden!
Der Hohe
Rat hatte der Gemeinde den Krieg erklärt. Vor der versammelten Gemeinde standen
Petrus und Johannes und berichteten.
Jetzt
begann die Not.
Was ist
nun zuerst zu tun? Soll man diese ganze Sache mit Jesus nicht lieber lassen?
Oder soll man nicht wenigstens schnell eine Sitzung anberaumen? Oder man könnte
eine Protestschrift aufsetzen; oder – vielleicht hat ein einflussreiches Glied
der Gemeinde „gute Beziehungen“, die man jetzt bemühen müsste; oder …
Die
Gemeinde tut nichts dergleichen. Sie weiß viel Besseres: Sie breitet ihre Not
aus vor dem Herrn. „Sie hoben ihre Stimme auf einmütig zu Gott.
So hat es
Mose gemacht, der große Beter. – So tat es auch Hiskia, als er den Brief seiner
grimmigen Feinde im Heiligtum vor dem Herrn ausbreitete (2. Könige 19, 14). – So
handelten alle großen Gottesmenschen, von denen uns die Bibel berichtet. – Und
so taten alle, die in ihren Spuren gingen.
In Psalm
69 sagt David: „Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und in den Zechen singet
man von mir. Ich aber bete.“
„Ich aber
bete.“
Da wird
das Herz getröstet, da wird der Mut neu gestärkt, da beruhigen sich die
zitternden Nerven, da lernt das Herz den rechten Weg, wenn man seine Not vor
dem Herrn ausbreitet, vor dem Herrn, „der Himmel und Erde gemacht hat“.
Kann
ein einiges Gebet
Einer
gläubgen Seelen,
Wenn's
zum Herzen Gottes geht,
Seines
Zwecks nicht fehlen:
Was
wird's tun,
Wenn
sie nun
Alle
vor ihn treten
Und
zusammen beten!
6.
Juni
Und nun, Herr, siehe an ihr Drohen und gib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu reden dein
Wort.
Apostelgeschichte 4, 29
In
höchster Bedrängnis betet die erste Gemeinde. Wie betet sie?
Zuerst
besinnt sie sich darauf: Wir sind ja des Herrn Eigentum. „Deine Knechte“ nennen
sie sich vor des Herrn Angesicht. Sie erinnern den Herrn und sich selbst daran,
dass sie sein mit Blut erkauftes Eigentum sind.
Sollte der
Herr nicht über seinem Eigentum wachen? Jawohl, er wird sein Wort wahr machen: „Ich
will mich meiner Herde selbst annehmen.“
Wenn man
so aus aller Furcht erst heraus ist und wieder einmal den Felsenboden des Heils
unter den Füßen hat, dann kann man auch so weiterbeten wie diese bedrohte,
bedrängte Gemeinde.
Wie betet
sie weiter? In der Tat, dies Gebet ist seltsam. „Herr, sieh an ihr Drohen und …“
Nun werden wir erwarten, dass es so weitergeht: „… und gib uns wieder Frieden!“
Oder: „… rette uns vor unseren Feinden!“ Oder: „… verstopfe den Wölfen den
Rachen!“
So beten
sie nicht. Sie bitten nicht, dass ihnen Kampf und Leiden erspart bleiben. Sie
bitten vielmehr, dass sie sich im Leiden als rechte Jünger Jesu und Zeugen des
Herrn erweisen möchten: „… und gib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu
reden dein Wort!“
So wollen
wir beten lernen! Nicht um satte Ruhe wollen wir bitten, sondern darum, dass
wir rechte, tapfere, geheiligte Bekenner und Zeugen werden.
Wach
auf, du Geist der ersten Zeugen,
Die
auf der Mau'r als treue Wächter steten,
Die
Tag und Nächte nimmer schweigen
Und
die getrost dem Feind entgegengehn,
Ja,
deren Schall die ganze Welt durchdringt
Und
aller Völker Scharen zu dir bringt.
7.
Juni
Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Apostelgeschichte 9, 4
Tod und
Verderben über der Gemeinde Jesu! „Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider
die Jünger des Herrn“, erzählt die Bibel.
Es ist,
als höre man es aus diesen Worten: das Stöhnen Gefesselter, das Schluchzen der
Frauen, das Jammern der Kinder, Todesschreie – und das Hohnlachen der Schergen.
„Tod und
Verderben!“ denkt Saulus. „Es ist mir Gottesdienst, sie zu vernichten! Ein
Gottesdienst!!“
Welch ein
düsteres Bild! Da rast ein blinder Tor, ein wilder Fanatiker gegen den Herrn
und seine Gemeinde. Muss da nun nicht Feuer vom Himmel fallen und den Lästerer
vernichten?! Muss nun Gott nicht auch antworten mit Tod und Verderben?!
Ja, der
Herr antwortet. Aber nicht mit Feuer vom Himmel! Er antwortet ganz anders, als
die Vernunft sich das hätte ausdenken können. Er antwortet dem Saulus mit – Barmherzigkeit.
Er fällt seinen Feind mit – Gnade.
„Saul!
Saul!“ So ruft der Herr den Saulus an, dass der erschrocken zu Boden stürzt.
Gewiss, in
diesem Ruf Jesu war das Gericht über Saulus. Und doch – in diesem Ruf klingt
die Stimme des guten Hirten: „Saul! Saul …“ Er kennt auch ihn mit Namen. Auch
dieser Name eines verlorenen Sohnes leuchtet vor ihm. Zweimal ruft er ihn bei
seinem Namen mit einer Liebe, vor der der starke Trotz des Saulus zerbricht.
Und
während Saulus blind wird, geht ihm im Herzen das Licht auf: „O Abgrund der
Barmherzigkeit!“ So liebt der Herr seine Feinde.
Denk
ich, wie ich dich verlassen,
Wie
ich häufte Schuld auf Schuld,
So
macht ich vor Scham erblassen
Ob
der Langmut und Geduld,
Womit
du, o Gott, mich Armen
Hast
getragen mit Erbarmen.
Tausend-,
tausendmal sei dir,
Großer
König, Dank dafür!
8.
Juni
Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Apostelgeschichte 9, 4
Es war
einmal ein stürmischer Tag. Düstere Wolken jagten am Himmel.
Da – auf
einmal – zerriss die Wolkendecke. Die Sonne brach durch. So leuchtend, dass auf
einmal alle Vögel anfingen zu singen und alle Menschen fröhlich wurden.
So geschah
es hier in der Geschichte, aus der unser heutiges Wort stammt. Düstere Wolken
von Not lagerten über der Gemeinde Jesu. Der Sturm umbrauste sie: „Saulus
schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn.“
Aber in
die Dunkelheit hinein bricht die „wahre Sonne“, die Liebe und Barmherzigkeit
des Herrn Jesus, unseres Heilandes. in der einen Frage an Saulus zeigt er, wie
er seine Gemeinde liebt.
„Diese
Gotteslästerei! Diese widerspenstigen Geister!“ tobt Saulus und droht und
mordet. Da tritt ihm bei Damaskus der Herr entgegen: „Saulus, was verfolgst du …“
Wir denken, nun müsste es weitergehen: „… was verfolgst du meine Gemeinde?“
Aber der Herr fragt: „… was verfolgst du mich?“
Der Herr
erklärt sich also ganz und gar solidarisch mit seiner Gemeinde. Hier erfährt
Paulus zum ersten Mal, was er später selbst im Epheser-Brief lehrt: dass die
Gemeinde „Christi Leib“ ist. Wer die Gemeinde antastet, tastet ihn an. Wer die
Gemeinde verlässt, verlässt ihn.
So nimmt
sich der Herr selbst seiner Herde an. Er schämt sich nicht, sie Brüder zu
heißen. Er bekennt sich zu den Seinen, die er mit Blut erkauft hat. Er lässt
sie wohl in Todesnot kommen. Aber niemand darf sie aus seiner Hand reißen.
Die
Sach und Ehr, Herr Jesu Christ,
Nicht
unser, sondern dein ja ist;
Darum
so steh' du denen bei,
Die
sich auf dich verlassen frei.
9.
Juni
Petrus ward zwar im Gefängnis gehalten; aber
die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
Apostelgeschichte 12, 5
Die Lage
war verzweifelt und völlig hoffnungslos.
Auf das
Ernsteste war die Gemeinde in Jerusalem bedroht. Jakobus war zum Märtyrer
geworden, Petrus zum Tode verurteilt.
Es war das
alles wider jedes Recht geschehen. Aber nirgendwo war einer der Mächtigen
aufgestanden für die Gemeinde. Sie war vogelfrei.
So lag
Petrus in schweren Ketten hinter eisernen Türen. Sechzehn auserlesene
Kriegsknechte bewachten ihn bis zur Hinrichtung.
Doch nun
steht hier ein „Aber“ im Text. Und
dies „Aber“ berichtet uns von dem Glauben der ersten Gemeinde.
Zwar war die Lage hoffnungslos. Jawohl, für die Vernunft! Aber: „Wir haben einen Gott, der da
hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet“
(Psalm 68, 21). Die Gemeinde warf alle Bedenklichkeit über Bord und warf sich
selbst ihrem Gott in die Arme.
Mit diesem
„Aber“ stellt sich die Gemeinde in herrlichem Glaubenstrotz gegen die ganze
Welt. Was kümmert es sie, dass diese „Welt“ die Sache der Gemeinde verloren
gibt. Sie denkt nicht daran, die Waffen zu strecken und sich zu ergeben. „Alle
Heiden umgeben mich“, so lasen sie in ihrer Bibel im Psalm 118, „aber im Namen des Herrn will ich sie
zerhauen.“
Zinzendorf
singt: „Gelobet sei die Tapferkeit / Der Streiter unsres Fürsten! / Verlacht
sei die Verwegenheit, / Nach ihrem Blut zu dürsten.“
Dieses „Aber“
des Glaubens ist eine Frucht ganzer Hingabe an den Herrn. Wo man ihm ganz
gehört, da lehrt der Heilige Geist das Wort Jesu: „Niemand soll sie mir aus
meiner Hand reißen.“
So
wahr Gott Gott ist und sein Wort,
Muss
Welt, Teufel und Höllenpfort
Und
was dem tut anhangen
Endlich
werden zu Schand und Spott;
Gott
ist mit uns und wir mit Gott,
Den
Sieg woll'n wir erlangen.
10.
Juni
Petrus ward zwar im Gefängnis gehalten; aber
die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
Apostelgeschichte 12, 5
„Ohne
Aufhören“ betete die Gemeinde.
Man musste
sehr viel Geduld mitbringen und immer mehr Geduld lernen. Man musste abwarten
lernen, wann es dem Herrn wohl gefiel einzugreifen. Denn unser Herr hat seine Stunde. Und es hieß auch hier wie
bei der Hochzeit zu Kana: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
In solcher
Lage kann die Gemeinde eben nur „ohne Aufhören“ im Gebet bleiben.
Da muss
man es üben, alles stürmische eigene Wünschen, alle zappelnde Ungeduld, alles
Zerren der Nerven in den Tod zu geben und zu lernen: „Es ist ein köstlich Ding,
geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen.“
Wer kann
denn so beten?
Nur die „Gemeinde“!
Es wird ja hier und da in der Welt auch gebetet. Aber das ist, als wenn bei
einem Zugunfall einer an der Notbremse reißt. Da tritt der Mensch herrisch vor
Gott und verlangt die Erfüllung seines Willens.
Hier aber
betet die „Gemeinde“, Menschen, die
durch Jesus begnadigt, die durch Jesus versöhnt sind; Menschen, die Frieden mit
Gott haben; Menschen, die im Namen „Jesus“ vor den Vater treten; Menschen,
denen der Geist Zeugnis gibt, dass sie Kinder Gottes sind.
Solche
Menschen können geduldig und „ohne Aufhören“ beten; denn sie kennen den Vater,
und ihr Rufen aus tiefster Not hat schon immer den Jubel in sich: „Vater, ich
danke dir, dass du mich hörst.“
Und
ob es währt bis in die Nacht
Und
wieder an den Morgen,
Doch
soll mein Herz an Gottes Macht
Verzweifeln
nicht noch sorgen.
So
tu Israel rechter Art,
Der
aus dem Geist erzeuget ward,
Und
seines Gott's erharre.
11.
Juni
Der Herr sprach zu Abram: „Gehe aus deinem Vaterland.“
1. Mose 12, 1
Der
Weltmensch sagt: „Das mag ja für den Abram eine recht einschneidende Sache
gewesen sein. Aber was geht uns Menschen im zwanzigsten Jahrhundert diese doch
sehr alte Geschichte noch an?“
O, die geht
uns sehr viel an:
Da ist
eine Stadt durch ein Erdbeben zerstört. Klagend und planlos irren die Bewohner
über die Trümmer. Eines Tages kommt ein Baumeister der Regierung. Er besichtigt
den Schaden. Und dann lässt er an einer Stelle beginnen mit dem Neuaufbau.
Da sind
Leute, deren zerstörte Wohnung liegt weit ab von der Stelle des Neuaufbaues.
Aber nun wissen sie doch: „Dieser Anfang geht uns an.“ Es ist für sie eine
Verheißung: Man lässt uns nicht verkommen; man baut auf.
Diese
zerstörte Stadt ist ein Bild der Welt. Über die Welt ging Schlimmeres als ein
Erdbeben. In dieser Welt geschah der Sündenfall. Und die Sünde hat schauerlich
und furchtbar das Angesicht der Welt entstellt.
Aber Gott lässt
seine entstellte und gefallene Schöpfung nicht fallen. Er fängt, neu an. Als er
Abram berief, da machte er an einer Stelle den Neuanfang. Und darum ist diese
Berufung Abrams eine Verheißung für die ganze Welt.
Wie hat
doch Gott diesen Neuanfang herrlich weitergeführt in Jesus Christus! Und er
wird ihn vollenden: „Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.“
Nun
freut euch, lieben Christen gmein,
Und
lasst uns fröhlich springen,
Dass
wir getrost und all in ein
Mit
Lust und Liebe singen,
Was
Gott an uns gewendet hat
Und
seine süße Wundertat;
Gar
teur hat er's erworben.
12.
Juni
Ich bin dein sehr großer Lohn.
1. Mose 15, 1
„Warum
sind Sie denn aus Ihrer letzten Stellung weggelaufen?“ wurde ein junger Mann
gefragt. „Ich habe zuwenig verdient“, war die Antwort.
Nun, man
kann das verstehen. Wenn man sich mit seiner Arbeit quält, dann will man auch
einen entsprechenden Lohn haben.
Es braucht
ja nicht immer Geld zu sein. Es ist vielmehr so: An dem Lohn, den wir für
unsere Lebensarbeit beanspruchen, wird unsere Herzensgesinnung offenbar. Wer
immer nur Geld! Geld! will, der ist eben vom Gott „Mammon“ beherrscht. – Der
Ruhmsüchtige will als Lohn für seine Anstrengungen die Anerkennung der Mit- und
Nachwelt. So soll Alexander der Große gesagt haben: „O wie sauer lasse ich mir’s werden, dass man nur in Athen von mir spreche!“ – Dem
Genusssüchtigen ist es der schönste Lohn seiner Arbeit, wenn er „was vorn Leben
hat“.
So ist's:
Wir offenbaren unser Herz, wenn wir sagen, was unser schönster Lohn ist.
Nun war da
ein Mann namens Abram. Den hatte Gott aus seinem Vaterland, aus seiner
Freundschaft und aus seinem Elternhaus herausgerufen. Und der war um Gottes
willen ein einsamer, bedrängter Mann geworden.
Ihm sagt
der Herr: „Sieh deinen Lohn an! Dein Lohn – bin ich!“
Ja,
darüber lächelt ein moderner Mensch wohl verächtlich und sagt: „Das wäre mir
zuwenig! Davon habe ich nichts Greifbares.“ Aber damit offenbart er nur sein
eigenes ungeistliches Herz, das Gottes Herrlichkeit nicht kennt. Und so wird
deutlich: Man muss neu, geistlich, wiedergeboren sein, um diesen Lohn zu begehren
und sich an ihm zu freuen.
Du
bist allein nur liebenswert,
Du
Bräutigam der Seelen.
O
selig, wer nur dein begehrt!
Wer
könnt was Höhres wählen?
Nichts
reicht an deiner Liebe Wert;
Du
bist allein nur liebenswert.
13.
Juni
Ich bin dein sehr großer Lohn.
1. Mose 15, 1
„Lohn“? – Steht
da wirklich „Lohn“?
Ja, es
steht da! Es steht da, dass Gott einen ganz unermesslich großen Lohn geben will
– nämlich sich selbst.
Ja, aber „Lohn“?!
Lohn hat doch nur der zu bekommen, der einem anderen etwas geleistet hat. Der
Arbeiter, der auf dem Feld oder in der Fabrik gearbeitet hat, der bekommt
seinen Lohn. Und wer nichts getan hat, der bekommt eben nichts. Das ist doch
klar.
Und nun
redet Gott von „Lohn“. Wem in aller Welt will er denn Lohn geben? Wer hat ihm
denn etwas geleistet? Wer könnte denn vor Gott hintreten und Lohn fordern? „Wer
hat ihm etwas zuvor gegeben, dass ihm werde wiedervergolten?“
(Römer 11, 35).
Ja, was
könnten wir ihm überhaupt tun? Er braucht uns ja in keiner Weise. Gottfried
Daniel Krummacher sagt: „Will ihm jemand ein Haus bauen
wie David, dann sagt er: ‚Was soll das für eines sein, da die ganze Erde meiner
Füße Schemel ist?' – Will jemand durch Psalter und Lieder Gott ein Vergnügen
machen, dann heißt es: ,Tu von mir das Geplärr deiner
Lieder!' – Will jemand Gott einen Dienst tun mit Beten, dann sagt er: ,Ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht.“`
Nein, Gott
braucht uns nicht. Und wenn wir etwas Gutes tun wollen zu seiner Ehre, muss
Gott selbst es zuvor in uns wirken. So steht es.
Und nun redet
er von Lohn? O, es ist das Geheimnis des Glaubens, dass Gott Lohn gibt – aus
Gnaden – ohne Leistung. Er selbst gibt sich in Jesus als unverdienten Lohn
denen, die in ihrer Armut zu ihm sagen: „Herr, wir verdienen nur Zorn und sonst
nichts. Aber wir können ohne dich nicht leben.“
Ich
weiß, dass du der Brunn der Gnad
Und
ewge Quelle bist,
Daraus
uns allen früh und spat
Viel
Heil und Gutes fließt.
14.
Juni
Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
1. Mose 15, 6
Es ging um
die Frage, ob Abram den Sohn der Verheißung haben werde.
Die
Vernunft sagte „Nein“! Und die Vernunft hatte mancherlei und gute Gründe für
dies „Nein“.
Aber gegen
dies „Nein“ der Vernunft stand die Verheißung Gottes. „Und Abram glaubte dem
Herrn.“
Der „Sohn der
Verheißung“ – das war nicht nur der Isaak, der dem Abraham in seinem
hundertsten Lebensjahr geschenkt wurde. Der „Sohn der Verheißung“ – das ist ja
viel mehr der Herr Jesus, der Heiland. Der ist der wahre Same Abrahams. Und
wenn wir es so ansehen, dann ist jede erweckte Seele in der Lage Abrahams. So
eine erweckte Seele sehnt sich auch glühend nach dem „Sohn der Verheißung“. Sie
möchte nichts lieber, als dass sie ihn ganz besitzen könnte. Es weisen sie auch
alle Verheißungen Gottes auf ihn hin.
Aber die
Vernunft kann's nicht fassen. Sie sagt: „Das mag recht sein für andere Leute.
Aber für dich ist das nichts. Dafür bist du in keiner Weise veranlagt. Es ist
ja auch überspannt, alle seine Hoffnung auf diesen Einen setzen zu wollen, den
man nicht sieht. Und alles, was die Bibel über ihn sagt, ist doch so ungewiss.“
Und wenn
die Vernunft zum Schweigen gebracht ist, dann meldet sich das Gewissen: „Du und
der Heiland – ihr kommt nie zusammen. Sieh doch, wie viele Sünden du hast und
wie groß sie sind! Wie bist du gefangen in ihnen! Daraus wird nichts!“
„Abram
glaubte dem Herrn.“ Er hielt sich an Gottes Wort, und „das rechnete ihm der
Herr zur Gerechtigkeit“. So halte du dich nur fest an das Wort: „Dieser nimmt
die Sünder an“ (Lukas 15, 2), und du erlangst den „Sohn der Verheißung“ und in
ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Wir
sehn dein freundliches Angesicht
Voll
Huld und Gnade wohl leiblich nicht,
Aber
unsre Seele kann's schon gewahren:
Du
kannst dich fühlbar gnug offenbaren,
Auch
ungesehn.
15.
Juni
… und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.
1. Mose 22, 12
Nach
endlosem Warten hat Gott dem Abraham endlich den verheißenen Sohn gegeben. Wie
hängt das Herz des alten Mannes an seinem Kinde!
Aber dann
trifft ihn Gottes Befehl: „Nimm lsaak und opfere ihn mir zum Brandopfer.“
Ohne
Murren und Zögern befolgt Abraham den Befehl. Er legt den Knaben auf den Altar.
Da kommt
die Stimme! Der Engel des Herrn ruft: „Leg deine Hand nicht an den Knaben. Nun
weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont
um meinetwillen.“
Wie muss
der Abraham zu seinem Gott gestanden haben, dass er zu diesem Opfer bereit war!
Und doch! –
Wer den lebendigen Gott kennt, wer ihn namentlich so kennt, wie er sich in
Jesus offenbart hat, der versteht den Abraham. Gott ist jedes Opfer wert. „Gott
ist das Größte, das Schönste, das Beste, / Gott ist das Süßte und Allergewisste, / Von allen Schätzen der edelste Hort.“ Ja,
wer ihn kennt, versteht es – ohne es vielleicht selbst fertig zu bringen –, dass
man Gott seinen Sohn opfert.
Aber ganz
und gar nicht mehr zu begreifen ist das, worauf unser Text versteckt hinweist. „Er
hat seines eigenen Sohnes nicht verschont …“ Das steht noch einmal in der
Bibel, Römer 8, 32. Und zwar heißt es da von Gott: „Welcher auch seines eignen Sohnes nicht hat verschont,
sondern hat ihn für uns alle
dahingegeben …“
Dass ein
Mensch seinen Sohn für Gott gibt, das ist noch verständlich. Dass aber Gott
seinen Sohn für uns gibt, das ist unbegreiflich. Wer den Menschen kennt, wer
sich selbst kennt, der weiß: Das ist wirklich unbegreiflich. Da stehen wir am unermesslichen
Ozean seines Erbarmens und seiner Liebe zu Sündern.
Nun
preiset alle / Gottes Barmherzigkeit!
Lob
ihn mit Schalle, / Werteste Christenheit!
Er lässt
dich freundlich zu sich laden:
Freue
dich, Israel, seiner Gnaden.
16.
Juni
Joseph antwortete: „Ich suche meine Brüder.“
1. Mose 37, 16
Da geht
ein junger Mann durchs Land. Sein ganzes Wesen zeigt eine innere Spannung.
Ein Mann
hält ihn an: „Wen suchest du?“ Und der junge Joseph antwortet: „Ich suche meine
Brüder.“
Hätte der
Mann die Lage gekannt, er hätte sich sehr gewundert. „Meine Brüder“! Das waren
ja Männer, die dem Joseph und dem Vater lauter Herzeleid bereitet hatten. Das
waren ja Männer, die einen anderen Geist und Sinn hatten, als er in den Hüften
der Erzväter, als er in Jakob und dem jungen Joseph war.
Und
trotzdem! – nein, gerade darum sagt
Joseph: „Ich suche meine Brüder.“
Mit diesem
Wort beginnt eine Melodie zu erklingen, die durch die ganze Bibel geht. „Ich
suche meine Brüder“, sagte Jesus, als er vom Vater ausging zu denen, die ihn hassten.
„Ich suche meine Brüder“, sagte er und ging zu – seinen Mördern.
„Ich suche
meine Brüder“, sagte der Auferstandene und suchte am Galiläischen Meer seine
Jünger, die ihn verleugnet und verlassen hatten.
„Ich suche
meine Brüder“, sagten die ersten Christen und vergaben denen, die sie
beleidigten und verfolgten.
„Ich suche
meine Brüder!“ Mit solchem Geist und Sinn ging Ananias, der schlichte Mann aus
Damaskus, zu dem Verfolger Saulus und begrüßte ihn mit den Worten: „Lieber
Bruder Saul!“
Je mehr
Barmherzigkeit wir empfangen, desto mehr dürfen wir weitergeben. „Nachdem uns
Barmherzigkeit widerfahren ist, werden wir nicht müde.“
Sollt
wo ein Schwacher fallen,
So
greif der Stärkte zu;
Man
trag', man helfe allen,
Man
pflanze Lieb und Ruh.
Kommt,
bindet fester an;
Ein
jeder sei der Kleinste,
Doch
auch wohl gern der Reinste
Auf
unsrer Liebesbahn.
17.
Juni
Und der Herr war mit Joseph … Und was er tat, dazu gab der Herr Glück.
1. Mose 39, 2 und 3
Das
Wörtlein „gab“ in diesem Text hat mich gepackt Der junge Joseph lag im
Sklavengefängnis. Wahrscheinlich wurden Besuche dort nicht zugelassen. Und wenn
es Besuchstage im Gefängnis gab – der Joseph war ja im fremden Lande; wo sich
kein Mensch um ihn kümmerte.
So war er
unendlich verlassen.
War er es
wirklich? O nein! Der Joseph empfing Besuch. Und dieser Besuch hielt sich an
keine Vorschriften. Er fragte keinen Wärter. Er trat durch verschlossene
eiserne Türen in Josephs einsame Zelle. Der
Herr selbst war es, der zu ihm kam und ihn besuchte.
Und dieser
liebe Besuch erschien nicht mit leeren Händen. „Der Herr gab Glück.“ „Jehova ließ es ihm gelingen“, heißt es, wenn man den
hebräischen Text wörtlich übersetzt. Aber Luther hat schon richtig verstanden,
als er bei seiner Übersetzung das Wörtlein „gab“ hier hinschrieb. Das war es:
Der Herr besuchte Joseph. Und dabei fand ein stilles und verborgenes Geben und
Nehmen statt. So ist das nämlich: Wer mit dem Herrn umgeht, der kann mit dem Apostel
sprechen: „Aus seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“
Ich könnte
mir denken, dass jemand zu dem Joseph gesagt hätte: „Du hast aber einen harten
Herrn. Der verlangt einen entsagungsreichen Dienst von dir.“
Da hätte
Joseph wahrscheinlich nur gelächelt und gedacht: „O, was wisst ihr denn von
seinen stillen Besuchen bei mir und von seinem heimlichen Schenken! Mein Herr
ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene.“
Und nun
schauen Kinder Gottes dankbar auf das Kreuz. Wie gewaltig hat er da uns gedient
und uns beschenkt!
Ebnen
soll sich jede Welle,
Denn
mein König will sich nahn;
Nur
an einer stillen Stelle
Legt
Gott seinen Anker an.
18.
Juni
Wie sollte ich denn nun ein solch groß Übel tun
und wider Gott sündigen?
1. Mose 39, 9
„Warum
sollte sie nicht?“ Unter dieser Überschrift brachte einmal eine große Zeitung
einen Artikel. Darin waren allerlei prickelnde und leichtfertige Situationen
beschrieben, in die eine junge Frau kommen kann. Und dann hieß es: „Warum sollte
sie nicht ihrem heißen Blut folgen? Warum sollte sie nicht sich ausleben? – sich
amüsieren? – einmal ganz toll sein?“
So dachte
auch das Weib des vornehmen Ägypters Potiphar. Und so machte sie sich an den
jungen Sklaven Joseph heran. Sie war ihres Sieges gewiss. „Warum sollte er
nicht?“ Er war ja so jung. Er stand ganz allein. Ja, war es nicht eine Ehre für
den Sklaven, wenn seine Herrin ihre Augen auf ihn warf? So fordert sie ihn
offen zur Sünde auf. „Warum sollte er nicht?“
Joseph
schlägt alle ihre Gründe nieder mit einem einzigen Wort: „Gott!“ „Wie sollte
ich denn ein solch groß übel tun und wider Gott sündigen?“
Wie groß
war diesem Joseph die Nähe, Wirklichkeit und Allgegenwart des lebendigen
Gottes! Wie stand dieser junge Mensch immer und überall vor Gott! Und wie frei
war er darin von Menschen! Er war ja wohl der einzige Mann in ganz Ägypten, der
so stand. Gott war ihm größer als die Ansicht und
Meinung der Menschen.
Wir sehen
hier, wie der stete Wandel vor den Augen Gottes ein starker Schutz ist. Wir
müssen ja auch, wie Joseph, alle durch mancherlei und viele Anfechtungen und
Versuchungen hindurch. Da helfen uns nicht gute Vorsätze, sondern nur das Leben
und Stehen vor den Augen des Herrn.
Führ
uns, Herr, in Versuchung nicht,
Wenn
uns der böse Geist anficht;
Zur
linken und zur rechten Hand
Hilf
uns tun starken Widerstand
Im
Glauben fest und wohlgerüst't
Und
durch des Heil'gen Geistes Trost.
19.
Juni
Sie sprachen untereinander: „Das haben wir an unserem Bruder
verschuldet.“
1. Mose 42, 21
Es gibt
eine alte Sage: Ein Ritter hat seinen Bruder erschlagen. Er befiehlt seinem
Knecht, die Blutlache in der Schlosshalle wegzuwischen. Aber als er am nächsten
Morgen in die Halle kommt, ist die Blutlache wieder da.
Der Ritter
tobt. Der Knecht eilt herbei und wischt das Blut von neuem auf.
Am
nächsten Tag ist die Blutlache wieder da. Der Ritter lässt die Bretter des
Bodens ausbrechen und neue einbauen. Aber mit dem neuen Tag ist die Blutlache
wieder da.
So erzählt
die Sage. Sie will eine tiefe Wahrheit bezeugen, die ein alter Gottesmann so
ausdrückte: „Ich glaube an die Auferstehung der Sünden.“
Das
erfuhren Josephs Brüder. Sie haben ihren Bruder als Sklaven verkauft. Jahre
sind darüber ins Land gegangen. Es scheint Gras über die alte Geschichte
gewachsen.
Da fängt
Gott an. Und alte Sünden werden lebendig. „Das haben wir an unserem Bruder
Joseph verschuldet.“
Es kann
lange dauern, bis unsere Sünden auferstehen. Es kann bis zum Jüngsten Gericht dauern.
Doch es muss gar nicht so lange
dauern. Eins aber ist gewiss: „Es gibt eine Auferstehung der Sünden.“ Das ist
eine furchtbare Wahrheit!
Aber – Gott
sei gelobt! – es gibt auch eine „Vergebung der Sünden“ durch Jesu Blut.
Lasst uns
Vergebung suchen, solange es Zeit ist!
Herr,
es hat noch keiner,
Der
zu dir gegangen,
Statt
der Gnade Recht empfangen.
Wer
zu deinen Füßen
Sich
mit Tränen senket,
Dem
wird Straf' und Schuld geschenket.
Unser
Schmerz
Rührt
dein Herz,
Und
du willst der Armen Gnädig dich erbarmen.
20.
Juni
Ruben sprach: „Sagte ich's euch nicht, da ich
sprach: Versündigt euch nicht an dem Knaben! Und ihr wolltet nicht hören?“
1. Mose 42, 22
Es ist
eine ernste Sache, wenn Gott unsere Sünde heimsucht. Das erlebten die Söhne
Jakobs, die ihren Bruder Joseph in die Sklaverei verkauft hatten. Nun kommen
sie in Ägypten in große Not und merken: Jetzt sucht Gott unsere Sünden heim.
Nur einer
versteht nichts davon: Ruben. Recht zur Unzeit platzt er mit seiner törichten
Weisheit hinein in ein bußfertiges Gespräch. „Sagte ich's euch nicht? Ich hab's
ja vorher gewusst!“
Ja,
allerdings! Der Ruben hat damals gewusst, dass das Tun Sünde war. Aber gesagt
hat er es nicht. Zum Schein hat er mitgemacht. Und wenn er nun meint, seine
Schuld sei geringer, so irrt er. Seine Schuld ist größer als die der anderen.
Denn das
ist die größte Schuld: wenn man die Erkenntnis hat und doch zur Sünde schweigt.
Der Herr sagt sehr ernst: „Wenn ich zum Gottlosen sage: Du Gottloser musst
sterben!, und du sagst ihm solches nicht, dass sich der Gottlose warnen lasse,
so wird wohl der Gottlose um seines gottlosen Wesens willen sterben; aber sein
Blut will ich von deiner Hand fordern“ (Hesekiel 33, 8).
Der Ruben
ist eine ernste Warnung für uns alle, die wir die Gebote Gottes kennen. Wie oft
handeln wir wie Ruben: Wir machen bei den Dingen der Welt zum Scheine mit; wir
schweigen zu offenbaren Sünden, weil wir nicht den Mut haben, gegen den Strom
zu schwimmen.
Der Herr
Jesus aber will, dass seine Leute „Salz und Licht“ der Welt seien. Dazu will er
uns durch seinen Geist ein unerschrockenes Herz schenken, das sich selbst der
Sünde weigert und andere zur Buße rufen kann.
Gib
Elias heil'ge Strenge,
Wenn
den Götzen dieser Zeit
Die
verführte, blinde Menge
Tempel
und Altäre weiht,
Dass
wir nie / Vor ihnen beugen
Haupt
und Knie, / Auch nicht zum Schein,
Sondern
fest als deine Zeugen
Dastehn,
wenn auch ganz allein.
21.
Juni
Ich bin der Herr, dein Gott, … du sollst keine anderen Götter neben mir
haben!
2. Mose 20, 2 und 3
Wir mussten
lachen, als ein Missionar aus Kamerun uns erzählte: Da war in einem Landstrich
große Dürre. Die Eingeborenen brachten ihrem Götzen Opfer. Als das nichts half,
trugen sie ihren Götzen auf einer Tragbahre um die verbrannten Felder. Aber der
Götze half immer noch nicht. Da nahm der Medizinmann zornig seinen Götzen und
prügelte ihn durch.
Wir
fühlten uns sehr erhaben über solche Torheit.
Die
Erhabenheit ist dahingegangen, denn wir stehen täglich in derselben Versuchung
wie diese Eingeborenen. Wohl machen wir uns keine Götzen von Stein und Holz.
Aber Götzen machen wir uns auch. Wir nehmen edleres Material, um uns einen Gott
zu formen: Wir nehmen unsere Gedanken.
Eine
gewaltige Götzenmacherei ist unter uns im Gange. Jeder denkt sich seinen
eigenen Gott aus. „Ich denke so und so über Gott.“ überall kann man das hören.
Weil aber
solch ein Gedankengötze ein luftiges Gebilde ist, das uns keine Kraft gibt im
Kampf gegen das Böse und keinen Trost im Leid, werfen wir diesen Götzen weg,
wenn wir seiner überdrüssig geworden sind, und formen uns einen neuen
Gedanken-Gott.
Da tönt es
gewaltig herein in all diese Götzenmacherei: „Ich bin der Herr, dein Gott, du
sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Wie ein Hammer zerschlägt dies
Wort unsere Gedanken über Gott. Und es zwingt uns, aufzuhorchen auf den, der
die Wahrheit in Wirklichkeit ist; auf den, der in Jesus unser Vater sein will.
Brunn'
alles Heils, dich ehren wir
Und
öffnen unsern Mund vor dir;
Aus
deiner Gottheit Heiligtum
Dein
hoher Segen auf uns komm.
22.
Juni
Gedenke des Sabbattages, dass du ihn
heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken; aber
am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes …
2. Mose 20, 8 bis 10
Ein großer
Gottesmann hat einmal das feine Wort gesagt: „Als Gott die Menschen aus dem
Paradies trieb, da ließ er ihnen zwei Erinnerungen an diese schöne Zeit: die
Familie und den Sonntag.“
Der
Sonntag ist ein Stück Ewigkeit in der Zeit, ist eine Erinnerung an das Ruhen
Gottes und eine Verheißung auf die vollendete Ruhe der Kinder Gottes in der
zukünftigen Welt.
Aber da
wird nun deutlich, wie verkehrt wir Menschen sind. Die Leute zurzeit Jesu haben
aus diesem köstlichen Geschenk Gottes eine furchtbare und unerträgliche Last gemacht.
Und wir können darum gut verstehen, dass die ersten Christen, die aus der
Heidenwelt gewonnen wurden, sich ganz von der jüdischen Last des Sabbats
trennten und. den ersten Tag der Woche, den Auferstehungstag unseres Heilandes,
zum Ruhetag und Sabbat machten.
Auch
unsere Zeit versteht mit dem Geschenk Gottes nichts Rechtes anzufangen. Man achtet’s nicht als ein Gottesgeschenk aus dem Paradies. Man
meint, man könne ohne dieses Geschenk auskommen. Man gebraucht das Geschenk
nach eigenem Gutdünken und verdirbt es so.
Aber wie
arm werden wir ohne einen rechten Feiertag! Wie wird unser Leben unruhig und
gehetzt!
Wo man aber
den Herrn Jesus aufnimmt, da bekommt man einen neuen Blick für alle guten Gaben
Gottes. Auch für den Feiertag. Lasst uns recht Sabbat feiern im Geist und in
der Wahrheit!
Ruht
nur, meine Weltgeschäfte,
Heute
hab' ich sonst zu tun;
Denn
ich brauche alle Kräfte,
In
dem höchsten Gott zu ruhe.
23.
Juni
Du sollst deinen Vater und deine Mutter
ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott,
gibt!
2. Mose 20, 12
Wir hörten
gestern den Satz: „Als Gott die Menschen aus dem Paradies trieb, da ließ er
ihnen zwei Erinnerungen an diese schöne Zeit: die Familie und den Sonntag.“
So ist
also ein rechtes Familienleben ein göttliches Geschenk. Die angehängte
Verheißung sagt uns nachdrücklich, dass Gott über diesem Gebot ganz besonders
wachen will. Wo man sein Geschenk, die Familie, achtet und heilig hält, da will
er reichlich segnen. Und ein Volk, in dem das geschieht, hat Bestand. Wo aber
die Familie zerstört wird, da ist der Untergang nahe.
Die
Familie – ein Geschenk Gottes! Kein Wunder, dass der Teufel es auf die
Zerstörung der Familie abgesehen hat. Und eins seiner kräftigsten Mittel dazu
ist die so genannte „Generationenfrage“. In unendlichen Büchern ist der
Zwiespalt zwischen „Vätern und Söhnen“ behandelt worden.
Dies Gebot
heißt Eltern und Kinder Buße tun.
„Du sollst
Vater und Mutter ehren!“ Ich werde es nie vergessen, wie ein Junge mir unter
Tränen erklärte: „Ich kann das nicht. Mein Vater ist ein Trinker …“ Mit großem
Ernst habe ich ihn darauf hinweisen müssen, dass das Gebot auch in diesem Falle
keine Ausnahme kennt.
Aber darum
wird dies Gebot auch eine ernste Mahnung für die Eltern: ihren Wandel vor den
Augen ihrer Kinder so zu führen, dass es den Kindern leicht wird, ihre Eltern
zu ehren.
Brich
des bösen Fleisches Sinn,
Nimm
den alten Willen hin,
Mach
ihn allerdinge neue,
Dass
mein Gott sich meiner freue.
24.
Juni
Du sollst nicht töten!
2. Mose 20, 13
Das ist
ein ganz einfaches, klares Gebot. Und wir verstehen gut, was Gott uns mit
diesem Gebot sagen will.
Darum ist
es so verwunderlich und für den natürlichen Menschen so bezeichnend, dass er
immer, wenn dies Gebot auf ihn zufährt, gleichsam einen Blitzableiter zur
Stelle hat, um die Wucht dieses Gebotes abzulenken.
Da fängt
er an, davon zu reden, wie es denn dann mit der Todesstrafe stehe. Oder wie man
sich denn dann im Kriege verhalten müsse? So ist aus dem Gebot Gottes ein „Problem“
geworden, das uns selbst nicht mehr trifft.
„Du sollst
nicht töten!“ In diesem Gebot nimmt Gott die Krone seiner Schöpfung, den
Menschen, in seinen Schutz. Wie muss Gott auch den gefallenen, rebellischen
Menschen lieb haben, dass er ihn nicht dahingibt und sich uninteressiert
erklärt an seinem Ergehen.
Dürfen wir
hassen, was Gott lieb hat? O nein! Wenn Gott auch den elendsten, unangenehmsten
und schuldigsten Menschenbruder lieb hat, dann ist mein Hass, ja schon meine
Lieblosigkeit „Sünde“. Und wir verstehen auf einmal das Wort der Schrift: „Wer
seinen Bruder hasset, der ist ein Totschläger.'
Unser Herr
Jesus lehrt seine Jünger: „Liebet eure Feinde!“ Ja, nun müssen wir das lernen,
denn Gott hat ja auch sie geliebt, und Jesus starb auch für sie. Und wenn wir
hassen, was Gott liebt, dann – trennen wir uns von Gott. Und weil wir das nicht
wollen, bitten wir: „Herr, schenke uns Liebe!“
Möcht
ich wie das Rund der Erden
Lichte
werden;
Seelensonne,
gehe auf!
Ich
bin finster, kalt und trübe;
Komm,
o Liebe,
Komm,
beschleunige den Lauf.
Wir
sind ja der Nacht entnommen,
Da
du kommen;
Aber
ich bin lauter Nacht.
Darum
wollst du mir, dem Deinen,
Auch
erscheinen,
Der
nach Licht und Rechte tracht't.
25.
Juni
Du sollst nicht ehebrechen!
2. Mose 20, 14
Mit diesem
Wort Gottes treten wir auf ein gewaltiges Schlachtfeld. Hier werden die
heißesten Kämpfe ausgefochten. Hier werden die betrübendsten
Niederlagen erlebt. Das sehen wir an König David. Dieser unbesiegte Held und
Krieger erfuhr hier eine entsetzliche Niederlage. – Hier auf diesem
Schlachtfeld werden die schönsten Siege errungen. Da denken wir an den tapferen
Joseph. Der ertrug lieber die größte Not, ehe er seinen Sinnen erlaubte, über
sein Leben zu herrschen.
Ein
gewaltiges Schlachtfeld, auf dem eine „Umwertung aller Werte“ erfolgt. Hier
werden Helden zum elenden Spielball dunkler Kräfte. Und hier werden Jünglinge
zu Helden, Kämpfern und Siegern.
Weil dies
Gebiet des geschlechtlichen Lebens so ein Schlachtfeld ist, ist es erfüllt vom
Getöse menschlicher Stimmen. Die reden und rufen gegeneinander. Und hinter all
dem Lärm stehen stumm und verschwiegen die Not und die Scham und das
geschlagene Gewissen.
Nun kommt
der lebendige Gott selber auf dies Schlachtfeld. Und seine Stimme tönt klar,
hell und deutlich hinein in all das Getümmel: „Du sollst nicht ehebrechen!“
Wir kennen
alle das feine Echo, das Martin Luther im Katechismus diesem Anruf Gottes
gegeben hat: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir keusch und züchtig
leben in Worten und Werken.“
Das Wort
und Gebot Gottes ist Hilfe in der Not. Nun wissen wir den Weg. Gott will auch
Herr und Heiland über unser geschlechtliches Leben sein. Nicht soll es uns
regieren. Wir sollen es auch nicht verleugnen. Wir dürfen es unter Gottes
Herrschaft und Hilfe stellen.
Ich
weiß mir zwar nicht selbst zu raten,
Hier
gelten nichts der Menschen Taten;
Wer
macht sein Herz wohl selber rein?
Es muss
durch dich gewirket sein.
Doch
kenn’ ich wohl dein treues Lieben,
Du
bist noch immer treu geblieben;
Ich
weiß gewiss, du stehst mir bei
Und
machst mich von mir selber frei.
26.
Juni
Du sollst nicht stehlen!
2. Mose 20, 15
Von einem
schwäbischen Dorfschullehrer aus dem vorigen Jahrhundert erzählt man eine
hübsche kleine Geschichte:
Der wenig
begüterte Lehrer pflügte eines Tages mit seinem Sohn ein Äckerlein.
Da macht der Sohn den Vater darauf aufmerksam, dass eine Furchenbreite auf dem
Nachbaracker noch ungepflügt sei. Der Nachbar hatte sie offenbar absichtlich
liegen lassen, damit der Lehrer sie zu seinem Acker schlage. Und der Sohn ist
auch wohl der Ansicht, man solle sich stillschweigend dieser Furche
bemächtigen. Aber der Vater sagt nur ernst: „… dass von unrechtem Gut / Nichts
untermenget sei!“
Von
solchem unrechten, nicht ganz redlichen Gut redet Gottes Gebot. Es meint große
Diebstähle ebenso wie alle die Dinge, die nie zur Sprache kommen. Dies Gebot
ist wie ein greller Scheinwerfer, der auf einmal auf alles verschwiegene,
unlautere Gut fällt.
Wer nicht
ehrlich ist, kennt Gott nicht. Denn er traut Gott nicht zu, dass er, der die
Vögel nährt und die Lilien kleidet, auch uns durchbringen könne. Statt sich dem
Herrn anzuvertrauen, sucht man unlautere Wege, auf denen man ganz und gar Gottes
Feind wird.
„Du sollst
nicht stehlen!“ Das falsche Nehmen
sollen wir aus Furcht vor Gott und aus Liebe zu Gott lassen und dafür das
rechte Geben lernen: „Wer gestohlen
hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit den Händen etwas
Gutes, auf dass er habe, zu geben dem Dürftigen“ (Epheser 4, 28).
Gott
hat dir geschenkt das Leben,
Seele
und Leib,
Darum
bleib
Ihm
allein ergeben.
Er
wird ferner alles schenken;
Traue
fest:
Er verlässt
Nicht,
die an ihn denken.
27.
Juni
Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!
2. Mose 20, 16
Wem wird
das Herz nicht schwer, wenn sein Gewissen dies Wort Jesu hört: „Ich sage euch, dass
die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht von einem jeglichen
unnützen Wort, das sie geredet haben“ (Matthäus 12, 36).
Vor wie
vielen unserer „Nächsten“ werden wir beschämt dastehen, wenn alle unsere Worte
ins Licht gezogen werden! Der Erweckungsprediger Engels in Nümbrecht hat einmal
in sein Tagebuch geschrieben: „Ich will mich zu jedem meiner Mitmenschen so
verhalten, dass ich mich vor ihm nicht schämen muss, wenn ich ihm in der
Ewigkeit begegne.“
Ein guter
Vorsatz! Wenn er doch über unserem Leben gestanden hätte!
Wenn wir
uns schon vor Menschen schämen müssen – wie müssen wir erst verstummen vor dem
heiligen Gott, der alle unsere Worte hört!
Sein Gebot
greift tief in unser Privatleben hinein. „Du sollst kein falsches Zeugnis reden
wider deinen Nächsten!“ Das Reden über den Nächsten ist ja doch in der Tat ein
Stück unseres Lebens. Ist es oft nicht so, dass wir unsere gesunkene
Selbstachtung nur dadurch retten, dass wir dem andern „einen bösen Leumund
machen“?
„Du sollst
nicht!“ sagt Gott.
Was soll
ich denn nicht? Wir sollen nicht aus unserem boshaften Herzen heraus den
anderen sehen, beurteilen und über ihn reden. Wir sollen wissen, dass Gott über
der Ehre des anderen wacht. – Nicht aus der Bosheit, sondern aus der Liebe
sollen wir den anderen sehen. „Alles zum Besten kehren“, das ist doch eine
schöne Aufgabe für Jünger Jesu!
Und
was euch noch gefangen hält,
O werft
es von euch ab!
Begraben
sei die ganze Welt
Für
euch in Christi Grab.
28.
Juni
Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten
Hauses, deines Nächsten Weibes, noch seines Knechtes, noch seiner Magd, noch
alles, was dein Nächster hat!
2. Mose 20, 17
Gott will
der Herr unseres ganzen Lebens sein.
„Lass dich
nicht gelüsten!“ Mit diesem Wort regiert er hinein in das Geheimste unseres
Herzens. Er spricht von den Gedanken und Begierden, die wir ganz allein für uns
haben, die wir keinen Menschen sehen lassen.
„Die
Gedanken sind frei …“, heißt es in einem Volkslied. So denken wir. Und lassen
den Gedanken freien Raum.
Da steigen
aus den Tiefen des Herzens die dunklen Begierden auf: Neid, Habsucht, Ehebruch,
Selbstsucht. Unsere Gedanken spielen damit. Es scheint ja so ungefährlich.
Keiner kann's sehen. „Die Gedanken sind frei …“
„Halt!“
ruft Gott. „Lass dich nicht gelüsten!“
Da hat uns
Gott mit seinem Wort ertappt in unseren geheimen Gedanken.
„Lass dich
nicht gelüsten!“ Wissen wir nicht, wie gefährlich die Begierde werden kann? Aus
Begierde, der wir Freiheit lassen, wird die Tat geboren – manche Tat, über die
wir uns nachher selbst entsetzen.
„Wir
können nicht hindern, dass die Vögel über unser Haupt fliegen. Aber wir können
verhindern, dass sie Nester darauf bauen“, hat ein erfahrener Christ gesagt.
Der Herr wolle auch unser Innerstes heiligen.
Lass
mich mit Freuden
Ohn'
alles Neiden
Sehen
den Segen,
Den du
wirst legen
In
meines Bruders und Nächsten Haus.
Geiziges
Brennen,
Unchristliches
Rennen
Nach
Gut mit Sünde,
Das
tilge geschwinde
Von
meinem Herzen und wirf es hinaus.
29.
Juni
Warum sollen wir geringer sein, dass wir
unsere Gabe dem Herrn nicht bringen dürfen?
4. Mose 9, 7
Da sind
die Liebhaber des Wortes Gottes!
Denen
genügt es nicht, nur die Kernsprüche der Bibel zu kennen. Sie lesen immer
wieder die ganze Bibel durch. Und je öfter sie es tun, desto reicheren Gewinn
haben sie davon.
Allerdings
– es sei nicht verschwiegen – geraten sie dabei an Stellen, bei denen sie sich
vorkommen wie auf einer endlosen Landstraße. Da finden sich Aufzählungen und
Geschlechtsregister in ermüdender Länge.
Die
rechten Bibelleser sind unglücklich darüber, dass diese Kapitel sie langweilen.
Sie sind überzeugt, dass auch in Aufzählungen Schätze verborgen liegen. Und es ist
ihnen ein Anliegen, diese Kleinodien zu entdecken. Sie wissen: Die Bibel ist
nie langweilig; aber unsere Augen sind oft blind.
Es geht
den rechten Bibellesern dann doch immer wieder so, dass sie auf einmal hängen
bleiben an einer erregenden Wahrheit.
So ist es
mit diesem Textwort. Mitten in den Aufzählungen des 4. Mosebuches
treten Leute auf, die für unser Empfinden erstaunlich handeln.
Diese
Leute hatten an einer Opferung nicht teilnehmen können. Sie waren ihr Opfer
nicht losgeworden.
Nun hätten
sie ja ganz vergnügt sein können. Sie hatten ihre Gabe behalten. Sie hatten
keine Schuld an der Sache.
Aber was
geschah? Sie waren todunglücklich. Sie beschwerten sich bitter: „Warum sollen
wir geringer sein …?“ Sie ruhten nicht, bis man ihnen die Möglichkeit gab zu
opfern.
Opfer für
Gott zu bringen, war ihnen Ehre und Freude! Seltsame Leute! Und doch – es ist
jammervoll, dass wir anders sind!
Ich
fühle wohl, dass ich dich liebe
Und
mich in deinen Wegen übe,
Nur
ist von der Unlauterkeit
Die
Liebe noch nicht ganz befreit.
30.
Juni
Der Herr hat mich gedemütigt, und der Allmächtige hat mich betrübt.
Ruth 1, 21
Ja, der
Allmächtige hatte sie „betrübt“, die Naemi!
Als in
Israel eine Hungersnot ausbrach, war sie mit ihrem Mann und zwei Söhnen in das
heidnische Moabiterland gezogen. Dort waren all ihre Lieben gestorben. Als sie
zurückkam nach Israel, musste sie sagen: „Der Herr hat mich gedemütigt, und der
Allmächtige hat mich betrübt.“
Ja,
gedemütigt war sie auch. Es galt in Israel als Schmach, wenn keine Nachkommen vorhanden
waren und der Name ausstarb.
In einem
Satz schildert die Naemi das Elend ihres Lebens. Und doch – in demselben Satz
spricht sie aus, worin all ihr Trost liegt: „Der Allmächtige, der Herr hat es
getan.“ Nicht ein dunkles Schicksal! Nicht trübe Verhältnisse! Nicht böse
Menschen! Sondern: Der Herr!
Der Mensch
von heute fragt bei allen schrecklichen Begebenheiten: „Wie kann Gott das alles
zulassen?“ So hat Naemi in keinem Augenblick gefragt. Es genügte ihr völlig zu
wissen, dass ihr Leid aus der Hand Gottes kam. Das ist Trost genug!
Es war im
letzten großen Kriege. Ein entsetzlicher Fliegerangriff war über eine Stadt
dahingegangen. Ein Mann stürzte aus dem Keller und sah, dass sein Haus
lichterloh brannte. Einen Moment wollte ihn die Verzweiflung packen. Aber in
dem Augenblick fiel ihm ein, dass er am Morgen das Wort aus Amos 3, 6 gelesen
hatte: „Ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tue?“ – Und da ergoss
sich ein Strom von Licht in sein Herz. Wenn das Elend aus der Hand des
himmlischen Vaters kam, dann war ja alles gut.
Es kann
sein, dass auch wir gedemütigte und betrübte Leute sind. Wenn wir dann nur mit
Naemi sprechen können: „Der Herr hat
mich gedemütigt, und der Allmächtige
hat mich betrübt“!
Auf
Gnade darf man trauen,
Man
traut ihr ohne Reu;
Und
wenn uns je will grauen,
So bleibt's: Der Herr ist treu.
1.
Juli
Und siehe, da kam Saul vom Felde hinter den
Rindern her und sprach: „Was Ist dem Volk, dass es weinet?“
1. Samuel 11, 5
Schon
diese Frage des Saul war eine Anklage.
Aus dieser
Frage klingt heraus die Beschämung: „Wie kann Gottes Volk so verzagt sein?!
Haben wir nicht den zum Vater, der
die Seinen wie auf Adlerflügeln trägt?! Ihr tut ja, als sei Gott gestorben!“
Da stürzen
sie auf ihn zu und erzählen ihm das Furchtbare: „Der Feind ist eingefallen in
Gottes Land! Nirgendwo ist Hilfe!“
So, nun
wird Sauf ihr Weinen verstehen und auch verzagen! Aber nein! Im Gegenteil! Die
Bibel erzählt: „Da geriet der Geist des Herrn über Saul.“ Er tut, was zu tun
ist. Und all sein Tun ist erfüllt von Glaubenszuversicht, dass das Volk
getröstet wird, den Kampf wagt und auch gewinnt.
Es wird
immer so sein, dass Gottes Volk in Not gerät. Das Volk Gottes im Neuen Bund hat
geradezu den Auftrag, dem Herrn das Kreuz nachzutragen. Und da wird es auch zu allen
Zeiten so sein, dass Gottes Volk darüber sehr verzagt und mutlos wird.
Dass doch
der Herr in solchen Zeiten seiner Gemeinde immer den Saul schenke, den Einen,
der „sein Licht brennend“ erhält und seine „Lenden gegürtet“ hat!
Es braucht
das nicht immer der Stärkste oder Klügste zu sein. Ein Knabe kann es sein wie
David bei Goliath. Oder eine Frau wie Debora.
Auf die
innere Stellung kommt's an: auf die klare Bekehrung, auf den völligen Gehorsam
und den rechten Glauben. Dann kann man tun, was die Schrift befiehlt: „Stärket
die müden Hände und erquickt die strauchelnden Knie!“
Unverzagt
und ohne Grauen
Soll
ein Christ,
Wo
er ist,
Stets
sich lassen schauen.
Wollt'
ihn auch der Tod aufreiben,
Soll
der Mut
Dennoch
gut
Und
fein stille bleiben.
2.
Juli
David entrann in die Höhle Adullam … Und es
versammelten sich zu ihm allerlei Männer, die in Not und Schulden und betrübten
Herzens waren.
1. Samuel 22, 1 und 2
Irgendwo
im todeinsamen Felsengebirge liegt die Höhle Adullam. Lange Zeit hat sie nur
den Tieren als Unterschlupf gedient. Nun aber ist ein Gast eingezogen: David.
David ist
der Geliebte Gottes. Der Prophet Samuel hat ihn heimlich zum König über Gottes
Volk gesalbt. Davon hat der verworfene, finstere König Saul Nachricht bekommen.
Und nun verfolgt er den David mit glühendem Hass.
So wird
David, der heimliche König, der Ausgestoßene und Verachtete.
Doch nun
geschieht das Wunderbare: Dieser ausgestoßene, heimliche König zeigt eine seltsame Anziehungskraft. „Allerlei
Männer, die in Not und Schulden und betrübten Herzens“ sind, finden sich ein.
Wir sehen im Geist diese Mühseligen und Beladenen heranziehen. Und dann
verstehen wir, dass dieser ausgestoßene, heimliche König ja eine Abschattung
des Herrn Jesu ist.
Er hat
eine ungeheure Anziehungskraft für alle, „die in Not und Schulden und betrübten
Herzens“ sind.
Es waren
sicherlich sehr verschiedenartige Leute, die sich dort in Adullam einfanden. Da
waren Verwegene und Schüchterne, Alte und Junge, Kluge und Törichte. Was
verband sie? Ihre Not und der heimliche König!
Und da
haben wir das rechte Bild der wahren Gemeinde. Sie umfasst mancherlei Geister.
Aber das verbindet alle, dass sie sich aus ihrer Not und Schuld heraus um ihren
heimlichen König, um Jesus sammeln. Er zieht sie an. Jesus ist der Mittelpunkt
der Gemeinde.
Kommt,
groß und kleine Sünder doch,
Die
ihr mühselig seid:
Dies
liebend Herz steht offen noch,
Das
euch von Sünd befreit!
3.
Juli
David entrann in die Höhle Adullam … Und es
versammelten sich zu ihm allerlei Männer, die in Not und Schulden und betrübten
Herzens waren.
1. Samuel 22, 1 und 2
Wundervoll
wird uns hier ein Bild der wahren Gemeinde des Herrn gezeigt.
„Adullam“
– das heißt in unsere Sprache übersetzt: „Volk der Gerechtigkeit“. Ja, die
Mühseligen und Beladenen, die sich um den heimlichen König und Davidssohn Jesus
sammeln, sind ein „Volk der Gerechtigkeit“.
Allerdings
– in sich selbst haben sie diese Gerechtigkeit nicht. Im Gegenteil! Diese
Männer, die aus Not und Schulden und Betrübnis kamen, waren gewiss ein sehr
fragwürdiger Haufe. Davon war nicht nur die Welt überzeugt, sondern davon waren
– und das ist wichtig! – ganz gewiss auch sie selbst überzeugt.
Denn so
steht es in der wahren Gemeinde des Herrn, dass man da sein eigenes Herz und
sein Sündenelend recht klar erkennt. Da singt man stets mit allen
Gleichgesinnten: „Wenn ich mich selbst betrachte, / So wird mir angst und weh.“
Aber gerade dieses Lied geht so weiter: „Wenn ich auf Jesum achte, / So steig'
ich in die Höh'.“
Das ist
es: Die wahren Christen sind solch ein „Adullam“ – ein „Volk der Gerechtigkeit“.
Sie sind Leute, die mit Vorliebe den Römer-Brief studieren. Jesus Christus ist
ihre Gerechtigkeit vor Gott. In ihm sind sie gereinigt, versöhnt, entsündigt
und völlig gerecht gesprochen. Im Blick auf ihn singen sie: „In ihm kann ich
mich freuen, / Hab einen Heldenmut,/ Darf kein Gerichte
scheuen, / Wie sonst ein Sünder tut.“
O wie
wunderlich ist doch die Gemeinde Jesu! In den Augen der Welt, ja in den eigenen
Augen „in Not, in Schulden und betrübten Herzens“; um ihres Obersten willen
aber sind sie in Gottes Augen ein „Volk der Gerechtigkeit“.
Der
Grund, da ich mich gründe,
Ist
Christus und sein Blut;
Das
machet, dass ich finde
Das
ewge wahre Gut.
An
mir und meinem Leben
Ist
nichts auf dieser Erd;
Was
Christus mir gegeben,
Das
ist der Liebe wert.
4.
Juli
Samuel aber war gestorben, und ganz Israel hatte Leid um ihn getragen.
1. Samuel 28, 3
Das war
bitter!
Da rüsten
die Philister ihr Heer gegen Gottes Volk. Und gerade in dieser Notzeit, wo man
ihn am nötigsten brauchte, wird der Samuel vom Herrn weggenommen.
Nun hängt
ja die Sache Gottes nicht an Menschen. Und wenn der Herr mit seinem Volke ist,
dann ist das mehr, als wenn tausend Samuels da wären.
Und doch –
Samuel fehlte. Es gibt ja ein Wort Jesu in der Offenbarung, das heißt: „Wer
überwindet, den will ich machen zum Pfeiler im Hause meines Gottes.“
Das Haus
Gottes ist seine Gemeinde. „Wer überwindet“ – wer Fleisch und Blut und Welt
verleugnet, wer bedingungslos dem Herrn sich anvertraut –, „den will ich machen
zum Pfeiler im Hause meines Gottes.“
Geh einmal
in den Kölner Dom und sieh dir einen der großen Pfeiler an! Der trägt eine
Menge kleinerer Steine. Wenn der Pfeiler weggenommen wird, dann stürzt wohl
nicht der Bau ein. Aber eine Menge kleinerer Steine stürzt nach.
So ein Pfeiler
war Samuel zu seiner Zeit. Dass er weggenommen wurde in der Notzeit, war der
Anfang von Gottes Gericht. Wir wollen Gott bitten, dass der Herr unserer Kirche
solche „Pfeiler“ schenke und erhalte.
Ja mehr!
Wir wollen uns dem Herrn heiligen, dass wir selbst solche Pfeiler werden. Wir
wollen nicht länger zu jenen Christen gehören, die man beständig aufwecken,
ermahnen und tragen muss. Und wenn wir auch nicht zu großen Dingen berufen sind
wie Samuel – nun, ein Dom hat auch kleine Fensterpfeifer.
Aber wie
gesagt: „Wer überwindet“! Und weiter sagt Jesus: „Den will ich machen zum Pfeiler.“ Nur er kann uns dazu machen. Und
er will es tun.
Jesu,
stärke deine Kinder
Und
mach aus denen überwinder,
Die
du erkauft mit deinem Blut.
5.
Juli
Da kam Hanani, einer meiner Brüder, mit etlichen Männern aus Juda
Nehemia 1, 2
Im Königsschloss
in Susan wohnt Nehemia. Er hat eine hohe Stellung im Perserreich.
Da kommt
eines Tages Besuch. Es sind Leute vom alttestamentlichen Gottesvolk, ehemalige
Verbannte aus der babylonischen Gefangenschaft, die in Jerusalem in „großem
Unglück und Schmach“ leben.
Wir
könnten uns gut denken, dass dieser Besuch dem hohen Staatsbeamten Nehemia gar
nicht angenehm war. Diese Leute erinnerten ja alle Welt daran, aus welch armen
Verhältnissen Nehemia selbst kam. Er war doch Glied eines verachteten Volkes.
Und diese
Leute brachten durch ihren Besuch vor allen Leuten in Erinnerung, dass Nehemia
nicht den Göttern Persiens diente, sondern dem Gott Israels.
Und war
ihr Besuch nicht schon dadurch peinlich, dass diese Armen gar nicht zu dem
vornehmen Nehemia passten!?
Wir
könnten uns gut denken, dass Nehemia diesen Leuten aus dem Wege ginge.
Aber – er
tut es nicht. Im Gegenteil: Er nimmt sie auf, er macht ihre Sorge zu seiner
Sorge. Er hilft ihnen und bekennt sich offen zu ihnen.
Dieser
Mann Nehemia stand recht. Daran zeigt sich der Christenstand, wie man zu den „Brüdern“
steht. Johannes sagt: „Wir wissen, dass wir vom Tode zum Leben gekommen sind;
denn – wir lieben die Brüder.“
Wer Jesus
liebt, liebt auch die Gemeinde. Wer den Herrn will, muss auch „die Brüder“
wollen.
O
wie lieb ich, Herr, die Deinen,
Die
dich suchen, die dich meinen;
O
wie köstlich sind sie mir!
Du
weißt, wie mich's oft erquicket,
Wenn
ich Seelen hab erblicket,
Die
sich ganz ergeben dir.
6.
Juli
Die Mauern Jerusalems sind zerbrochen und seine Tore mit Feuer
verbrannt.
Nehemia 1, 3
So
berichtet Hanani dem Nehemia.
Eine
furchtbare Nachricht! Doppelt fühlbar für diesen Nehemia, der am Königsschloss
in Susan lebt. Hier war doch Heidentum! Geschehen hier unter diesen Heiden
nicht viel schlimmere Sünden und bösere Dinge als in Jerusalem?
Warum ließ
der Herr hier alles laufen? Und bei seinem Volk übt er so schreckliche
Gerichte. Sollte man nicht vielmehr annehmen, Gott ließe seinen Leuten dies
oder jenes durchgehen?
Nehemia
erfährt hier – was wir auch erfahren müssen –: Gott fängt mit seinen Gerichten
an in seiner Gemeinde. Die Bibel sagt, dass „Gottes Gericht anfängt am Hause
Gottes“.
Wir
Christen regen uns wohl schrecklich auf über die Sünden der bösen Welt. Gewiss,
die Gemeinde Jesu hat Abstand von der Welt! – Aber wir haben die Welt nicht zu
richten. Gott wird es zu seiner Zeit tun.
Vorher
jedoch will er uns richten, will er seine Gemeinde richten, will er seine
Kinder Zurechtbringen.
Und wenn
Gott zu den Sünden der Welt auch tausendmal schweigt – zu den Sünden seiner
Gemeinde schweigt er nicht.
Die
zerbrochenen Mauern und die verbrannten Tore Jerusalems sind ein ernster Ruf an
die Christen: Wir dürfen nicht meinen, Gottes Erwählung und Gottes Gnade in
Jesus gäben uns das Recht, es mit dem Herrn und seinem Willen nicht mehr ernst
zu nehmen. lm Gegenteil: Gottes Erwählung und Gottes Gnade wollen uns zu Leuten
machen, die Gott ganz gehorsam sind.
Wahr
ist's: Gott ist wohl stets bereit
Dem
Sünder mit Barmherzigkeit;
Doch
wer auf Gnade sündigt hin,
Fährt
fort in seinem bösen Sinn
Und
seiner Seele selbst nicht schont,
Dem
wird mit Ungnad' abgelohnt.
7.
Juli
Da ich aber solche Worte hörte, weinte ich und trug Leid.
Nehemia 1, 4
Ein Mann
weint! – Nicht irgendein sentimentaler, weichlicher Mann, sondern ein Fürst in
Persien, ein Mann, der es als armer Verbannter zu etwas Großem gebracht hat.
Der weint!
– Warum? Wie kann denn ein solcher Mann weinen?! – Es sind edle Tränen, Tränen,
die ganz selten sind: Er weint, weil Gottes Ehre geschändet ist. Er weint, weil
die Kirche – davon ist im Alten Testament Jerusalem ein Abbild –, weil die Kirche
Jesu so elend, arm und unwürdig ist.
Hat auch
jemand von uns schon einmal geweint über die innere und äußere Armut der Kirche
Jesu?!
Die Bibel
erzählt uns je und dann von Männertränen: Der alte Jakob weinte vor Freude, als er seinen verlorenen
Sohn wieder fand.
Und David
weinte vor Schmerz, weil er seinen
Sohn Absalom ewig verloren hatte.
Das sind
Tränen, wie sie in der Welt wohl je und dann geweint werden.
Dann
erzählt die Bibel von selteneren Tränen, von Tränen, die Petrus in der Nacht
des Verrates geweint hat – über sich
selbst. Das sind edle Tränen, die Gott wägt.
Aber die
edelsten Tränen und die seltensten sind die des Nehemia: Er weint um das Reich
Gottes, er weint um Gottes Ehre.
Wir
sollten über solche Tränen nicht die Achseln zucken. Dass wir solche Tränen
nicht haben, liegt nicht daran, dass wir in einem unsentimentalen Zeitalter
leben, sondern daran, dass uns so wenig an Gottes Ehre und Reich liegt. Dass es
uns doch so um den Herrn ginge wie dem Nehemia!
Gott,
erhöh dein's Namens Ehr,
Wehr
und straf der Bösen Grimm,
Weck
die Schaf' mit deiner Stimm,
Die
dich lieb haben inniglich.
8.
Juli
Ich aber fürchtete mich gar sehr und sprach
zum König…: „Sollte ich nicht übel sehen? Jerusalem liegt wüste…“
Nehemia 2, 2 und 3
Sieh da,
welch ein Eingeständnis!
„Ich
fürchtete mich sehr“! – Wer das Leben dieses starken Mannes von außen ansieht,
der sieht nur kühne Zielstrebigkeit, klare, männliche Entschlossenheit und
einen großen Glaubensmut.
Und da lässt
uns dieser Mann in sein Herz sehen: „Ich fürchtete mich sehr!“ Er will die
zerstörten Mauern Jerusalems wieder bauen. Aber dazu braucht er die Hilfe des
persischen Königs, dazu braucht er Urlaub vom Königshof. Wenn er dies nun
erbittet – kommt er nicht in den Verdacht, es mit den Feinden des Perserreiches
zu halten? Wird es nicht Verwunderung hervorrufen, wenn er, der hohe Beamte,
sich für das arme Volk Gottes einsetzt?
„Ich
fürchtete mich sehr.“
Es ging
auch dem Nehemia wie allen Knechten Gottes: Es geht durch innere Verzagtheit
und Armut.
Ja, der
Sohn Gottes selbst zitterte und zagte in Gethsemane.
Es geht im
Leben der Kinder Gottes durch Furcht. Und wer diese tiefe Furcht nicht kennt,
den hat Gott offenbar noch nicht einsetzen können an den Frontstellen des
Reiches Gottes, wo es ernst wird.
Es muss
also durch Furcht gehen. Aber – die
Furcht darf uns nicht bestimmen und beherrschen. „Ich sprach zum König …“,
erzählt Nehemia. Er bricht durch die Furcht hindurch. Nein – sein Herr und
Heiland reißt ihn durch die Furcht hindurch. David sagt im 34. Psalm: „Da ich
den Herrn suchte, antwortete er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht.“
Gib
uns der Apostel hohen,
Ungebeugten
Zeugenmut,
Aller
Welt trotz Spott und Drohen
Zu
verkünden Christi Blut.
Lass
die Wahrheit uns bekennen,
Die
uns froh und frei gemacht;
Gib,
dass wir's nicht lassen können,
Habe
du die Übermacht.
9.
Juli
Und der König gab mir nach der guten Hand meines Gottes über mir.
Nehemia 2, 8
Es ist wie
ein Verwundern in der Stimme des Nehemia, wenn er uns immer wieder berichtet
von „der guten Hand“ seines Gottes.
Was will
er denn? Er will das zerstörte Jerusalem wieder bauen.
Ja, wer
hat denn solch eine furchtbare Zerstörung angerichtet? Die starke Hand Gottes hat es getan. Ja, Gottes Hand kann schrecklich
sein!
Nehemia
weiß das. Das verbrannte Jerusalem zeugt ihm davon: „Schrecklich ist es, in die
Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“
Wissen wir
auch davon? Wissen wir, dass das die letzte geheime Unruhe der Welt ist, dass
über ihr Gottes Hand aufgehoben ist zum Gericht?
Drohend
kann Gottes Hand sein und schrecklich, wenn sie Gericht übt.
Doch es
gibt noch etwas Furchtbareres: Gottes
Hand kann – wie die Bibel sagt – „dahingeben“.
Das heißt: Nun segnet die Hand Gottes nicht mehr, nun droht sie nicht und
straft auch nicht mehr, nun hat Gott die Hand ganz und gar abgezogen. Das ist
das Ende über ein Volk oder einen Menschen.
Wie
wunderbar ist es da, dass die Kinder Gottes sprechen dürfen von „der guten Hand Gottes über mir“. Diese
gute Hand meines Gottes – das ist die Hand Jesu, die für mich am Kreuz
durchbohrt wurde, die zum Segnen aufgehoben ist über die Gemeinde. Selig, wer
unter dieser „guten Hand“ lebt!
Leit
uns mit deiner rechten Hand
Und
segne unser Stadt und Land.
Gib
uns allzeit dein heilig Wort,
Behüt
vors Teufels List und Mord,
Verleih
ein selig Stündelein,
Auf
dass wir ewig bei dir sein.
10.
Juli
Der Herr Ist mein Hirte.
Psalm 23, 1
Da saß einmal
ein Mann
Der Mann
war in seine Zeitung vertieft. Aber auf einmal ließ er sie sinken. Die Kinder
sangen mit ihren hellen Stimmchen: „Weil ich Jesu Schäflein bin, / Freu ich
mich nur immerhin / Ober meinen guten Hirten, / Der mich wohl weiß zu bewirten,
/ Der mich liebet, der mich kennt / Und bei meinem Namen nennt.“
Ein
schlichtes, sehr einfältiges Kinderlied! Aber dem Manne ging es durch und
durch. Und auf einmal begriff er: Ein Mann kann es nach allen inneren Kämpfen
seines Lebens gar nicht weiter bringen, als dass er – wie ein Kind – singen
kann: „Weil ich Jesu Schäflein bin, / Freu ich mich …“
Ja, so ist
es! Es war ein sehr starker junger Mann, der den 23. Psalm dichtete. Es klingt
heller Jubel in dem Satz: „Der Herr ist mein Hirte!“ Dieser junge Mann, David, wusste,
was das bedeutet. Er war ja selbst Hirte. Und er hatte seine Schafe gegen Bären
und Löwen verteidigen müssen. Tag und Nacht hatte er über sie gewacht. Und da
hatte er sicher manchmal gedacht: „Die Schafe haben es doch recht gut. Sie
überlassen alle Sorge mir.“
Und dann
fiel ihm ein: „So gut habe ich es ja auch! Was ich meinen Schafen bin – das ist
Jehova mir. Der Herr ist mein Hirte.“
Es ist
heller Jubel in dem Satz. „Der Herr ist mein Hirte“ – das heißt ja: Nun bin ich
nicht mehr Spielball eines dunklen Schicksals, sondern ich bin von einem guten
Herrn geführt. Nun bin ich nicht mehr verirrt, sondern geborgen. Nun bin ich
nicht mehr bedroht, sondern bewahrt.
O Herr,
hilf, dass wir es im Glauben sprechen können: Du bist mein guter Hirte!
Solang
ich diesen habe,
Fehlt
mir’s an keiner Gabe;
Der
Reichtum seiner Fülle
Gibt
mir die Füll und Hülle.
11.
Juli
Der Herr Ist mein Hirte.
Psalm 23, 1
So! Und
dann bin ich sein Schall
Das ist
doch wirklich eine recht beleidigende Feststellung.
Ich habe
einmal ein Spottbild gesehen. Da war ein Schaf gezeichnet, das geradezu
erschütternd dumm und schafsmässig aussah. Und unter
dem Bilde stand: „Dies ist ein Christ. Denn die Christen behaupten ja von sich
selbst, dass sie Schafe seien.“
Der
Zeichner dieses Bildes irrte. Nicht wir Christen sagen, dass wir Schafe seien,
sondern Gottes Wort erklärt das. Es sagt Dinge, die sehr unbequem sind.
Gottes
Wort sagt aber nicht, dass nur die Christen Schafe seien. Es behauptet
vielmehr: Alle Menschen sind Schafe.
Alle
Menschen! Der Unterschied zwischen den rechten Christen und den andern besteht
darin: Die Christen sind Schafe, die einen guten Hirten haben. Die andern aber
sind verirrte und verlorene Schafe. Wenn bei ihnen – so sagt Gottes Wort – von
einem Hirten die Rede sein kann, dann nur so: „Der Tod weidet sie.“
Das alles
ist ja wirklich – unerhört. Aber nun wollen wir uns nicht über Gottes Wort
empören, sondern vielmehr fragen: Warum nennt die Bibel uns „Schafe“?
Darum,
weil wir keinen Orientierungssinn haben. Wenn man eine Brieftaube hundert
Kilometer von ihrem Schlag entfernt auffliegen lässt, dann fliegt sie
schnurstracks in ihren Schlag zurück. Wenn man aber ein Schaf einige hundert
Meter von seinem Stall fortlaufen lässt, weiß es den Weg nach Hause nicht mehr.
So steht
es mit uns. Nun ja! So im irdischen finden wir uns einigermaßen zurecht. Aber
wenn es sich darum handelt, nach Hause zu kommen, zum Herzen Gottes, zum
Himmelreich, finden wir keinen Weg. Wohl denen, die dann sagen können: „Der
Herr ist mein Hirte!“
Der
Herr, der aller Enden
Regiert
mit seinen Händen,
Der
Brunn der ewgen Güter,
Der
ist mein Hirt und Hüter.
12.
Juli
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts
mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue … Er erquicket meine Seele.
Psalm 23, 1 bis 3
Es wird
viel geklagt und gejammert in der Welt. Vielleicht ist das gut. Es wird den
Menschen leichter, wenn sie ihre Nöte auspacken. Aber – schöner wird die Welt
dadurch nicht.
Nun lest
einmal den 23. Psalm! Das ist ein anderer Klang! „Mir wird nichts mangeln! … Er
erquicket meine Seele … Ich fürchte kein Unglück … Du salbest mein Haupt mit Öl
… Gutes und Barmherzigkeit verfolgen mich mein Leben lang.“
Ja, das
ist ein anderer Klang! Und gegen das, was man sonst in der Welt zu hören
bekommt, ist dies wie Glockengeläut und liebliches Orgelgetön
gegen – Wirtshausgeschrei.
Man könnte
den Mann, der das sagte, geradezu beneiden. Aber – was hindert uns denn, auf
denselben Lebensstandard zu kommen wie dieser David? Ja, das können wir!
Es ist nur
ein einziges dazu nötig: dass wir uns entschließen zu sprechen: „Der Herr ist
mein Hirte.“ Das ist die notwendige, unumgängliche Voraussetzung dazu.
Es hat
keinen Sinn, auf dem Bahnhof zu stehen und zu jammern, dass man nicht nach
Stuttgart komme, wenn man nicht in den Zug einsteigen will, der nach Stuttgart
fährt.
Und ebenso
sinnlos ist es zu jammern: Von all den guten Dingen, die David hier nennt, habe
man noch nichts erfahren – wenn man sich nicht entschließen will, den Herrn
Jesus als Hirten zu erwählen.
Wenn wir
uns ernstlich dem Herrn Jesus anvertrauen, dann wird das auch unser Erlebnis
und Bekenntnis: „Mir wird nichts mangeln … Er erquicket meine Seele“ und all
das andere, das in dem Psalm steht.
Du reichst uns deine durchgrabne
Hand,
Die so viel Treue an uns gewandt,
Dass wir beim Drandenken
beschämt dastehen,
Und unser Auge muss übergehen
Vor Lob und Dank.
13.
Juli
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Psalm 23, 1
Ich kannte
einen jungen Mann, der wünschte sich brennend ein Motorrad. Eines Tages konnte
er sich solch eine Maschine anschaffen.
Nach
kurzer Zeit aber merkte er, dass ein Motorrad bei Regenwetter eine schlechte
Sache ist. Da wünschte er sich heiß ein Auto. Und es kam der Tag, da fuhr er in
einem kleinen Wagen vor.
Nun machte
er große Reisen mit seinem Wägelchen. Da aber war es ihm sehr ärgerlich, wenn
größere Wagen ihn überholten. „Ach!“ seufzte er, „wenn ich doch einen Mercedes
hätte!“ Vielleicht bekommt er den auch noch. Aber dann wird er entdecken, dass
er ohne Flugzeug nicht glücklich sein kann.
So ist das
Menschenherz! Es fehlt uns immer etwas zu unserm Glück. Ist unser Leben ruhig,
dann sehnen wir uns nach Abwechslung. Ist es stürmisch, so möchten wir gern
Ruhe. Sind wir zu Hause, zieht es uns in die Ferne. Sind wir in der Fremde,
dann haben wir Heimweh. Es fehlt uns immer etwas. So sind wir!
Und nun
sagt da in unserm Text einer: „Mir mangelt nichts, und mir wird auch in der
Zukunft nichts mangeln.“ Diesem Psalmisten ist das Herz offenbar zur Ruhe gekommen.
Er konnte „Ja“ sagen zu seinem Leben. Und dabei war dieser Psalmist gar nicht
ein alter, weiser Großvater, den das Leben einen kühlen Verzicht gelehrt hatte.
O nein! Er war ein temperamentvoller junger Mann.
Wie kam er
zu solch einem friedevollen Zustand? Das sagt er im Anfang des Satzes: „Der
Herr ist mein Hirte.“
Nun, das Sätzlein kennen wir alle. Aber wahrscheinlich haben wir es
nicht ernst genommen und nicht recht geglaubt. Der David nahm es ernst. Und wer
das tut, der kann „Ja“ sagen zu der Führung, die er durch diesen Hirten
erfährt.
Du
füllst des Lebens Mangel aus
Mit
dem, was ewig steht,
Und
führst uns in des Himmels Haus,
Wenn
uns die Erd entgeht.
14.
Juli
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Psalm 23, 1
„Na, na,
mein lieber David!“ möchte man sagen. „Hast du da nicht ein wenig übertrieben?
Hast du nicht den Mund ein wenig zu voll genommen? ‚Nichts mangeln' – das ist
doch wohl ein wenig zuviel gesagt!“
Ja, man
ist versucht, den David noch etwas mehr zur Rede zu stellen wegen dieses
großartigen Satzes. „Mein lieber David!“ möchte man sagen, „diesen Satz hast du
als überschwänglicher junger Mann gesagt, als du auf den Feldern von Bethlehem
die Schafe weidetest. Was wusstest du da schon vom Leben, wie es wirklich ist!
Aber es kam dann doch auch bei dir eine schwere Zeit, wo du fliehen musstest.
Da hattest du kein Heim, kein Bett, keine Sicherheit. Da hat es dir doch wohl
ein wenig leid getan, dass du den Mund so voll genommen hast.“
Wisst ihr,
was der David uns antworten würde? Er würde sagen: „Ich sehe, dass ihr über
mein Leben ziemlich Bescheid wisst. Dann nehmt aber bitte zur Kenntnis, dass
ich gerade damals, als mein Leben auf dem Tiefpunkt war, den 34. Psalm gedichtet
habe. Und wie heißt es da? ‚Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.' In eurem
schlechten Deutsch heißt es: ‚Ich will angeben mit meinem Herrn Jesus.' Und
dann habe ich in dem 34. Psalm weiter gesagt: ‚Schmecket und sehet, wie
freundlich der Herr ist!' – Das habe ich gesagt. Und dazu stehe ich.“ So würde
uns David antworten.
Das Wort
ist also keine Übertreibung. Wer den Herrn Jesus als seinen Herrn und Heiland
kennt, der darf tatsächlich so bekennen: „Der Herr ist mein Hirte; mir wird
nichts mangeln.“
Ein'
Tisch zum Trost er mir bereit't,
Sollt's
auch den Feind verdrießen,
Schenkt
mir voll ein, lässt Öl der Freud
Sich
auf mein Haupt ergießen:
Sein
Güte und Barmherzigkeit
Werden
mir folgen allezeit,
In
seinem Haus ich bleibe.
15.
Juli
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Psalm 23, 1
„Der Herr
ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.“ Das haben die meisten von uns in der
Kindheit schon gelernt. Und die Christen meinen, an diesem Wort sei doch gar
nichts Schweres.
Aber wer
sich etwas genauer mit diesem Sätzlein befasst, der
merkt bald: „Hier geht's um eine der schwersten Proben des Christenstandes.“
Nun sollte
jeder Christ – von denen, die es nicht sind, ist jetzt gar nicht die Rede! – ein
Blatt Papier nehmen und einmal aufschreiben, was ihm nach seiner Meinung noch
fehlt. Das gäbe eine ansehnliche Liste.
So! Und
nun muss man fragen: Dann stimmt also für uns dies Psalmwort nicht: „Mir wird
nichts mangeln“? Für uns also trifft es nicht zu? Denn uns mangelt ja – wie die
Liste zeigt – eine ganze Menge. Uns geht also dieser 23. Psalm, der uns so
geläufig war, nichts an?
Doch, er
geht auch uns an! Ja – dann aber ist unsere Liste verkehrt. Dann haben wir uns
nur eingebildet, dass die Dinge, die wir da aufgeschrieben haben, fehlten. Sie
fehlen uns in Wirklichkeit gar nicht – wir brauchen sie nicht –, sonst hätte
sie uns unser guter Hirte längst gegeben.
Das also
ist die große Aufgabe, in die dies Wort uns stellt: Glauben, dass unser Herr uns
altes gibt, was wir nötig haben. Und was er uns nicht gibt, das haben wir nicht
nötig. Das aber zu lernen, ist sehr schwer.
Gleichwie
Väter nicht bald geben,
Wonach
ihre Kinder streben,
So
hält Gott auch Maß und Ziel,
Er
gibt, wem und wann er will.
16.
Juli
Mir wird nichts mangeln.
Psalm 23, 1
Jetzt
wollen wir uns einmal folgendes vorstellen: Da ist ein Mann, der in lauter
elende Lumpen gekleidet ist. Sein Anzug ist zerfetzt. Sein Hemd besteht nur
noch aus Lappen. Und dieser Mann seufzt eines Tages: „O, wenn ich doch nur eine
ordentliche Krawatte hätte!“ Solch einen Mann würden wir einen rechten Narren
nennen.
Aber – so
sind wir! Unser Textwort spricht vom Mangel. Wenn von „Mangel“ die Rede ist,
dann fallen uns eine Menge Dinge ein, die uns mangeln. Nur das
Allerallerwichtigste fällt den meisten nicht ein. Wir seufzen, weil uns die
kleinen Krawatten des Lebens fehlen, und dabei fehlt uns das Kleid, mit dem wir
vor Gott treten könnten.
Der
Apostel Paulus war anders. Wenn da von „Mangel“ die Rede war, dann sagte er das
Wort, das im 3. Kapitel des Römer-Briefes steht: „Wir ermangeln des Ruhmes, den
wir bei Gott haben sollten.“
Haben wir
eigentlich. schon recht bedacht, dass hier unser schlimmster Mangel ist? Was
hülfe es uns, wenn wir in dieser Welt alles hätten – und an jenem Tage müssten
wir nackt und bloß, schuldbeladen und unversöhnt vor den lebendigen,
schrecklichen Gott treten?
Jesaja
kannte diesen Mangel, als er sagte: „Nun sind wir allesamt wie die Unreinen,
und alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid.“
Es wäre
sehr gut, wenn wir unsere eigentliche Not sähen! Dann verständen wir das: „Mir
wird nichts mangeln.“ Tatsächlich! Wer den Herrn Jesus seinen Hirten nennen
kann, dem mangelt auch dies Wichtigste nicht mehr: das Kleid der Gerechtigkeit,
mit dem man vor Gott bestehen kann. „Er ist uns gemacht zur Gerechtigkeit.“
Ich
hatte nichts als Zorn verdienet
Und
soll bei Gott in Gnaden sein;
Gott
hat mich mit sich selbst versühnet
Und
macht durchs Blut des Sohns mich rein.
Wo
kam dies her, warum geschicht’s?
Erbarmung
ist's und weiter nichts.
17.
Juli
Du bereitest vor mir einen Tisch.
Psalm 23, 5
Da ist
Jahrmarkt! Die Händler haben ihre Tische aufgebaut und ihre Waren ausgebreitet:
„So, ihr Leute, nun kommt und glaubt, dass all die ausgebreiteten Waren
auserlesene Herrlichkeiten sind!“
Machen wir
es nicht auch so? Wir bauen gleichsam einen Tisch auf und breiten darauf aus
alle unsere Vorzüge und guten Werke: „Ich glaube an Gott“ und „Ich tue recht
und scheue niemand“. Wir breiten aus unsere Mildtätigkeit und alles das, was
wir für andere getan haben. Es ist eine ganze Menge, was wir so auszubreiten
wissen.
Wir
Menschen haben untereinander einen stillen Vertrag geschlossen, dass wir uns
gegenseitig unsere Auslagen anerkennen wellen. So meinen wir schließlich, Gott
müsse unseren „Tisch“ auch anerkennen.
Aber – das
ist das Furchtbare – er denkt nicht daran. „Ihr Tisch werde vor ihnen zum
Strick“ (Psalm 69, 23), sagt sein Wort so ernst. Er stößt uns unsern Tisch um
und zieht ans Licht, was wir hinter dem Tisch verborgen haben: all unsere Sünde
und Schuld und Flucht vor Gott.
Wäre es
nicht viel besser, wir würden auf dieses ganze Spiel mit unserem Tisch
verzichten? Wir können Gott ja doch nicht damit betrügen.
Wer es
aufgibt, seinen Tisch aufzustellen,
der erlebt: „Du bereitest vor mir
einen Tisch.“ Da liegen nicht mehr unsere Vorzüge und unsere Verdienste. Da ist
es etwas Besseres: Da sind die guten Werke und Verdienste unseres Herrn und
Heilandes. Und dieser „Tisch“, den Gott selbst bereitet hat, der hat ewige
Geltung.
Auf
dich setz ich mein Vertrauen,
Du
bist meine Zuversicht;
Dein
Tod hat den Tod zerhauen,
Dass
er mich kann töten nicht.
Dass
an dir ich habe teil,
Bringet
mir Trost, Schutz und Heil;
Deine
Gnade wird mir geben
Auferstehung,
Licht und Leben.
18.
Juli
Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und
an deine Güte, die von der Welt her gewesen ist!
Psalm 25, 6
Das ist ja
ein wunderliches Gebet! Muss man denn Gott an seine Barmherzigkeit erinnern?
Ist er denn so vergesslich, dass man ihn an seine Güte erinnern muss?
Nein! So
dürfen wir dieses Gebet, das aus höchster Not geboren, ist, nicht auffassen.
Wir
verstehen es nur, wenn wir uns – man verzeihe mir den Ausdruck! – die polare
Spannung im Herzen Gottes klarmachen.
Der eine
Pol im Herzen Gottes ist seine unerschütterliche Gerechtigkeit. Diese
Gerechtigkeit wacht über seinen Geboten. Sie kann keinen Frieden schließen mit
der kleinsten Sünde. Wir können im Gewissen einen alles durchdringenden
Eindruck bekommen von dieser Gerechtigkeit Gottes, wenn sein Zorn uns trifft.
Der andere
Pol im Herzen Gottes ist seine unergründliche Güte und Barmherzigkeit. Kinder
Gottes haben oft gerade in schwersten Zeiten einen überwältigenden Eindruck von
seiner Güte. Als Mose, der Mann Gottes, an das Ende seines Lebens gekommen war,
rief ihn Gott auf den einsamen Berg Nebo. Und dort starb er „am Munde Gottes“.
Und Gott selbst begrub ihn. Ich denke, dieses Sterben des Mose
war ein Versinken im Meer der Barmherzigkeit Gottes.
Diese
beiden Pole im Herzen Gottes kannte David, als er obiges Gebet rief. Er sieht
Gottes Zorn auf sich eindringen. Und da wendet er sich an Gottes
Barmherzigkeit. Vor dem zornigen Gott flüchtet er zu dem gnädigen Gott.
Es ist mir
keine Frage, dass David, der ein Prophet war, den Herrn Jesus Christus kannte.
Der ist der Ort, wo das geängstigte Gewissen Zuflucht findet vor dem Zorn der
Gerechtigkeit Gottes. In Jesus gedenkt Gott seiner ewigen Barmherzigkeit.
Mein
treuer Hirte, sei mir nah,
Steh
immer mir zur Seiten,
Und
wenn ich irre, wollst du ja
Mich
wieder zu dir leiten.
19.
Juli
Seid nicht wie Rosse und Maultiere, die
nicht verständig sind, weichen man Zaum und Gebiss muss ins Maul legen, wenn
sie nicht zu dir wollen.
Psalm 32, 9
Es ist
sehr viel Leid in der Welt. Auch in unserem Leben.
Aber nun
ist es doch wohl so: Sehr vieles, was wir als Leid und Not ansehen, wäre es gar
nicht, wenn wir nicht unverständig wären – wie Rosse und Maultiere.
Ein
Beispiel aus der Kinderstube soll es deutlich machen.
„Margret“,
sagt die Mutter, „komm, wir gehen zusammen spazieren.“ „Ich will aber nicht“,
sagt Margret, „ich will mit meinen Puppen spielen.“ „Aber du musst an die
frische Luft!“ sagt die Mutter und nimmt ihr Kind einfach mit. Das heult,
zappelt und ist sehr unglücklich.
Mit Recht?
Nein, es ist doch wirklich nicht schwer, mit der Mutter spazieren zu gehen. Nur
der eigene trotzige Wille macht daraus ein Leid.
Ist's mit
uns nicht oft auch so? Gott führt unser Leben, wie er will. Gewiss – er führt wunderlich. „Er führt in die Hölle und
wieder heraus.“ Wenn wir jetzt als in Christo versöhnte Kinder recht willig und
gehorsam mit ihm gingen, wäre alles leicht.
Aber – wir
haben unsere eigenen Pläne. Nun muss Gott uns zwingen. Da weinen und zappeln
Fleisch und Blut und rebellieren und widerstreben. Und die närrische Vernunft
sucht Gott klarzumachen, dass er mit uns auf dem falschen Wege sei. So kommt
Leid in unser Leben, wo Gott seinen Segen bereit hatte.
Gäben wir
uns gelassen in seinen Willen, so wäre manche Zeit, die wir für eine
Leidenszeit ansehen, eine Segenszeit. „Glaub' nur feste, / Dass das Beste /
Ober dich beschlossen sei. / Wenn dein Wille / Nur ist stille, / Wirst du von
dem Kummer frei.“
Meine
Seele murret nicht,
Ist
mit allem wohl zufrieden;
Was
der eigne Wille spricht,
Ist
zum Tode schon beschieden;
Was
die Ungeduld erregt,
Ist
in Christi Grab gelegt.
20.
Juli
Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen
Nöten.
Psalm 34, 7
Wer ist „dieser“,
der so herrliche Gebetserhörungen erlebte? Und wie kam er dazu?
„Dieser“
Mann ist David. Und er machte darum so wunderbare Erfahrungen, weil er seinem
himmlischen Herrn wirklich alles Gute zutraute.
Das können
wir so fein sehen in der Geschichte von Goliath. Alles fürchtete den
schrecklichen Riesen. Nur der Knabe David war bereit, mit ihm zu kämpfen. Als
er gewarnt wurde, antwortete er: „Der Gott, der mich von den Bären und Löwen
errettete, der wird mich auch erretten von diesem Philister.“
Unsere
Gebete sind oft wie geknickte Pfeife. Wir beten wohl. Doch die Vernunft spricht
dazwischen: „Du kannst es ja mal versuchen. Aber es wird wohl nicht viel
helfen.“
Wir trauen
dem Herrn nicht recht zu, dass er Wunder tun könne. Und wenn wir ihm das auch
zutrauen, dann glauben wir doch nicht recht, dass er auch helfen wolle.
So fehlt
unserem Gebet die Kraft des Glaubens. Wir dürfen uns dann nicht wundern, wenn
der Herr auf solches Gebet des Unglaubens nicht antwortet.
„Dieser Elende“, dieser David, hat es
anders gemacht. Er hat wohl zuerst recht erwogen, ob er seine Bitte vor Gott
bringen dürfe, ob sie auch nach seinem Willen sei. Aber als er darüber klar
war, da hat er sich voll Vertrauen in Gottes Arme geworfen. Und er ist mit
diesem kindlichen Glauben nicht zuschanden geworden.
So wollen
auch wir beten lernen.
Dem
Herren musst du trauen,
Wenn
dir's soll wohlergehn;
Auf
sein Werk musst du schauen,
Wenn
dein Werk soll bestehn.
Mit
Sorgen und mit Grämen
Und
mit selbsteigner Pein
Lässt
Gott sich gar nichts nehmen.
Es muss
erbeten sein.
21.
Juli
Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half Ihm aus allen seinen
Nöten.
Psalm 34, 7
Es gibt
sehr viele Menschen, die überall zu erzählen wissen, wie das Christentum sie
enttäuscht habe. „Ich habe auch einmal gebetet“, heißt es da, „aber es hatte
doch keinen Wert.“
Hier im
34. Psalm erzählt David von gegenteiligen Erfahrungen. Er berichtet von
wunderbaren Gebetserhörungen. Und wir tun gut, auf solche Berichte zu hören;
denn da können wir lernen, wie man recht beten soll.
„Ich rief“,
sagt David.
Das ist
etwas sehr Wichtiges. Er wünschte nicht nur etwas. Er gab auch nicht diesen
Wünschen nur eine allgemeine Richtung auf Gott. Nein, er brachte die Sache
wirklich vor den Herrn. Er ging in sein Kämmerlein, schloss die Türe hinter
sich zu und redete mit seinem himmlischen Vater im Verborgenen.
Und zwar
war dies Reden ein sehr ernst gemeintes Reden. David berichtet nicht: „Ich
sprach“ oder „Ich sagte“. Nein, sondern: „Ich rief“. Die Tonstärke gab nicht so
sehr der Mund an als vielmehr das Herz.
So hat es
Jesus in seinen Erdentagen auch gemacht: „Jesus rief laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine
Hände!“
So lehrt
uns auch der Heilige Geist beten. Paulas sagt: „Wir haben einen kindlichen
Geist empfangen, durch welchen wir rufen:
Abba, lieber Vater.“ Und im 50. Psalm fordert uns der Herr auf: „Rufe mich an in der Not, so will ich
dich erretten.“
Es bleibt
schon so – und viele Knechte Gottes haben die Wahrheit dieses Wortes erfahren: „Des
Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
Wenn
dies aus meinem Herzen schallet
Durch
deines heil'gen Geistes Kraft und Trieb,
So
bricht dein Vaterherz und wallet
Ganz
brünstig gegen mich vor heißer Lieb',
Dass
mir’s die Bitte nicht versagen kann,
Die
ich nach deinem Willen hab' getan.
22.
Juli
Herr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht
verborgen.
Psalm 38, 10
Wenn ich
von einer Reise zurückkehre, dann herrscht in meinem Koffer meistens eine große
Unordnung. Wild durcheinander liegen Kleider und Mitbringsel und Wäsche und
Bücher. Und ich bin immer froh, wenn ich bei der Heimkehr jemand finde, der das
alles auseinander liest und in Ordnung bringt.
Daran musste
ich denken, als ich dies Wort des Psalmsängers David las: „Alle meine Begierde
ist vor dir.“ Das ist ja, als wenn David einen großen Sack einfach ausleert,
als wenn er so einen Koffer einfach umstürzt.
Welch ein
Durcheinander von Begierden herrscht in unserem Inwendigen! Da sind edle
Begierden: Man möchte doch im Leben etwas recht Nützliches leisten! Aber gleich
daneben ist eine abscheuliche Begierde: Man möchte gern eine Rolle spielen, man
möchte bewundert sein.
Da ist
vielleicht das Verfangen, ein recht guter Mensch zu sein. Aber gleich daneben
sind schmutzige Begierden, die uns quälen und herunterziehen.
Man möchte
Gott dienen. Aber diese Begierde wird überwuchert von niedrigen Begierden.
All das
leert David aus vor dem Herrn Jesus. Er lässt seinen Heiland so recht sein
innerstes sehen und bittet: „Herr, ordne du meine Begierde! Töte und verwirf,
was dir nicht gefällt! Und nimm hin und heilige, was du in mir sehen willst!“
Das
Innerste muss vor dem Herrn Jesus aufgeschlossen werden. So wird er der Herr
unseres Lebens.
Entdecke
alles und verzehre,
Was
nicht in deinem Lichte rein,
Wenn
mir's gleich noch so schmerzlich wäre;
Die
Wonne folget nach der Pein:
Du
wirst mich aus dem finstern Alten
in
Jesu Klarheit umgestalten.
23.
Juli
Herr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht
verborgen.
Psalm 38, 10
Der 38.
Psalm spricht eine Sprache, die für die oberflächlichen Menschen der Gegenwart
geradezu erschreckend ist.
Gottes
Gericht ist über David hereingebrochen wie ein Sturm: „Deine Pfeile stecken in
mir… Ich heule vor Unruhe meines Herzens.“
Er muss
fliehen vor dem schrecklichen und zornigen Gott. Und dabei sagt ihm sein
Gewissen, dass dieser Zorn Gottes so unheimlich berechtigt ist. „Meine Sünden
gehen über mein Haupt. Wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden.“
David muss
fliehen vor Gott. Ja, wohin denn in aller Welt? Wo wäre denn wohl ein Platz,
wohin man vor Gott fliehen könnte?! Im 139. Psalm heißt es: „Führe ich gen
Himmel, so bist du da. Bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist du auch
da.“
Wohin soll
man fliehen vor Gottes Zorn?
David weiß
einen Platz. Es klingt seltsam. Aber es ist so. Er flieht vor Gott – zu Gott.
Er flieht vor dem Zorn Gottes zu Jesus. Denn nur in Jesus ist Gottes Gnade
erschienen.
Das gibt
diesem Psalm seine Gewalt, dass hier ein Mensch spricht, dem das Evangelium
nicht eine Theorie ist. Nein! Er erlebt das süße Evangelium. Noch zitternd
birgt sich sein erschrockenes Gewissen bei dem Heiland.
John
Wesley saß einst am offenen Fenster. Da schoss eine Taube herein, die von einem
Habicht verfolgt wurde, und barg sich an seiner Brust. Das wurde Wesley zum Anlass,
dass er das Lied dichtete: „Jesus, Heiland meiner Seelen, / Lass an deine Brust
mich fliehn, / Da die Wasser näher rauschen / Und die
Wetter höher ziehn.“ Wohl dem, der diese Zuflucht
kennt!
Ich,
dein betrübtes Kind,
Wert
alle meine Sünd,
So
viel ihr'r in mir stecken
Und
mich so heftig schrecken,
In
deine tiefen Wunden,
Da
ich stets Hei! gefunden.
24.
Juli
Herr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht
verborgen.
Psalm 38, 10
Es ist
doch merkwürdig, wie wenig im Grunde die Welt sich geändert hat seit Davids
Zeiten: „Mein Seufzen …“ Die Weit ist erfüllt mit Seufzen. Woher kommt das
eigentlich?
Treffe ich
da eine kleine Schülerin. Sonst sah ich sie immer nur lachen und fröhlich
herumspringen. Nun war sie ganz bedrückt und seufzte zum Erbarmen. „Was ist
denn los?“ frage ich bestürzt. „O, wir schreiben morgen in der Schule eine
Mathematik-Arbeit. Und das kann ich nicht.“
Ich musste
lächeln über diese kleine Not. Doch daran ging mir auf, warum wir so viel
seufzen müssen: Es wird mehr von uns gefordert, als wir leisten können.
Da steht
das Gesetz Gottes. Ja, das sollten wir erfüllen. Aber die Kraft dazu ist nicht
da. Und wir bleiben von Tag zu Tag im Rückstand und werden schuldig, und das
Gewissen muss seufzen.
Da werden
wir in schwierige Verhältnisse gestellt. Wir müssen zusammenleben mit Menschen,
die uns unsympathisch sind. Wir sollten uns erweisen als Kinder Gottes in Liebe
und Sanftmut. Aber – es will an keinem Tag gelingen.
Da wird
ein Leid auf uns gefegt. Wir wollen es gern tragen, weil wir wissen, dass ohne
den Willen unseres himmlischen Vaters kein Haar von unserm Haupt fällt. Aber – es
ist zu schwer zum Tragen.
Immer ist
es so: Es wird mehr gefordert, als wir vermögen. Und so kommt es zum Seufzen.
„Mein
Seufzen ist dir nicht verborgen“, sagt David. Und damit zeigt er uns einen
köstlichen Weg. Wir dürfen vor unserm Heiland seufzen. Wir dürfen unser
Unvermögen und unsere Kraftlosigkeit vor ihn bringen. Er ist noch immer der „Heiland“.
Meiner
Seele Wohlergehen
Hat
er ja reicht wohl bedacht;
Will
dem Leibe Not entstehen,
Nimmt
er's gleichfalls wohl in acht.
Wenn
mein Können, mein Vermögen
Nichts
vermag, nichts helfen kann,
Kommt
mein Gott und hebt mir an,
Sein
Vermögen beizulegen.
Alles
Ding währt seine Zeit,
Gottes
Lieb in Ewigkeit.
25.
Juli
Es haben mich meine Sünden ergriffen.
Psalm 40, 13
Wir haben
doch schon alle einen Filmstreifen für den Fotoapparat gesehen. Auch wenn er
belichtet war? Was sah man denn da? Gar nichts! Solcher Film sieht einfach
schwarz aus. Aber wenn man ihn nun in den Entwickler legt, dann tritt auf einmal
das Bild hervor. Und zwar umso deutlicher, je länger der Entwickler wirkt.
Unser
Leben gleicht so einem Film. Viele Dinge sind verborgen. Aber in der Nähe
Gottes wird der, Film unseres Lebens entwickelt. Und dann treten Bilder heraus,
vor denen wir erschrecken: Unsere Sünde wird offenbar.
Solange
wir fern von Gott sind, ist es uns unerträglich, dass die Bibel immer von „Sünde“
redet. Doch das wird sofort anders, wenn wir in Gottes Nähe kommen. Dann geht
es uns wie dem Sänger des Psalms: „Meine Sünden haben mich ergriffen.“
So war es
auch bei jenen Leuten, die einst eine Ehebrecherin zu Jesus schleppten. Voller
Entrüstung klagten sie sie beim Herrn an: „Diese Frau muss nach dem Gesetz gesteinigt
werden. Was sagst du dazu?“
„Ja“,
sagte Jesus, „das ist so! Und wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“
Damit bückte er sich und schrieb in den Sand. Als er wieder aufschaute, stand
nur noch das Weib allein da. Alle anderen waren davongegangen, „von ihrem
Gewissen überführt“.
In Jesu
Gegenwart war der Film ihres Lebens in den Entwickler geraten. Und da sahen
sie, was an ihnen war: „Meine Sünden haben mich ergriffen.“ Schleunigst liefen
sie davon. Denn sie entsetzten sich bei dem Gedanken, weiche Bilder dieser
Entwickler in ihrem Herzen noch erwecken könnte.
Einmal
müssen wir vor Gott stehen. Wenn wir es hier nicht wollen, dann wird es am
Jüngsten Tage sein. Einmal wird der Film unseres Lebens entwickelt werden.
Erbarm
dich mein in solcher Last,
Nimm
sie aus meinem Herzen,
Dieweil
du sie gebüßet hast
Am
Holz mit Todesschmerzen,
Auf
dass ich nicht vor großem
Weh
In meiner Sünde untergeh
Und
ewiglich verzage.
26.
Juli
Ich bin arm und elend; der Herr aber sorgt
für mich. Du bist mein Helfer und Erretter.
Psalm 40, 18
Als ich an
einem Hause vorübergehe, höre ich, wie da jemand am Klavier übt: Tonleitern!
Immer hinauf und wieder hinunter! Unermüdlich.
Ich gehe
weiter und höre sie noch lange hinter mir her, die
Tonleitern. Sie zwingen mich, dass ich mich mit ihnen beschäftige.
Ist nicht
ein jedes Menschenleben auch eine Tonleiter? Und zwar eine Tonleiter, die von
oben nach unten geht. Mit hellen, jubelnden Tönen zieht der junge Mensch in das
Leben hinaus. Er hat große Pläne. Sein Herz ist voll Jugendkraft. – Wenn man
dann in die mittleren Jahre kommt, wo man die Last des Lebens tragen muss,
werden die Töne etwas gedämpfter. – Und wenn man schließlich alt geworden ist,
dann sind es nur noch dunkle, stumpfe Töne voll Verzicht und Enttäuschung.
Das Leben
ist eine Tonleiter von oben nach unten! Das ist „das Normale“. Und darum ist es
sehr zum Verwundern, dass es bei den Menschen der Bibel, ja, bei allen Kindern
Gottes ganz anders zugeht. Auch bei ihnen ist das Leben eine Tonleiter. Aber
eine Tonleiter, die von unten nach oben geht. Die Tonleiter von unten nach oben
wird geradezu zur Lebensmelodie der Christen.
„Ich bin
arm und elend“, sagt David. Jawohl, so in die Tiefe führt der Herr immer wieder
seine Lieblinge. Doch bei diesen traurigen Tönen bleibt es nicht. „Aber…“ Nun
steigt die Tonleiter auf. „… der Herr …“ Es wird schon viel heller, wenn wir
wieder den Blick frei haben auf ihn.
„… sorgt
für mich!“ Zurück bleiben alle Angst und Furcht. Er führt, sorgt, trägt! Diese
Erfahrung führt zum hellen Lobgesang: „Du bist mein Helfer und Erretter!“
Eine
Tonleiter von unten nach oben ist ein Christenleben! Die hellsten hohen Töne
werden am Ziel einst gesungen werden.
Mit
Christi Waffen trotz ich den Gefahren,
Dir,
Hölle, Sünd und Tod und euren Scharen.
Uns
wird bewahren, seine treuen Knechte,
Des
Herren Rechte.
27.
Juli
Herr, kehre dich doch wieder zu uns!
Psalm 90, 13
Als ich
noch zur Schule ging, hatten wir im Französisch-Unterricht einen Lehrer, den
wir alle sehr verehrten. Und darum ist es mir selber unbegreiflich, dass ich
diesem Mann eines Tages einen dummen Streich spielte. Vielleicht war es
Wichtigtuerei. Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass die Bosheit unseres
Herzens uns zu Taten verführt, die wir selber verabscheuen.
Jedenfalls
hatte ich ihn sehr gekränkt.
Furchtbar
aber war es nun, wie er darauf reagierte. Er sagte gar nichts. Wirklich gar
nichts. Doch er behandelte mich von diesem Tage an, als sei ich überhaupt nicht
vorhanden. Er fragte mich nichts mehr. Er schaute mich nicht an. Er korrigierte
meine Hefte nicht mehr.
Ein paar
Tage lang habe ich das ausgehalten. Dann war meine Verzweiflung übermächtig. „Tun
Sie, was Sie wollen!“ bat ich ihn. „Aber wenden Sie sich mir wieder zu!“
Die
meisten Menschen wissen nicht, dass wir dem lebendigen Gott gegenüber in
dieselbe Lage kommen können. Gottes Gerichte bestehen darin, dass er uns „dahingibt“.
So sagt der Römer-Brief. Dann dürfen wir tun, was wir wollen. Gott hat uns
nichts mehr zu sagen. Und ich denke mir, dass am Ende die Hölle so aussieht. „Es
ist der Ort“, hat einmal jemand gesagt, „wo Gott nicht mehr hinschaut.“
Das hat
der Psalmist begriffen. Er ist sehr erschrocken. Und darum fleht er: „Herr,
kehre dich doch wieder zu uns!“ Es ist gut, wenn wir so beten lernen, ehe es zu
spät ist. Dazu muss man seine Lage erkennen.
Zu
dir flieh ich; verstoß mich nicht,
Wie
ich's wohl hab verdienet.
Ach
Gott, zürn nicht, geh nicht ins G’richt,
Dein
Sohn hat mich versöhnet.
28.
Juli
Die gepflanzt sind im Hause des Herrn,
werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen.
Psalm 92, 14
Ein Junge
und seine Schwester bekamen von ihrem Vater, der einen großen Garten hatte,
jedes ein eigenes Beet. Da durften sie anpflanzen, was sie wollten. Nun wurden
mit großem Eifer zunächst Stiefmütterchen gesetzt.
Am
nächsten Tage lagen die Pflanzen, die der Junge gesetzt hatte, elend und verwelkt
im Beet.
Wie kam
das? – Der Junge hatte seine Arbeit sehr oberflächlich gemacht. Er hatte die
armen Pflanzen nur eben in den Boden gedrückt, ohne sie richtig einzupflanzen.
Was aber nicht richtig gepflanzt ist, kann auch nicht richtig wachsen.
Das gilt
auch für das geistliche Leben. Wer nicht wirklich gepflanzt ist im Garten
Gottes, kann auch nicht richtig wachsen und grünen zu seiner Ehre.
Mit
anderen Worten: Wenn unser Christenstand nicht eine armselige Stümperei sein
soll, dann muss unsere Bekehrung eine gründliche sein. In ihr muss Gott zu
seinem Recht und zur vollen Auswirkung seiner Stärke gekommen sein, dass es
wirklich zu einer Wiedergeburt kam.
Eine
Gemütsbewegung ist noch keine Bekehrung. Und ein starker religiöser Eindruck
ist noch keine, Wiedergeburt. Und ein toter Kopfglaube oder ein wenig
bürgerliche Moral sind noch kein Christenstand.
Errettet
von der Obrigkeit der Finsternis – gepflanzt im Garten Gottes, wiedergeboren
aus Gott! Das sind große Wirklichkeiten. Sie machen uns zu rechten Christen.
Mach
in mir deinem Geiste Raum,
Dass
ich dir werd' ein guter Baum,
Und
lass mich Wurzel treiben;
Verleihe,
dass zu deinem Ruhm
Ich
deines Gartens schöne Blum'
Und
Pflanze möge bleiben.
29.
Juli
Der Herr weiß die Gedanken der Menschen.
Psalm 94, 11
Es gibt
ein kleines lustiges Verslein. Der Mann, der es schrieb, war sicher ein guter
Menschenkenner.
Das Verslein
lautet: „Wenn jeder hätt' an seiner Stirn / Von Glas
ein Fensterlein, / Dahinter die Gedanken schwirr'n, /
Dass man könnt seh'n hinein: / Was gäb' das für ein wildes Laufen, / Um matte Scheiben
einzukaufen.“
Es ist
eine geradezu unheimliche Vorstellung, die Menschen könnten einander die
Gedanken ansehen. Da sitzen dann z. B. zwei Kaufleute zusammen und reden
höflich miteinander. Wie würde ihnen zumute, wenn auf einmal einer dem andern
an der Stirn den Gedanken abläse: „Dich werde ich doch übers Ohr hauen.“
Oder: Da
sitzt ein junger Mann einem Mädchen gegenüber. Sein Mund redet glatte Worte. Wie, wenn auf einmal die Gedanken des jungen
Mannes an seiner Stirn ständen? Da würde offenbar, dass sein Herz anders denkt,
als der Mund redet.
Wie ist
die Bibel aber nun ein unheimliches Buch! Sie sagt uns: Da ist einer, vor dem
hast du „an der Stirn ein Fensterlein“. „Der Herr kennt die Gedanken der Menschen.“
Und es gibt keine Möglichkeit, sich vor ihm zu verbergen.
Wem das
zum ersten Mal aufgeht, der mag wohl in den Tod erschrecken. Dem vergeht das
selbstsichere Reden, dass man doch gut und kein Sünder sei.
Wer seine
Gedanken vor dem heiligen Gott offenbar weiß, der wird froh, dass es einen
Heiland gibt, von dem es heißt: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes,
macht uns rein von aller Sünde.“
Und der
wird von Herzen beten lernen: „Herr, heilige auch meine Gedanken, und lass
deinen Heiligen Geist all mein Denken regieren.“
Durch
dein unschuldig Blut,
Vergossen
mir zugut,
Wasch
ab all meine Sünde,
Mit
Trost mein Herz verbinde
Und
ihrer nicht gedenke,
Ins
Meer sie tief versenke.
30.
Juli
Deine Kinder werden dir geboren wie der Tau aus der Morgenröte.
Psalm 110, 3
Ein
wundervolles Bild für das, was im Reiche Gottes geschieht!
Wie Tau!
Ganz still und heimlich, während die ganze
Welt noch im Schlafe liegt, senkt sich der Tau herab. So still und heimlich
geschieht die Wiedergeburt eines Menschen, durch die er errettet wird aus der
Obrigkeit der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes Gottes. Die Welt
schläft in ihrem Todes- und Sündenschlaf und versteht nicht, was da neben ihr
vorgeht.
Sehr geheimnisvoll ist das Werden des Taues.
Es gibt mancherlei sich widersprechende Erklärungen, wie der Tau entstehe. Es
liegt ein Geheimnis darüber. So ist es auch mit der Wiedergeburt eines
Menschen. Jesus sagt zu Nikodemus: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst
sein Sausen wohl; aber du weißt nicht; woher er kommt und wohin er fährt. Also
ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.“
Wir haben
uns auch manchmal am Tau geärgert: wenn wir frühmorgens auf eine Wanderung
zogen und die Feldwege und Wiesen taunass waren. Aber das hinderte den Tau
nicht, doch jeden Morgen zu kommen. Er kommt ungehindert und fragt nicht, ob er uns willkommen sei. So ist es
mit dem Wachstum des Reiches Gottes. Die Welt ärgert sich daran. Aber sie kann
es doch nicht hindern, dass „ihm Kinder geboren werden“.
Von oben kommt der Tau. Ja, von oben geschieht alle Einfügung in Gottes Reich.
Von oben kommt alle Wiedergeburt.
Und auch
das muss gesagt werden, dass der Tau erquickend
ist. Und so ist es für die arme Weit im Grunde erquickend, wenn aus Sündern
Kinder Gottes werden. Es handelt sich ja um neues Leben aus Gott.
Er
hat uns ferner wohlbedacht
Und
uns zu seinem Volk gemacht,
Zu
Schafen, die er ist bereit
Zu
führen stets auf guter Weid.
31.
Juli
Wer ist wie der Herr, unser Gott, der sich
so hoch gesetzt hat und auf das Niedrige sieht …; der den Geringen aufrichtet
aus dem Staube und erhöht den Armen aus dem Kot?
Psalm 113, 5 und 6
Ein großes
Staunen spricht aus diesem Wort.
Wie ganz
anders ist doch der lebendige Gott als wir Menschen: Je höher ein Mensch
gekommen ist, desto weniger kann er sich kümmern um die Kleinigkeiten. Je
erhabener er ist, desto weniger sieht er „das Niedrige“. Wie könnte etwa der
Generaldirektor eines großen Industriewerkes sich kümmern um den kleinen
Laufjungen! Es ist unmöglich, dass der Divisionsgeneral jeden kleinen Rekruten
beachtet.
Ganz
anders ist es bei unserem Gott! „Er hat sich hoch gesetzt und sieht auf das
Niedrige.“
Es gibt in
der lateinischen Sprache das Wort „despicere“. Dies
Wort heißt seinem Stamm und seiner wörtlichen Bedeutung nach: „herabsehen“.
Aber es ist doch bezeichnend, dass dieses selbe Wort in der lateinischen
Sprache den Sinn bekommen hat von „verachten“.
Das ist
bezeichnend für die Art des Menschen. „Herabsehen“ und „verachten“ ist für ihn
dasselbe.
Wie anders
ist es bei unserem Gott! Wenn einer „herabsehen“ kann, dann ist er es. Und
doch: Gott verachtet uns nicht. Bei ihm heißt „herabsehen“ nicht „verachten“,
sondern wunderbarerweise ebensoviel wie „lieben“ und „erretten“.
Nun
verstehen wir das Staunen des Psalmisten. Je mehr wir die Größe, Macht und
Herrlichkeit unseres Gottes erkennen, je deutlicher uns in seinem Lichte unsere
Niedrigkeit wird, desto unbegreiflicher und wunderbarer ist uns sein gnädiges
Herabsehen in Jesus Christus, durch den er uns aufrichtet und erhöht.
Von
Gott kommt mir ein Freudenlicht,
Wenn
du mit deinem Angesicht
Mich
freundlich tust anblicken.
1.
August
Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib
Ehre.
Psalm 115, 1
Wir wissen
nicht, von wem der 115. Psalm gedichtet wurde. Aber es muss ein gewaltiger Mann
voll Heiligen Geistes gewesen sein. Denn gleich im ersten Vers stoßen wir auf
das Granitgestein biblischer Weltanschauung. Und damit ist dieser erste Vers
eine krasse Absage an die Denkweise dieser Welt.
Hier geht
es immer und überall um die Ehre des Menschen. Wie viel Streit ist in der Welt
entstanden, weil Menschen meinten, ihre Ehre sei angetastet! Wie glücklich sind
wir, wenn wir da oder dort geehrt werden! Wie viel Mühe verschwenden wir
darauf, angesehene und geehrte Leute zu werden! Ja, so ist die Art des
natürlichen Herzens.
Es ist
interessant, dass schon eine der allerersten Erzählungen der Bibel vom Turmbau
zu Babel berichtet. Da sprachen die Menschen: „Wohlauf, lasst uns eine Stadt
und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen!“
Das ist in
der Tat das geheime und offene Anliegen unseres Herzens.
Wie man
nun aber ein giftiges Gewürm mit einem Felsblock zerschmettert, so
zerschmettert das erste Wort des 115. Psalmes solches
Denken. „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre.“
Es geht ja
gar nicht um unsere Ehre. Es geht um die Ehre des lebendigen, dreieinigen
Gottes. Wie lächerlich ist das Streben nach Ehre beim Menschen, der doch eine
vergängliche Blume ist, die verwelkt. „… und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.“
Wie lächerlich ist das Streben nach Ehre, wo wir in Gottes Augen immer nur
Sünder sind, die Gnade bedürfen.
„Nicht
uns, Herr …!“ „Dein Name werde geheiligt!“ Deine Ehre werde erhöht!
Halleluja!
Gott zu loben,
Bleibe
meine Seelenfreud.
Ewig
sei mein Gott erhoben,
Meine
Harfe ihm geweiht.
Ja,
solang ich leb und bin,
Dank,
anbei und preis ich ihn.
2.
August
Er segnet, die den Herrn fürchten.
Psalm 115, 13
Was heißt
denn das: „segnen“?
Am
Gegenteil kann es uns deutlich werden:
Da hat
Kain seinen Bruder Abel erschlagen. Kein Mensch hat es gesehen. Aber auf einmal
tritt ihm erschreckend Gott in den Weg: „Wo ist dein Bruder Abel?“ Kain setzt
eine trotzige Gebärde auf: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“
Da sagt
ihm Gott das furchtbare Wort: „Verflucht seiest du auf der Erde … Wenn du den
Acker bauen wirst, soll er dir hinfort sein Vermögen nicht geben. Unstet und
flüchtig sollst du sein auf Erden.“
Ein
ungesegnetes Leben! Da kann man sich abrackern und mühen – es ist, als wenn
eine geheime Hand einem entgegenstünde. Und das Herz ist friedlos, „unstet und
flüchtig“.
Auch
Christen kennen solche Tage, wo gar nichts „klappen“ will; wo alles verkehrt
läuft; wo man schließlich auf alle Menschen und die Verhältnisse ärgerlich
wird; wo man weinen möchte über das alles.
Da gibt es
nur eines: dass man sich auf Gottes Verheißung besinnt, dass „er segnet, die
den Herrn fürchten“. Und da lässt man am besten alles liegen und stehen und
geht in die Stille und schüttet ihm das Herz aus und bittet ihn um Segen. Er
hat ja selbst gesagt: „Es soll mir eine Lust sein, dass ich ihnen Gutes tue.“
Sein
Segnen besteht vor allem darin, dass er unser unstetes und friedeloses Herz zur
Ruhe bringt, indem er uns durch den Heiligen Geist der Vergebung der Sünden
durch Jesus versichert.
Wie
köstlich ist auch der dunkelste Alltag, wenn er unter des
Herrn segnenden Händen steht!
Mit
Segen mich beschütte,
Mein
Herz sei deine Hütte,
Dein
Wort sei meine Speise,
Bis
ich gen Himmel reise.
3.
August
Ich bin gelehrter denn alle meine Lehrer;
denn deine Zeugnisse sind meine Rede. Ich bin klüger denn die Alten.
Psalm 119, 99 und 100
Ist das
nicht ein unglaublich hochmütiges Wort?
Nein!
Nicht ein hochmütiges, sondern ein hochgemutes Wort.
So
hochgemut ist der, den der Heilige Geist im Wort der Bibel unterweist.
Es ist ja
nichts gegen die „Lehrer“ und gegen die „Alten“ gesagt. Gottes Wort befiehlt
uns ja selbst, die Lehrer und Älteren zu ehren.
Was können
uns denn die Lehrer und die Alten, von denen der Psalmist hier redet, geben?
Nun, sehr
viel! Die Lehrer geben uns Weisheit. Das ist sehr nützlich. Ein dummer und
träger Mensch kann dem göttlichen Befehl nicht nachkommen: „Machet euch die
Erde untertan!“
Und die
Alten geben uns Erfahrung. Wir stehen alle auf den Schultern derer, die vor uns
waren. Es ist Torheit, ihre Erfahrung zu verachten.
Der
Psalmist will nichts sagen gegen Weisheit und Erfahrung. Aber das sagt er: Ich
kann eine Menge Erkenntnis haben; ich kann eine reiche Erfahrung mein eigen
nennen – doch bin ich immer noch ein Tor in göttlichen Dingen.
Die wahre
Weisheit und die tiefste Erfahrung, die zur Seligkeit dienen, finden wir erst
in den göttlichen Zeugnissen der Heiligen Schrift.
Wer sie
hat, ist gelehrter als alle Lehrer und klüger als die erfahrensten
Alten.
Du
heiliges Licht, edler Hort,
Lass
uns leuchten des Lebens Wort,
Und
lehr uns Gott recht erkennen,
Von
Herzen Vater ihn nennen.
O
Herr, behüt vor fremder Lehr,
Dass
wir nicht Meister suchen mehr
Denn
Jesum mit rechtem Glauben
Und
ihm aus ganzer Macht vertrauen.
Halleluja,
Halleluja.
4.
August
Der Name des Herrn Ist ein festes Schloss;
der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt.
Sprüche 18, 70
Als der
Riese Goliath den kleinen David sah, hat er eine gewaltige Lästerrede getan.
David hat ihn gelassen angehört und ihm dann eine feine Antwort gegeben: „Du
kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des
Herrn Zebaoth.“
Ob der
Goliath wohl merkte, dass David sprach wie einer, der aus einem uneinnehmbaren Schloss
herausruft?
Ich denke
wohl! Denn die Welt und die Hölle fürchten den Namen unseres Herrn und Gottes
Jesus Christus. Dieser Name ist eine gewaltige Macht und ein großer Trost für
alle Kinder Gottes.
Vor Jahren
erschien das Buch „Briefe aus der Hölle“. Darin war eine erschütternde Szene
geschildert: Die Verdammten sitzen im Reich der Finsternis und denken verzweifelt
nach. Worüber? „Es gibt“, sagen sie, „einen mächtigen Namen. Wenn wir diesen
Namen anrufen könnten, dann könnten wir selbst aus der Hölle noch errettet werden.
Aber – wir können uns auf diesen Namen nicht mehr besinnen.“
Solange
wir diesen Namen kennen und anrufen, ist uns geholfen. Das wird allerdings das
Gericht über die Verächter des Namens „Jesus“ sein, dass das „feste Schloss“
seine Tore verriegelt hat für die, die nicht hinein wollten, als die Tore offen
standen.
Uns stehen
die Tore offen. So wird dieser Name hier schon von vielen gepriesen. Wie wird
dieser Name erst gelobt werden in der Ewigkeit von der vollendeten Gemeinde!
Jesus
ist der schönste Nam’
Aller,
die auf Erden kamen,
Huldreich,
prächtig, tugendsam,
Ober
alle andre Namen.
Seiner
großen Herrlichkeit
Gleicht
kein Name weit und breit.
5.
August
Wenn du den Narren im Mörser zerstießest mit
dem Stempfel wie Grütze, so ließe doch seine Narrheit
nicht von ihm.
Sprüche 27, 22
Es wird
wohl allen gleich gehen, die dies seltsame Wort des Salomo lesen: Man muss
lachen. Und dann sagt man: „Das ist wirklich wahr.“ Denn es sind einem gleich
ein paar Leute eingefallen, auf die dies köstliche Wort so schön passt.
Und seht! –
nun hat man's falsch gehört und missverstanden. Die Worte der Bibel sind Pfeile
Gottes gegen unser eigenes Gewissen. Und dass dies gar kein neckisches und
lustiges Wort ist, sondern vielmehr ein ganz unheimliches, ernstes, das geht uns
sofort auf, wenn wir das Gegenstück dazu aus dem Neuen Testament lesen. Es
steht Offenbarung 9 und redet von den „letzten Zeiten“: „Und von diesen … Plagen
ward getötet der dritte Teil der Menschen, von dem Feuer und Rauch und
Schwefel. Und die übrigen Leute, die nicht getötet wurden von diesen Plagen,
taten nicht Buße für die Werke ihrer
Hände, dass sie nicht anbeteten die Teufel und die Götzen … und taten auch
nicht Buße für ihre Morde, Zauberei, Hurerei und Dieberei.“
Das heißt:
„Wenn du den Narren im Mörser zerstießest, so ließe doch seine Narrheit nicht
von ihm.“ Auch in Jesaja 1 ist von solcher Narrheit die Rede: „Ein Ochse kennt
seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht … Was soll man weiter an euch schlagen, so ihr
des Abweichens nur desto mehr macht?“
Unsere
Narrheit – das ist unser ganzes altes, natürliches Wesen, das dem lebendigen
Gott ein Gräuel ist. Damit quälen wir uns selbst und sind anderen eine Last.
Ach Gott – wir sind die Narren,
denen nicht zu helfen ist!
Nicht zu
helfen?! O doch! Gott hat eine große
herrliche Möglichkeit der Rettung und Hilfe gegeben. Die heißt: „Jesus
Christus, für uns gestorben und auferstanden“. Nun brauchen wir nicht Narren zu
bleiben. „Nun hat Gott auch den Heiden Buße gegeben zum Leben“
(Apostelgeschichte 11, 18).
Erhalte
mich auf deinen Stegen
Und
lass mich nicht mehr irre gehn;
Lass
meinen Fuß in deinen Wegen
Nicht
straucheln oder stille stehe;
Erleucht'
mir Leib und Seele ganz,
Du
starker Himmelsglanz.
6.
August
Da sprach ich: „Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen.“
Jesaja 6, 5
Wirklich,
voller Überraschungen ist die Bibel!
Da erlebt
Jesaja das Größte, was einem Menschen widerfahren kann: „Ich sah den Herrn
sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron.“
Engelfürsten
umgeben als herrlicher Hofstaat diesen ewigen und erhabenen Thron. Mit
gewaltiger Stimme, die durch Mark und Bein geht, rufen sie einander zu: „Heilig,
heilig, heilig ist der Herr Zebaoth! Alle Lande sind seiner Ehre voll!“
Überwältigend
erfüllt die Herrlichkeit des Herrn alle Räume.
Und
Jesaja?
Wir
könnten uns vorstellen, dass er selig und wie berauscht wäre, weil er sehen
darf, „was kein Auge gesehen“, und hören darf, „was kein Ohr gehört hat“, dass
er in süßer Bewusstlosigkeit unterginge in diesem Meer der Herrlichkeit.
Aber
nichts dergleichen! Das erste Wort, das er erschrocken stammeln kann, ist: „Weh
mir! … Ich bin unreiner Lippen.“
Und wer
aufmerksam die Bibel liest, der wird bald darauf stoßen: Das ist das
entscheidende Erlebnis aller Menschen in der Bibel, dass sie im Lichte Gottes
sich selber entdecken als elende und verlorene Sünder.
Denn das
Evangelium macht nicht berauschte und schwärmerische Leute, sondern es
ernüchtert und deckt das Herz auf. Nur so ernüchterte Leute werden die freie
Gnade, die Gott durch Jesus allen Sündern schenkt, im Glauben fassen.
Lass
deines guten Geistes
Licht
Und dein hellglänzend Angesicht
Erleuchten
mein Herz und Gemüt,
O
Brunnen unerschöpfter Güt.
7.
August
Von Herzen begehre ich dein des
Jesaja 26, 9
Eine
Nachtgeschichte wird uns hier in ein paar Worten erzählt. Die Welt schreibt ja
auch ihre Nachtgeschichten, aber was für dunkle, traurige Geschichten! Wie viel
Böses und Entsetzliches geschieht in Großstädten und Dörfern, wenn die Nacht
ihren Mantel über das Land gelegt hat! Die Bibel aber erzählt von herrlichen
Nachtgeschichten:
Nacht war
es, als der Herr mit dem zweifelnden Abraham redete: „Siehst du die Sterne?
Kannst du sie zählen? Also wird dein Same sein.“ Da heißt es dann: „Abraham
glaubte dem Herrn. Und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“ Welch eine
Nacht, wo ein Herz fest wird im Vertrauen auf Gottes Wort!
Nacht war
es in Ägypten, als sich der Schrecken auf die Bedränger des Volkes Gottes legte. Aber die Gemeinde zog in die Nacht und in die
Freiheit mit Lobgesängen. Und die Feuerwolke des Herrn erleuchtete ihr den Weg.
Nacht war
es, als dort im Heiligtum in Silo der Knabe Samuel aus dem Schlafe fuhr, weil
der Herr ihn bei Namen angerufen hatte, und er in die Dunkelheit hinein sagte: „Rede,
Herr, dein Knecht hört.“ Welch eine Nacht, wo die Menschenstimmen schweigen und
des Herrn Stimme gehört wird!
Nacht war
es, als die Hirten nach Bethlehem eilten, den Heiland zu suchen.
Nacht war
es, als die Emmaus-Jünger nach Jerusalem liefen mit übervollem Herzen: „Der
Herr ist auferstanden!“
Und „um
die Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott im Gefängnis“.
Was nun
ist das für eine Nacht, von der unser Text berichtet? Eine Nacht, in der ein
Herz von Gott beunruhigt wird. Heilige Unruhe – Anfang des Lebens aus Gott!
Die
Dunkelheit ist da und alles schweiget,
Mein
Geist vor dir, o Majestät, sich beuget;
Ins
Heiligtum, ins Dunkle kehr ich ein:
Herr,
rede du, lass mich ganz stille sein.
8.
August
Darum harret der Herr, dass er euch gnädig sei.
Jesaja 30, 18
Zwei lange
Jahre war ich als junger Soldat nicht auf Urlaub gewesen. Zwei Jahre, voll
gepackt mit Kampf, Not und Erleben. Und nun war mir auf einmal der Urlaub
unerwartet in den Schoß gefallen.
Mitten in
der Nacht kam ich in der Heimatstadt an. Mit meinem schweren Gepäck mache ich
mich auf den Weg – nach Hause.
Von weitem
sehe ich mein Elternhaus im Mondschein liegen. O, wie lange bin ich weg
gewesen! Werden sie noch an mich denken? Bin ich nicht allmählich
ausgeschlossen vom Leben zu Hause?
Fast
unwillkürlich probiere ich den Pfiff, mit dem wir Jungen uns anmeldeten. Ganz
leise nur. Dann gehe ich weiter. Doch als ich an das Elternhaus komme, brennen
da alle Lichter. Und die Mutter fliegt mir in die Arme.
„Woher wisst
ihr denn, dass ich komme?“ – „O mein Junge, ich habe dich doch pfeifen gehört!“
Da wusste
ich: Nein, ich war nicht vergessen. Tag und Nacht hatte das Mutterherz auf den
Sohn gewartet. Im Schlafen und Wachen hatte es geharrt.
Noch viel
treuer und gespannter und bereiter wartet auf uns alle, auf Gerechte und
Sünder, das Herz unseres Heilandes. „Darum harret der Herr, dass er euch gnädig
sei.“
Wem das
aufgeht, der erschrickt, dass er den Herrn Himmels und der Erde warten ließ;
der erschrickt, dass ihm irgend etwas wichtiger war als dies Warten Jesu; der lässt
sich durch niemand und nichts mehr aufhalten, bis er – wie der verlorene Sohn
in den Armen des Vaters – bei seinem Herrn angekommen ist.
Dir
nur will ich leben
Und
für dich nur sein,
Dir
mich ganz ergeben
Und
zum Opfer weihn.
Sprich
dazu dein Amen,
O
mein Fels und Hort!
Preis
sei deinem Namen
Ewig
hier und dort!
9.
August
Ich werde in Demut wandeln all meine Lebtage
nach solcher Betrübnis meiner Seele.
Jesaja 38, 15
Eines Tages
ging ich an einem Schrebergarten vorbei, in dem ein Mann arbeitete. Wie er mich
sieht, richtet er sich auf, stützt sich auf seinen Spaten und fängt einen
Schwatz an: „Ach, dies leidige Unkraut! Sehen Sie, hier ist das Zinnkraut! Das
bekommt man nicht weg. Das kleinste Wurzelendchen wuchert weiter …“
Ja, das
leidige Unkraut! Wenn es nun bloß im Garten wäre! Aber es wuchert auch in
unserem Herzen. Und da gibt es auch so ein Zinnkraut. Das ist
unser Hochmut und unsere Sucht, etwas zu gelten.
Die Bibel
zeigt uns dafür ein erschreckendes Beispiel: Einer der ganz wenigen Könige im
alttestamentlichen Gottesvolk, an denen Gott sich freuen konnte, war der
Hiskia. Die Bibel berichtet, dass er ein eifriger Zeuge Gottes und ein
herrlicher Beter war.
Dieser
Hiskia ward todkrank. Aber durch ein wunderbares Eingreifen Gottes wurde er vom
Rande des Grabes zurückgerissen. Dankbar betete er: „Ich werde in Demut wandeln
all meine Lebtage nach solcher Betrübnis meiner Seele.“
Und wie
geht es weiter? Nach sieben Versen schon steht in der Bibel als Oberschrift
über dem nächsten Kapitel: „Der Eitelkeit des Hiskia wird Strafe angedroht.“
So ist
unser Herz! Wenn es bei dem frommen Hiskia schon so ging, wie wird es erst bei
uns mit dem Zinnkraut der Eitelkeit und des Hochmuts stehen! Wie wollen wir
damit fertig werden?
Es gibt
nur ein einziges wirksames Mittel: dass man sich im Geist unter Jesu Kreuz
stellt und sich sagt: „So schuldig ist mein Leben, dass der Sohn Gottes für
mich sterben musste.“ So lernt man Demut.
Schau
her, ich fühle mein Verderben,
Lass
mich in deinem Tode sterben;
O
könnte doch in deiner Pein
Die
Eigenheit ertötet sein!
10.
August
Siehe, die Völker sind geachtet wie ein Tropfen, so im Eimer bleibt.
Jesaja 40, 15
In Bildern
nur können wir uns die unendliche Größe Gottes deutlich machen.
Es gibt
wenig Worte, die so erschütternd uns diese Größe Gottes vor Augen führen wie
dies Gleichnis, das Jesaja braucht.
Da ist die
Haustochter. Sie hat geschrubbt und geputzt. Nun leert sie den Eimer aus. Dabei
geschieht es, dass ein Tropfen Wasser im Eimer hängen bleibt. Nun wird das
Mädchen nicht etwa einen Lappen suchen, um diesen Tropfen abzuwischen. Er ist
so gering und belanglos, dass er getrost in dem geleerten Eimer hängen bleiben
kann.
„Siehe,
die Völker sind geachtet wie ein Tropfen, der im Eimer bleibt.“ Wie wichtig ist
uns unser eigenes liebes Volk! Wie gewaltig erscheinen uns die Völker und ihr
Leben! Wie überwältigend ist das Brausen des Völkermeeres!
Gott aber
ist so groß, dass vor ihm all dies nicht bedeutungsvoller ist als „ein Tropfen,
der im Eimer bleibt“.
Das
schrieb ein Mann, der mit glühender Seele sein Volk liebte, der mit seinem Volk
litt und fröhlich war. Er wollte, wir sollen ermessen fernen: So groß ist Gott!
So unvorstellbar groß, mächtig und gewaltig!
Aber
gerade darum ist es so wunderbar, dass derselbe Prophet in demselben Kapitel
von demselben Gott bezeugt: „Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem
Unvermögenden.“
Dieser
große Gott hat Zeit, Liebe und genaues Aufmerken für den Geringsten unter uns.
Ein wunderbarer Gott!
Wir
loben, preisen, anbeten dich;
Für
deine Ehr wir danken,
Dass
du, Gott Vater, ewiglich
Regierst
ohn alles Wanken.
Ganz
ungemessen ist dein Macht,
Fort
geschieht, was dein Will hat bedacht.
Wohl
uns des feinen Herren!
11.
August
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.
Jesaja 40, 31
„Neue
Kraft!“ Ja, das wäre eine feine Sache!
Was wissen
die anderen von unseren schwachen Stunden! Aber wir kennen sie: die Stunden, wo
die Sünde und die Leidenschaften mächtig werden wollen; oder die Tage, wo die
Sorgen wie Felsenlasten drücken; die Tage, wo der Mut fehlt zur Erfüllung der
Pflichten.
Und hier
ist nun die Rede von „neuer Kraft“. Wird denn da wirklich ein Weg zu neuer
Kraft gezeigt?
Allerdings!
Und es ist ein ganz schlichter Rat, der uns in Gottes Wort hier gegeben wird: „Auf
den Herrn harren!“ Ja, was heißt denn das?
Im
Original Text steht für „harren“ ein Wort, das auch gebraucht wird, wenn ein
Bogenschütze, der den Pfeil aufgelegt hat, das Ziel ins Auge fasst und zielt.
Mit gesammelter Konzentration schaut er auf das Ziel. Alles andere, was ihn
ablenken könnte, hat er für sein Auge abgeblendet.
„Die auf
den Herrn harren“ – das sind nicht die, welche diese oder jene Möglichkeit für
ihr Leben ins Auge fassen und dabei auch noch ein bisschen Religion haben.
„Die auf
den Herrn harren“ – das sind die, welche ganz
mit ihm rechnen, nur mit ihm; die
ihn allein ihren Heiland sein lassen. Solche bekommen täglich neue Kraft.
Nun
Herr Jesu, all mein Sach
Sei
dir übergeben;
Es
nach deinem Willen mach
Auch
im Tod und Leben.
All
mein Werk greif ich jetzt an,
Herr,
in deinem Namen;
Lass
es doch sein wohlgetan!
Ich
sprech darauf: Amen.
12.
August
Reinigt euch, die ihr des Herrn Geräte tragt!
Jesaja 52, 11
„Staubwolken
und Lobgesänge!“
So sagte
wohl vor zweieinhalbtausend Jahren ein Babylonier zu seiner Frau. Er war
hinausgegangen, um den Zug Israels zu sehen, das nach 70jähriger Verbannung
nach Hause zurückkehrte. „Was hast du gesehen?“ fragte die Frau. Und da
erzählte der Mann: ,,Es war ein armes Volk, das in einer großen Staubwolke daherzog. Aber aus der Wolke hörte man hinreißende
Lobgesänge.“
Und dann
fuhr er vielleicht fort: „Und einmal blitzte es gewaltig durch den Staub. Da
trugen die Priester feierlich die goldenen Tempelgeräte.“
O diese „Geräte
des Herrn“! Unter allen Geräten des Herrn war das schönste die Bundeslade.
Diese Lade
war ein Goldüberzogener Kasten, der das Gesetz Gottes barg. Wo auch die
Gemeinde des Herrn wandert – immer begleitet sie das Gesetz Gottes. Sie ist
glücklich darüber. Denn je ratloser diese Weit wird, je weniger sie weiß, was
gut und böse ist, desto froher wird die Gemeinde des Herrn an dem geoffenbarten
Gotteswillen in den Zehn Geboten.
Aber
herrlicher noch als der Inhalt der Lade war der Deckel. Das ist ein
erbärmliches Wort für diese Sache. Dieser goldene Deckel hieß „der Gnadenstuhl“.
An ihm fand die Versöhnung der Sünder mit Gott statt.
Und nun
sagt uns der Römer-Brief, dass auch wir allezeit von dem Gnadenstuhl begleitet
sind. Unser Gnadenstuhl ist das Kreuz Christi auf Golgatha: „Gott hat Christum
dargestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die
Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete, indem er Sünde vergibt.“
Herrliche
Geräte des Herrn!
Großer
Siegesheld,
Tod,
Sünd, Höll und Welt
Hast
du mächtig überwunden
Und
ein ewges Heil erfunden
Durch
das Lösegeld
Deines
Bluts, o Held.
13.
August
Reinigt euch, die ihr des Herrn Geräte tragt.
Jesaja 52, 11
Es gehört
zu der ungeheuerlichen Wahrhaftigkeit der Bibel, dass sie ganz offen von den
Sünden der Kinder Gottes spricht. Es gibt eben vor Gott kein Vertuschen und
kein „Ansehen der Person“.
Wenn wir
nun einmal die Sünden derer, „die des Herrn Geräte tragen“, in der Bibel
ansehen, dann geht uns erschreckend auf: Da handelt es sich gar nicht um moralische
Schwächen, sondern um Vulkanausbrüche. Der „Freund Gottes“, der gewaltige Mose,
wird eines Tages von einem sinnlosen Wutausbruch hingerissen. Der gehorsame
Abraham, der willig auszog, als der Herr ihn rief, und der ohne Zögern bereit
war, dem Herrn seinen Sohn zu opfern – der macht sich eines Tages selbständig
und zieht ins Land der Heiden, wo er sich nur mit Lügen halten kann. Der
heldenhafte Elia, der im Glauben Feuer vom Himmel fallen lässt, wirft allen
Glauben über Bord und legt sich in der Wüste unter einen Strauch, um zu
sterben. Der große Sänger und König David, dessen Seele in der Freude am Herrn
lebt, rutscht unversehens in einen schrecklichen
Ehebruch. Und Petrus, der tapfere Petrus, verleugnet in einer Nacht des
Schreckens seinen geliebten Herrn.
Verstehen
wir recht! Diese Sünden lagen gar nicht in der Linie ihres Lebens. Es brach
vielmehr plötzlich in ihrem Herzen etwas Schreckliches auf.
Und da
haben sie es erfahren, dass unser Herz ein unberechenbarer Vulkan ist und dass
mit ein paar Schönheitsreparaturen des moralischen Willens nicht viel geholfen
ist. Sie haben gelernt, dass hier eine Absage an sich selbst nötig ist. Ja
mehr: ein Sterben! Und darum sagt Paulus: „Ich bin mit Christus gekreuzigt.“
Und: „Alle, die Christo angehören, kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und
Begierden.“ Das ist eine große Sache.
Mein
Wirken, Wollen und Beginnen
Sei
kindlich folgsam deinem Trieb;
Bewahr
mein Herz und alle Sinnen
Untadelig
in Gottes Lieb;
Dein
in mir Beten, Lehren, Kämpfen
Lass
mich auf keine Weise dämpfen.
14.
August
Suchet den Herrn, solange er zu finden ist.
Jesaja 55, 6
Vor
einigen Jahren lief einmal ein U-Boot-Film, in dem ein sehr interessantes
Gespräch vorkommt.
Da ist ein
U-Boot von einem Kreuzer gerammt und gesunken. Die meisten Leute der Besatzung
sind tot. Nur ein paar leben noch und warten in der immer knapper werdenden
Luft auf ihr Ende. – In einer Ecke sitzen zwei beieinander. Sie reden gleichgültige Dinge. Auf einmal fragt der eine ganz
unvermittelt: „Sag mal, glaubst du an Gott?“ Da lächelt der andere verlegen und
sagt: „Ja, wenn’s mulmig wird.“
Ist dies
seltsame Bekenntnis nicht die Religion der meisten Leute?
Da lebt
man dahin, völlig versunken in das Irdische. Man nimmt. eine „willkürliche
Umwertung aller Werte“ vor. Man erklärt das Fragen nach dem lebendigen Gott für
nebensächlich und hält die irdischen Sorgen für das Wichtigste.
So lebt
man ohne Gott in der Welt. Man fürchtet weder Gott noch sein Gericht. Man denkt
nicht an die Ewigkeit und an das Sterben. Und man findet das alles ganz in
Ordnung, bis – ja, bis „es mulmig wird“. Da fängt man auf einmal an zu beten.
Da soll der „liebe Gott“ auf einmal zur Stelle sein.
„Irret
euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten!“ Kann es denn für einen Weltmenschen
noch „mulmiger“ werden, als es schon jederzeit ist? Wo doch Gottes Zorn über
ihm ist und er in Zeit und Ewigkeit ein verlorener Mensch ist.
„Suchet
den Herrn, solange er zu finden ist!“ Wie lieblich ist dieses Wort! Es weist
und ruft zu den offenen Gnadentüren, die Jesus durch sein Sterben und
Auferstehen aufgetan hat. Lasst uns hindurchgehen!
Gott
rufet noch: Sollt' ich nicht endlich hören?
Wie
lass ich mich bezaubern und betören?
Die
kurze Freud', die kurze Zeit vergeht,
Und
meine Seel' noch so gefährlich steht.
15.
August
Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab!
Jesaja 64, 1
Wer offene
Ohren hat, der hört diesen Ruf aus vielen Hunderten von Religionen aufsteigen
zum Himmel.
Gott ist
ein unsichtbarer Gott. „Dem unbekannten Gott“ bauten die Athener einen Altar.
Gott ist gleichsam hinter einer Nebelwand verborgen.
Well wir
Menschen aber nicht von ihm loskommen, darum haben wir uns aufgemacht, ihn zu
suchen. Hände strecken sich aus in die Nebelwand hinein – nach Gott.
Hände
strecken sich aus nach dem verborgenen Gott. Das sind die Religionen der
Völker. Weiße Hände streckt der Europäer aus, rote der Indianer, gelbe der Asiat
und schwarze der Afrikaner. Das heißt: Jedes Volk hat seine eigene, artgemäße
Religion.
Aber über
all diesen Religionen, über all diesem Händeausstrecken liegt eine tiefe
Tragik: Sie erreichen Gott nicht. Wir sind zu tief gefallen. Die Hände greifen
ins Leere. Wir sind zu fern von Gott.
Darum
dringt aus Millionen Herzen der Schrei: „Gott, wo bist du? Wir suchen dich! Wir
erreichen dich nicht! O dass du den Himmel zerrissest und führest herab!“
Gott, der
Schöpfer der Welt, der Ewige, hat dies Schreien gehört. Er hat den Himmel
zerrissen. Er ist herabgefahren in Jesus, seinem Sohn.
Das ist
die frohe Kunde: Jesus ist die Antwort Gottes auf alle Religionen. Gott !st
unter uns in Jesus! „Sehet doch da! / Gott will so freundlich und nah / Zu den
Verlornen sich kehren!“
Was
der alten Väter Schar
Höchster
Wunsch und Sehnen war
Und
was sie geprophezeit,
Ist
erfüllt in Herrlichkeit.
16.
August
Der König sprach: „Sehe ich doch vier Männer
frei im Feuer gehen, und sie sind unversehrt; und der vierte ist gleich, als
wäre er ein Sohn der Götter.“
Daniel 3, 25
Rasend vor
Zorn war der König von Babylonien, Nebukadnezar, gewesen, als drei junge Leute
sich geweigert hatten, ihre Knie vor seinem Götzenbild zu beugen. Und in seinem
Zorn hatte er seine entsetzliche Drohung wahr gemacht: Die drei jungen Männer
waren in den feurigen Ofen gestoßen worden.
Aber dann
kam das Unheimliche: Als der König sich überzeugt, ob der Befehl recht
ausgeführt ist, entdeckt er einen vierten Mann in den Flammen. Und der vierte
Mann ist „wie ein Sohn der Götter“. Und an diesem vierten Mann mag es wohl
liegen, dass die drei anderen der Flammen spotten.
Dieser
vierte Mann, der der Welt so unheimlich und den drei jungen Männern so
tröstlich ist, ist derselbe, der gesagt hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind
in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“
Er ist
derselbe, der gesagt hat: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich
habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! So du ins Feuer gehst, sollst
du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen, denn ich bin der
Herr, dein Gott.“
Dieser
vierte Mann ist Jesus. Die Welt kennt ihn nicht. Und darum ist sie erschrocken,
wenn ihre Macht an ihm zerschellt. Die Gemeinde aber kennt ihn. Und darum ist
sie allezeit getrost.
Trotz
dem alten brachen,
Trotz
des Todes Rachen,
Trotz
der Furcht dazu!
Tobe,
Welt, und springe;
Ich
steh hier und singe
In
gar sichrer Ruh.
Gottes
Macht
Hält
mich in acht,
Erd
und Abgrund muss sich scheuen,
Ob
sie noch so dräuen.
17.
August
Man spürte keinen Schaden an Daniel; denn er hatte seinem Gott vertraut.
Daniel 6, 24
Bei uns in
Essen spricht man ein merkwürdiges Deutsch. Da hörte ich einst, wie zwei Jungen
miteinander diskutierten. Und als der eine etwas wunderliche Ansichten äußerte,
meinte der andere ganz erschüttert: „Du bis mich ein Seltenen!“
Ich
glaube, dass viele so sagen würden, wenn sie einmal das Buch Daniel läsen. Der
Daniel war allerdings ein ganz seltener Mann, ein Mann, der nur seinem an
Gottes Wort gebundenen Gewissen folgte.
Davon
erzählt die Geschichte, aus der unser Textwort stammt. Da hatte der König
Darius in seinem sinnlosen Hochmut das Beten verboten. Nicht wahr, solch einem
Verbot würden die meisten leicht folgen, denn sie beten sowieso nicht.
Aber der
Daniel wusste, dass der Herr angerufen und gebeten sein will. Er wusste, dass
ein Christenstand erstickt, wenn man dem Herrn nicht mehr danken darf.
Und so
trotzte er dem Verbot und betete täglich, wie er es gewohnt war. O, er wusste
wohl, dass Todesstrafe auf der Übertretung stand. Aber sein Gewissen war
gebunden an Gottes Wort. Und da dachte er: „Lieber im Glauben und Gehorsam
sterben als mit gebrochenem Gewissen leben.“
So warf er
sich erst recht seinem Gott in die Arme, betete, lobte und dankte seinem Gott
und vertraute ihm die Sache.
Man muss
das selber lesen, wie er dann wohl in den Löwengraben geworfen wurde. Doch der
Herr errettete ihn herrlich daraus.
Nicht
wahr, das ist ein seltener Mann! Aber ist es nicht furchtbar, dass solche Leute
selten sind, die nur ihrem an Gottes Wort gebundenen Gewissen folgen? Sollte
das nicht auch unser Weg sein?
Wahre
Treu kommt dem Getümmel
Dieser
Welt niemals zu nah;
Ist
ihr Schatz doch in dem Himmel,
Drum
ist auch ihr Herz allda.
18.
August
Ephraim ist wie ein Kuchen, den niemand umwendet.
Hosea 7, 8
Dies Bild
hier ist fast zum Lachen: Da brutzelt ein Pfannkuchen in der Pfanne. Er sollte
längst umgewendet werden. Aber die Hausfrau ist weggerufen worden. Und nun
verdirbt der schöne Kuchen.
Seht, an
diesen Kuchen ist viel Mühe gewandt worden. Die Hausfrau hat sich's was kosten
lassen bis zu dem Augenblick, wo der Teig in die Pfanne lief. Aber von da an
ist an dem Kuchen nichts mehr geschehen. Und nun verdirbt er.
So ist's
mit Ephraim. Ephraim war ein Teil der Gemeinde des Herrn. Lasst uns wohl
zusehen, dass wir nicht Ephraim gleichen! Da hat der Herr einmal viel Mühe an
uns gerückt: Er hat sein Wort bei uns wirken lassen. Er hat durch seinen
Heiligen Geist an uns gearbeitet. Er hat uns unseren verlorenen Zustand
gezeigt, dass wir merkten: Wir brauchen einen Heiland. Und er hat uns Jesus
recht als unseren Versöhner und Seligmacher hingestellt, dass wir an ihn glaubten
und zur Gemeinde des Herrn kamen. Kurz – um es im Bilde zu sagen –, es wurde
ein guter Teig angerührt.
Aber
seitdem ist es nicht weitergegangen. Die tiefen Eindrücke verblassten. Die
tausend Barmherzigkeiten Gottes machten das Herz allzu sicher. Der Teig
verdirbt.
Der Kuchen
muss gewendet werden. Das kann durch große Trübsal geschehen. Oder indem der
Herr uns einen Fall tun lässt, wie es bei der Verleugnung des Petrus war. Oder
er entzieht uns seinen Frieden. Oder er lässt uns einen erschreckenden Blick in
unser Herz tun.
Wir lieben
das „Umwenden“ nicht. Wir lieben die Ruhe. Aber seht doch, wie all das, wovor
wir uns fürchten, auf unser Hei! zielt!
Denke
doch, es muss so gehen,
Was
Gott weislich heißt geschehen
Ihm
und dir zur Herrlichkeit.
Ob
der Anfang seltsam scheinet,
Ist
das End doch gut gemeinet;
Friede
folget nach dem Streit.
19.
August
Ephraim hat graue Haare gekriegt, doch will er's nicht merken.
Hosea 7, 9
Hier ist
nicht die Rede von einem eitlen Weltmann, der sich immer noch wie ein junger
Stutzer aufführt und gar nicht merkt, dass er ein Greis und ein alter Narr
wird. Es gibt solche Leute. Der Herr wolle uns bewahren, dass wir nicht so
werden, sondern – wie der Herr Jesus – zunehmen an „Weisheit, Alter und Gnade
bei Gott und den Menschen“.
Aber davon
ist hier nicht die Rede. Das Hosea-Wort müssen wir
gleichnishaft verstehen. Es sagt uns, dass ein Christ in seinem geistlichen
Leben zurückgehen kann – ohne es zu merken.
Ein
Mensch, der graue Haare kriegt, wird alt. Seine geistigen und körperlichen
Kräfte lassen nach. Er eilt dem Grabe entgegen.
Solch ein
Altern kennt man auch im geistlichen Leben. So normal es für das natürliche
Leben ist, so schlimm ist es für das geistliche. Man erlebt eine köstliche
geistliche Jugendzeit! Da ergab man sich dem Herrn. Da jauchzte das Herz über
seinem Heil. Da sang man: „Wem anders sollt ich mich ergeben, / O König, der am
Kreuz verblich? / Hier opf'r ich dir mein Gut und
Leben, / Mein ganzes Herz ergießet sieh.“
Aber dann
ging die Zeit hin. Und da wurde manches so anders: Man ist noch Christ! Aber
man hat keine Lust mehr zum Gebet. Die Schrift ist einem
nicht mehr tägliches Lebensbrot. Man hat sich der Weit gleichgestellt. Es ist
keine Kraft mehr da zur Buße und keine Freude im Herrn. „Doch will er's nicht
merken“, sagt Gottes Wort.
Nein, so
soll's nicht sein! „Die gepflanzt sind in dem Hause des Herrn, werden … grünen.
Und wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch
sein …“ (Psalm 92, 14 und 15).
Erwähle
mich zum Paradeis
Und
lass mich bis zur letzten Reis
An
Leib und Seele grünen!
So
will ich dir und deiner Ehr
Allein
und sonsten keinem mehr
Hier
und dort ewig dienen.
20.
August
Sie bekehren sich, aber nicht recht.
Hosea 7, 16
Da irrt
eine Karawane durch die Wüste. Längst müsste sie ihr Ziel, eine fruchtbare
Oase, erreicht haben. Aber Stunde um Stunde verrinnt. Die Oase ist nicht zu
sehen. Vor ihr ist nichts als erbarmungslose Wüste.
Wie kam
das? Sie hatte sich beim letzten Aufbruch ein ganz klein wenig in der Richtung
geirrt. Es war nur ein ganz kleiner Fehlerwinkel. Aber auf dem langen Marsche
genügte diese geringe Abweichung von der rechten Richtung, um sie völlig in die
Irre und ins Verderben zu führen.
Das ist
ein Bild für das, was bei vielen Menschen im geistlichen Leben sich abspielt: „Sie
bekehren sich, aber nicht recht.“
Ein Judas!
Er zieht mit Jesus. Aber er nimmt die Wendung nicht ganz. Seine Buße und seine
Auslieferung sind nicht völlig. Ein kleiner Abweichungswinkel nach der Welt
hin, die Liebe zum Mammon.
Im Anfang
fällt es gar nicht auf. Er unterscheidet sich gar nicht von den anderen
Jüngern. Aber je länger es dauert, desto mehr entfernt er sich von ihnen und
von Jesus, bis es schließlich furchtbar offenbar wird: Der Judas hat den
schmalen Weg, der zum Leben führt, verfehlt. Er kommt ewig um.
Eine
ernste Sache: „Sie bekehren sich, aber nicht recht.“ Auf dem breiten Wege gibt
es viele Möglichkeiten, verloren zu gehen. Es gibt aber nur einen schmalen Weg, nur eine Spur zum Seligwerden.
Es ist
darum so überaus wichtig, dass wir ein ungeteiltes Herz bekommen, dass Jesus
wirklich ganz unser Herr wird. Er hat sein Leben ganz für uns gegeben. Nun will
er uns auch ganz.
Drauf
wollen wir's denn wagen,
Es
ist wohl wagenwert,
Und
gründlich dem absagen,
Was
aufhält und beschwert.
Welt,
du bist uns zu klein,
Wir
gehn durch Jesu Leiten
Hin
in die Ewigkeiten:
Es
soll nur Jesus sein.
21.
August
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott.
Jona 2, 7
Man muss
schon zweimal lesen, um sich zu überzeugen, ob das wirklich da steht. Oder ist
es nicht verwunderlich, dass der Jona mitten im Verderben sagt: „Du hast mein
Leben aus dem Verderben geführt“?
Er war
doch noch wirklich „im Verderben“, der Jona, als er das betete. Er hatte vor
Gott fliehen wollen. Aber Gott hatte ihn schrecklich eingeholt. Und nun war er
im Bauch des geheimnisvollen Fisches, den „der Herr verschaffte“.
In
demselben Gebet schildert er das Schauerliche seiner Lage: „Du warfst mich in
die Tiefe mitten im Meer, dass die Fluten mich umgaben; alle deine Wogen und
Wellen gingen über mich.“ Das ist doch „im Verderben sein“.
Wie kommt
er denn nun dazu zu danken, dass er aus dem Verderben geführt sei, wo er doch
mittendrin ist? Hatte ihm die Verzweiflung den Verstand verrückt?
O nein!
Der Jona macht uns in diesem Gebet unerhört deutlich, dass auch die
schrecklichste Lage kein wirkliches Verderben ist; dass es nur ein einziges
Verderben gibt: mit Gott nicht in Ordnung zu sein, vor ihm auf der Flucht zu
sein, seinen Zorn im Gewissen zu verspüren.
Das allein
ist Verderben. Darin war der Jona, als er seine Flucht vor Gott begann. O, er
war ein frommer Mann gewesen, ein Prophet. Auch ein Kind Gottes kann sich so
von Gott lösen, dass es „ins Verderben“ gerät.
Und seht,
von diesem Verderben spricht hier Jona. In der Tiefe des Meeres ist er
heimgekehrt zum Frieden mit Gott. Da hat ihn der Herr wieder gefunden. Da hat
der Jona Buße getan und Vergebung empfangen. Nun ist alles, alles gut – auch
wenn noch alle Wellen über ihn gehen.
Drum
jauchze, meine Seele,
Hell
aus der Sündennacht.
Verkünde
und erzähle
Die
tiefe Wundermacht,
Die
unermesslich süß,
Ein
Born der Liebe, quillet
Und
jeden Jammer stillet,
Der
fast verzweifeln ließ.
22.
August
Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist?
Sacharja 3, 2
Was hat
Gottes Wort doch für treffende Bilder und Vergleiche!
Da steht
ein Haus in hellen Flammen. Prasselnd und gierig frisst sich das Feuer durch
alle Räume. Auf einmal springt ein Mann in die Flammen, stürzt unter
Lebensgefahr in einen brennenden, qualmerfüllten Raum und reißt ein wertvolles
Bild von der Wand. Und er bringt es ins Freie. Wohl ist der Rahmen angesengt,
aber – das Bild ist gerettet.
Im
Evangelium geht es um etwas Größeres als um ein Bild: Es geht um den Menschen,
der ja auch ein Bild sein soll – ein Bild des lebendigen Gottes. „Gott schuf
den Menschen ihm zum Bilde; zum Bilde Gottes schuf er ihn“, sagt Gottes Wort.
O, wohl
ist das Bild verwüstet und verdorben und unkenntlich seit dem Sündenfall. Und
mit Recht sagt Paulus: „Wir mangeln des Ruhmes, den wir bei Gott haben sollten.“
Aber – die
hohe Bestimmung ist doch da. Und um dieser hohen Bestimmung willen ist unserm
Gott der Mensch so teuer und wert. Und darum erträgt es sein treues Herz nicht,
dass das Menschenbild in Gefahr steht, in den Flammen des Gerichtes und der
Hölle ganz umzukommen.
So hat
sich der Sohn Gottes selber in die Flammen des Gerichtes und der Hölle
gestürzt, um zu retten. Er hat darüber sein Leben gelassen – am Kreuz.
Aber – die
Errettung ist geschehen. Nun kann er in unserm Text auf den Hohenpriester Josua
zeigen und dem Satan entgegenhalten: „Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem
Feuer errettet ist?“ Und so zeigt er auf alle seine Erretteten. Und sie jubeln:
„Es ist das Heil uns kommen her / Aus Gnad und lauter Güte.“
Wir
sollen nicht verloren werden,
Gott
will, uns soll geholfen sein;
Deswegen
kam der Sohn auf Erden
Und
nahm hernach den Himmel ein,
Deswegen
klopft er für und für
So
stark an unsers Herzens Tür.
23.
August
Es denke keiner Arges
in seinem Herzen wider seinen Nächsten …; denn solches hasse ich, spricht der
Herr.
Sacharja 8, 17
Es war
einmal ein leichtsinniger Mensch. Der hatte einen schweren Einbruch begangen.
Am Tage nach seiner Übeltat ging er durch die Stadt, ordentlich gekleidet, mit
der Miene eines biederen Bürgers. Und wer ihn sah, musste denken: „Das ist ein
braver Mann!“ Ja, schließlich glaubte er das selbst.
Bis sich
ihm plötzlich eine Hand auf die Schulter legte. Da wusste er: „Ich bin ertappt.“
Jetzt brach die falsche Fassade zusammen.
Im Grunde
ist das unser aller Geschichte. Wir bekommen es großartig fertig, der Welt und
uns selbst einzureden, wir seien makellose Leute.
Allerdings
– dabei müssen wir uns hüten, dass wir nicht dem Worte Gottes begegnen. Denn
Gottes Wort ist gewaltig. Ja, es „ertappt uns“ und macht uns zu Angeklagten
Gottes.
Obiges
Wort aus dem Propheten Sacharja ist bezeichnend dafür. „Es denke keiner Arges in seinem Herzen wider seinen Nächsten.“ O wie
enthüllt dies Wort unser Herz! Das ist ein Wort, das uns „ertappt“!
„Arges
wider seinen Nächsten“! Das heißt nicht nur, dass man Pläne schmiedet, wie man
seinem Nächsten schaden kann. Dass der Herr solches hasst, leuchtet jedem ein.
Aber „Arges wider seinen Nächsten“ – das heißt ja auch, dass ich dem Nächsten
Böses zutraue, dass ich voll Misstrauen annehme, dass er es nicht gut mit mir
meint.
Dazu sagt
Gott: „Solches hasse ich.“ Mag es „berechtigt“ sein oder nicht, was ich Arges
über meinen Nächsten denke – es ist in jedem Fall ungöttlich und ungeistlich.
Gedanken
sind Wirklichkeiten und vergiften die Gemeinschaft. Und Gottes Wort ertappt uns
dabei, dass auch wir unsere Umgebung vergiften. O möge Jesus unser Herz
reinigen zur Liebe gegeneinander!
Schmelz
alles, was sich trennt, zusammen
Und
baue deinen Tempel aus;
Lass
leuchten deine heilgen Flammen
Durch
deines Vaters ganzes Haus.
24.
August
Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
Matthäus 6, 10
Der große
Philosoph Fichte soll einmal das Wort gesagt haben: „Das Kind betet, der Mann
will.“
Das ist
ein stolzes Wort. Und es gibt sicher Tausende von Menschen, die diesem Wort
begeistert zustimmen.
Und doch –
es ist ein törichtes Wort. Es zeigt so recht, dass der natürliche Mensch, der
von göttlichen Dingen nichts versteht, auch vom rechten Beten keine Ahnung hat.
Wer betet,
der will auch. Im Gebet geht es um den Willen. Man kann nicht Beten und Wollen
als zwei Gegensätze nebeneinander stellen. Der unbekehrte willensstarke Mann
will. So sagt Fichte. Und wir erwidern: Der Beter will auch. Der Unterschied
liegt nur in dem, was sie wollen.
„Der Mann
will.“ Was will er denn? Seinen eigenen Willen will er. Was „Vernunft“ und „Fleisch“
ihm sagen, das will er. Oder was die Menschen ihm gesagt haben, das will er.
Und der
Beter? Er will den Willen Gottes erfahren und tun. Darum betet er. Jede Bitte,
die wir vor den Thron Gottes bringen, muss unter diesem Wort stehen: „Dein
Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“
Wir
Christen wissen, dass unser Wille und der Wille Gottes meistens in heißem
Streit miteinander liegen. Und nur so kann in unserem Leben der Wille Gottes
die Oberhand bekommen, dass wir im Gebet vor seinem heiligen Angesicht unseren
eigenen Willen in den Tod geben und mit Jesus beten lernen: „Nicht mein,
sondern dein Wille geschehe!“
Das ist
eine köstliche und selige Sache, wenn unser Wille ganz unter den Willen Gottes
gestellt ist und wir nun seinen Willen wollen dürfen. So hat es Jesus selbst
geübt, als er im Garten Gethsemane betete. Und so hat er seine Jünger und uns
beten gelehrt: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“
Dein
Will' gescheh, Herr Gott, zugleich
Auf
Erden wie im Himmelreich.
Gib
uns Geduld in Leidenszeit,
Gehorsam
sein in Lieb und Leid;
Wehr'
und steur' allem Fleisch und Blut,
Das
wider deinen Willen tut.
25.
August
Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.
Matthäus 10, 16
Wie
seltsam und merkwürdig ist doch die Lage der Gemeinde Jesu!
Sie ist – nach
dem Willen ihres Herrn, aus dessen Mund dies Textwort stammt – das Hilfloseste
und Wehrloseste, das man sich denken kann.
Man stelle
sich vor: Ein Rudel gieriger, hungriger Wölfe. Grauenvoll tönt ihr Geheul;
unheimlich leuchten die Augen; schreckensvoll ist ihr Gebiss.
Und mitten
in dem Kreis dieser Bestien ein Lamm. Kann man sich etwas Verloreneres
vorstellen?
Das ist
die Lage der Gemeinde Jesu Christi. „Wir sind geachtet wie Schlachtschafe“,
sagt der Apostel Paulus. Wer meint, die Gemeinde könne durch Macht, Klugheit,
durch Massen oder Mächtige gerettet werden, der kennt die wirkliche Lage nicht:
„Schafe unter den Wölfen.“
Aber – es
geht ja gar nicht darum, dass das Lamm gerettet wird. Die Gemeinde ist ja die
Schar derer, die schon gerettet sind.
Das Lamm –
das ist das Seltsame – ist im Angriff. „Ich sende euch!“ sagt Jesus im
Textwort. Das Lamm ist nicht durch einen unglücklichen Zufall unter die Wölfe
geraten. Es hat seine Sendung unter den Wölfen.
„Ich sende
euch!“ Das heißt: Beständiger Angriff! Nicht verstummendes Zeugnis! Immer neuer
Sieg!
Jawohl,
immer neuer Sieg. „Wir ziehen fort von Sieg zu Sieg, weil Jesus überwand.“
So
triumphiert die so verloren scheinende Gemeinde mitten unter den blinden,
erstaunten und erschrockenen „Wölfen“.
Sei
du Hauptmann in diesem Streit,
Dein
siegreich Hand hell uns beizeit,
Damit
der Feind, wie groß er ist,
Muss
sehen, dass du stärker bist.
26.
August
Zu der Zeit sprach Jesus: „Ich preise dich,
Vater und Herr Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen
verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.“
Matthäus 11, 25
So, nun
ist den Weisen und klugen Leuten die Tür zugeschlagen.
Es ist
erschreckend, wie die Tür hier zuschlägt! Die klugen Leute allerdings haben es
gar nicht gehört. Lärmend reden sie weiter davon, dass sie „ihre eigene
Religion haben“, dass Jesus eben „nur ein Mensch war wie wir auch“ und wie
diese Reden alle heißen. Sie palavern und sehen nicht, dass sie es vor einer
verschlossenen Türe tun. Und dass es dem Herrn des Himmels und der Erde Wohlgefallen
hat, ihnen das Heil in seinem Sohne zu verhüllen.
Wie werden
sie erschrecken am Jüngsten Tage, wo alle weisen und klugen Gedanken nicht
erretten können!
Aber auch
wir sind bestürzt und fragen: „Muss man denn dumm und unweise sein, O nein!
Achtet doch darauf, was der Heiland hier als Gegensatz gegen „die Weisen und
Klugen“ herausstellt. Nicht „den Dummen“ wird es offenbart, sondern „den Unmündigen“.
„Unmündig“
sind seltsamerweise die ganz kleinen Kinder und ganz alte Menschen. „Unmündige“
– das sind Menschen, die in keiner Weise allein fertig werden können. Unmündige
– das sind die völlig Hilflosen.
Unsere
Zeit kann uns zu solchen Hilflosen machen. Ein moderner Schriftsteller schrieb:
„Seit 5 Jahrhunderten arbeitet der Mensch am Reich des Menschen, und es ist die
Hölle daraus geworden. Und zwar ist diese Hölle ein geschlossener Raum ohne
Ausgang.“
Da ist nur
ein kleiner Schritt zu dem Heiland, der sagt: „Ich bin die Tür“ – „Ich bin das Leben“!
Tu
als ein Kind und lege dich
In
deines Vaters Arme;
Bitt
ihn und flehe, bis er sich
Dein,
wie er pflegt, erbarme;
So
wird er dich durch seinen Geist
Auf
Wegen, die du jetzt nicht weißt,
Nach
Wohlgehaltnem Ringen
Aus
allen Sorgen bringen.
27.
August
Kommet her zu mir alle, die ihr
mühselig und beladen seid.
Matthäus 11, 28
Eine
Einladung ergeht an uns!
Von wem? –
Von dem König aller Könige, von dem Richter der Welt.
Wie? Eine Einladung von dem Richter der Weit? Ist
das nicht ein Irrtum? Wenn der Richter der Welt uns vor sein Angesicht ruft,
dann kann es sich doch nur um eine Vorladung
handeln.
Eine
Vorladung vor den, dem Gott alles Gericht gegeben hat! Eine Vorladung vor den „Herzenskündiger“! – Wer wird nicht unruhig beim Gedanken
hieran! Wer sollte sich nicht fürchten!
Aber – fürchtet
euch nicht! Wohl ruft uns der Richter der Welt Aber – es handelt sich
tatsächlich nicht um eine Vorladung,
sondern um eine Einladung: „Kommet
her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“
Denkt
nicht, dass der Richter blind geworden sei für unsere Schuld. Er sieht sie
wohl. „Mühsal und Last“ nennt er sie. O hört, wie freundlich er von unserer
Sünde und Schuld redet: „Mühsal und Last“.
Der
Richter der Welt hat sein Richtschwert weggelegt. Stattdessen streckt er seine durchgrabenen Hände nach uns aus.
Wie
freundlich ist dieser Ruf! Und doch – wie tödlich ernst. Wer sollte uns noch
retten können, wenn wir ihn verachten!
König,
sei gepriesen,
Dass
du so verschonest
Und
uns nicht nach Werken lohnest.
Deiner
Hand sei Ehre,
Die
so wohl regieret
Und
mit Ruhm das Zepter führet.
Fahre
fort, Zions Hort,
Langmut
auszuüben
Und
die Welt zu lieben.
28.
August
Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Will mir
jemand nachfolgen, der nehme sein Kreuz auf sich.“
Matthäus 16, 24
Der
württembergische Erweckungsprediger Fricker hat gesagt:
„Ein Christ muss die beschwerlichen Dinge lieben.“
Wenn wir
Jesus lieb haben, dann geht es ja wohl nicht anders, als dass wir auch seinen
Weg lieb haben. Und dieser Weg ist der Weg des Kreuzes.
Das Kreuz,
von dem Jesus spricht, sind nicht irgendwelche Nöte, die uns auf dem Acker der
Welt erwachsen, der ja seit dem Sündenfall „Dornen und Disteln“ trägt. Das „Kreuz“
sind die beschwerlichen Dinge, die uns um Jesu willen treffen.
Wir regen
uns auf über die beschwerlichen Dinge, wir empfinden das Kreuz als Last Unser
Herz rebelliert. Und wir beweisen damit, wie wenig wir nach dem Reich Gottes
und nach seiner Gerechtigkeit trachten.
Da muss
die Sinnesänderung kommen!
Einst war
ein U-Boot gesunken. Zehn Mann der Besatzung lebten noch. Da nur acht
Tauchretter vorhanden waren, beschlossen sie, gemeinsam zu sterben. Als der
Kommandant davon hörte, sagte er erschüttert: „Zu leben verstehen wir
vielleicht schlecht – zu sterben aber – fabelhaft!“
Das muss
erst recht von der Gemeinde Jesu gelten. „Zu leben verstehen wir vielleicht
schlecht …“ „Wir mangeln des Ruhms, den wir vor Gott
haben sollten.“ Aber geistlich sterben! Sein ich und seinen Willen in den Tod
geben und den Kreuzesweg lieben!
Die alten
Christen konnten es. Und wir? Unser Kreuz kommt aus Jesu Händen. Lasst es uns
gern tragen!
So lasst
uns denn dem lieben Herrn
Mit
unserm Kreuz nachgehen
Und
wohlgemut, getrost und gern
Bei
ihm im Leiden stehen;
Wer
nicht gekämpft, trägt auch die Kron'
Des
ew'gen Lebens nicht davon.
29.
August
Siehe, ich bin bei euch alle Tage.
Matthäus 28, 20
Wir haben
es gewiss schon erlebt, dass sich ein Mensch in seltsamer Abhängigkeit an andere
bindet. Das kann allerlei Gründe haben. Aber es wird immer so sein, dass so ein
Mensch allein nicht recht fertig wird und die anderen braucht zur Hilfe, zur
Stütze, zum Trost.
Nun bindet
sich hier der auferstandene Herr Jesus an seine Jünger. Aber wir dürfen daraus
nicht schließen, dass er uns nötig habe oder irgendwie auf uns angewiesen sei.
Ja, aber
warum bindet er sich denn so an uns?
Ein
Beispiel soll es uns erklären: Da war ein junger Mensch zum ersten Mal von
Hause weg. Beim Abschied hat ihm sein Vater gesagt: „Ich kann dich in den
ersten vier Wochen nicht besuchen, weil meine Arbeit mich hier festhält.“
Es ist
noch keine Woche verflossen. Der junge Mensch steht am Haustor. Wenn er's auch
nicht merken lassen will, er hat mächtig Heimweh. Er findet sich nicht leicht zurecht in der Fremde und leidet innerlich Not.
Auf einmal
hört er Schritte. Er sieht auf – da kommt sein Vater. „Vater, du hier?“ fragt
er glücklich. „Du wolltest doch nicht … warum kommst du?“ Da sagt der Vater nur
schlicht: „Ich habe gemerkt, dass mein Junge mich braucht.“
Darum
bindet sich Jesus an uns, und darum will er allezeit bei uns sein, weil er
weiß, dass seine Jünger ihn brauchen.
Wie
sollten wir auch fertig werden ohne ihn? „Ohne dich, wo käme / Kraft und Mut
mir her? / Ohne dich, wer nähme / Meine Bürde? Wer?“
Gott sei
Dank! Er ist bei uns alle Tage!
Kein
bessre Treu auf Erden ist
Denn
nur bei dir, Herr Jesu Christ.
Ich
weiß, dass du mich nicht verlässt;
Dein’
Wahrheit bleibt mir ewig fest.
Du
bist mein rechter, treuer Hirt,
Der
ewig mich behüten wird.
30.
August
Da machte sich auf auch Joseph … mit Maria, seinem vertrauten Weibe.
Lukas 2, 4 und 5
Kennen wir
unsere Bibel? Dann wissen wir: Es gibt im Alten Testament eine ganz ähnliche
Stelle: „Da nahm Abram sein Weib Sara und zog aus.“
Seht, so
ist das mit den Menschen Gottes: Sie sind herausgerufene Leute. Sie streben
nicht mehr nach hohen Dingen. Sie sind auf den wundersamen Weg Gottes gestellt.
Es ist das
meist ein rauer Weg. Es gibt ein Bild von Fritz von Uhde. Da sieht man, wie der
Abend sich herabsenkt auf eine Tiefverschneite Landschaft. Erschöpft lehnt
Maria sich an einen Zaun. Durch den tiefen Schnee strebt Joseph einem fernen
Licht zu. Er will irgendwo Unterkommen suchen.
Nun, wenn
wohl auch damals kein Schnee gelegen hat – es war eine harte und schwere Reise
für Maria, die das Kind unter dem Herzen trug.
Und diese
Reise fand ihr Ende nicht in Bethlehem. Sie führte in die Flucht vor Herodes,
nach Ägyptenland.
Abraham
und Sara, Joseph und Maria – seltsame Leute! Die Welt in ihrer toten Sicherheit
wird sie nie verstehen. Die Weltgeschichte hat sie nicht aufgenommen unter ihre
Heiden. Aber bei Gott sind ihre Namen herrlich angeschrieben, die Namen dieser
Menschen, die in Gottes Gewalt kamen und die darin selig waren.
Mit
solchen Leuten tut Gott seine Taten, mit solchen Leuten, die seinem Ruf folgen,
die nichts, gar nichts anderes mehr wünschen, als ihm zur Verfügung zu stehen.
Nur
allein, dass du mich stärkest
Und
mir treulich stehest bei;
Hilf,
mein Helfer, wo du merkest,
Dass
mir Hilfe nötig sei.
Brich
des bösen Fleisches Sinn,
Nimm
den alten Willen hin,
Mach
ihn aller Dinge neue,
Dass
mein Gott sich meiner freue.
31.
August
Sie wickelte ihn in Windeln.
Lukas 2, 7
Das Wort
steht doch in der Weihnachtsgeschichte! Was soll dies Wort hier? Mitten im
Jahr?
Nun, ich
habe es immer bedauert, dass man diese wundervolle Geschichte nur einmal im
Jahr anschaut. Und dann legt man sie zu den Akten, bis wieder Weihnachten wird.
Diese Geschichte will ihre Botschaft aber jeden Tag in unser Herz rufen.
Da sind
also diese Windeln! Stellt euch nur einmal vor, sie würden durch irgendeinen
Zufall wieder aufgefunden. Was würde geschehen?
Man würde
sie als wertvolle Reliquien in goldene Schreine fassen. Oder amerikanische
Museen würden sie für riesige Summen ankaufen. Und dies alles, obwohl sie nur
schlechte Leinentücher sind.
Warum sind
sie nun so wertvoll? Weil sie mit Jesus zusammen waren. So ist das: Durch Jesus
bekommt alles einen anderen, neuen Wert.
Da ist das
Kreuz. Was war ein Kreuz? Ein scheußlicher Galgen. Und heute? Da schmückt es
Kirchtürme, da glänzt es in Gold auf Altären. Warum? Nur weil Jesus daran hing.
Durch
Jesus bekommt alles seinen neuen Wert: Windeln, Kreuze und – Menschen!
Da ist
Petrus. Wer wüsste etwas von diesem armseligen Fischer, wenn Jesus nicht in
sein Leben gekommen wäre? Nun wurde dieses arme Leben neu, erhöht, verklärt.
Was sind
wir ohne Jesus? Sünder unter Gottes Zorn. Was werden wir durch Jesus?
Versöhnte, geliebte Kinder Gottes, deren Namen im Himmel geschrieben stehen.
O du Kind
in der Krippe! Du machst alles neu. Wie sollten wir ohne dich leben können!
Ach
wohn in mir, du Gottessonn!
Mein
Geist dein Himmel werd,
Dass
ich, o reine Seelenwonn,
Werd
ganz in dich verklärt.
1.
September
Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in
eine Krippe; denn sie haften sonst keinen Raum in der Herberge … Und sie kamen
eilend …
Lukas 2, 7 und 16
Wir wollen
weiter die Weihnachtsgeschichte betrachten. Ich finde, man hört sie ganz
anders, wenn man sie einmal frei von aller Weihnachtsumrahmung liest.
Wie oft
haben wir von bedeutenden Leuten den Satz gehört: „Wir können über Gott nicht
verfügen.“ Nun, das ist ja so einleuchtend, dass es jeder begreift, der nur
eine Ahnung von Gott hat.
Aber die
Christfest-Botschaft kündet nun das Unerhörte und Unbegreifliche: Gott gibt
sich in unsere Hände in dem Kindlein Jesus. Maria nahm das Kind, „wickelte es“ –
„legte es“ – kurz: sie verfügte über – Gott!
Ich glaube
nicht, dass es viele Leute gibt, die das zu fassen vermögen. Aber ab und zu
geschieht es, dass einer das Evangelium versteht, dass es ihm aufleuchtet: In
Jesus darf ich Gott „mein Eigentum“ nennen.
Die Hirten
waren solche Leute. Ich sehe sie im Geist durch die Nacht rennen. Vielleicht
haben ihre Herzen jahrelang geseufzt: „Wie der Hirsch schreit nach frischem
Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir!“ Und nun laufen sie, so schnell
sie können, und wissen nur eins: Jetzt können wir Gott fassen, ergreifen,
besitzen, an uns nehmen. Dort in der Krippe liegt er!
Das war
ein Zugreifen und Nehmen im Glauben! So sollten wir es auch lernen. Man
ergreift das Kind im Glauben und sagt: „So, jetzt ist Gott mein Gott!“
Und wenn
dann alle Finsternis der Welt gegen uns aufstehen will, dann heißt es bei uns: „Wenn
wir dich haben, / Kann uns nicht schaden / Teufel, Welt, Sünd
oder Tod.“
Gott gibt
sich in der Menschen Hände! In meine befleckten Sünderhände! O, es kann ja
nicht anders sein, als dass nun eine unendliche Liebe und ein ganzes Vertrauen
zu ihm mein Herz erfüllen müssen!
Du,
unser Heil und höchstes Gut,
Vereinest
dich mit Fleisch und Blut,
Wirst
unser Freund und Bruder hier,
Und
Gottes Kinder werden wir.
2.
September
Und sie kamen eilend.
Lukas 2, 16
„Tempo“!
Das ist das Wort, unter dem wir im Zeitalter der Technik stehen. Wie sind wir
alle doch gehetzte Leute!
Ganz
anders ist die Weit der Bibel! Da spüren wir den Atem der ewigen Stille.
Nur an
einem einzigen Punkte drängt auch Gottes Wort auf Tempo: Wenn es sich nämlich
darum handelt, dass Menschen das Heil Gottes in Jesus Christus ergreifen
sollen.
Aber das
ist nun wieder merkwürdig: Gerade an dieser Stelle haben wir so eiligen Leute
unendlich viel Zeit. Wenn es sich für einen Menschen darum handelt, seiner
Seelen Seligkeit zu schaffen, dann schiebt er es auf von einem Tag zum andern.
Solange, bis er endlich im Sterben liegt und zu schwach geworden ist, seine
Gedanken noch zu sammeln.
So haben
die Hirten es nicht gemacht. Sie waren ganz bestimmt Leute von großer
Gelassenheit und Ruhe. Aber nun auf einmal geraten sie in ein geradezu modernes
Tempo. Sie haben gehört, dass in dieser verlorenen Welt ein Heiland geboren
ist. Da kommen sie eilend.
Sie haben
eben begriffen, was das heißt: „Heiland“. Da steht im griechischen Text ein
Wort, das bedeutet eigentlich „Retter“.
Wenn
Bergleute in der Grube eingeschlossen sind und ein Retter steigt zu ihnen
hernieder, dann sagen sie nicht: „Wir wollen gelegentlich darauf zurückkommen.“
Nein, umgehend folgen sie ihm – und entrinnen dem Verderben.
Die Hirten
haben gewusst, was das für eine schwerwiegende Sache ist, wenn Gott seinen Sohn
als Retter schickt. Darum kamen sie eilend.
Gott
verhelfe uns zu Tempo in dieser wichtigen Sache!
Ei
so kommt und lasst uns laufen,
Stellt
euch ein, groß und klein,
Eilt
mit großen Haufen!
Liebt
den, der vor Liebe brennet;
Schaut
den Stern, der euch gern
Licht
und Labsal gönnet.
3.
September
Und Jesus stand auf aus der Schule und kam in
Simons Haus. Und Simons Schwiegermutter war mit einem harten Fieber behaftet.
Lukas 4, 38
Der
Gottesdienst war zu Ende.
Die Menschen
in Kapernaum hatten das Herrlichste erlebt, was man in einem Gottesdienst
erleben kann: Jesus hatte seine Macht über die Mächte der Finsternis offenbart
(Lukas 4, 31 bis 35).
Nun ist
der Gottesdienst aus. Und zu Hause wartet der graue Alltag: die Sorge um Geld,
die kranke Mutter.
Und da
erlebt der Simon etwas wunderbar Schönes: Jesus kommt in sein Haus. Jesus ist
nicht nur in der Kirche. Der Herr Jesus geht von da aus mit in den Alltag, in
die Sorgen, in die Nöte des Simon.
Es gibt so
viele Christenleute, die sich von Herzen nach Jesus sehnen und sich freuen,
wenn sie in der Gemeinde, im Gottesdienst sein Wort hören und ihm begegnen
dürfen. Aber ihren Alltag, ihre Nöte, ihre Sorgen, ihre Lasten bringen sie
nicht mit Jesus zusammen. Der Alltag ist da gleichsam eine jesuslose Welt für
sich.
Wer es so
hält, kennt den Herrn Jesus noch nicht richtig. Er lässt den Simon im
Gottesdienst seine Herrlichkeit erleben. Aber er geht auch mit Simon in das
arme Fischerhaus. Ja, das arme Fischerhaus ist ihm nicht zu gering.
Und er
bleibt nicht an der Tür stehen. Er setzt sich nicht in die „gute Stube“. Jesus
geht in das Zimmer, wo die Not liegt: ins Zimmer der kranken Schwiegermutter!
Wir haben
einen Heiland nicht nur für Sonntage, sondern auch für den Alltag; nicht nur für
die Höhepunkte des Lebens, sondern gerade für die Tiefen. „Mein Jesus ist der
beste Freund!“
Jesu,
mein Herr und Gott allein,
Wie
süß ist mir der Name dein!
Es
kann kein Trauern sein so schwer,
Dein
süßer Nm' erfreut viel mehr;
Kein
Elend mag so bitter sein,
Dein
süßer Trost, der lindert's fein.
4.
September
Da trat Jesus in der
Schiffe eines, welches Simons war, und bat ihn, dass er's ein wenig vom
Lande führte.
Lukas 5, 3
Das ist
aber wirklich eine seltsame und merkwürdige Sache, die da berichtet wird: Jesus
bat den Simon.
Das ist
doch derselbe Jesus, der gesagt hat: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und
auf Erden.“
Und dieser
Große, Gewaltige „fordert“ nicht, er „beschlagnahmt“ nicht; er „bittet“ den
armen, geringen Fischer um einen Dienst.
Das ist
die Art des Herrn Jesu. Es gibt keinen Zwang im Reiche Gottes. Es geht da alles
lieblich und freundlich zu.
Jesus ist
der starke Held, der auf Golgatha mit der Hölle gerungen und sie besiegt hat.
Er, der als der Stärkere über den Satan gekommen ist, er könnte wohl
Menschenherzen zwingen. Er tut es nicht. „Siehe, ich stehe vor der Tür und
klopfe an“, sagt er uns.
Der Herr
aller Dinge fordert nicht. Er bittet. Der König aller Könige bricht nicht ein.
Er steht vor der Tür und klopft an.
Jesus will
die Herzen nicht vergewaltigen, sondern überwinden und gewinnen. Er droht
nicht, er lockt uns „wie eine Henne ihre Küchlein“.
Wie
freundlich und lieblich ist doch die Art des Reiches Gottes!
Aber wir
müssen begreifen, dass gerade das unsere Verantwortung so schwer macht. Unser
Herz muss sehr hart und tot sein, wenn es dies freundliche Rufen überhört. Gott
helfe uns, dass wir sein Anklopfen hören und auftun!
Seelenbräutigam,
Jesu,
Gottes Lamm,
Habe
Dank für deine Liebe,
Die
mich zieht aus reinem Triebe
Zu
des Kreuzes Stamm,
Jesu,
Gottes Lamm.
5.
September
Da trat er in der Schiffe
eines, welches Simons war, und bat ihn, dass er's ein wenig vom Lande führte.
Lukas 5, 3
Habt ihr
schon einmal Fabrikarbeiter oder Bergleute gesehen, wenn sie „von Nachtschicht“
kommen? Das sind müde Männer, die Kraft ist restlos verbraucht. Und der Leib
begehrt nur Ruhe.
So ein
müder Mann war der Simon Petrus an jenem Morgen, als Jesus in sein Boot trat. „Wir
haben die ganze Nacht gefischt“, sagt er.
Der Petrus
war noch ärger dran als so ein Bergmann. Der hat doch wenigstens seinen Lohn
verdient. Aber Petrus musste bekennen: „Wir haben nichts gefangen.“
Eine schwere
Nachtschicht – und ganz vergeblich. Das gibt verdrießliche Leute und beschwerte
Herzen.
Man sollte
meinen, der Herr Jesus habe sich an jenem Morgen den Verkehrten herausgesucht.
Und wir könnten uns wohl denken, dass Petrus ein barsches „Nein“ auf Jesu Bitte
gehabt hätte.
Aber sieh,
Simon Petrus steigt in das Boot, ergreift die Ruder und dient so dem Herrn
Jesus. Und in dieser Stunde wurde ihm nicht nur ein reicher Fang geschenkt.
Diese Stunde wurde die Wende seines Lebens. in dieser Stunde berief ihn Jesus
zum Jünger und Apostel.
Auch uns
ruft Jesus zum Dienst. Vielleicht haben wir mancherlei Ausflüchte. Ach,
vielleicht haben wir nicht einmal soviel Zeit, ihn ganz ernst zu nehmen.
Wie müssen
wir uns schämen vor Simon Petrus? Wir wollen doch von ihm fernen. Es ist nicht
auszusagen, wie viel Segen wir davon haben, wenn wir etwas für Jesus tun.
Nun
aufwärts froh den Blick gewandt
Und
vorwärts fest den Schritt.
Wir
gehn an unsers Meisters Hand,
Und
unser Herr geht mit.
Vergesset,
was dahinten liegt
Und
euren Weg beschwert;
Was
ewig euer Herz vergnügt,
Ist
wohl des Opfers wert.
6.
September
Simon antwortete und sprach: „Meister, wir
haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen."
Lukas 5, 5
„O wie
bist du doch so schön, du weite, weite Welt!" hätte wohl ein fröhlicher
Wanderbursch singen können, der an jenem Morgen an den See Genezareth kam.
Der weite,
blaue See, die grünen Ufer, liebliche Städte und Dörfer um den See und über
allem der blaue Himmel – wem hätte an solchem Morgen nicht das Herz aufgehen
sollen!
Simon
Petrus sah nichts von all der Pracht. „Wir haben die ganze Nacht gefischt und
nichts gefangen."
Kennen wir
sie, die dunklen Tage, wo wir vergeblich arbeiten? Wo wir uns mühen – und der
Erfolg bleibt aus. Wo wir die Sonne nicht mehr sehen können, weil die Sorgen
wie dunkle Wolken am Himmel unseres Lebens aufgezogen sind.
„Dornen
und Disteln soll dir der Acker tragen", hat Gott zu Adam gesagt. Ja,
wahrhaftig, sie haben uns oft genug um die Frucht unserer Mühen gebracht, die
„Dornen und Disteln".
„Wir haben
die ganze Nacht gefischt …" Immer neu wurde das Netz ausgeworfen. Immer
neu flackerte die Hoffnung auf einen endlichen Erfolg auf. Und immer neue
Enttäuschung. Wie langsam verrinnen solche dunklen, trostlosen Stunden!
Aber – wem
erzählt denn Simon Petrus die traurige Geschichte dieser Nacht? „Meister!"
sagt er und wendet sich damit zu Jesus, dem Heiland, dem alle Macht gegeben
ist.
O wohl
dem, der seine Not zu Jesus tragen kann; der sich mit seinen dunklen Stunden
bei ihm bergen kann!
Wo
soll ich mich denn wenden hin?
Zu
dir, Herr Jesu, steht mein Sinn;
Bei
dir mein Herz Trost, Hilf und Rat
Allzeit
gewiss gefunden hat.
Niemand
jemals verlassen ist,
Der
hat getraut auf Jesum Christ.
7.
September
Herr, gehe von mir hinaus! Ich bin ein sündiger Mensch.
Lukas 5, 8
In einem
Gedicht von Eichendorff wird ein Mensch geschildert, der sich bedenkenlos in
den buntfarbigen Wirbel der Welt gestürzt hat: „Und wie er aufwacht vom Grunde,
/ Da ist er müde und alt. / Sein Schifflein lag tief
im Grunde, / Und still ist's rings in der Runde, / Und über den Wassern weht's kalt."
Das ist
eine ernste Stunde, wenn der kalte Wind weht und uns aufweckt aus aller
Träumerei und uns unsere wirkliche Lage erkennen lässt: fern vom lebendigen
Gott, beladen mit viel Schuld und Sünde!
Dieser
kalte Wind der Wirklichkeit, der aller Weltseligkeit und allen religiösen
Träumereien ein Ende bereitet, hatte auch den Petrus aufgeweckt.
„Ich bin
ein sündiger Mensch." Nun sah er zum ersten Mal, was sein Leben in
Wirklichkeit vor Gott wert war.
Und wir
können nur bitten, dass Gott uns allen zu solcher Klarheit und Wahrheit
verhelfe.
„Herr,
gehe von mir hinaus!" sagt Petrus, Hat er da nicht ganz Recht? Ein
sündiger Mensch und der heilige Gott passen doch nicht zusammen!
Und doch –
in dem Augenblick sprach Petrus eine große Torheit. Wie, wenn Jesus gegangen
wäre? Wenn Jesus ihn in seinem verlorenen Zustand allein gelassen hätte?!
„Herr,
komm zu mir: denn ich bin. ein sündiger Mensch!" So muss es heißen. So
wollen wir bitten. Und solche Bitte wird erhört.
Wo
soll ich fliehen hin,
Weil
ich beschweret bin
Mit
viel und großen Sünden?
Wo
soll ich Rettung finden?
Wenn
alle Welt herkäme,
Mein
Angst sie nicht wegnähme.
O Jesu
voller Gnad,
Auf
dein Gebot und Rat
Kommt
mein betrübt Gemüte
Zu
deiner großen Güte:
Lass
du auf mein Gewissen
Ein
Gnadentröpflein fließen.
8.
September
Da sie aber Jesus sah …
Lukas 13, 12
Alte
Soldaten wissen, was eine „Besichtigung“ ist. Da kommt der General eines Tages
im Standort an. Große Aufregung! Alles fürchtet sich vor den strengen Augen des
hohen Vorgesetzten.
Was will
er denn sehen? Er will feststellen, was die Soldaten können und ob sie Schneid
haben; kurz, alle Tugenden will er sehen.
Nun wird
uns im Text gesagt, dass der Sohn Gottes, der Herr Jesus, auch eine „Besichtigung“
abhielt. Was will er denn bei uns sehen?
Die
allermeisten Menschen meinen, auch er interessiere sich für unsere Tugenden.
Und wenn der Herr nur in ihren Gesichtskreis kommt, dann werfen sie sich in
stramme Haltung: „Ich bin doch kein schlechter Mensch!“ Schnell stellen sie
alle ihre Tugenden vor sich hin: „Ich tue recht und scheue niemand. Ich tue
doch viel Gutes. Ich glaube doch auch an den Herrgott!“
Ach, das
ist ein großes Missverständnis! Wenn der Heiland Besichtigung hält, schaut er
nicht auf deine Tugenden – in seinen Augen sind sie übrigens sehr gering! –,
sondern er will dein Elend sehen.
Hier wird
erzählt, dass der Heiland am Sabbat in eine Versammlung kam. Da waren viele
gerade und tüchtige Leute. Aber ganz hinten erblickte der Herr „ein Weib, die
hatte einen Geist der Krankheit achtzehn Jahre; und sie war krumm und konnte
nicht wohl aufsehen“.
Auf dies
Häuflein Elend fällt der Blick des Heilandes. Für dies elende Weiblein, „welches
Satanas gebunden hat achtzehn Jahre“, ist er da.
O lasst
uns doch verstehen und unser Elend vor ihn bringen: unser Leid, unser
friedloses Herz, unsere Gebundenheit, unsere alte Schuld! Er ist ja der Arzt
der Kranken und nicht der Gesunden.
Hier
legt mein Sinn sich vor dir nieder,
Mein
Geist sucht seinen Ursprung wieder;
Lass
dein erfreuend Angesicht
Zu
meiner Armut sein gericht't.
9.
September
Also wird Freude sein vor den Engeln Gottes …
Lukas 15, 10
Zeitungen
und Radio verkündigen ein aufregendes Ereignis. Alle Welt spricht davon.
Aber nach
acht Tagen ist es vergessen, überholt, zugedeckt von neuen Aufregungen.
Wer das in
seinem Leben ein paar Mal erlebt hat, der muss doch zu der Überlegung kommen: „Offenbar
ist das alles gar nicht so wichtig, was die Welt durch ihr Geschrei als
bedeutend stempeln will.“
Aber das muss doch in Wahrheit wichtig und
bedeutsam sein, was die unsichtbare Welt, die Engelwelt, den ganzen Himmel in
Aufregung versetzt.
Und nun
nennt uns Gottes Wort drei Ereignisse,
die eine solche Bedeutung haben.
Die
himmlische Welt kam in Bewegung, als der Sohn Gottes ein Mensch und unser
Bruder wurde. Da jauchzten die Engelheere. Und darum ist dies Ereignis wichtiger
als alles, was die Welt für bedeutsam hält.
Weiter
heißt es in der Bibel, dass „vor den Engeln Gottes Freude ist über einen Sünder, der Buße tut“. Große
politische Ereignisse berühren die Engelwelt nicht. Aber wenn einer aus der
Schar der „Zöllner und Sünder“ sein altes Leben lässt und mit Jesus neu
beginnt, dann jauchzen die Engelheere.
Und zum
dritten: Sie beten an und jubeln, wenn das „erwürgte Lamm“ die Siegel bricht,
diese Weltzeit zu Ende bringt und eine neue Weit heraufführt.
Jauchzet,
ihr Himmel,
Frohlocket,
ihr Enden der Erden!
Gott
und der Sünder
Die
sollen zu Freunden nun werden.
Friede
und Freud
Wird
uns verkündiget heut;
Freuet
euch, Hirten und Herden!
10.
September
Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem
Vater: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört!“ Und er teilte
ihnen das Gut.
Lukas 15, 12
Wir kennen
alle das Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn. „Ohne den Vater!“ – so will’s der
jüngste Sohn einmal versuchen. Ohne den Vater! Ohne sein Gebot! Ohne seine
Hilfe!
Aber, sieh
da, er kann den Start zu diesem neuen Leben „ohne den Vater“ gar nicht beginnen
– ohne den Vater.
Er empfand
es selbst als seltsamen Widerspruch, dass er zum Leben „ohne den Vater“ den
Vater nötig hatte. Darum gibt er seiner Forderung die freche Wendung: „Gib mir
das Teil der Güter, das mir gehört.“ Als wenn man einen Mann vor seinem Tode
beerben könnte! Die Peinlichkeit und der Widerspruch bleiben.
In dieser
Lage ist der natürliche Mensch, der sein Leben dem Gehorsam Gottes entzogen
hat, der sein Leben ohne den himmlischen Vater führen will. Er will aus eigener
Kraft leben und aus eigener Verantwortung. Er will nur sich selbst Rechenschaft
ablegen.
Ohne den
Vater! Ach, wir können das ja gar nicht ohne den Vater. Er selbst muss uns dazu
alles geben aus seiner Fülle: Leben und Gesundheit, Verstand und Geist, Kraft
und tägliches Brot.
Es ist
eine seltsame Sache, dass der Vater dem Sohn schweigend „sein Teil der Güter“
gab. Ja, so ist Gott. Es ist die unheimliche Ironie Gottes, dass er den
Menschen erlaubt, ohne ihn zu leben; dass er sie dazu sogar mit allem
beschenkt.
Gott
hindert keinen, in sein Elend und Gericht zu laufen. Aber wenn wir nun schon so
ganz und gar von ihm abhängig sind, dann lasst uns
doch nicht Toren sein! Dann lasst uns doch gern und fröhlich Kinder Gottes
sein! Es gibt ja keinen schöneren und größeren Stand.
Gott
ist das Größte,
Das
Schönste und Beste,
Gott
ist das Süßte
Und
Allergewißte,
Aus
allen Schätzen der edelste Hort.
11.
September
Da schlug er in sich und sprach: „… und ich verderbe im Hunger.“
Lukas 15, 17
Er war
berauscht, der junge Mensch, den wir unter dem Namen des „verlorenen Sohnes“
kennen: berauscht von der Weit und ihren Möglichkeiten; berauscht von dem
köstlichen, hinreißenden Tempo des Lebens; berauscht von den bunten Farben der
Welt, von ihrem vielfältigen Betrieb. Ja, berauscht von sich selber war er
auch.
In solchem
Rauschzustand haben wir kein Ohr mehr für Gottes Rat. Solcher Rauschzustand
macht uns einfach unfähig, seine Stimme zu hören. Solcher Rausch verbirgt uns
auch die sehr gefährliche Lage, in der wir sind.
Wenn wir
in solchem Zustand sind, gibt es nur eine Rettung: Gott kann etwas tun. Er kann
uns alles zerschlagen. Dazu hat der lebendige Gott viele Möglichkeiten.
Auch dem „verlorenen
Sohn“ tat er so. Von dem heißt es wörtlich: „Da kam er zu sich.“ Wie ein
Schlafwandler plötzlich aufschrickt! Die Nebelwolken weichen. Die Blendung
erlischt. Man sieht die Wirklichkeit.
Das ist
eine Ent-Täuschung! Und doch ist es eine große Gnade,
wenn Gott uns die Wirklichkeit zeigt: Da sehen wir das entstellte Gesicht einer
gefallenen Welt. Ihr Tempo ist nichts als sinnlose Flucht vor dem Tode. Ihr
Betrieb ist Kinderspiel. Unser eigenes Werk erscheint im Tageslicht der
Ewigkeit so armselig, so vielfach beschmutzt.
Und wir selbst?
Wir können nur noch stammeln: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und
vor dir.“
„Da kam er
zu sich …“ Eine bitter-schwere Stunde. Und doch wohl
uns, wenn das ein Stück unserer eigenen Lebensgeschichte wird!
Aber
wache erst recht auf
Von
dem Sündenschlafe;
Denn
es folget sonst darauf
Eine
lange Strafe,
Und
die Not
Samt
dem Tod
Möchte
dich in Sünden
Unvermutet
finden.
12.
September
Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater.
Lukas 15, 20
„Ich bin
mit Gott fertig!“ Wie stolz hat mancher schon so in seinem Herzen gesprochen.
So hat auch der „verlorene Sohn“ gesagt, als er aus dem Vaterhaus ging: „Damit
bin ich nun fertig!“
Aber der
Vater war mit ihm nicht fertig. Der Vater wartete. Und dies geheime Warten des
Vaters war wie ein Seil, das den Sohn nicht losließ, war wie eine Verheißung
über all seinen Nöten, war wie ein dunkles Gericht über all seinen falschen
Wegen.
Der Herr
wartet auf seine Menschenkinder. Dies Warten Gottes ist eine unheimlich starke
Macht. Wie manch einer läuft durch die Welt und flieht vor Gott und spürt doch
dies starke Band, das ihn hält: „Der Herr wartet auf mich.“
Da
berauscht sich manch einer an der Welt, an ihren Zerstreuungen, an Sünden und
an herrlich großen Aufgaben. Und doch – es liegt wie ein geheimer Schatten über
allem: „Gott wartet auf mich.“
Da ist
einer völlig versunken in der Welt und ihrem Wesen. Es ist, als sei jedes
Erinnern an Gott völlig ausgelöscht aus seinen Gedanken. Und doch – wie ein
funkelnder Stern über der nächtlichen Erde steht auch über solch armem Leben
die Verheißung: „Gott wartet auf dich.“
Gott
wartet! Das ist eine stete Beunruhigung der Welt. – Gott wartet! Das ist ein
wunderbarer Trost für Glaubende, die ihre Lieben auf falschen Wegen sehen. – Gott
wartet! Das ist ein starker Ruf zum Heimkommen an alle, die es hören.
Da
jammert Gott in Ewigkeit
Mein
Elend Übermassen;
Er
dacht an sein Barmherzigkeit,
Er
wollt mir helfen lassen;
Er wandt zu mir das Vaterherz,
Es
war bei ihm fürwahr kein Scherz,
Er ließ’s sein Bestes kosten.
13.
September
Da er aber noch ferne von dannen war, sah
ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste
ihn.
Lukas 15, 20
Hier wird
deutlich, dass die Geschichte vom „verlorenen Sohn“ ein Gleichnis ist, eine
Geschichte von Gott. Denn in einer menschlichen Geschichte wäre es bestimmt
anders zugegangen.
Da hätte
der Vater bitter gesagt: „Siehe da, jetzt kommt er wieder an, jetzt, wo er mit
allem zu Ende ist“ Oder er hätte gar gedacht: „Wir haben einmal miteinander Schluss
gemacht. Du hast es so gewollt! Nun bleibt’s dabei!“
Zum
mindesten hätte der Vater mal abgewartet, was der Sohn nun wohl sagen wird, und
davon seine weiteren Entschlüsse abhängig gemacht.
Nun, wenn
Gott so gehandelt hätte, dann würde kein Mensch selig. Gott sei Dank, dass sein
Erbarmen millionenfach größer ist als das aller irdischen Väter. Er ist – wie
die Bibel sagt – der „rechte Vater über alles, was da Kinder heißt“.
Der Vater
in der Gottesgeschichte „vom verlorenen Sohn“ geht dem Sohn entgegen. Nein! Er „läuft“
ihm entgegen. Seine Arme sind dem Sohn geöffnet, ehe der ein Wort der Buße
sagen kann. Die Liebe des Vaters umfängt ihn, ehe er sich gebeugt und um
Vergebung gebeten hat.
So hat es
Gott mit uns gemacht. In Jesus Christus ist er uns, seinen verlorenen Kindern,
entgegengeeilt. Jesu Arme am Kreuz sind den Sündern ausgebreitet, ehe sie ihn
kennen. Jesu rettende Liebe ist da, ehe wir uns in Buße gedemütigt haben.
„Er ist
für uns gestorben, als wir noch Sünder waren.“ Ja, „Gott ist die Liebe“!
Ich
hatte nichts als Zorn verdienet
Und
soll bei Gott in Gnaden sein.
Gott
hat mich mit sich selbst versühnet
Und
macht durchs Blut des Sohns mich rein.
Wo
kam dies her? Warum geschieht's?
Erbarmung
ist's und weiter nichts.
14.
September
Es begab sich, da Jesus reiste gen
Jerusalem, zog er mitten durch Samarien und Galiläa.
Lukas 17, 11
Die
Menschen in Europa haben nach dem Zweiten Weltkrieg ganz neu die Landstraßen kennen
gelernt. Früher fuhren darauf Autos. Ab und zu kam ein Bauernwagen. Das war
alles.
Aber dann
auf einmal sind Millionen über die Landstraßen gezogen: Flüchtlinge, Gefangene,
Evakuierte …
Der Sohn
Gottes ist ja in allen Stücken uns gleich geworden. Er hat gehungert wie wir.
Er hat gedürstet wie wir. Er war müde wie wir. Er hat geweint wie wir. Und nun
ist er auch darin uns gleich geworden, dass er ein Wanderer auf den Landstraßen
der Welt wurde.
Ja, ist er
das nicht heute noch?
Eins der packendsten Missionsbücher ist ein ausführlicher Bericht
aus Indien von Stanley Jones. Der schreibt im Vorwort etwa so: Wenn ich mit den
Indern ins Gespräch kam, hatten sie unendlich viel Einwände gegen das Christentum.
Darum gab ich es auf, über das „Christentum“ zu sprechen. Ich machte mir klar, dass
„Christentum“ und „Christus“ nicht dasselbe sind. Ich gab die endlose Front des
„Christentums“ auf und bezeugte nur noch den auferstandenen Heiland, der heute
noch über Indiens Landstraßen geht und Verlorene sucht.
Er gab
seinem Buch den Titel: „Der Christus der indischen Landstraße“.
Der Mann
hat Recht. Wir haben es mit dem Auferstandenen zu tun, der auch heute noch über
unsere Straßen geht. Wie oft sangen wir es in unsern Ferienlagern: „Früh am Morgen
Jesus gehet / Und vor allen Türen stehet!“ Und wie er sich bei diesen
Wanderungen einst zu dem Weib an den Brunnen setzte oder in den Kahn des
Fischers, so kommt er auch heute in unsern Alltag und stellt ihn in das Licht
der Ewigkeit.
Er
kommt auch noch heute
Und
lehret die Leute,
Wie
sie sich von Sünden
Zur
Bub sollen wenden,
Von
Irrtum und Torheit
Treten
zu der Wahrheit.
15.
September
Und als Jesus in einen Markt kam, begegneten
ihm zehn aussätzige Männer, die standen von ferne.
Lukas 17, 12
Es ist
nicht Spielerei, wenn wir sagen: Wir selbst sind die Aussätzigen. Der Text gibt
uns einen versteckten Hinweis darauf.
Er spricht
von „zehn“ Aussätzigen. In der biblischen Zahlensymbolik ist die Zahl 10 die
Zahl der gefallenen, Gerichtsreifen Welt. In den zehn Aussätzigen verkörpert
sich also die ganze gefallene Menschheit.
Die
Aussätzigen waren mit ihrer hässlichen, zerstörenden Krankheit ein Gräuel. Ja, meint ihr denn, wir seien
Gott nicht ein Gräuel? O, wir bilden uns oft so viel ein auf unsere natürliche
Art. Und dabei hat Gott einen Abscheu vor unserem selbstsüchtigen und lieblosen
Wesen, vor unserer unwahrhaftigen und launischen, unsauberen und irdisch-gesinnten Art, vor unserem verkehrten und gottlosen
Herzen.
„Von ferne“
mussten die Aussätzigen bleiben, weil ihr Aussatz so unheimlich ansteckend war. Ist unser verkehrtes
Wesen nicht auch seltsam ansteckend? Ein Sünder bleibt ja mit seiner Sünde nie
allein. Er macht Genossen seiner Schuld. Der Aussätzige steckt andere an. Ja,
wie stecken wir einander schon an mit unserem Sorgengeist oder mit unserer
schlechten Laune!
Und die
Aussätzigen waren vom Tode gezeichnet,
dem Tode verfallen. Sind wir es nicht auch? Eilt nicht jede Sekunde mit uns dem Grabe zu?
Aber – o
Wunder! – unter die Aussätzigen tritt der ganz andere: Jesus. Der ist Gott kein
Gräuel. Der Vater selbst bezeugt von ihm: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe.“ Er macht die, die an ihn glauben, „angenehm vor Gott“. Er
rettet vom zeitlichen und ewigen Tode. Er ist der Arzt der Aussätzigen.
Es wird
ewig unbegreiflich sein, dass nicht alle Welt zu ihm eilt. Tun wir es!
So fass
ich dich nun ohne Scheu,
Du
machst mich alles Jammers frei.
Du
trägst den Zorn, du würgst den Tod,
Verkehrst
in Freud all Angst und Not.
16.
September
Und als Jesus In einen Markt kam, begegneten
ihm zehn aussätzige Männer, die standen von ferne.
Lukas 17, 12
Wie geht
es doch in dem Marktflecken hoch her an einem Markttag!
Da haben
sich auch die Aussätzigen aus ihren Felsklüften aufgemacht. Nein, in das Dorf
dürfen sie nicht hinein. Aber „von ferne“ wollen sie wenigstens ein wenig
mitkriegen. Da stehen sie, und das Herz schreit: „Ach, wenn man doch mitmachen
dürfte! Da ist das Glück!“
Sie machen
sich nicht klar, dass die Leute im Dorf genau wie sie mit brennenden Augen dem
Glück nachstarren.
Da steht
ein armes Bäuerlein, schaut einem reichen Ratsherrn nach und denkt sehnsüchtig:
„Wer doch einmal so reich sein dürfte!“
Der
Ratsherr aber ist ein kranker Mann. Er sieht auf einen Gassenbuben und denkt
bitter: „Ach, wenn ich doch noch einmal so gesund sein könnte wie dieser
Bengel!“
Der aber
guckt einem dicken Gutsbesitzer zu, der eben von seinem Wagen steigt, und
denkt: „Wenn ich doch einmal so satt sein dürfte wie dieser Dicke da!“
Dem
Gutsbesitzer aber fällt eben das arme Bäuerlein in die Augen. Und er murmelt: „Dein
Hof ist wohl klein, doch schuldenfrei. Mir aber drücken die Schulden das Dach
ein.“
Jagd nach
dem Glück! Wir stehen im Grunde alle „von ferne“ wie die Aussätzigen.
Aber da
schiebt sich ins Blickfeld der Aussätzigen der Eine, der nicht nach dem Glück
jagt, der es vielmehr bringt: Jesus. Er ist gekommen, dass wir „das Leben und
volles Genüge haben sollen“. Dass er doch auch vor unsere glückhungrigen Herzen
träte! Er ist unser Friede.
O
wer nur immer bei Tag und Nacht
Dein
zu genießen recht wär bedacht;
Der
hätt ohne Ende von Glück zu sagen,
Und
Leib und Seele müsst immer fragen:
Wer
ist wie du?
17.
September
Die Aussätzigen erhoben ihre Stimme und
sprachen: „Jesu, lieber Meister, erbarme dich unser!“
Lukas 17, 13
Diese
Aussätzigen wussten nicht viel vom Herrn Jesus. Eine Konfirmandenprüfung hätten
sie in keinem Fall bestanden.
Aber das
ist zunächst nicht das Wichtigste, dass man ein großes Wissen hat. Auf das
rechte Vertrauen zum Herrn Jesus kommt es an.
Die
Aussätzigen nannten ihn „Meister“. Eigentlich müsste man übersetzen „Lehrer“. Die
lateinische Bibel hat an dieser Stelle das Wort „Präzeptor“.
Nun ist
der Herr Jesus gewiss ein Lehrer. Aber er ist viel mehr als das. Ja, was ist er
denn?
Er ist – nun
muss etwas Erstaunliches gesagt werden – er ist selbst ein Aussätziger! Jesaja
sagt von ihm: „Er war voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass
man das Angesicht vor ihm verbarg.“
Die Bibel
vergleicht ja oft den verdorbenen Zustand des natürlichen Menschen mit dem
Aussatz. Wenn also Sünde Aussatz ist, dann war keiner so aussätzig wie der Sohn
Gottes. Oder – ohne Bild gesprochen – es war nie ein Mensch so mit Schuld
bedeckt wie Jesus, als er am Kreuz hing, denn der Herr „warf alle unsere Sünde
auf ihn“, wie es in Jesaja 53 heißt. So war kein Aussätziger je verstoßen, wie
es Jesus war, als er rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verfassen?“
Und darum
ist er der rechte Seelsorger für alle Aussätzigen, Sünder und unruhigen
Gewissen. Wenn keiner unser Heimlichstes versteht – er versteht uns. Ihm dürfen
wir uns anvertrauen.
O wie hat
der Teufel das Spiel verloren, wenn ein Herz sich diesem Heiland anvertraut!
Dir
will ich mich ergeben,
Nicht
meine Ruh, mein Leben
Mehr
lieben als den Herrn.
Dir,
Gott, will ich vertrauen
Und
nicht auf Menschen bauen;
Du
hilfst, und du errettest gern.
18.
September
Und da Jesus sie sah …
Lukas 17, 14
Der Blick
des Herrn Jesu fiel auf zehn aussätzige Männer.
Es war
kein schöner Anblick, diese vom Aussatz zerfressenen Gesichter. Wer sie sah,
wandte sich ab.
Für Jesus
war der Anblick noch erschütternder als für jeden andern. Durch ihn hat ja Gott
die Welt geschaffen. Jesus hat den Menschen gekannt am Schöpfungstag, als Gott
den zu seinem Ebenbild schuf. Er hat den Adam gesehen in seiner Schönheit – vor
dem Sündenfall.
O dieser
Sündenfall! Wie bei einem Dammbruch schäumend und tobend sich die wilde Flut
zerstörend über das Land ergießt, so war es beim Sündenfall. Da brachen Leid,
Jammer, Gemeinheit, Ungerechtigkeit, Hass, Streit, Krankheit, Sterben und Tod
in die Welt Gottes herein.
Aus den
zerfressenen Gesichtern schaut den Heiland der Jammer der gefallenen Welt an.
Und auch
aus unsern Gesichtern! Versteht: Wir sprechen nicht nur von unserer
körperlichen Sterblichkeit, sondern von unserm ganzen Wesen, das aussätzig ist
in Gottes Augen, das ihm ein Gräuel ist, von unserm selbstsüchtigen, lieblosen,
unsauberen, ungeistlichen Wesen.
Als Jesaja
vor dem Herrn stand, musste er bekennen: „Nun aber sind wir allesamt vor dir
wie die Unreinen.“
Es war
sicher für die zehn Aussätzigen nicht leicht, sich den Augen Jesu zu stellen
und in seinen Augen die Erschütterung zu lesen über ihren entsetzlichen
Zustand.
Aber – es
war die Rettung für sie, dass sie vor Jesu Augen kamen. Denn diese Augen sahen
sie mit unendlicher Liebe an. Und diese Liebe brachte ihnen Rettung, Heil,
Reinigung.
Jesus
nimmt die Sünder an,
Mich
hat er auch angenommen
Und
den Himmel aufgetan,
Dass
ich selig zu ihm kommen
Und
auf den Trost sterben kann:
Jesus
nimmt die Sünder an.
19.
September
„Gehet hin und zeiget euch den Priestern!“
Und es geschah, da sie hingingen, wurden sie rein.
Lukas 17, 14
Im 3. Buch
Mose hat Gott genaue Anweisungen gegeben darüber, wie sich einer verhalten
soll, der vom Aussatz geheilt wird. Zuerst muss er sich dem Priester zeigen und
dann Opfer bringen.
Ich habe
mich immer über diese Anweisung gewundert. Denn – das gibt's ja gar nicht, dass
einer vom Aussatz geheilt wird. So ein armer Aussätziger kannte diese Vorschriften
gewiss. Er malte es sich in seinem Elend aus, wie es wäre, wenn er den Gang zum
Priester antreten dürfte. Die Vorschrift war ihm eine Verheißung.
Und nun
sagt der Heiland diesen Männern: „Zeigt euch den Priestern!“ Ein ergreifender
Befehl! Das heißt ja: „Ihr seid geheilt.“
Aber nun
kommt das Wunderbare der Geschichte: Wenn die Aussätzigen sich in ihre
zerstörten Gesichter gesehen hätten, dann hätten sie gesagt: „O Herr, du
spottest unser! Wir sind ja voll Aussatz.“
Aber – das
tun sie nicht. Sie halten sich an Jesu Wort: „Ihr seid geheilt.“ Gegen allen
Augenschein, ja, gegen alle Vernunft klammern sie sich an sein Wort. Er kann
nicht lügen.
Seht, das
heißt christlich glauben.
Als eine
Aussätzige sank die große Sünderin zu Jesu Füßen nieder. Als er sagte: „Dir
sind deine Sünden vergeben“, glaubte sie dem Wort, schaute nicht zurück und
ging im Frieden heim in ein neues, geheiltes Leben.
Weil unser
Herz, wenn es erweckt ist, so schwer glaubt, ist das Wort Fleisch geworden – im
Kreuz und Sterben Jesu. Ununterbrochen ruft das Kreuz in die Sündenwelt: „Dir
sind deine Sünden vergeben!“
Wer es
hört und glaubt – der hat es.
Willst
du wanken
In
Gedanken,
Fass
dich in Gelassenheit.
Lass
den sorgen,
Der
auch morgen
Herr
ist über Freud und Leid.
20.
September
Und er fiel auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm.
Lukas 17, 16
Wisst ihr,
was das bedeutet?
Ihr sagt
vielleicht: „O, das war eben ein etwas überschwänglicher Mann, der von seiner
Heilung ganz überwältigt war.“
Nein! Es
steckt mehr dahinter. So nahte man zu Gott und sonst nur noch zum römischen
Kaiser, der sich ja auch für einen Gott hielt. indem der Samariter sich vor
Jesus niederwarf, bekannte er: „Du bist Gott und Herr!“ Er bekannte: „Du bist
der Messias, auf den wir alle hoffen.“ Er bekannte: „Du bist der vom Himmel
gekommene Heiland!“
Die Leute
standen verwundert und befremdet vor diesem Geschehen. Sie sahen auf Jesus – und
sie sahen in ihm nur einen bestaubten Wandersmann, der – wie Tausende – nach
Jerusalem zum großen Fest zog.
„Na ja!“
dachten sie wohl, „dieser Jesus scheint ja ein ganz bedeutender Mann zu sein,
mehr als andere Leute. Womöglich ist er ein großer Heiliger. Vielleicht will er
auch eine neue Religion stiften. Aber darum braucht man ihn doch nicht
anzubeten, als sei er Gott!“ Kurz, sie erkannten ihn nicht. Ihre Gedanken
rieten an ihm vorbei.
Und genau
so geht es heute auch. Man macht sich allerlei Gedanken über Jesus. Aber – wer
betet ihn an als Gott und Heiland?
Ja, liegt
denn so viel daran, dass ich Jesus recht erkenne? Ist es nicht schon genug und
anerkennenswert, wenn ich ihn als genialen Menschen hoch achte?
Es liegt
alles an der rechten Erkenntnis Jesu. Er selber sagt Johannes 17, 3: „Das ist
aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du
gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“ Gott helfe uns dazu!
Befördre
dein Erkenntnis
In
mir, mein Seelenhort,
Und
öffne mein Verständnis
Durch
dein geheiligt Wort,
Damit
ich an dich gläube
Und
in der Wahrheit bleibe
Zu
Trutz der Höllenpfort.
21.
September
… und dankte Jesus.
Lukas 17, 16
Eine
Mutter besucht mit ihrem Kind die Tante. Diese bringt ein paar Bonbons für das
Kind. Das will sich gleich darüber hermachen. Aber da greift die Mutter ein: „Kind,
wie sagt man denn?“ Und verlegen
stammelt das Kind seinen Dank.
O Mensch, „wie
sagt man denn“, wenn der himmlische Vater dir Wohltaten erweist?
Es gibt
viele, die sind aus Todesnot errettet. „Wie sagt man denn?“ Habt ihr schon im
stillen Herzensgespräch gedankt?
„Wie sagt
man denn“, wenn der himmlische Vater seine Sonne aufgehen lässt über Gerechte
und Ungerechte?
Ja, „wie
sagt man denn“, wenn Gott den Himmel zerreißt und seinen geliebten Sohn sendet?
Wenn der Heiland sein Leben lässt für uns, seine verlorenen Brüder?
Sollte
nicht aus Millionen Herzen ein gewaltiger Lobgesang aufbrechen?
„Wie sagt
man denn?“ Ich will's euch zeigen, wie man sagt: Man macht Gott verantwortlich
für alle Folgen menschlicher Schuld und murrt verbittert: „Wie kann Gott so was
zulassen?“
Der
geheilte Aussätzige hielt es für selbstverständlich, dass er dem Heiland zu
Füßen fiel und ihm dankte. Aber – er war so unheimlich allein. Wo waren die
neun anderen, die gleich ihm geheilt waren? Warum stand das Volk so stumm, wo
sie doch den Erlöser bei sich hatten?
Bei einem
Manöver saßen ein paar Soldaten im Straßengraben und spielten gemütlich Karten.
Da kam ein Schiedsrichter vorbei: „Nanu, was macht ihr hier?“ – „Herr Major,
wir spielen die Toten!“
Wollen wir
auch die Toten spielen? Nicht? Dann lasst den Herrn noch heute unser Loblied
hören!
Ich
will dein Halleluja hier
Mit
Freuden singen für und für,
Und
dort in deinem Ehrensaal
Soll's
schallen ohne Zeit und Zahl.
22.
September
Sind ihrer nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun?
Lukas 17, 17
Ja, wo
sind die neun? Die Bibel sagt es uns nicht. Aber man kann es sich ungefähr
denken: Im Beruf gehen die einen auf. In der Familie die andern. Manche in der
Politik. Einige auf dunklen Wegen der Sünde. Und wieder andere sind versunken
im Stumpfsinn oder in irgendeiner Freigeisterei. Kurz, sie sind überall – nur
nicht da, wo man sie suchen sollte: bei Jesus; bei dem Jesus, der sie vom
Aussatz rein gemacht hat.
Und so
bleibt diese herrliche Erfahrung ohne Frucht für ihr Leben. Denn es genügt
nicht, einmal von Jesus angerührt zu sein. Jesus sagt: „Bleibet in mir.“ Es
gibt kein Leben aus Gott ohne beständige Verbindung mit Jesus.
Darin
beruht der eigentliche Kampf eines Christen, dass er in Jesus bleibt. Die Welt,
der Teufel und sein eigenes Herz machen ein schreckliches Bündnis miteinander,
ihn aus dieser Verbindung herauszureißen.
Der Herr
Jesus braucht ein anschauliches Beispiel dafür. Er sagt: Wer sich in seinem
Herzen von ihm löst, der ist wie eine Weinrebe, die vom Weinstock losgerissen
ist. Es spielt da keine Rolle mehr, ob diese Weinrebe schöne Frucht angesetzt
hat, ob sie viel versprechend begonnen hat. Sie ist vom Weinstock getrennt. Und
Jesus sagt: „Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und
verdorrt. Und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und müssen brennen.“
Es hat
einmal einer gesagt: „Das ist das Schöne am Evangelium, dass man neu anfangen
kann.“ Wenn der Heilige Geist uns solch eine innere Loslösung von Jesus
aufdeckt, dann dürfen wir neu anfangen. Gott gebe uns eine heilige Unruhe,
solange wir nicht „in ihm“ sind!
Ich
bete an, Herr Jesu Christ,
Und
sage: Ich bin dein!
Nimm
mich zu dir; denn wo du bist,
Soll
auch dein Diener sein.
23.
September
Wo sind aber die neun?
Lukas 17, 17
Es liegt
ein tödlicher Ernst über diesem Wort.
„Wo sind
aber die neun?“ So fragt der König, der Rebellen vor seinen Thron ruft. Sicher
lag im Augenblick dieser Frage eine königliche Majestät über dem Sohne Gottes.
Die Zuhörer erschraken.
„Wo sind
aber die neun?“ Diese Männer gehören nun zu Jesus. Und zwar aus einem doppelten
Grund: Erstens ist er ihr Schöpfer. Zweitens ist er ihr Erlöser.
Aus
demselben doppelten Grund gehören wir alle mit Fug und Recht zu Jesus.
Er ist
unser Schöpfer. Die Bibel sagt klar, dass Gott durch ihn die Welt schuf. Alles,
was ist, ist durch ihn gemacht. Und „es besteht alles in ihm“. Und „er trägt
alle Dinge mit seinem kräftigen Wort“.
Und er ist
unser Erlöser. Es gibt keinen, für den er nicht am Kreuze hing. Es gibt keinen,
den er nicht gemeint hätte, als er dürstend am Kreuze starb.
In dem
kleinen Städtchen, in dem Jesus die Aussätzigen geheilt hatte, wird es sicher
so gewesen sein, dass es den neun Männern brühwarm berichtet wurde: „Jesus hat
nach euch gefragt. Er hat so nach euch gefragt, dass es uns durch Mark und Bein
ging.“
Was werden
die Männer geantwortet haben? Vielleicht haben sie etwas verlegen die Achseln
gezuckt.
Nun, sie
werden die Sache anders ansehen, wenn am Jüngsten Tage die Frage noch einmal
aus demselben Munde ergeht: „Wo sind die neun?“ Da müssen sie hervor wie Adam,
als Gott rief: „Adam, wo bist du?“
Wir
sollten es nicht darauf ankommen lassen, sondern bereit sein, wenn er jetzt
nach uns fragt.
O
du meine Seele,
Singe
fröhlich, singe,
Singe
deine Glaubenslieder;
Was
den Odem holet,
Jauchze,
preise, klinge;
Wirt
dich in den Staub darnieder.
Er
ist Gott Zebaoth,
Er
ist nur zu loben
Hier
und ewig droben.
24.
September
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Lukas 20, 17
Ununterbrochen
baut der Mensch. Er baut Tempel und Denkmäler, Städte und Staaten, Kasernen und
Reiche. Er baut Philosophien und Weltanschauungen, Religionen und Theorien.
Und in all
dem Bauen der Generationen sind sich die Menschen darin einig: Jesus ist ganz
und gar ungeeignet, eingebaut zu werden in das menschliche Bauen. Ob man Reiche
baut oder Gedankensysteme: Mit Jesus weiß der Mensch nichts anzufangen. Der ist
in Wahrheit der Stein, „den die Bauleute dieser Welt verworfen haben
Aber damit
ist der „Fall Jesus“ nicht entschieden. Es ist nämlich noch ein anderer da. Der
baut auch. Der baut durch Jahrhunderte und Jahrtausende, stetig und ungehindert.
Dieser gewaltige Bauherr ist der lebendige Gott. Er baut seine Gemeinde als
seinen heiligen Tempel.
Dieses
Bauen Gottes ist der Welt oft unheimlich. Ihr eigenes Bauwerk bleibt Stückwerk.
Oder es fällt in Trümmer. Ein Bauplan löst den anderen ab. Und ein Bauherr den
anderen. Kein Wunder, dass es der Weit unheimlich ist, dass es Einen gibt,
dessen Bauen nicht unterbrochen wird, dessen Bau nicht stecken bleibt und nicht
veraltet.
Und darum
versucht die Welt je und dann, Gottes Bauen zu hindern. Aber solches Tun ist
vergeblich. Gottes Bauen wird nicht mehr erschüttert. Denn er hat einen starken
und unbeweglichen Grund- und Eckstein gelegt: Jesus Christus.
Diesen
Jesus, den die Schriftgelehrten als ungeeignet verwarfen beim Bau ihrer
Religion, diesen Jesus, den Pilatus verachtete, weil er nichts bedeutete für
den Bau des römischen Reiches diesen Stein, den die Bauleute verworfen haben,
den hat Gott zum Eckstein seines Tempels, seiner Gemeinde, seines ewigen
Reiches gemacht!
Einst
wie lauter Morgenröte
In der Welten dunkle Nöte
Bricht
dein Tag voll Herrlichkeit.
Dann
wirst du dein Reich vollenden,
Alle
Kampfesnot beenden,
Herr,
wir stehe für dich bereit.
25.
September
Das Wort ward Fleisch.
Johannes 1, 14
Eine
Gratwanderung in den Alpen! Rechts und links drohen die Abstürze. Aber der Fuß
tritt auf sicheres Felsgestein. Und meine Sicherheit hängt davon ab, dass ich
nicht einen Zentimeter von dem Felspfad abweiche.
So ist der
Weg des christlichen Glaubens.
Im
Mittelpunkt dieses Glaubens steht Jesus.
Ihn nennt unser Text das „Wort, das im Anfang bei Gott war und mit Gott ganz
eins ist“. Und von ihm wird gesagt, dass er „Fleisch“ wurde, d. h. dass er ganz
uns gleich wurde.
Wahrhaftiger
Gott und wahrhaftiger Mensch!
Immer
wieder ist die Christenheit von dieser Wahrheit abgewichen, nach rechts und
nach links.
Der rechte
Absturz: Da betont man die Gottheit Jesu so einseitig, dass der arme Mensch die
Augen nicht mehr zu ihm zu erheben wagt und sich lieber an allerlei Mittler,
Fürsprecher und Heilige hält, zu denen er eher Vertrauen fassen kann, weil
ihnen das Menschliche nicht fremd ist.
Der linke
Absturz: Da sieht man nur die menschliche Seite Jesu, reißt ihm die Krone der Gottessohnschaft vom Haupte und macht ihn zu einem
moralischen Vorbild oder zu einem Religionsstifter.
Es handelt
sich hierbei wirklich um Abstürze: Denn wenn wir nicht den ganzen Jesus haben,
verlieren wir Jesus ganz.
Lasst mich
ein anderes Bild brauchen: Jesus ist die Brücke zwischen Gott und der Welt.
Eine Brücke ist nur dann sicher, wenn sie an beiden Ufern fest aufliegt. Jesus
ist die Brücke, weil er ganz zu Gott und auch ganz zu uns gehört. Lasst es uns
fassen, was unsere Väter von Jesus sagten:
„… dass
der ewige Sohn Gottes, der wahrer und ewiger Gott ist und bleibt, wahre
menschliche Natur aus dem Fleisch und Blut der Jungfrau Maria durch die Wirkung
des Heiligen Geistes an sich genommen hat.“ Er ist unser Herr und unser Bruder.
Glanz
der Herrlichkeit,
Du
bist vor der Zeit
Zum
Erlöser uns geschenket
Und
in unser Fleisch versenket
In
der Füll der Zeit,
Glanz
der Herrlichkeit.
26.
September
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1, 16
Diesen
Satz bezeugt der Apostel Johannes nicht nur, um die Herrlichkeit Jesu und den
Reichtum der Gemeinde zu rühmen. Er will uns auffordern und locken, auch zu nehmen
„von seiner Fülle“.
Es ist ja
gar nicht auszusprechen, was alles Jesus uns erworben hat, als er auf Golgatha
starb. Seit er von den Toten auferstanden ist, teilt er von seiner Fülle aus „Gnade
um Gnade“.
Ein
kleines Märchen kann uns zum Verständnis helfen:
Es war
einmal ein sehr armer Mann. Der war am Verhungern. Da ging er zu einem sehr
reichen Manne, zu einem Millionär, und bat: „Helfen Sie mir!“ Der Reiche zog
sein Scheckbuch heraus, gab es dem Armen und sagte: „Nehmen Sie von meinem
Reichtum, so viel Sie wollen.“
Ist diese
Geschichte glaubhaft? O nein! Aber so macht es der Herr Jesus mit uns. Er gibt
uns so ein Scheckbuch. Das ist die Bibel. Darin ist dem schlimmsten Sünder Vergebung
zugesagt, dem elendsten Sündenknecht die Freiheit, dem Ängstlichsten ein
gewisses Heil, dem Gottlosesten der Friede mit Gott, dem Sterbenden ewiges
Leben.
Es ist
wahrhaftig nicht die Schuld unseres Gottes, wenn wir so kümmerliche, elende und
verlorene Leute sind. Nein, es ist nicht Gottes Schuld. Es ist unsere Schuld,
die Schuld unseres Unglaubens und Ungehorsams.
Der Herr
Jesus hat alles für uns bereit. Dass wir doch auch zu den Leuten gehören
möchten, die rühmen und preisen: „Aus seiner Fülle haben wir alle genommen
Gnade um Gnade!“
Barmherzig,
gnädig, geduldig sein,
Uns
täglich reichlich die Schuld verzeihn,
Heilen,
stillen, trösten, erfreun und segnen
Und
unsrer Seele als Freund begegnen,
Ist
deine Lust.
27.
September
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1, 16
In Alaska
lebte einst ein Pelzjäger. Der Mann führte ein hartes, mühseliges Leben.
Monatelang war er in der Einsamkeit des unwirtlichen Landes allein, um das
Pelzwerk zu erjagen, das er dann an der Küste verkaufte.
Da hat er
nun eines Tages eine stattliche Menge wertvoller Pelze beieinander und macht
sich auf den weiten Marsch zur Stadt. Unterwegs trifft er einen anderen
Einsamen. Der hält ihn an: „Du, Kamerad, ich habe eine schwere Goldader
entdeckt. Wollen wir sie zusammen ausbeuten?“
Da lässt
der Jäger seine Pelze, die ihm vorher noch so wertvoll schienen, liegen –einfach
liegen – und wird Goldgräber.
So geht es
den Jüngern Jesu: Was ihnen vorher wertvoll war, verliert seine Bedeutung, wenn
Jesus kommt. So sagt der Apostel Johannes in einem seiner Briefe: „Habt nicht
lieb die Welt noch was in der Welt ist.“ Wie kann einer so etwas sagen? Nur
darum, weil er etwas Besseres weiß: „Von Jesu Fülle haben wir alle genommen
Gnade um Gnade.“
Und der
Apostel Paulus berichtet von sich im Philipper-Brief:
„Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet.“
So ist
das, wenn jemand Jesus findet: Was ihm lieb war, das Wesen der Welt, die Sünde,
die eigene Gerechtigkeit – alles das wirft er weg, lässt es liegen, „auf dass ich
Christus gewinne“.
Und das
ist gewiss: Nur wer frisch wegwerfen kann, der kann von seiner Fülle nehmen „Gnade
um Gnade“.
Ach
sagt mir nichts von Gold und Schätzen,
Von
Pracht und Schönheit dieser Welt;
Es
kann mich ja kein Ding ergötzen,
Was
mir die Welt vor Augen stellt.
Ein
jeder liebe, was er will:
Ich
liebe Jesum, der mein Ziel.
28.
September
Des anderen Tages sieht Johannes Jesum zu ihm
kommen und spricht: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!“
Johannes 1, 29
Zwei
Männer stritten sich darüber, ob das Christentum eine optimistische oder eine
pessimistische Weltanschauung sei.
Optimisten
sind Leute, die alles von der guten Seite ansehen. Ihr Wahlspruch lautet: „Ja,
wundervoll ist Gottes Erde und wert, darin vergnügt zu sein.“
Und die
Pessimisten? Die finden alles schrecklich. Sie sehen überall die
Schattenseiten. Ihr Leitspruch ist: „Alles, alles, was besteht, ist wert, dass
es zugrunde geht.“
Da
diskutieren nun die zwei darüber, ob die Christen Optimisten oder Pessimisten
sind.
„Christen“,
sagt der eine, „sind Optimisten. überall in der Bibel heißt es doch: Freuet
euch!“
„O nein“,
meint der andere, „das Christentum ist eine ganz und gar pessimistische Sache.
Da ist dauernd von Buße und Sünde die Rede. Und die Erde nennt die Bibel sogar
ein Jammertal.“
Wer hat
nun recht von den zweien? Keiner! Seht – um bildlich
zu reden –, Optimisten sind Leute, die eine rosa-rote Brille aufhaben. Und
Pessimisten tragen eine schwarze Brille. Christen aber sind Leute, denen Gott
die Brille zerschlagen hat und die darum die Wirklichkeit sehen.
Die große
und schreckliche Wirklichkeit ist, dass die Welt eine gefallene Welt ist. „Der
Welt Sünde“, sagt unser Textwort, ist eine schauerliche Wirklichkeit. Auch in
unserem Leben! Aber darum werden wir nicht Pessimisten. Denn Gottes Geist zeigt
uns die andere, große, herrliche Wirklichkeit: „Siehe, das ist Gottes Lamm,
welches der Welt Sünde wegträgt!“
Jesum
lass ich nimmer nicht,
Weil
ich soll auf Erden leben;
Ihm
hab' ich voll Zuversicht,
Was
ich bin und hab', ergeben.
Alles
ist auf ihn gericht't;
Meinen
Jesum lass ich nicht.
29.
September
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: „Was
werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden?“ Nach
solchem allem trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr
des alles bedürfet.
Matthäus 6, 31 und 32
„Lasst den
himmlischen Vater für euch sorgen!“
Man
braucht diesen Satz nur auszusprechen, dann schreit schon alles: „Das ist aber
bequem!“ O gewiss! Aber warum tun wir es denn nicht? Daran wird ja deutlich, dass
dieses Vertrauen eine Kunst ist. Der Herr Jesus sagt selbst, dass die „Heiden“
es nicht können. Und solche Heiden sind mitten in der Christenheit sehr
zahlreich.
Unsere
Zeit hat das Wort „hamstern“ erfunden und beschreibt damit ihr sorgenerfülltes
und gottloses Wesen. Vielleicht dürfen wir Christen auch einmal ein neues Wort
bilden: Wir sollten „sperlingen“. Das heißt: Wir
sollten unbekümmert und fröhlich unsern himmlischen Vater für uns sorgen
lassen, wie es die Sperlinge auch tun.
Diese
Sache war dem Herrn Jesus offenbar sehr wichtig. Er hat öfter über die Sperlinge
gesprochen. Der große Glaubensmann Georg Müller aus Bristol hat beim Studium
dieser Stelle eine köstliche Entdeckung gemacht. Einmal sagt der Herr Jesus: „Kauft
man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig?“ Und ein andermal sagt er: „Verkauft
man nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennige?“ Sperlinge sind also so wertlos, dass
man einen „zubekommt“, wenn man vier kauft. Das ist der Hintergrund zu dem
Worte Jesu: „Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“ Der himmlische Vater
sorgt für diese wertlosen Vögel. Wie viel mehr für seine Kinder!
Wir hätten
viel mehr Grund als die Sperlinge, so fröhlich sorglos zu sein. Wie muss das
Menschenherz verfinstert und mit Misstrauen gegen seinen himmlischen Vater
erfüllt sein, dass uns diese Botschaft Jesu so unglaublich vorkommt! Wie bemüht
sich der himmlische Vater durch Jesus, unser Vertrauen zu gewinnen?
Des
freu ich mich von Herzen fein,
Bin
gutes Muts und harre dein,
Verlass
mich gänzlich auf dein Wort.
Hilf,
Helfer, hilf, du treuer Hort!
30.
September
Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freuet in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute
austeilt.
Jesaja 9, 2
Ernte!
Etwa die Weinernte am Rhein! Da ist ein lauter, froher Betrieb. Hier ist die
Freude zu Hause!
„Wenn man
Beute austeilt“, geht es auch so zu. Stellt euch nur ein Kriegslager vor, wo
nach einem siegreichen Zug die Beute verteilt wird. Das singt und lärmt und
lacht.
So wird
man sich freuen vor dem Herrn. So!
Kommen uns
die beiden Vergleiche nicht etwas seltsam vor? Die Freude am Herrn ist doch
eine stille, tiefinnerliche Angelegenheit. Sie kommt heraus aus der Vergebung
der Sünden und der Versöhnung. Und diese stille, tiefe Freude vergleicht Jesaja
mit diesen Vorgängen: Ernte und Beute austeilen.
So wird man sich freuen“, sagt Jesaja. Also laut! Die Welt muss es hören, dass
die Kinder Gottes ihren Herrn loben und preisen und dass sie fröhlich sind in
ihm.
Der Welt passt
das nicht. Sie ermahnt uns vielleicht sogar, wir möchten doch stiller sein. Es
hätte ja niemand etwas gegen innerliche Religiosität. Aber man könne es nicht
als passend ansehen, wenn die Christen die Welt erfüllten mit dem Ruhm ihres
Herrn.
Ach, die
Welt! Sie ahnt ja nicht, dass wir nicht über unsere „Religion“ froh sind,
sondern an unserem Herrn, der so Großes für uns und an uns getan hat.
„Vor dir
wird man sich freuen wie in der Ernte …“ Ach nein, viel mehr! Denn alle Freude
der Weit ist vergänglich. Die Freude am Herrn aber ist eine ewige Freude.
Es
müssen, Herr, sich freuen
Von
ganzer See! und jauchzen schnell,
Die
unaufhörlich schreien:
Gelobt
sei der Gott Israel!
Sein
Name sei gepriesen,
Der
große Wunder tut,
Und
der auch mir erwiesen
Das,
was mir nütz und gut.
Nun,
dies ist meine Freude,
Zu
hangen fest an dir,
Dass
nichts von dir mich scheide,
Solang
ich lebe hier.
1.
Oktober
Und Gott sprach: „Es werde Licht!“ Und es ward Licht.
1. Mose 1, 3
Dies war
ein gewaltiger Augenblick, als Gottes mächtige Stimme in das finstere,
chaotische All rief: „Es werde Licht!“
Und dann
brach sie brausend hervor, die Lichtflut. in den szenischen Anmerkungen im 2.
Teil des „Faust“ schreibt Goethe einmal: „Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen
der Sonne.“ Es ist schon so: Jeder machtvolle Sonnenaufgang ist ein schwaches
Abbild jener ersten Lichtgeburt.
Aber wir
haben nicht nur eine Erinnerung an jenes Schöpfungswunder in jedem Sonnenaufgang.
Nein, dies Schöpfungswunder selbst wiederholt sich unter uns immer wieder.
Immer wieder geschieht es, dass Gottes Stimme in Finsternis hineinruft: „Es
werde Licht!“ Und dann bricht heller Schein hervor dort, wo vorher Finsternis
und Nacht waren.
Wo
geschieht denn das?
Wo könnte
es wohl finsterer sein als in Menschenherzen, die fern von Gott und seinem Hei!
sind! Solche Dunkelheit ist nicht nur da oder dort. Die Welt ist voll davon.
Hinter all ihrem Prunk, ihrer Pracht, ihrem Rühmen und ihrer Herrlichkeit ist
diese abgrundtiefe Dunkelheit in den Herzen.
Aber in
solcher Herzensfinsternis geschieht da und dort das Schöpfungswunder. Paulus
erzählt davon: „Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten,
der hat einen heilen Schein in unsere Herzen gegeben.“
Der heile
Schein ist Jesus. Der sagt von sich: „Ich bin das Licht der Weit.“ Selig ist,
wen er erleuchtet.
Ich
danke dir, du wahre Sonne,
Dass
mir dein Glanz hat Licht gebracht;
Ich
danke dir, du Himmelswonne,
Dass
du mich froh und frei gemacht;
Ich
danke dir, du güldner Mund,
Dass
du mich machst gesund.
2.
Oktober
… ein jegliches nach seiner Art.
1. Mose 1, 24
Es ist die
Art des von Gott gelösten Menschen, dass er alles anders haben will, als Gott
es bestimmt und geordnet hat. So meint der Mensch, es sei ein großer Vorteil,
wenn alles recht einheitlich zugehe. Ja, man spricht schon von einem „Menschentyp“.
Am liebsten hätte man den Massenmenschen als Serienware.
In Gottes
Schöpfung geht es anders zu. Da ist nicht ödes Einerlei. Im Schöpfungsbericht
der Bibel steht mehrmals: „Gott schuf ein jegliches nach seiner Art.“ Er schuf
nicht Vögel schlechthin, sondern Lerchen, Schwalben, Nachtigallen – ja, auch
kleine freche Spatzen.
Gott hat
es so geordnet, dass auf einer Sommerwiese manches Blümlein blühen darf: „… ein
jegliches nach seiner Art“.
Das
sollten wir uns merken. Wir meinen immer, der andere müsse sein wie wir. Wenn
einer ein wenig anders ist, gibt's bei uns meistens großes Klatschen und Reden.
Und wenn
ein anderer eine größere Rolle spielen darf, werden wir schnell neidisch und
meinen, so müssten wir es auch haben.
„Ein
jegliches nach seiner Art.“ Bedenke: Es gibt nicht nur Lerchen. Gott hat auch
Freude an den Nachteulen. Es gibt nicht nur prächtige Sonnenblumen. Auch das
bescheidene Veilchen lobt seinen Schöpfer.
Rechte
Kinder Gottes freuen sich an dem vielfachen Reichtum Gottes, auch in den
mancherlei Führungen und Wegen in der Menschenwelt. Unsere einzige Sorge lasst
sein: dass ich an meinem Platz und in „meiner Art“ etwas sei zu Lobe seiner
Herrlichkeit.
Wer
kann die Pracht von deinen Wundern fassen?
Ein
jeder Strauch, den du hast werden lassen,
Verkündet
seines Schöpfers Macht.
Der
kleinste Halm ist deiner Weisheit Spiegel.
Du
Luft und Meer, ihr Auen, Tal und Hügel,
Ihr
seid sein Loblied und sein Psalm.
Unendlich
reich, ein Meer von Seligkeiten,
Ohn’
Anfang Gott und Gott in ew'gen Zeiten!
Herr
aller Welt, wer ist dir gleich?
3.
Oktober
Gott ruhte am siebenten Tage von alten seinen Werken, die er machte.
1. Mose 2, 2
„Gott
ruhte.“ – Das war nicht die Ruhe der Erschöpfung, welcher .der Mensch sich
hingibt nach einem arbeitsreichen Tag. Gott ist nie „erschöpft“. „Der ewige
Gott wird nicht müde noch matt“ (Jesaja 40, 28).
„Gott
ruhte.“ Das heißt: Hier ist Vollendung! Gott hat ein Werk vollbracht. „Gott
ruhte.“ Die von ihm erschaffene Welt liegt im Sonnenglanz des siebenten Tages
in herrlicher Vollendung, und alle Kreaturen preisen den, der sie geschaffen
hat.
Gottes
Ruhen bedeutet: Hier ist Vollendung!
So wird
dieser erste Sabbat der Welt ein Vorbild und Hinweis auf einen anderen Sabbat,
an dem Gott wieder ein Werk „vollendet“ hatte, auf den Sabbat nach dem Karfreitag.
Da hat er nach dem Werk der Schöpfung das noch wunderbarere Werk unserer Erlösung
vollbracht. Wir spüren etwas von diesem göttlichen Ruhen nach dem Kampf, wenn
es sogar von den Freunden Jesu heißt: „Den Sabbat über waren sie stille nach
dem Gesetz.“
„Gott
ruhte am siebenten Tage.“ Welcher Freudenglanz lag wohl an jenem Tage über der
vollendeten Welt! Unendlicher Jubel liegt über diesem ersten „siebenten Tag“.
Und so
wird er ein Vorbild und Hinweis auf unseren Sabbat, auf den ersten Sonntag der
Christen. Das ist der Auferstehungstag Jesu Christi: „Christ ist erstanden /
Von der Marter alle, / Des soll’n wir alle froh sein.“
Weil Gott
in Schöpfung und Erlösung alles für uns getan und vollendet hat, darum dürfen
wir nun heute recht Sabbat halten. Wir dürfen ruhen und uns freuen in seinem
herrlichen Tun für uns.
Meine
Seele senket sich
Hin
in Gottes Herz und Hände
Und
erwartet ruhiglich
Seiner
Wege Ziel und Ende,
Liegt
fein stille, nackt und bloß
In
des liebsten Vaters Schoß.
4.
Oktober
Jesus sprach zu Nikodemus: „Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so
kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
Johannes 3, 3
Es geht
also ums Ganze! Mit kleinen Reparaturen ist nichts geholfen! Wie sollen wir uns
das nur klarmachen! Etwa so:
Jedes Rad,
ob groß oder klein, ob an einem eleganten Auto oder an einer alten Karre -
jedes Rad braucht eine Achse. Die Achse ist die
Hauptsache beim Rad.
Auch unser
Leben hat eine Achse, um die sich alles dreht: Das eigene Ich!
ich fragte
einen jungen Mann: „Warum kommst du nicht unter Gottes Wort?“ Er antwortete: „Ich
habe keine Lust“ Seine „Lust“ war die Achse, um die sich sein Leben drehte.
Da wurde
eine Frau gebeten: „Geben Sie doch ein Opfer für die Elenden!“ Sie erwiderte: „Ich
brauche meine paar Pfennige für mich selbst!“ Das ist's: Für mich selbst!
Die eigene
Lust! Die eigene Bequemlichkeit! Der eigene Wille! Das eigene Interesse! Kurz:
Das eigene Ich ist die Achse, um die
sich das Leben dreht Da ist dann gar kein Unterschied zwischen einem braven
Bürger und einem Strolch. Die Achse ist die gleiche. Nur die Räder sind ein
wenig verschieden. Aber -- die Achse ist die Hauptsache.
Ja, man
kann dabei sogar ganz christlich sein. Das eigene Ich ist die Achse. Das Christentum muss sich dann eben mitdrehen.
Und das
will nun der Herr Jesus sagen: Wer am Reiche Gottes teilhaben will, der muss
eine grundsätzliche Veränderung erfahren, der muss neu geboren werden. Er muss
eine neue Achse für sein Leben bekommen. Wenn es uns um die Ehre Gottes geht – dann
haben wir die neue Achse.
Haben
wir uns selbst gefangen
In
der Lust und Eigenheit,
Ach
so lass uns nicht stets hangen
In
dem Tod der Eitelkeit;
Denn
die Last treibt uns zu rufen,
Alle
flehen wir dich an:
Zeig
doch nur die ersten Stufen
Der
gebrochnen Freiheitsbahn!
5.
Oktober
Also hat Gott die Weit geliebt, dass er seinen
eingeborenen Sohn gab.
Johannes 3, 16
Eins der
tröstlichsten Worte der Bibel ist das kleine Sätzchen im 44. Psalm: „Er kennt
ja unseres Herzens Grund.“
Der Grund
meines Herzens, wo die Leidenschaften wühlen, wo Schmerz, Trauer, Schwermut,
Hunger nach Freude. Zweifel und Verlangen nach Gott, Gottlosigkeit und Sehnsucht
nach dem Heil ein unheimliches Chaos bilden – der Grund dieses Herzens ist vor
den Augen des Barmherzigen aufgedeckt. Welch unendlicher Trost!
„Er kennt
ja unseres Herzens Grund.“
Aber
ebenso tröstlich und wunderbar ist es, dass wir dies Wörtlein auch umkehren
dürfen und sagen können: „Wir kennen ja seines Herzens Grund.“
Der
lebendige, verborgene, unergründliche Gott hat seines Herzens Grund aufgedeckt –
in Jesus. Gott hat sich in Jesus Christus uns gleichsam preisgegeben.
Ein so
genannter „Gottsucher“ spottete einmal über einen Prediger des Evangeliums und
sagte: „Ihr Prediger redet ja von Gott, als wenn ihr ihn ganz genau kennen
würdet und als wenn ihr auf du und du mit ihm stündet.“
Da erwiderte
der fromme Prediger sehr ernst: „Wenn es anders wäre, würde ich es gar nicht
mehr wagen zu predigen. Denn was hätten wohl die Leute davon, wenn ich ihnen
meine Gedanken über Gott darlegen wollte?! Aber er hat uns in Jesus in
unerhörter Weise sein Herz eröffnet. Und davon zeugen wir.“
Gott hat
sein Herz aufgeschlossen. Und was finden wir darin? Ein Meer von Liebe zu uns.
Eine Liebe, die, um zu erretten, das Teuerste opfert: den eingeborenen Sohn.
Nun kennen
wir seines Herzens Grund.
Wenn
ich dies Wunder fassen will,
So
steht mein Geist vor Ehrfurcht still;
Er
betet an, und er ermisst,
Dass
Gottes Lieb unendlich ist.
6.
Oktober
Da ließ das Weib ihren Krug stehen und ging hin in die Stadt.
Johannes 4, 28
Vor den
Toren einer kleinen Stadt war ein Brunnen. Dort stand eines Tages ein
vergessener Krug.
Die
Besitzerin aber lief in großer Verwirrung in die Stadt zurück.
Was war
geschehen?
Als die
Frau mit ihrem Krug zum Brunnen gekommen war, hatte dort ein Mann gesessen:
Jesus. Der hatte mit ihr gesprochen. Was denn?
Atemlos
erzählt sie es ihren Bekannten: „Kommt, sehet einen Menschen, der mir gesagt
hat alles, was ich getan habe.“ „Alles, was ich getan habe!“ Alles Heimliche,
Dunkle, Unheilige ihres Lebens lag da auf einmal. im hellen Licht.
Die Frau
hatte bisher auch Religion so wie die meisten Leute. Diese Religion war wie ein
Windhauch, der die Oberfläche eines Sees kräuselt.
Aber nun
kam Jesus. Mit Vollmacht riss er alle Schleusen auf. Da wurde offenbar: Auf dem
Grunde des Sees ist hässlicher Schlamm. Der König der Wahrheit macht es auch
heute nicht anders. lm Licht vor seinem Angesicht wird unsere Sünde aufgedeckt.
Darum fürchtet und hasst ihn die Welt.
Wo aber
solches geschieht, da mag man wohl seinen Krug und manches andere vergessen vor
der Frage: „Wie finde ich Vergebung?“
Aber der
vergessene Krug erzählt noch mehr. Bisher wusste das Weib nur vom Wasser und
den Dingen dieser Welt.
Doch nun
hatte sie verstanden: Unser armes Leben soll selbst zum Krug werden, der sich
füllen lässt mit dem „Wasser des Lebens“, das der Sohn Gottes gibt.
O
du selige Gnadensonn,
Füll
das Herz mit Freud und Wonn
Allen,
die dich rufen an.
7.
Oktober
Da sprach Jesus zu den Zwölfen: „Wollt Ihr auch weggehen?“
Johannes 6, 67
Eine
Zeitlang war es Mode gewesen, Jesus anzuhören oder gar ihm nachzulaufen. Aber
wie am Meer die Ebbe das Wasser vom Lande wegreißt, so war auf einmal eine
Strömung entstanden, die die Menschen von Jesus wegtrieb.
„Von dem
an gingen seiner Jünger viele hinter sich und wandelten hinfort nicht mehr mit
ihm“, berichtet das Johannes-Evangelium.
Es wurde
einsamer um Jesus. Der Schatten des Kreuzes fiel auf seinen Weg.
in dieser
Lage nahm Jesus seine zwölf Jünger besonders. Und nun machte er es nicht wie
ein verzweifelter Vereinsführer, dem die Leute weglaufen. Der wendet sich wohl
mit einem zündenden Appell an die zögernden Überbleibsel seiner nicht so
blühenden „Sache“: „O ihr Letzten! Ihr Getreuen! Ihr dürft mich nicht im Stich
lassen?“
Nein, so
macht es Jesus nicht. Im Gegenteil: Jesus tut seinen Jüngern die Tore auf. Er
gibt sie frei: „Wollt ihr auch weggehen?“ Er gibt ihnen gleichsam das
Stichwort, mit dem sie sich von ihm trennen können.
Hier macht
Jesus deutlich, dass es im Reiche Gottes keinen Zwang und keine Vergewaltigung
gibt. Die letzte Entscheidung, ob wir Jesus auf seinem Kreuzesweg folgen
wollen, liegt ganz bei uns selbst.
Und das
ist eine furchtbar ernste Entscheidung. Sie entscheidet über Zeit und Ewigkeit
unseres Lebens. Da stehen wir auf einem schmalen Grat zwischen Himmel und
Hölle. Gott helfe uns hindurch zur rechten Entscheidung!
Wo
ist solch ein Herr zu finden,
Der,
was Jesus tat, mir tut,
Mich
erkauft von Tod und Sünden
Mit
dem eignen teuren Blut?
Sollt
ich dem nicht angehören,
der
sein Leben für mich gab?
Sollt
ich ihm nicht Treue schwören,
Treue
bis in Tod und Grab?
8.
Oktober
Da sprach Jesus zu den Zwölfen: „Wollt ihr
auch weggehen?“ Da antwortete ihm Simon Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen?
Du hast Worte des ewigen Lebens.“
Johannes 6, 67 und 68
Welche
Versuchungsstunde für die Jünger! Wer kennt diese Versuchung nicht: Noch einmal
heraus aus allen Bindungen, Kämpfen und Nöten, die aus der Nachfolge Jesu
kommen?!
„Wollt ihr
auch weggehen?“ Offen liegt die Welt vor Petrus, und tausend Wege führen
hinein. In ein paar Sekunden überschaut er diese Wege:
Man kann
sich hemmungslos hineinstürzen in das buntfarbige Wesen der Welt, genießen und „sich
ausleben“. Gewiss, das ist ein Weg. Aber am Ende steht der Ekel, steht – das
Gericht Gottes.
Nein, den Weg nicht!
Man kann
in den Alltag zurück, in ein Leben satter Ruhe, wie es war, bevor Jesus rief. Gewiss,
das ist ein Weg. Aber – da müsste man seine Seele morden, die Jesus zum Leben
rief.
Nein, den Weg nicht!
Man kann
sich an Menschen binden und hängen. Man kann Ehre und Einfluss zu gewinnen suchen.
Man kann den Weg der selbstgerechten Gesetzeserfüllung gehen. Man kann … man
kann.
Tausend
Wege führen in die Welt. In Sekunden überschaut sie Petrus. Sie enden alle im
Dunkel.
„Herr,
wohin sollen wir gehen?“ fragt er bedrängt.
Während er
aber so fragt, schaut er den Einen, der von sich sagt: „ich bin der Weg!“ Und
da hat Petrus den Weg gefunden: „Du hast Worte des ewigen Lebens.“
Alle Wege
sind in Wahrheit keine Wege. Jesus allein ist der Weg, für den wir uns entscheiden dürfen.
Wir
sind mit dir gestorben,
So
leben wir mit dir.
Was
uns dein Tod erworben,
Das
stell uns täglich für.
9.
Oktober
Aber am letzten Tage des Festes, der am
herrlichsten war, trat Jesus auf, rief und sprach: „Wen da dürstet, der komme
zu mir und trinke!“
Johannes 7, 37
Jesus ist
eigentlich gar nicht ein Mann der Feste. Er hat es vielmehr immer mit den
Elenden zu tun: mit den Tauben, Lahmen, Aussätzigen, Blinden, mit den
Sterbenden und Traurigen.
Wir finden
ihn bei den verlorenen Söhnen. Im Hause des schuldbeladenen Zachäus kehrt er
ein. Dem suchenden Nikodemus widmet er eine Nacht.
Nein, ein
solcher Mann passt nicht auf Feste. Er ist ein Heiland für den Alltag, für den
grauen Alltag. Er ist nicht der Mann für die hochgemuten Herzen, sondern für
die zerbrochenen Herzen.
Aber nun
finden wir ihn hier doch auf einem Fest. Hoch ging es her in Jerusalem. Und
einige Tage lang beobachtet Jesus still die lärmenden Festgäste. Erst am
siebenten Tag, als das Fest seinen Höhepunkt erreicht, tritt er vor die
Öffentlichkeit.
Aber auch
hier, mitten im Festlärm, bleibt er derselbe, der er immer ist, der Heiland der
Armen. Der Herzenskündiger hat gesehen, dass keine
Festfreude imstande ist, den Beladenen ihre Lasten abzunehmen. Er sieht hinter
den Festkleidern die beladenen und friedelosen Herzen, die schuldigen Gewissen.
„Sie trinken und sind doch nicht satt.“ Da hält es ihn nicht mehr. „Wen da
dürstet, der komme zu mir und trinke!“
Es heißt
ein paar Verse weiter: „Viele vom Volk hörten ihn.“ Das ist eine wunderbare
Sache, dass die Leute mitten im Festjubel Jesu Stimme hörten. Es zeigt, wie
recht Jesus hatte: Nicht Feste machen unser Leben fröhlich. Das kann nur er:
Jesus.
Ich
bete an, Herr Jesu Christ,
Und
sage: Ich bin dein!
Nimm
mich zu dir; denn wo du bist,
Soll
auch dein Diener sein.
10.
Oktober
Eines weiß ich wohl, dass ich blind war und bin nun sehend.
Johannes 9, 25
Ich fuhr
einmal an einem lieblichen Sommerabend mit einem gemütlichen Bähnlein von Dillenburg auf den Westerwald. Ich sollte am
nächsten Morgen bei einem Missionsfest predigen.
Unterwegs
stiegen zwei Bauern ein und setzten sich neben mich. Wir kamen ins Gespräch.
Und da stellte es sich heraus, dass auch sie zum Missionsfest fuhren. Natürlich
stellte ich mich als Festprediger vor. Aber wenn ich gedacht hatte, dass ich
nun in ihrer Achtung steigen würde, hatte ich mich sehr getäuscht. Im
Gegenteil: Sie fingen an, mich in ein ernstes Examen zu nehmen.
„Auf
Pfarrer kann man ja studieren“, meinte der eine, „aber damit ist man noch kein
Eigentum Jesu. Da muss man auf die Hochschule des Heiligen Geistes gehen.“
Nun fiel
ihm der andere ins Wort und sagte: „Der Herr Jesus hat einmal einen
Blindgeborenen geheilt. Als nachher die Schriftgelehrten dem Geheilten mit
allerlei spitzfindigen Fragen kamen, da erwiderte dieser Mann nur: ,Was ihr sagt, das verstehe ich nicht. Eines aber weiß ich
wohl, dass ich blind war und bin nun sehend geworden.“ – Und dann tippte mir
der ehrwürdige Bauersmann mit seinem harten Finger
vor die Brust und fragte sehr nachdrücklich: „Können Sie das auch bezeugen?“
Wie froh
war ich, dass ich mit einem klaren „Ja!“ antworten konnte!
Sehr Recht
hatten diese beiden Bauersleute! Der natürliche Mensch steht blind vor dem
Evangelium. „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden“,
sagt der Apostel Paulus. Gott muss sich schon über uns erbarmen und uns die
Augen auftun, wenn wir selig werden sollen. O, dass wir auch sagen könnten: „Eines
weiß ich wohl, dass ich blind war und bin nun sehend.“
Jesu,
gib gesunde Augen,
Die
was taugen,
Rühre
meine Augen an;
Denn
das ist die größte Plage,
Wenn
am Tage
Man
das Licht nicht sehen kann.
11.
Oktober
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.
Johannes 10, 27
Das ist
ein liebliches Wort, das so recht die enge Verbundenheit der Gemeinde Jesu mit
ihrem erhöhten Herrn zeigt.
Aber wir
dürfen über der Lieblichkeit dieses Wortes nicht seinen tiefen Ernst überhören.
Es wäre
uns gewiss viel lieber, wenn der Herr Jesus es umgekehrt gesagt hätte: „Sie
kennen mich, und ich folge ihnen.“ Es ist ja so schön, den Herrn Jesus als
seinen Herrn zu kennen. Und es ist so tröstlich, ihn zu bitten: „Herr, gehe du
mit mir auf allen meinen Wegen!“
Aber so
steht es nun einmal nicht da. Jesus sagt: „Ich kenne sie, und sie folgen mir.“
Verstehen wir, was das heißt? Er, der Herr Jesus, will den Weg angeben. Und wir
müssen schon mit ihm gehen, wenn er uns nicht ganz und gar entgehen soll.
Sein Weg
aber geht über das Kreuz. Und wer ihm folgt, der nimmt sein Kreuz auf sich und
folgt ihm nach.
„Sie
folgen mir.“ Wenn der Weg rau wird, dann wird es offenbar, wer wirklich zur
Herde Jesu Christi gehört und wem es ernst war mit der Nachfolge. Da kehren die
Mitläufer um. Seine Schafe aber schauen auf ihn und folgen ihm.
Sie folgen
ihm sehr getrost, denn sie hören sein Wort: „Ich kenne sie!“ Er kennt all
unsere Verzagtheit, Leidensscheu und Mutlosigkeit. Er kennt all unsere Furcht
und unseren stolzen Eigenwillen.
Und weil
er all das kennt, geht er nicht gleichgültig vor seiner Herde her. Er nimmt
sich auch all unserer Schwachheit, Furcht und Mutlosigkeit an. Eben darum
können seine Schafe ihm folgen, weil er sie kennt und sich ihrer annimmt.
Fällt's
euch zu schwer, ich geh voran,
Ich
steh euch an der Seite,
Ich
kämpfe selbst, ich brech' die Bahn,
Bin
alles in dem Streite.
Ein
böser Knecht, der still mag stehn,
Sieht
er voran den Feldherrn gehn.
12.
Oktober
Eine jegliche Rebe, die da Frucht bringt,
wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.
Johannes 15, 2
Als einst
die Kirche im Kampf um die Wahrheit ihres Bekenntnisses stand, geschah es mir, dass
ich verhaftet und in eine abscheuliche Gefängniszelle eingeliefert wurde.
Am ersten
Tage hatte ich eine furchtbare Wut auf die Menschen, die mir das antaten. Am
zweiten Tage packten mich eine große Verzagtheit und die Angst, ob ich je
wieder herauskäme.
Am dritten
Tage aber fiel mir dies Wort Jesu ein. Und nun merkte ich, wie närrisch ich
war. Ich hatte es gar nicht mit Menschen und üblen Verhältnissen zu tun. Nein!
Ich hatte es in dieser Sache mit dem lebendigen Gott zu tun. Er hatte mich ins
Gefängnis geführt. Er hatte sein Winzermesser in die Hand genommen und
beschnitt seine Rebe.
Da wurde
ich überaus froh, dass der lebendige Gott, der doch bestimmt viel zu tun hat,
sich so viel Mühe mit mir machte. Das Leiden wurde mir ein wunderbares Zeichen
seiner Liebe und Fürsorge.
Wir lernen
nie aus. Und die Bibel muss unsere dummen Gedanken immer zurechtbiegen.
Wenn uns
ein Leid widerfährt, murren wir gegen die Werkzeuge, die Gott dazu braucht, um
die Rebe zu beschneiden. Wir ärgern uns über Menschen und Verhältnisse, anstatt
zu begreifen, dass wir es mit Gott zu tun haben.
Aber gegen
den zu murren – das sollten doch Christenleute verlernt haben, seitdem sie
Gottes Liebe in Jesus kennen lernten. Sie sollten wissen: Wenn er etwas tut,
dann ist das immer Gutes.
Wenn uns
also ein Leid trifft, wollen wir nicht so närrisch sein, mit dem Winzermesser
zu zürnen. Wir wollen lieber stillhalten, lernen, was zu lernen ist, und
danken, dass Gott sich in seiner großen Güte so viel Mühe mit uns gibt.
Meine
Seel ist still zu Gott,
Und
die Zunge bleibt gebunden.
Also
hab ich allen Spott,
Alle
Marter überwunden,
Bin
gleichwie ein stilles Meer,
Voll
von Gottes Preis und Ehr.
13.
Oktober
Paulus, ein Leibeigener Jesu Christi …
Römer 1, 1
Das ist
ein Wunder, wenn ein Mensch im Glauben so von sich sagen kann: „Ich bin ein
Leibeigener Jesu!“ Denn ein Leibeigener hat es nicht in der Hand, wem er
gehört.
Wir wollen
uns einen Sklavenmarkt vorstellen, um das Wort „Leibeigener Christi“ zu
verstehen.
Da steht
so ein armer Sklave. Die Schamröte steigt ihm ins Gesicht, wenn er sich seiner
schmachvollen Sklaverei bewusst wird. Nun geht da ein freundlicher Herr über
den Markt. Der arme Sklave hat es nicht in der Hand, dass der Blick dieses
Mannes auf ihn fällt. Aber er erschrickt in Glück, als es geschieht.
Wir hatten
es nicht in der Hand, dass der Blick des Herrn Jesu auf uns fiel. Aber als es
geschah, da verstanden wir das dunkle Wort aus Epheser 1: „Er hat uns erwählt, ehe
der Welt Grund gelegt ward …“
Kehren wir
zurück zum Bild des Sklavenmarktes: Der freundliche Herr will den Sklaven
kaufen. Der arme Sklave kann nichts dazutun, dass er aus der Hand des grausamen
Sklavenhändlers loskommt.
Und der
Herr kauft Ihn.
Von
welchem Augenblick an gehört der Sklave dem freundlichen Herrn? Von dem
Augenblick an, da das Lösegeld hingezahlt ist.
Auch für
uns wurde ein Lösegeld bezahlt. Es ging einer über den Sklavenmarkt der
gefallenen Welt, der sagte von sich: „Des Menschen Sohn ist gekommen, dass er
sein Leben gebe zur Bezahlung für viele.“ Er gab es, als er auf Golgatha starb.
Nein, wir
konnten nichts dazutun. Wir können nur dankbar glauben, dass es so sei, und dem
Befreier folgen als „Leibeigene Christi“.
Ich
bin, mein Heil, verbunden
All
Augenblick und Stunden
Dir
überhoch und sehr;
Was
Leib und Seel vermögen,
Das
soll ich billig legen
Allzeit
an deinen Dienst und Ehr.
14.
Oktober
Wir sind geachtet wie Schlachtschafe. Aber
in dem allen überwinden wir weit um deswillen, der
uns geliebet hat.
Römer 8, 36 und 37
So schrieb
Paulus.
Ich glaube
nicht, dass wir Christen von heute das so ohne weiteres nachsprechen können.
Wir
überwinden nicht weit; wir überwinden auch nicht knapp. Wir überwinden
überhaupt nicht. Wir werden vielmehr überwunden. Wenn Gott unsere Pläne
durchkreuzt, wenn Schweres in unser Leben bricht, ja, wenn wir gar „geachtet
sind wie Schlachtschafe“, wenn die Welt uns verspottet oder verfolgt um unseres
Glaubens willen – dann lassen wir uns überwinden.
Das ist
aber nicht in Ordnung, da stimmt etwas nicht.
Warum
konnte Paulus „weit überwinden“? Er sagt es selbst: „um deswillen,
der uns geliebt hat“. Der Mann, der uns bis in den Tod und in alle Ewigkeit
geliebt hat und liebt, ist Jesus. Die Liebe Jesu, die vor allem in seinem
Kreuzestod hervorbricht, ist die Kraftquelle für alles Überwinden.
Wenn es
nun bei uns mit dem Überwinden nicht weit her ist, dann liegt das an unserer
gebrochenen Stellung zu Jesus. „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz.“
Ist das bei uns der Fall? Wenn die Leitungen verstopft sind, kann das Wasser nicht
fließen. Wenn die Kabel zerrissen sind, kreist der Strom nicht durch den Draht.
Das ist
sicher: Lassen wir der Liebe Jesu Raum in unserem Leben, dann „überwinden wir
weit“.
„Weit!
Nicht so, dass wir gerade noch durchkommen. O nein! Weit! Es bleibt noch Kraft
übrig zum Loben, zum Freuen – zum Weitergeben an andere.
Jesu,
hilf, dass ich
Allhier
ritterlich
Alles
durch dich überwinde
Und
in deinem Sieg empfinde,
Wie
so ritterlich
Du
gekämpft für mich.
15.
Oktober
Wir sind geachtet wie Schiachtschafe. Aber
in dem allen überwinden wir weit um deswillen, der
uns geliebet hat.
Römer 8, 36 und 37
Gott ist
ein starker und wundersamer Gott. Das erfahren die Kinder Gottes, die durch
Jesus mit Gott versöhnt sind, in ihren Führungen!
Gott zwingt seine Kinder in die Not hinein. „Wir sind geachtet wie Schlachtschafe“,
sagt der Apostel Paulus. Er hat diesen Satz übernommen von dem Sänger des 44.
Psalms. Und die Männer Gottes im Alten wie im Neuen Bund haben die Bitterkeit
dieser Wahrheit bis. zum Zerbrechen am eigenen Leibe erfahren.
Christenweg
ist Kreuzesweg. So wird es bleiben bis zum Ende. Und wenn wir uns auch wehren:
Unser Gott ist stark und zwingt uns unter das Kreuz.
Ja, unser
Gott ist stark. Darum kann er aus der
Not herausreißen.
Die ganze
Bibel und die Geschichte der Gemeinde sind voll von Zeugnissen, dass unser Herr
retten kann, wo keine Rettung mehr ist. Es ist ihm „ein Geringes, durch viel
oder wenig zu helfen“.
Aber unser
Gott ist so stark, dass er noch Größeres als dies kann. Er kann seine Kinder in der Not überwinden lassen.
Davon
rühmt Paulus in unserem Wort. Furchtbar klingt es zuerst: „Wir sind geachtet
wie Schlachtschafe.“ Und dann kommt nicht ein Sterbenswörtlein, dass dieser
Zustand abgestellt würde. Stattdessen kommt ein Jubelwort: Wir wissen von
Einem, der uns überschwänglich liebt. Der liebt uns so, dass er unsere Schuld
wegtrug. Nun ist seine Liebe ausgegossen in unser Herz. Und um deswillen überwinden wir weit – mitten in der Not.
Was
Gott tut, das ist wohlgetan,
Er
ist mein Licht und Leben,
Der
mir nichts Böses gönnen kann;
Ich
will mich ihm ergeben
In
Freud und Leid,
Es
kommt die Zelt,
Da
öffentlich erscheinet,
Wie
treulich er es meinet.
16.
Oktober
Das da nichts ist, hat Gott erwählt, auf das er zunichte mache, was
etwas ist.
1. Korinther 1, 28
Was ist
die Bibel doch für ein merkwürdiges Buch!
Da kommen
große, mächtige Herren vor. Aber von denen kann man nichts Gutes lernen: Der
König Herodes ist ein Mörder und Ehebrecher, der Pilatus ein ungerechter
Richter, der Landpfleger Felix ein bestechlicher Beamter.
Da kommen
kluge und gelehrte Leute vor. Aber auch von denen kann man nichts Gutes lernen.
Die sehen am hellen Tage das Licht nicht und verwerfen den Sohn Gottes. Auch
das sind schlechte Vorbilder.
Aber dann
kommen in der Bibel arme und elende Leute vor, Leute „von den Hecken und Zäunen“;
Leute, die sich im Tempel vor Scham über ihr Leben gar nicht nach vorn wagen,
weil die sich für große Sünder halten; Leute, die heimlich über sich selbst
weinen; Aussätzige und Zöllner und Huren und Schächer.
Und
ausgerechnet von denen spricht die Bibel so, dass wir merken: Wir sollen und
dürfen von ihnen lernen.
Wer dazu
zu stolz ist, der soll die Bibel lieber weglegen. Aber er soll auch wissen, dass
er damit auf die Seite der Pharisäer und Schriftgelehrten tritt. Und die stehen
ja in der Bibel in einem sehr verdächtigen Licht.
Wer aber
den Weg der Bibel mitgehen will, der sehe sich all diese verachteten Leute
einmal näher an. Dann wird er bald merken, warum die Bibel so ein Wohlgefallen
an ihnen hat: Nicht um ihrer Erbärmlichkeit und Sünden willen – wie könnte Gott
daran Gefallen haben! –, sondern darum – und nur darum –, weil sie ein
bußfertiges und zerschlagenes Herz haben. Und solch ein Herz gefällt Gott. Das
ist bereit für den Heiland und sein Heil.
Komm,
führe unsre stolze Art
In
deine Demut ein!
Nur
wo sich Demut offenbart,
Kann
Gottes Gnade sein.
17.
Oktober
Jesus Christus ist uns von Gott gemacht zur
Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.
1. Korinther 1, 30
Wie
wichtig ist dies Wort! In Jesus ist einem Christen alles geschenkt, was er
nötig hat. Aber nur in der Verbindung mit Jesus hat man diesen Reichtum.
In der
lebendigen Verbindung mit Jesus hat auch der Törichtste die göttliche Weisheit, die Einsicht in Gottes
Heilsgedanken, den Durchblick durch das Wesen der Welt und die Kenntnis des
eigenen Herzens. Ohne ihn bleibt man ein Narr und steht unter dem Wort Römer 1,
22: „Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden.“
In der
Verbindung mit Jesus hat man die Gerechtigkeit,
die vor Gott gilt. Das ist das Herrlichste im Christenstand, diese
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Wenn ich in der Glaubensverbindung mit Jesus
stehe, dann entsteht eine solche „Gütergemeinschaft“, dass er alle meine Schuld
und Sünde als die seine annimmt. Und mir gibt er „aus lauter Gnade seine
vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit, als hätte ich nie eine Sünde begangen
noch gehabt“.
Und zur Heiligung ist er uns gemacht. Die
Heiligung unseres Lebens wächst also wunderbarerweise nicht heraus aus
irgendwelchen sittlichen Bemühungen und Anstrengungen, sondern aus der völligen
Hingabe an ihn.
„Und zur Erlösung.“ Als der Herr das Volk Israel
aus der ägyptischen Fron erlöste, kamen nur die in die Freiheit, die mit Mose
zogen. Die andern kamen um. Wer mit dem Herrn Jesus zieht, hat teil an der
Erlösung und wandert zum Ziel der Erlösten – nach dem himmlischen Kanaan, der
neuen Welt.
Nichts
kann ich vor Gott ja bringen
Als
nur dich, mein höchstes Gut;
Jesu,
es muss mir gelingen
Durch
dein heilges, teures Blut.
Die
höchste Gerechtigkeit ist mir erworben,
Da
du bist am Stamme des Kreuzes gestorben;
Die
Kleider des Heils ich da habe erlangt,
Worinnen
mein Glaube in Ewigkeit prangt.
18.
Oktober
Ihr seid teuer erkauft.
1. Korinther 6, 20
Alles in
der Welt hat seinen Preis. Sogar der Sohn Gottes.
Wisst ihr
auch, wie viel der den Menschen wert ist? Das ist genau festgestellt worden: 30
Silberlinge. So viel wurden dem Judas für die Auslieferung Jesu ausgezahlt.
30
Silberlinge. Ein Silberling ist 2,80 Mark. Also 30 Silberlinge = 84,00 Mark. Vierundachtzig Mark ist der Herr Jesus den
Menschen wert.
Das ist
nun wirklich nicht viel. Aber – ich glaube, den meisten Menschen ist der Herr
Jesus nicht einmal 84,00 Mark wert. Das ist eine traurige Rechnung.
Nun wollen
wir die Sache aber einmal umkehren und fragen: Wie viel sind wir dem Herrn
Jesus wert?
Das ist
auch festgestellt worden – damals, als der Herr Jesus auf Golgatha starb. Wir
sind ihm so viel wert, dass es in
Gold und Silber gar nicht auszudrücken war. Darum hat er für uns sein Leben
bezahlt. Um uns für Gott zu erkaufen, hat er sein kostbares Leben dargegeben.
Die Bibel
sagt: „Ihr seid teuer erkauft!“ Das kann man wohl sagen: Ein höherer Kaufpreis
wurde nie erlegt.
Darüber
sollte man einmal nachdenken. Und wer es tut, der wird sagen: „Da stimmt etwas
nicht! Jesus ist doch nicht nur 84,00 Mark wert! Und wir – wir sind doch nicht
so viel wert, dass der Sohn Gottes sein Leben für uns bezahlte.“
Wie ist
das möglich?
Wer so
fragt, der fängt an zu verstehen, was die Bibel sagt: „Also hat Gott die Weit
geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn
glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Gott
ist die Liebe,
Lässt
mich erlösen.
Gott
ist die Liebe,
Er
liebt auch mich.
19.
Oktober
… diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen
aber ein Geruch des Lebens zum Leben.
2. Korinther 2, 16
Wer den
Krieg erlebt hat, der kennt den entsetzlichen Todesgeruch, der von den Kadavern
der Pferde und den Leichen der unbeerdigten Gefallenen ausging.
Da konnte
man sich auch vorstellen, wie im Mittelalter, als es noch keine Schutzimpfungen
gab, von solchen Todesfeldern neuer Tod aufstieg: die Pest! „Ein Geruch des
Todes zum Tode“!
Ist es
nicht erschütternd, dass – nach Gottes Willen – das
apostolische Zeugnis vom Heil Gottes in Jesus auf manche Menschen solche Todeswirkung
hat?! Die es nicht annehmen, denen ist das Evangelium widerlich. Alles sträubt
sich in ihnen gegen den „veralteten, muffigen Kram“. Es erscheint ihnen ein
modriger Todesgeruch. Darüber verstocken sie sich völlig gegen Gottes Ruf. Und
nun gereicht es ihnen ganz und gar „zum Tode“ – zum ewigen Tod.
„Jenen
aber ein Geruch des Lebens zum Leben“! Was „Geruch des Lebens“ ist, hat mir
einmal ein Gutsbesitzer geschildert: „Lange Zeit war Trockenheit. Besorgt sahen
wir jeden Tag auf die Felder. Böse sah es aus. Alles schmachtete. Dann aber
zogen eines Tages Wolken auf. Und nun fiel ein stundenlanger, herrlicher Regen.
Als die Wolken sich verzogen hatten, nahm ich meine Frau an den Arm, und wir
gingen durch die Felder. Alles war erquickt. Wie erlöst atmete alles die neue
Luft. Ein herrlicher Duft stieg auf von den erfrischten Feldern, ein Geruch des
Lebens.“ Ja, „zum Leben“! Nun konnte alles gedeihen.
Solche Wirkung
hat das Evangelium bei denen, die es annehmen. Da fängt der Garten des Herzens
an, für Gott zu blühen. Friede mit Gott und Freude regieren. „Leib und Seele
freuen sich in dem lebendigen Gott.“
Was ist uns das Evangelium?
Mache
mich zum guten Lande,
Wenn
dein Samkorn auf mich fällt,
Gib
mir Licht in dem Verstande,
Und
was mir wird vorgestellt,
Präge
meinem Herzen ein,
Lass
es mir zur Frucht gedeihn.
20.
Oktober
Wir haben allenthalben Trübsal, aber wir Ängsten uns nicht.
2. Korinther 4, 8
Seltsame Spannung
im Christenleben!
Das ging
einem jungen Soldaten im Kriege auf. Er war sehr einsam. Denn von seinen
Kameraden wollte keiner etwas von Jesus wissen. Und nun sehnte er sich von Herzen
nach einem Freund, der mit ihm gleichen Sinnes war.
Eines
Tages pfiff er leise ein Jesus-Lied. Auf einmal fuhr er auf. Ein anderer Soldat
pfiff dieselbe Melodie. Er ging auf den zu und fragte: „Welches Lied hast du da
gepfiffen?“ Der antwortete: „Es war das Lied: ‚Stark ist meines Jesu Hand, /
Und er wird mich ewig fassen. / Hat zuviel an mich gewandt, / Um mich wieder
loszulassen.“
„Und ich“,
sagte der erste, „hatte das Lied im Sinn: ‚Steil und dornig ist der Pfad, / Der
uns zur Vollendung leitet.'“
So hatten
sich zwei Gleichgesinnte Herzen gefunden. Und sie sprachen nun oft darüber, dass
diese beiden Lieder dieselbe Melodie haben, obwohl sie in ihrem Inhalt so gegensätzlich
scheinen.
Aber so
ist es! Christen kennen nur eine einzige Lebensmelodie. Und die heißt: Jesus!
Doch diese Melodie hat zwei Texte. Der eine spricht von fröhlicher Glaubenszuversicht,
dass seine Hand stark und treu ist, dass er festhält und durchbringt und froh
und selig macht.
Der andere
Text aber spricht davon, dass der Weg Jesu steil und dornig ist, dass man
täglich mit ihm sterben muss, dass Christenleben durch Kampf und viel Not geht.
Das meinte
Paulus, als er sagte: „Wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängsten uns nicht.“ Nur wo man beides bejaht, wird das
Jesus-Lied, die Lebensmelodie, recht gesungen.
Wer
allein auf Jesum trauet,
Wer
in Jesus alles find’!:
Der
ist auf den Fels erbauet
Und
ein selges Gnadenkind.
21.
Oktober
Ich gedenke euer in meinem Gebet.
Epheser 1, 16
Wir
beschäftigen uns oft mit anderen Menschen. Wir können ja gar nicht anders. Das
Zusammenleben bringt uns in tausendfache Berührung mit anderen in
Freundschaften und auch in Reibungen.
Wie ist es
nun da? Wir reden übereinander. Wir seufzen gegeneinander. Wir entdecken Fehler
aneinander. Es ist ja so interessant für den alten Menschen, wenn er am lieben
Nächsten etwas Böses entdeckt.
Es ist
aber für jeden Bibelleser wohl klar und deutlich, dass das nicht die rechte
Stellung zu unseren Mitmenschen ist. So hält es die menschliche Natur. Wir aber
sollten uns nicht von unserer natürlichen Art bestimmen lassen. Für die starb
der Herr Jesus. Und wir dürfen – Gott sei Dank – diese natürliche Art mit dem
Herrn Jesus in den Tod geben.
Nun
verfallen wir leicht in den anderen Fehler, dass wir uns um unsere Nächsten, um
unsere Nachbarn und Kameraden, gar nicht mehr kümmern. Dann ersparen wir uns
manche Not.
Doch auch
das ist verkehrt. Der Geist Gottes lehrt es uns anders. Und er zeigt uns im
Epheser-Brief den Paulus recht als Vorbild. Der hat für die anderen gebetet.
Das ist die Art, wie wir uns mit unseren Mitmenschen beschäftigen sollten, dass
wir sie in unsere Fürbitte einschließen.
Wir wollen
also nicht mit Menschen über andere reden. Aber mit Gott wollen wir darüber
reden.
Wenn uns
Unrecht getan wird, wollen wir es nicht der Welt sagen, sondern es unserem
treuen Herrn und Heiland anbefehlen.
Wir wollen
übereinander nicht seufzen. Stattdessen wollen wir füreinander beten. Wenn wir
es so halten, dann wächst die Liebe zu den anderen. Und das ist der Weg Jesu.
Verzehre
Stolz und Eigenliebe
Und
sondre ab, was unrein ist,
Und
mehre jener Flamme Triebe,
Die
nur an dir entzündet ist.
22.
Oktober
… auf dass ihr begreifen möget mit allen
Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe.
Epheser 3, 18
Wie wenn
man aus einer ganz dunklen, engen Kerkerzelle in einen
herrlichen, großen Festsaal geführt wird, so ist dem zumute, der aus Sündennot
und Buße wiedergeboren wird zu einem Leben aus Gott.
Aber nun
machen viele Christen den Fehler, dass sie in einem Eckchen dieses herrlichen
Festsaales stehen bleiben. Da betrachten sie ein Bild und finden es herrlich. Aber mehr sehen sie nicht.
Paulus
wünscht der Gemeinde in Ephesus, dass sie den ganzen Festsaal, seine Breite,
Länge, Tiefe und Höhe, erkennt und für sich in Besitz nimmt.
Wir dürfen
dies Wort wohl im Einzelnen ausdeuten. Die „Länge“: Das ist die Heilsgeschichte. Die beginnt mit dem Heilsratschluss
Gottes vor der Zeit. Sie geht über die Schöpfung, den Fall Adams, über Abraham
und Mose zum Sinai; sie geht über die Propheten zu Christus bis zur Vollendung,
wo „Gott ist alles in allem“.
Die „Breite“: Das ist die Weite des Reiches
Jesu Christi. Das Reich geht hinaus über unseren kleinen Kreis. überall auf dem
Erdenrund wehen die Streiterfahnen Jesu Christi.
Die „Tiefe“: Das ist die Erlösung,
Versöhnung und Rechtfertigung der Sünder durch Jesus, das Lamm und den
Hohenpriester Gottes. „… wie will doch mein schwacher Geist, / Ob er sich
gleich hoch befleißt, / Solche Tief' ergründen können?“ singt Paul Gerhardt.
Und die „Höhe“: Hierbei denkt Paulus sicher an
die weite, herrliche, himmlische Welt. Da ist die triumphierende Kirche, die
vollendete Gemeinde! Da ist die „Wolke von Zeugen“! Da sind die himmlischen
Heerscharen! Ja, da ist er selbst, der dreieinige Gott.
Auf, lasst
uns den ganzen Festsaal in Besitz nehmen!
Liebe,
die du Kraft und Leben,
Licht
und Wahrheit, Geist und Wort,
Liebe,
die sich ganz ergeben
Mir
zum Hei! und Seelenhort:
Liebe,
dir ergeb ich mich,
Dein
zu bleiben ewiglich.
23.
Oktober
Vor allen Dingen ergreifet
den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile
des Bösewichts.
Epheser 6, 16
Zu den
schönsten Kunstwerken, die das frühe Mittelalter uns hinterlassen hat, gehören
die Stifter-Figuren im Naumburger Dom. Sie stammen aus der Mitte des 13.
Jahrhunderts.
Da steht
im Westchor der Dietmar. Von dem sieht man nur die rechte Hand, die fest den
Schwertgriff fasst, und noch die Augen und die Nase über dem Schildrand. Alles übrige deckt der große Schild, den der Dietmar mit dem
linken Arm vor sich hält.
Dieser
Dietmar scheint mir das Bild eines rechten Christen zu sein. Christen stehen
immer in einem gewissen Abstand, wie hinter einem Schild – wie der Dietmar.
Ja, die Welt
nimmt uns das übel. Wir können es unsererseits der Welt nicht übel nehmen, dass
sie es tut. Aber wir können es auch nicht ändern: Wir müssen – wie Dietmar – hinter
unserem Schild bleiben. Denn – wir wissen zuviel von der
Weit.
Die Bibel
gab uns Licht. Wir wissen um die Macht „des Bösewichts“, des Satans. Wir
wissen, dass feurige Pfeile fliegen, die dem Menschen den ewigen Tod und das
Verderben bringen. Und wir wollen nicht mit der Welt verloren gehen, nachdem
Christus uns errettet hat.
Darum
müssen wir hinter dem Schild des Glaubens bleiben – wach und ritterlich wie
Dietmar. Oder, anders gesagt, wir können nur noch in Christus Jesus leben. Nicht mehr außer ihm.
Ach
wie teur sind wir erworben,
Nicht
der Menschen Knecht zu sein;
Drum,
so wahr du bist gestorben,
Musst
du uns auch machen rein,
Rein
und frei und ganz vollkommen,
Nach
dem besten Bild gebildt:
Der
hat Gnad um Gnad genommen,
Wer
aus deiner Füll sich füllt.
24.
Oktober
Ich warte und hoffe sehnlich, dass Christus
hoch gepriesen werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod.
Philipper 1, 20
O das
wirre Wünschen unseres Herzens!
Da sind
die niedrigen Wünsche! Wir fühlen
selbst, wie armselig sie sind! Und doch – wer kann sie verbannen?
Und da
sind die großen Wünsche für unsere
Kinder, für Kirche, Volk und Vaterland, für die Welt und für Gottes Reich.
In einem
englischen Liederbuch heißt es: „Meiner Seele wildes Wünschen reinige und
läutre du!“
Dazu
verhilft uns obiges Wort des Paulus. Er sitzt im Kerker in Rom. Unablässig
kreisen seine Gedanken um die Gemeinden. Gigantische Pläne liegen im Geist
dieses großen Mannes.
Wenn wir
fragen wollten: „Paulus, was wünschst du dir?“ – dann würden wir als Antwort
doch selbstverständlich erwarten: „Die Freiheit! Die Erfüllung meiner Pläne.“
Und nun
wünscht hier Paulus. Was wünscht er? Erstaunlich: Kein Wort von Freiheit! Kein
Wort von seinen Plänen! Kein Wort von all dem, was man erwarten könnte.
Aber das
wünscht er sich, dass er sich als Jünger Jesu erweise; dass er mit seinem Leben
Christum verherrliche.
So sollten
Christen wünschen lernen. Nicht: Ich möchte gern reich sein! Sondern: Ich
möchte in meiner Armut Jesu Reichtum offenbar machen. – Nicht: Ich möchte gern
mächtig sein! Sondern: Ich möchte gern in meiner Schwachheit die Kraft Christi
stark werden lassen. – Nicht: Ich möchte es gut haben! Sondern: Ich möchte mich
gern in Trübsalen als fröhliches Kind Gottes erweisen. – Nicht: Ich möchte gern
die Erfüllung meiner Pläne! Sondern: Ich möchte, dass Christus hoch gepriesen
werde, es sei durch Leben oder durch Tod!
Dein
Vater fordert nur das Herz,
Dass
er es selbst mit reiner Gnade fülle;
Der
fromme Gott macht dir gar keinen Schmerz,
Die
Unlust schafft in dir dein eigner Wille;
Drum
übergib ihn willig in den Tod,
So
hat's nicht Not.
25.
Oktober
Jesus Christus entäußerte sich selbst und
nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch.
Philipper 2, 7
Ein
Bekannter erzählte mir ein wunderliches Erlebnis: Er war eingeladen in eine
Gesellschaft. Als er hinkam, waren da sehr armselige und kümmerliche Gestalten
versammelt: ein rührendes altes Jüngferlein, ein
Mann, der einst bessere Tage gesehen hatte – kurz, ein armes Völklein.
Aber nach
einiger Zeit stellte es sich heraus: Hier handelte es sich um lauter feine
Leute: Die eine war die Tochter eines berühmten Malers; die andere war die Schwiegertochter
eines namhaften Dichters. Ein Mann war verwandt mit einem vielgenannten
Politiker.
Es war
wirklich wunderlich. Für sich selbst bedeuteten diese Leute gar nichts. Aber
ihre Verwandtschaft! Die machte sie groß!
Wenn ich
in diese Gesellschaft gekommen wäre, dann hätte ich mich auch in die Brust
geworfen und gesagt: „Und ich! – Ich bin verwandt mit dem König aller Könige,
mit dem lebendigen Gott! Sein Sohn ist mein Bruder geworden!“
Ja, so
rühmt der Glaube! Er weiß: Für mich selbst bedeute ich nichts. Aber Jesus, der
Sohn Gottes, ist mein Bruder. Und das ist meine Ehre,
meine Freude und mein Stolz.
Uns allen
gilt das, dass der Sohn Gottes unser Bruder wurde. Wir können diese
Verwandtschaft ablehnen. Viele tun das. Aber sie setzen damit ihrer Seelen
Seligkeit aufs Spiel. Wir wollen uns lieber mit allen Kindern Gottes freuen,
glauben und singen: „In unser armes Fleisch und Blut / Verwandelt sich das ew'ge Gut! Halleluja!“
Sollt
uns Gott nun können hassen,
Der
uns gibt,
Was
er liebt
Über
alle Maßen?
Gott
gibt, unserm Leid zu wehren,
Seinen
Sohn
Aus
dem Thron
Seiner
Macht und Ehren.
26.
Oktober
… dass ihr gestärkt werdet mit aller Kraft
nach seiner herrlichen Macht zu aller Geduld und Langmütigkeit mit Freuden.
Kolosser 1, 11
Wenn man
Spatzen schießen will, dann stellt man keine Kanonen auf.
Und wenn
man einen bösen Buben züchtigen will, dann bringt man nicht gleich ein Heer auf
die Beine. Da genügt ein zorniger Mann.
Wenn man
aber ein Heer sammelt und Kanonen aufstellt, dann muss es sich um eine große
Unternehmung und um einen mächtigen Feind handeln.
Paulus stellt
hier auch gleichsam ein ganz großes Aufgebot auf: „Stärke“! „Alle Kraft Gottes“!
„Herrliche Macht Gottes“! – das sind große Dinge!
Und wozu
dies Ganze? Wozu?
„… dass
ihr gestärkt werdet zu aller Geduld.“ – Dass die Christen geduldig sein können!
Nicht wahr,
hier hat man doch den Eindruck, als seien „Kanonen gegen Spatzen“ aufgestellt. „Geduld!
– Du liebe Zeit!“ denken wir. „Soviel Geduld, wie ich brauche, bringe ich bei
einiger Zucht schon aus mir selber auf. Dazu brauchen doch nicht alle Kraft
Gottes und seine herrliche Macht aufgeboten zu werden.“
So denkt
unsere törichte Vernunft. Aber sie weiß eben nicht, wie viel Geduld ein Christ braucht. Ein Christ wird von Gott
überall aufs Warten gestellt. Ja, man könnte Christenstand geradezu einen
Wartestand nennen.
Und weil
wir eben keine Geduld haben, brechen wir überall aus, fahren Gott dazwischen,
murren gegen ihn und betrüben den Heiligen Geist.
O ja! Es
ist schon dies große Aufgebot nötig, dass Christen Geduld aufbringen mit
Freuden!
Damit
wir nicht erliegen,
Muss
Gnade mit uns sein,
Denn
sie flößt zu dem Siegen
Geduld
und Glauben ein.
27.
Oktober
Gott hat uns errettet von der Obrigkeit der
Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes.
Kolosser 1, 13
Es ist
einmal eine Lebensbeschreibung veröffentlicht worden mit dem feinen Titel „Wandlungen“.
„Wandlungen“,
das könnten wir alle über unser Leben schreiben. Wir machen alle eine Menge
Wandlungen mit. Wir wandeln uns aus Kindern in Männer und Frauen. Reiche werden
arm, und Arme werden reich. Eingefleischte Junggesellen werden überzeugte
Familienväter. Es ist nicht möglich, all die vielen Wandlungen aufzuzählen.
Aber auch
die tiefgreifendsten Wandlungen unseres Lebens sind
noch keine entscheidenden. Denn sie verändern in keiner Weise unsere Stellung
vor Gott.
Ein
Beispiel kann uns das deutlich machen: Da ist ein Seemann im Sturm vom Schiff
ins Meer gespült worden. Nun treibt er in den empörten Wellen. Da kann er
verschiedene Wandlungen durchmachen: Er kann brustschwimmen und auf dem Rücken
schwimmen. Er kann sich treiben lassen oder an ein Holzstück klammern. Er kann
von einem Haifisch gefressen werden oder ertrinken. Wandlungen!
Aber immer
bleibt der Seemann, was er ist: ein verlorener Mann.
Es gibt
für ihn nur eine entscheidende
Wandlung: dass er gerettet wird.
So ist es
mit unserem Leben! Ob wir arm oder reich, angesehen oder verachtet, alt oder
jung, töricht oder klug sind – wir sind vor Gott verlorene Leute.
Und es
gibt in unserem Leben nur eine entscheidende Wandlung: dass Jesus uns rettet!
Gott schenke uns diese Wandlung!
Darum
allein auf dich,
Herr
Christ, verlass ich mich;
Jetzt
kann ich nicht verderben,
Dein
Reich muss ich ererben,
Denn
du hast mir’s erworben,
Da
du für mich gestorben.
28.
Oktober
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes.
Kolosser 1, 15
Wo ist
Gott?
Millionen
Augen weinen in Kummer und Leid! Wo ist denn Gott? – Tausende von Menschen
zerbrechen am Leben! Wo ist denn Gott? – Auf den Schlachtfeldern sinken Tausende
dahin! In Elendsquartieren der Großstadt hungern blasse Kinder nach Sonne! Wo
ist denn nur Gott? – Unzählige werfen verzweifelt ihr Leben fort! Blühende
Jugend verkommt in Sünde! – O Gott, wo bist du?? „O dass du den Himmel
zerrissest und führest herab!“
Wo ist
Gott?
Suchende
wandern in die Natur hinaus, ob da Gott vielleicht zu finden sei. Aber die
Natur bleibt stumm. Andere horchen in ihr rauschendes Blut und in ihr pochendes
Herz, ob da Gott vielleicht sich offenbare. Aber sie bleiben schauerlich allein
mit ihren Gedanken und ihrer Sehnsucht.
Wo ist Gott?
Wo ist denn nur Gott?? Ist denn diese Welt ganz gottverlassen?
Millionen
haben ihre Sehnsucht erstickt. „Gott?!“ Lachen! „Gott? Es gibt keinen Gott. Lasst
uns essen und trinken, denn morgen sind wir alle tot!“
Wo ist
denn Gott??
Ein Ruf
dringt auf, aus der Bibel, ein Jubelruf: „Kommt und seht! Hier ist Gott, der
lebendige Gott? Das Leben ist erschienen! Und wir bezeugen und verkündigen euch
das Leben, das ewig ist! Gott ist gekommen!!“
„Wo?“ „In
Jesus!“ lautet die Antwort. „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes!“
Der
Jubelruf pflanzt sich fort. Errettete preisen Jesus. Und wir?
Jesus
ist kommen, sagt’s alter Welt Enden,
Eilet,
ach eilet zum Gnadenpanier.
Schwöret
die Treue mit Herzen und Händen,
Sprechet:
Wir leben und sterben bei dir.
Herzensfreund,
gürte mit Wahrheit die Lenden.
Jesus
ist kommen, sagt’s aller Welt Enden!
29.
Oktober
Jesus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes.
Kolosser 1, 15
Was heißt
denn das: „Ebenbild“?
!m
griechischen Text steht hier das Wort „eikohn“.
Dieses Wort wird sonst gebraucht von den Götzenbildern, die die Heiden
aufstellen. Die Heiden glauben ja auch, dass ihre Götter in der unsichtbaren
Welt sind. Aber weil sie ins Unsichtbare nicht schauen können, machen sie sich
Bilder ihrer Götter. Wie viel Millionen Götzenbilder sind in der Welt doch
errichtet worden!
Und nun
sagt unser Bibelwort: Alle die vielen Millionen Götterbilder sind falsch. In
ihnen erkennt man Gott nicht. Sie sind menschliche Erfindungen. Sie führen in
die irre.
„Aber“,
fragt das Herz, „wie sollen wir uns denn Gott vor-steilen? Wo finden wir ein
rechtes Bild des lebendigen Gottes?“
Und darauf
gibt unser Text die Antwort: „Jesus ist das rechte ,eikohn', das rechte, wahre Ebenbild des lebendigen
Gottes.“ Das hat ja Jesus selbst auch schon gesagt: „Wer mich sieht, der sieht
den Vater.“
„Eikohn“ – das kann auch „Spiegelbild“ heißen. – An alten
Häusern sah man vor den Fenstern oft einen so genannten „Spion“. Das war ein Schräggestellter
Spiegel. Und wer sich nun ans Fenster setzte, der konnte durch diesen Spiegel
alle Vorgänge auf der Straße beobachten. Er sah die Straße selbst nicht, aber
im Spiegelbild sah er doch klar, was vorging.
Jesus ist
das „Spiegelbild“ des lebendigen Gottes. Gott selber können wir nicht sehen. „Er
wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann.“ Er ist ein verborgener Gott.
Aber im Angesicht Jesu Christi dürfen wir ihn sehen.
Darum ist
es sinnlos, Gott irgendwo anders suchen zu wollen als in Jesus. Aber in ihm
sehen wir nicht nur das Angesicht, sondern das Herz Gottes.
Gott
ist Herr, der Herr ist einer,
Und
demselben gleichet keiner,
Nur
der Sohn, der ist ihm gleich;
Dessen
Stuhl ist unumstößlich,
Dessen
Leben unauflöslich,
Dessen
Reich ein ewig Reich.
30.
Oktober
Er ist vor allem, und es besieht alles in ihm.
Kolosser 1, 17
Als kleine
Kinder haben wir gern mit dem Baukasten gespielt. Da bauten wir aus allen
Bauklötzen einen ganz hohen Turm. Und dann kam der Hauptspaß: Man zog den
untersten Bauklotz weg, und prasselnd stürzte alles ineinander.
Wir
empfanden ganz unbewusst das Wunderbare, das solch ein stolzes Bauwerk mit
einem einzigen Baustein steht und fällt. Und nun sagt uns unser Textwort
eigentlich nichts anderes als dies: Nehmt Jesus aus der Welt weg, und es stürzt
alles ineinander. „Es besteht alles in ihm.“
Welch
ungeheure Bedeutung hat Jesus für die Welt! Er ist der „Baustein, den die
Bauleute verworfen haben, der zum Eckstein geworden ist“. Ohne ihn wäre die
Welt längst ineinander gestürzt, ohne ihn könnte sie keine Sekunde bestehen.
Dass es so
ist, haben wir je und dann erschütternd gemerkt. Ich kenne einen Menschen, in
dessen Leben Jesus eine Rolle gespielt hatte. Aber dann hatte er Jesus aus
seinem Leben hinaus getan. Von dem Augenblick ab war in dem Leben eigentlich
alles ineinander gestürzt. Es war, als ob keine Ordnung mehr in dies Leben
kommen könnte.
Auch mit
ganzen Völkern kann es so gehen, in denen das Evangelium von Jesus, dem
Gekreuzigten, einmal eine Macht war. Es ist sehr gefährlich, diesen Baustein heraus
tun zu wollen. Von da ab ist es dann so, dass immer wieder alles
zusammenstürzt. Man bemüht sich vergeblich um irgendwelche Lebensordnungen für
solches Volk.
Der
gewaltigste Zusammenbruch wird am Ende der Zeit geschehen. Da wird der
Antichrist noch einmal eine letzte Empörung gegen Gott versuchen. Er wird für
Jesus und seine Gemeinde keinen Raum mehr haben in seinem gewaltigen Reich.
Aber das wird auch das Ende sein.
Weil alles
in Jesus besteht, wollen wir recht in ihm bestehen.
Jesus
ist das höchste Gut
In
dem Himmel und auf Erden.
Jesu
Name macht mir Mut,
Dass
ich nicht kann traurig werden.
Jesu
Name soll allein
Mir
der höchste Name sein.
31.
Oktober
Nun wir denn sind gerecht geworden durch den
Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.
Römer 5, 1
Es gibt so
viele, die feiern dieses Reformationsfest wie – ja wie einen Museumsbesuch.
Wenn ich ein Museum besuche, dann bewundere ich wohl voll Ehrfurcht die alten
Münzen, Kleider und Bilder. Aber dann gehe ich wieder fort und lasse alles an
seinem Platz. Ich könnte ja auch im Leben nichts anfangen mit diesen Dingen.
So dürfen
wir nicht das Reformationsfest feiern! Bei der Reformation ging es nämlich um
eine Frage, die mich heute in meiner Lage brennend berührt. Um was ging es denn
in der Reformation?
Es ging
nicht um die Frage einer deutschen Sprache und Kultur. Es ging nicht um soziale
Forderungen und Reformen. Es ging auch nicht um die deutsche Nation oder eine
romfreie Kirche. Das fiel alles noch dabei ab wie die Späne beim Hobeln. Aber
es ging um das Hobeln, nicht um die Späne. Um was ging es denn den
Reformatoren?
Es ging
einzig und allein um die Frage: „Wie bekomme ich Sünder Frieden mit Gott?“ Das
ist die brennendste aller Fragen. Wehe uns, wenn sie
von uns nicht gestellt und beantwortet wird!
Als die
Reformatoren diese Frage mit Ernst stellten, da merkten sie: Kein Mensch kann
die Frage beantworten. Hier versagt aller noch so gut gemeinter
menschlicher Vorschlag. So kamen sie an Gottes Wort, an die Bibel.
Und hier
fanden sie das zweite: Kein Mensch kann von sich aus mit Gott Frieden machen,
so wenig der Schuldige mit dem Gesetz Frieden machen kann. Aber Gott hat Frieden
gemacht. Als Jesus für uns starb, hat Gott Frieden gemacht mit Sündern.
Als die
Reformatoren das erkannten, griffen sie im Glauben zu. Und wir? Der feiert recht
Reformationsfest, der es ebenso macht.
Es
ist das Heil uns kommen her
Von
Gnad' und lauter Güte;
Die
Werk' die helfen nimmermehr,
Sie
mögen nicht behüten.
Der
Glaub' sieht Jesum Christum an,
Der
hat g'nug für uns all getan,
Er
ist der Mittler worden.
1.
November
Nun wir denn sind gerecht geworden durch den
Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.
Römer 5, 1
Ein
Prediger des Evangeliums fragte einst einen Mann: „Haben Sie schon Frieden mit
Gott?“ Erstaunt antwortete der: „Ich denke doch. Ich habe jedenfalls nichts
gegen ihn.“
So denken
viele: „Wenn ich nichts gegen Gott habe, dann wird ja wohl alles in Ordnung
sein.“
Man sollte
sich einmal fragen: „Hat Gott nicht vielleicht etwas gegen mich?“ Und es ist in
der Tat so, dass Gott sehr viel gegen uns hat.
Der
Gleichgültige, der sich einbildet, nun sei wohl zwischen ihm und seinem „Herrgott“
alles in Ordnung, gleicht einem törichten Angeklagten, der im Gerichtssaal auf
den Richter zuginge und sagte: „Herr Richter! Hier meine Hand! Ich habe nichts
gegen Sie. Also ist doch wohl alles in Ordnung, und ich kann meiner Wege gehen.“
Was würde
wohl ein Richter zu einem solchen törichten Mann sagen? Nun, und was sagt der
Richter der Toten und Lebendigen, der heilige Gott zu uns?
Wir sind
vor ihm Angeklagte. Es ist wichtig, dass wir uns diese unsere Stellung
klarmachen. Der natürliche Mensch hat keinen Frieden mit Gott. Alle seine
Sünden stehen gegen ihn auf und zeugen gegen ihn. Nein, der Friede mit Gott ist
ganz und gar keine selbstverständliche Sache.
Gerade
darum ist das Wunder so groß, dass Menschen hier in der Welt es bezeugen
dürfen: „Wir haben Frieden mit Gott – nicht einen eingebildeten, sondern
wirklichen Frieden durch Vergebung der Sünden.“
Gott lasse
uns alle in solchem Frieden stehen!
Ach
Gott, zürn nicht, geh nicht ins G'richt,
Dein
Sohn hat mich versöhnet.
Zu
dir flieh ich, verstoß mich nicht,
Wie
ich's wohl hab' verdienet.
2.
November
Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott.
Kolosser 3, 3
Es ist
kein Wunder, dass rechte Christen der Welt ein wenig unheimlich sind, so
unheimlich, wie der wiedererweckte Lazarus den Juden war. Denn Christen sind ja
gestorbene Leute und leben als Menschen, die durch den Tod hindurchgegangen
sind.
Davon
haben allerdings die meisten so genannten „Christen“ keine Ahnung. Damit
beweisen sie, dass sie von dem „verborgenen Leben mit Christo in Gott“ nichts
wissen.
Christen
sind gestorben. Sie haben geglaubt: Das Todesurteil galt ihrem Leben. Das haben
sie anerkannt. Und nun sind sie mit Christus gekreuzigt.
Sie sind
dem göttlichen Gesetz gestorben. Sie konnten es nicht erfüllen. Darum kam das
Todesurteil über sie. Was sie nun leben, ist Rechtfertigung durch Christus.
Sie sind
der Welt gestorben. Wie sollten sie leben in dem, was schon auf Golgatha
gerichtet ist und vergeht? Sie leben in Frieden mit Gott.
Sie sind
den menschlichen Satzungen und Ordnungen gestorben. Sie haben auch darüber das
Todesurteil ertragen. Nun leben sie für Gott durch den Heiligen Geist.
Sie sind der
Menschenfurcht gestorben. Sie sind ja gestorben. Den Toten kann die Welt nichts
mehr tun. Und ihr neues Leben ist der Welt nicht erreichbar.
Sie sind
ihren Wünschen gestorben. Ihr Wünschen ist verkehrt und gerichtet. Nun wollen
sie, was Gott will.
Sie sind
sich selbst gestorben. Ihr „ich“ ist gekreuzigt mit Christus. Nun ist Christus
ihr Leben.
Hier ist
nichts übertrieben. Es geht im Christenstand nicht um Meinungen über Gott,
sondern um Tod und Auferstehen.
Geht's
der Natur entgegen,
So
geht's gerad und fein;
Die
Fleisch und Sinnen pflegen,
Noch
schlechte Pilger sein.
Verlasst
die Kreatur
Und
was euch sonst will binden,
Lasst
gar euch selbst dahinten,
Es
geht durchs Sterben nur.
3.
November
Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den
Menschen!
Kolosser 3, 23
In einem
großen Betrieb war eine Visitation angesagt. Fieberhaft wurde da gearbeitet.
Am Tage
nach der Besichtigung saßen zwei Männer in ihrem Büro. Der eine reckte sich
gähnend und sagte: „Jetzt kann man's sich wieder ein wenig gemütlich machen.“ „Ich
nicht“, erwiderte der andere und arbeitete weiter. Erstaunt sah ihn sein
Kollege an. „Warum nicht?“ Da erwiderte der mit großem Ernst: „Ich werde
täglich visitiert von meinem Gott!“ Da schrak der andere auf und sagte: „Ich ja
auch!“
Wir leben
beständig vor Gottes Augen. Und es ist schlimm, dass wir uns das nicht immer
klarmachen. Dadurch werden wir in unserem Beruf schuldig.
Wir
sollten uns nicht damit zufrieden geben, wenn Menschen mit uns und unserer
Arbeit zufrieden sind. Die Frage ist immer: „Ist Gott mit meiner Arbeit
zufrieden?“ „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den
Menschen!“ Gott will treue Leute. Und die Erlösung, die Gott in Jesus gegeben
hat, muss sich auch hier auswirken.
Aber das muss
auch gesagt werden: Wir dürfen unsere tägliche Arbeit nicht nur vor den Augen
Gottes tun, sondern wir dürfen ihn auch um seinen Segen dazu bitten. Wir dürfen
nicht nur treue, sondern auch gesegnete Leute werden.
Es ist
schön, wenn, wir nach einem gelungenen Werk singen: „Nun danket alle Gott!“
Aber es ist auch gut, wenn wir vorher beten: „Gib, dass ich tu mit Fleiß, / Was
mir zu tun gebühret.“ Da heißt es am Schluss: „Und wenn ich's tu, so gib, / Dass
es gerate wohl!“ So dürfen wir an jedes Werk herangehen.
All
mein Beginnen, Tun und Werk
Erfordert
von Gott Kraft und Stärk';
Mein
Herz sucht Gottes Angesicht,
Drum
auch mein Mund mit Freuden spricht:
Das
walte Gott!
4.
November
Sei willig zu leiden.
2. Timotheus 4, 5
Manchmal
hat die Bibel Worte, vor denen man sich nur entsetzen kann. Da versteht man, dass
ein Weltmensch sich mit dieser Bibel am liebsten gar nicht einlässt.
Einem
Christenmenschen aber ergeht es mit diesen Worten wie den Jüngern, als Jesus
den Leidensweg einschlug: „Sie entsetzten sich, folgten ihm nach und fürchteten
sich“ (Markus 10, 32).
Solch ein
unheimliches Wort haben wir hier: „Sei willig zu leiden.“ O, wir hassen doch
das Leiden! Wir fürchten es. Wenn wir gute Tage haben, dann möchten wir mit
Goethes „Faust“ zum Augenblicke sagen: „Verweile doch, du bist so schön.“ Und
im Leiden zappelt unser Gemüt und seufzt und sehnt sich heraus.
Wir halten
es schon für etwas sehr Großes, wenn wir das Leiden erdulden, wenn wir stille und gelassen darin werden.
Aber: „Sei
willig zu leiden!“ Das ist doch noch etwas ganz anderes. Da sehen wir, wie die
Bibel den Todesstoß führt gegen unser altes, natürliches Wesen, wie sie eine
ganz andere Richtung hat als die, in die Fleisch und Blut uns treiben.
Wer dieses
Wort gehorsam hört, der wird dadurch recht beschämt. Denn es wird ihm daran
klar, wie weit er noch entfernt ist von einem wirklich „himmlischen Sinn“.
„Sei
willig zu leiden.“ Ist das nicht eine völlig unmögliche Forderung? Das wird uns
nicht anders möglich sein, als dass wir's machen wie die Jünger: „Sie folgten
ihm nach.“ Und je mehr wir auf ihn sehen, desto mehr verliert sich das
Entsetzen, desto williger werden wir, wie er durch Leiden zur Herrlichkeit zu
gehen. Denn auf die Herrlichkeit geht alles Leiden hinaus.
Himmelan
ging Jesus Christ
Mitten
durch die Schmach.
Folg,
weil du sein Jünger bist,
Seinem
Vorbild nach.
Er
litt und schwieg;
Halt
dich fest an Gott wie er;
Statt
zu klagen, bete mehr;
Erkämpf
den Sieg.
5.
November
Darin steht die Liebe: nicht, dass wir Gott
geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur
Versöhnung für unsere Sünden.
1. Johannes 4, 10
Dies Wort
versteht nur ein Herz, das um seine Seligkeit bekümmert ist.
Zu dem
gesegneten Prediger des Evangeliums G. D. Krummacher
– er wirkte im vorigen Jahrhundert in Wuppertal – kam einmal ein Mann und
klagte: „Ich habe die Frage gehört, die der Herr Jesus dem Petrus stellt: ‚Hast
du mich lieb?' Und darauf habe ich antworten müssen: ‚Herr, du weißt alle
Dinge. Du kennst meine Kälte. Du kennst mein sündiges, widerstrebendes Herz. Du
weißt, dass ich keine Freudigkeit zum Gebet und keinen Hunger zum Worte Gottes
habe. Du kennst meine Übertretungen. Du weißt, dass ich dich nicht lieb habe.'“
Der Mann
sah keine Möglichkeit mehr, selig zu werden. Und so schüttete er Krummacher sein Herz aus.
Der sah
ihn lange an. Dann riet er ihm: „Kehre doch einmal die Frage um. Fragt der Herr
Jesus dich: ,Hast du mich lieb?', dann frage du doch
ihn nun auch: ,Hast du mich lieb?“
Der
Bestürzte stutzte, überlegte, dann leuchtete sein Gesicht auf: „Ja, er hat mich
lieb. Denn er starb für mich.“
„Sieh“,
fuhr Krummacher fort, „deine armselige Liebe zu ihm
kann ja nimmermehr der Grund und Boden sein, auf den du das Haus deiner
Hoffnung baust. Darin steht die Liebe, nicht, dass wir Gott geliebt haben,
sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für
unsere Sünden.“
Der
bekümmerte Mann fasste das. Er erkannte und glaubte, dass der Herr ihn, den
Elenden, lieb habe. Er ergab sich dieser Liebe und lernte nun mit Petrus sprechen:
„Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Der Herr
schenke uns die Erkenntnis seiner Gnade.
Doch
kenn ich wohl dein treues Lieben,
Du bist
noch immer treu geblieben;
Ich
weiß gewiss, du stehst mir bei
Und
machst mich von mir selber frei.
6.
November
Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben.
1. Johannes 5, 12
Es gibt
ein Sprichwort, das heißt: „Wer hat, der hat“
Aber dies
Sprichwort – es geht ihm wie so vielen anderen – sagt nicht die Wahrheit Wer
hat, der hat noch lange nicht!
Da lebte
in einer Stadt ein sehr reicher Mann. Er hatte alles, was man nur wünschen
kann: ein blühendes Geschäft, eine feine Villa, prächtige Kleider, strahlende
Gesundheit …
Aber eines
Tages zog der Mann mit einem kleinen Köfferchen, das all sein Hab und Gut
enthielt, zum Bahnhof, um bei Verwandten eine Zuflucht zu suchen. Der Sohn war
gefallen, die Frau gestorben, das Geschäft untergegangen, das Vermögen
verloren. O, wer hat, der hat noch lange nicht!
Unsere
Zeit hat auch Mächtige gesehen, deren Herrschaft so fest und sicher schien. Die
Massen jubelten ihnen zu. Aber wir haben es erlebt: Die Volksgunst schlug um in
Hass. Und aus den Gefeierten wurden Verachtete. Wer hat, der hat noch lange
nicht.
„Es kann
vor Nacht leicht anders werden, / Als es am frühen Morgen war …“
Nur einen
einzigen Fall gibt es, in dem man sagen kann, mit Recht sagen kann: „Wer hat,
der hat!“ Diesen Fall nennt uns Johannes: „Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben.“
Menschen, die Jesus und sein Heil gefunden haben, haben einen
unverlierbaren Reichtum, einen unzerstörbaren Besitz. Jesus mahnt: „Schaffet
euch Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen und da die Diebe nicht Nachgraben und
stehlen."
Die Welt vergeht
mit ihren Lüsten,
Des Fleisches
Schönheit dauert nicht,
Die Zeit kann
alles das verwüsten,
Was Menschenhände zugericht't.
Ein jeder liebe, was er will:
Ich liebe
Jesum, der mein Ziel.
7.
November
Nachdem vorzeiten Gott manchmal und mancherleiweise geredet hat zu den Vätern durch die
Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn.
Hebräer 1, 1 und 2
Unter den
Frommen Israels erzählte man sich eine seltsame Geschichte von einem Rabbi Sussja.
Wenn der
Lehrer, der große Maggid, den Satz der heiligen
Schrift vorlas, den er im Kreis seiner Schüler auslegen wollte, und mit den
Worten der Schrift begann: „Und Gott sprach …“, dann ergriff eine große
Entzückung den Rabbi Sussja. Er begann zu schreien
und bewegte sich wild hin und her. Da er so den Kreis störte, musste man ihn
jedes Mal hinausführen. Da stand er dann im Flur oder in einem kleinen
Schuppen, schlug an die Wände und schrie immerfort: „Und Gott sprach …!“
So kam es,
dass er die Reden seines großen Lehrers gar nicht hörte und kannte und doch
stärker als alle andern von der Botschaft bewegt wurde.
Den Rabbi Sussja hat es einfach erschüttert, dass Gott nicht
schweigt. Dieser Mann kannte sicher die Religionen der Völker in der Welt und wusste:
Das ist der große Jammer in allen Religionen, dass der Mensch mit sich allein
bleibt im Selbstgespräch. Denn all die Götter der Menschen sind ja stumme
Götter.
Der
lebendige Gott aber, der allen Grund hätte nach unserer Einsicht, dieser
abtrünnigen Welt gegenüber sich in Schweigen zu hüllen, der redet. Er redet
klar und vernehmlich.
Dass wir
ihn doch hörten! „Am letzten hat er geredet durch den Sohn.“ Der Sohn also ist
Gottes letztes Wort an die Welt. Wer den nicht hört, dem allerdings hat Gott
nichts mehr zu sagen. Es hängt alles daran: „Dies ist mein lieber Sohn, den
sollt ihr hören.“
Teures
Wort aus Gottes Munde,
Das
mir lauter Segen trägt,
Dich
allein hab ich zum Grunde
Meiner
Seligkeit gelegt;
In
dir freff ich alles an,
Was
zu Gott mich führen kann.
8.
November
Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket
eure Herzen nicht.
Hebräer 4, 7
Von dem
großen Eroberer Alexander dem Großen erzählt man: Wenn er auf seinen Feldzügen
eine Stadt belagerte, dann ließ er nacheinander drei Kerzen anzünden. Solange
die Kerzen brannten, bot er Gnade und Frieden an. War aber die dritte Kerze
ausgebrannt, dann blieben nur noch Zorn und Gericht.
Gott will
die Welt. Gott will auch unser Volk. Gott will auch jeden von uns. Darum
belagert er uns. Überall stoßen wir auf ihn. „Von allen Seiten umgibst du mich“,
sagt der 139. Psalm. Aber er belagert uns wartend. Er hat die Kerzen
angezündet, die Heil verkündigen und Frieden predigen allen Herzen, die sich
auftun.
Die dritte
Kerze ist der Sohn, Jesus Christus. In Hebräer 1 steht: „Nachdem vorzeiten Gott
manchmal und mancherleiweise geredet hat zu den
Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet
durch den Sohn.“
Jesus ist
Gottes letztes Wort. Jesus ist die dritte Kerze. Nach Jesus kommt nichts mehr.
Das wussten
die Zeugen des Neuen Testaments. Darum hat ihr Zeugnis so etwas ergreifend
Drängendes. Sie reden nicht wie Philosophen, die eine Meinung neben vielen anderen
Meinungen haben. Sondern sie reden wie Parlamentäre, denen man es anspürt, dass
sie es gut meinen mit den Belagerten, aber deren Wort auch nicht verachtet werden
darf.
So lasst
uns denn die weiße Fahne aufstecken und die Tore auftun!
Eil,
es ist noch Zeit zum Schämen!
Willst
du Gnade? Du sollst nehmen.
Willst
du leben? Das soll sein.
Willst
du erben? Du wirst sehen.
Soll
der Wunsch aufs höchste gehen,
Willst
du Jesum? Er ist dein.
9.
November
Geduld ist euch Not, auf dass ihr den Willen
Gottes tut und die Verheißung empfanget.
Hebräer 10, 36
Es war in
den Zeiten der ersten Christenheit.
Da wurde
ein kleines Christenhäuflein furchtbar bedrückt. Wenn eine Not zu Ende ging,
fing eine neue an.
Darüber
ging diesen Leuten der Mut aus. Sie standen in Gefahr, allen Glauben an den
Herrn Jesus über Bord zu werfen. „Es geht nicht mehr!“ sagten sie. „Was zuviel
ist, ist zuviel!“
Einer der
Apostel hörte von ihrer Not und schrieb ihnen einen herrlichen, trostvollen
Brief, der als „Hebräer-Brief“ heute in unserer Bibel steht.
In diesem
Brief rief er ihnen das Wort zu: „Geduld ist euch Not!“ In dem griechischen
Text hat das Wörtlein „Geduld“ einen besonderen Klang. Denn es heißt wörtlich: „Darunterbleibung“.
Damit
sagte also dieser Apostel etwas ganz Großes: Christen sollen so sicher mit der
Wirklichkeit ihres Herrn rechnen, dass sie unter einer Last solange still
stehen bleiben, bis er sie abnimmt.
Eine Frau
klagte einmal in ganz großer Trübsal einem erfahrenen Christen: „Ich komme
einfach nicht darüber hinweg.“ Da erklärte ihr der gelassen: „Wenn man nicht drüberkommt, dann muss man eben drunterbleiben.“
Dies schlichte Wörtlein hat der Frau wunderbar geholfen.
Wenn es so
steht, dann ist die christliche Geduld nicht eine Schwachheit, sondern eine
ganz große Kraft. Dann heißt „geduldig sein“: „Ja“ sagen zu der Last, weil sie
aus den Händen des himmlischen Vaters kommt; „Ja“ sagen zu der Last, weil
dahinter eine ganz große Liebe steht; dann heißt „Geduld“: die Last wollen, weil der himmlische Vater sie
will.
Bleibt
gleich die Hilf in etwas lange,
Wird
sie dennoch endlich kommen;
Macht
dir das Harren angst und bange,
Glaube
mir, es ist dein Frommen.
Was
langsam schleicht,
Fasst
man gewisser,
Und
was verzeucht,
Ist
desto süßer.
Gib
dich zufrieden!
10.
November
Durch den Glauben gingen sie durchs Rote
Meer wie durch trockenes Land; was die Ägypter auch versuchten und ersoffen.
Hebräer 11, 29
Es gibt
eine Karikatur, ein Zerrbild des wirklichen, lebendigen Glaubens. Bei Mose
sehen wir den wirklichen Glauben, bei den Ägyptern die Karikatur.
Wie
unheimlich ähnlich sind sich der wirkliche Glaube und sein Zerrbild. „Nur
frisch hinein!“ mag Mose gesagt haben, als der Herr im Meere den Weg bereitete.
„Nur frisch hinein!“ ruft Pharao und folgt nach.
Und doch!
Weich tiefer Unterschied!
Der
wirkliche Glaube. setzt alle Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott. Die Karikatur
des Glaubens traut sich selbst alles zu.
Seht die
Ägypter! Als sie Gottes Volk durchs Meer ziehen sahen, sagten sie wohl: „Das
können wir auch! Der Wille bahnt sich überall den Weg! Wir müssen nur Vertrauen
zu uns selbst haben!“ Und nun dies Wort: „… was die Ägypter auch versuchten und
ersoffen.“
Kann es
uns nicht angst werden, wenn wir bedenken, wie tief dieser tolle und verwegene
Glaube an uns selbst in uns sitzt! Und wenn wir bedenken, wie diese Karikatur
des Glaubens heute unzählige Prediger und Bekenner
hat!
Will man
mit solchem Glauben seiner Leidenschaft Herr werden? Will man mit solchem
Glauben seinem Volke dienen? Will man mit solchem Glauben an sich selbst sterben?
Und vor Gottes Gericht bestehen?
Nein! Wir
wollen lieber mit Jesaja bekennen: „Du, Herr, bist unser Vater und Erlöser.“
Und auf
seine Verheißung wollen wir bauen: „Ich habe dich erlöst; du bist mein! Denn so
du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht sollen
ersäufen … denn ich bin der Herr, dein Heiland“ (Jesaja 43).
Gottes
Weg ist in den Flüssen
Und
in großen Wassergüssen,
Und
du spürst nicht seinen Fuß.
So
auch in dem Meer der Sorgen
Hält
Gott seinen Pfad verborgen,
Dass
man nach ihm suchen muss.
11.
November
Er hat uns geliebt und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut.
Offenbarung 1, 5
Das Kreuz
auf Golgatha verkündigt einem jeden, der es hören will: „Jesus hat dich lieb!“
Diese
Liebe ist ein Wunder, ein unerklärbares Wunder!
Jede
menschliche Liebe hat irgendeinen zureichenden Grund. Eine Mutter liebt ihr
Kind – nun, es ist ihr Fleisch und Blut. Ein Kind liebt seinen Vater – nun, es
hat von ihm viel Gutes empfangen. Ein junger Mann liebt seine Braut – er liebt
sie um ihrer zahlreichen Vorzüge willen.
Aber dass
Jesus uns liebt – das ist ohne Grund. Er hätte wohl viel Veranlassung, uns
nicht zu lieben. „Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“
Wie haben wir die Ehre seines Vaters tausendfach verachtet! Wie haben wir ihn
unendlich oft tief betrübt! Wie haben wir sein Wort gering geachtet! Wie sind
wir seinem Geiste ungehorsam gewesen!
Es ist
schon so: Dass Jesus uns lieb hat, das ist ein Wunder. Dafür gibt es gar keinen
Grund. Und darum macht diese Liebe Jesu so froh. Sie ist wie ein
Frühlingssonnenschein nach Winterkälte. Sie ist wie ein Sonnenaufgang nach
dunkler Nacht. Sie ist wie Leben nach dem Tod. Sie ist wie Brot nach großem
Hunger. Sie ist die Freude nach aller Traurigkeit.
Der
bekannte Liederdichter Albert Knapp hat einmal das wunderschöne Wort gesagt: „Ich
wünsche mir von Gott zwei Ewigkeiten: eine, um Jesu unergründliche Liebe zu
ergründen, die andere, um ihm für seine grundlose Liebe zu danken.“
Liebe,
die sich tot gekränket
Und
für mein erkaltet Herz
In
ein kaltes Grab gesenket,
Ach,
wie dank’ ich deinem Schmerz!
Habe
Dank, dass du gestorben,
Dass
ich ewig leben kann
Und
der Seele Heil erworben:
Nimm
mich ewig liebend an!
12.
November
Ich weiß deine Werke und deine Mühe.
Offenbarung 2, 2
Es gibt zu
allen Zeiten solche Leute, die meinen: Wenn ich mich dem Herrn ergebe, dann muss
der Herr auch dafür sorgen, dass es mir nun immer gut geht.
Die Bibel
redet anders. Sie sagt: „Wir müssen durch viel Trübsal ins Reich Gottes gehen.“
Sie spricht von finsteren Tälern, durch die unser Weg führt. Sie erzählt von
Stürmen, in die Jünger des Herrn kommen.
Nein,
Christenstand ist keine Regenversicherung auf gute Tage hin, sondern
Christenstand ist ein Stehen in einem streitenden, kämpfenden und angefochtenen
Heer.
Die Bibel
sagt uns also nicht, dass wir von Stürmen verschont bleiben sollen. Aber das
sagt sie uns, dass der Herr die Seinen kennt, dass er mitten in den Stürmen bei
ihnen ist, dass er in den dunklen Tälern sie führt.
Unser
Textwort ist ein Wort Jesu an die Gemeinde in Ephesus. In der Tat, diese
Gemeinde Jesu in dieser Weltstadt und einem Hauptort des Heldentums musste
durch viel Anfechtung.
Aber wie
Himmelsmusik mag es diesen Jüngern geklungen haben, als Jesus ihnen sagte: „Ich
weiß deine Werke und deine Mühe.“
Ja, er
weiß alles, was uns quält. Er lässt auch nicht das schwächste seiner Kinder aus
dem Auge. Ich habe wohl von schrecklichen Dingen in der Welt gehört. Aber das
habe ich noch nie gehört, dass ein Kind Gottes von Jesus vergessen worden wäre.
„Hat er dich doch gegraben, / Gezeichnet in sein' Händ'.
/ Dein Nam' stets vor ihm leuchtet, / Dass er dir
seine Hilfe send'.“
Ich
steh' in meines Herren Hand
Und
will drin stehen bleiben;
Nicht
Erdennot, nicht Erdentand
Soll
mich daraus vertreiben.
Und
wenn zerfällt die ganze Welt,
Wer
sich an ihn und wen er hält,
Wird
wohlbehalten bleiben.
13.
November
Aber ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässest.
Offenbarung 2, 4
Da war
eine Gemeinde, die hatte ungeheure Kämpfe zu bestehen. Sie wurde verfolgt und gehasst.
Und von innen her waren Feinde und Irrlehrer aufgestanden, die die Gemeinde
verwirrten. Unter heißen Kämpfen hatte man diese Irrlehrer ausgeschieden.
Kurz, es
war schon eine recht feine und tapfere Christus-Gemeinde.
Und doch –
der Herr muss ihr ein ernstes Wort sagen: „Ich habe wider dich, dass du die
erste Liebe verlässest. Gedenke, wovon du gefallen
bist, und tue Buße!“
Aus alter
Zeit wird uns von einem Feldherrn erzählt, der in einer heißen Schlacht Sieger
blieb. Aber die blutige Schlacht kostete ihn fast sein ganzes Heer. Da rief er
aus: „Noch ein solcher Sieg, und ich bin verloren!“
So war es
bei dieser Gemeinde. Und so ist es vielleicht auch bei uns.
Die Jünger
Jesu müssen sich in unseren Tagen schwer behaupten. Unser Christenstand wird
angegriffen. Dazu kommen allerlei verwirrende Lehren. Und aus dem eigenen
Herzen steigen Versuchungen und Anfechtungen auf. Es gibt keinen Christen, der
nicht durch heißen Streit müsste.
Es kann
sein, dass wir uns tapfer behaupten nach außen hin. Und doch hat – von keinem
gesehen – unsere Stellung zum lebendigen Heiland Schaden gelitten. Wir stehen
nicht mehr in der ersten Liebe. Unser Gebetsleben und unser Umgang mit dem
Herrn sind gestört. Wir sind dann wohl noch „Streiter des Herrn“, aber nicht
mehr „Kinder Gottes“.
Da tut uns
immer wieder Einkehr Not: „Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Buße!“
Lenk
uns nach dem Willen dein,
Wärm
die kalten Herzen fein,
Bring
zurecht, die irrig sein.
14.
November
Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig
geworden.
Offenbarung 2, 8
Da war die
kleine, bedrängte Gemeinde in Smyrna.
Der Herr
will sie trösten. Gibt es für Christen einen größeren Trost als den Blick auf
den Herrn? Nein! „Welche auf ihn sehen, die werden erquickt, und ihr Angesicht wird
nicht zuschanden“, sagt David schon.
Darum
besteht auch für uns das Leben darin, dass wir Jesus so sehen, wie er selbst
sich uns zeigt.
„Ich bin
der Erste.“
Jesus war
vor allen Kreaturen. Seinem ungläubigen Volk bezeugte er: „Ehe denn Abraham
war, bin ich.“
Das hat
vier für uns zu bedeuten! Zweifler haben oft die Frage aufgeworfen: „Wie konnte
Gott es unternehmen, Menschen zu schaffen? Er musste doch voraussehen, dass sie
in Sünde fallen würden!“
Nun, Gott
ist uns keine Rechenschaft schuldig. Aber auf diese Frage gibt es eine klare
und helle Antwort. Gott hat es unternommen, Menschen zu schaffen, weil schon
vor aller Zeit der da war, der alles Zurechtbringen und heilen kann, nämlich
Jesus, der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Ehe die Not anhob, war der Helfer
schon vorhanden.
„Ich bin
der Erste.“
Das ist
ein tröstliches Wort für erlösungsbedürftige Sünderherzen. Es sagt uns, dass
unser Heil eine Sache ist, die längst schon vor aller Zeit bei Gott beschlossen
war. „Er hat uns in Jesus Christus erwählt, ehe der Weit Grund gelegt war.“ „O
Abgrund der Barmherzigkeit!“
Sein
Ratschluss war, ich sollte leben
Durch
seinen eingebornen Sohn;
Den
wollt er mir zum Mittler geben,
Den
macht er mir zum Gnadenthron,
In
dessen Blute soll ich rein,
Geheiliget
und selig sein.
15.
November
Das sagt der Erste und der Letzte.
Offenbarung 2, 8
Alles in
dieser Welt ist dem Gesetz des Todes unterworfen. Königreiche und Weltmächte
kommen und vergehen. Weltanschauungen wachen auf, beherrschen eine Zeitlang die
Geister und – vergehen. Menschen werden geboren, „blühen wie eine Blume auf dem
Feld“ und vergehen. Ja, Religionen, von Menschen erdacht, kommen und – vergehen.
Nur Einer
ist diesem Gesetz von Werden und Vergehen durch Gott entnommen. Nur Einer hat
den Tod überwunden und kann von sich sagen: „Ich bin der Letzte!“ Das ist
Jesus, der Sohn des lebendigen Gottes, unser Heiland.
Sein Thron
steht ewig, weil Gott von ihm gesagt hat: „Ich habe meinen König eingesetzt auf
meinem heiligen Berge Zion.“
Wie sind
die Mächte der Welt und der Hölle Sturm gelaufen gegen den Thron Jesu! Wie
viele haben sich gegen ihn aufgemacht seit Kaiphas
Zeiten!
In einer
bolschewistischen Zeitung war der Satz zu lesen: „Wir haben die irdischen
Könige beseitigt. Nun kommen die himmlischen dran!“ Und dazu war ein Bild
gezeichnet. Da sah man auf dem Boden zerbrochene Throne und zerschmetterte
Kronen. Und ein Mann stieg auf einer Leiter in den Himmel, um mit einem großen
Hammer Christi Thron zu zerschmettern.
Törichtes
Beginnen! Wenn diese Welt in Trümmer geht, dann steht über den Trümmern der
erhöhte Herr. Er ist der Letzte. Er ist unbesieglich.
Und in ihm steht unser Heil auf ewigem Grund.
Du
bist ja der Held und Mann,
Der
den Kriegen steuern kann,
Der
da Spieß und Schwert zerbricht,
Der
die Bogen macht zunicht,
Der
die Wagen gar verbrennt
Und
der Menschen Herzen wendt,
Dass
der Krieg gewinnt ein End.
16.
November
Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig
geworden.
Offenbarung 2, 8
„Der tot
war.“
Das gerade
rühmen wir Christenleute: Jesu Tod! Denn dieser Tod Jesu am Kreuz von Golgatha
ist „unseres Todes Tod“, ist unser Heil.
Es gibt in
all der Not, die die Welt, unser Gewissen, ja wir selbst uns bereiten, nichts
Tröstlicheres als den Blick auf den gekreuzigten Heiland. Da lernen wir es und
können es täglich studieren, was es heißt: „Fürchte dich nicht! Denn ich habe
dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“
In einem
alten Lied heißt es: „Dein Kampf ist unser Sieg, / Dein Tod ist unser Leben. /
In deinen Banden ist / Die Freiheit uns gegeben. / Dein Kreuz ist unser Trost,
/ Die Wunden unser Heil, / Das Blut das Lösegeld, / Der armen Sünder Teil.“
„… und ist
lebendig geworden“!
Wir
Christen glauben, rühmen und verkündigen ja nicht irgendwelche religiösen
Gedanken, sondern die großen Taten Gottes. Und das ist etwas, was täglich neu
unser Herz fröhlich machen kann: Gott hat Jesus von den Toten auferweckt! Wir
haben einen lebendigen Heiland!
Jünger
Jesu sind Menschen, die die Todeslinie überschritten haben, die aus dem Tode in
das Leben gekommen sind. Denn sie sind ja ein Eigentum dessen, der von den
Toten auferstanden ist.
„… der tot
war und ist lebendig geworden.“ In diesem Sätzlein fasst
sich unser Heil zusammen. Darauf wollen wir leben und sterben, glauben und
vertrauen, kämpfen und überwinden.
Die
alte Schlange, Sünd und Tod,
Die
Höll', all Jammer, Angst und Not
Hat
überwunden Jesus Christ,
Der
heut vom Tod erstanden ist.
Halleluja.
17.
November
So jemand meine Stimme hören wird und die
Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er
mit mir.
Offenbarung 3, 20
Es war
einst ein fröhlicher Student. Wie die meisten Studenten hatte er nicht viel
Geld. Und doch hätte er gern ein paar liebe Freunde eingeladen.
Da fand er
einen famosen Ausweg: Er lud sie ein zu einer Abendbewirtung. Aber er bat
zugleich, sie möchten doch alles, was sie essen und trinken wollten,
mitbringen.
Nun, es
wurde ein feines Fest. Sie waren fröhlich zusammen, und es ging nach der Weise:
„Ja, wenn sich Freunde schauen / Bis tief ins Herz hinein, / Es liegen Perlen
drunten / Und manch ein Edelstein."
Zu solch
einer Bewirtung will der Herr Jesus sich bei uns einstellen. Er will gern das
Abendmahl mit uns halten. Darum kommt er zu uns.
Aber er
kennt unsere Armut. Er weiß, dass wir nichts haben. Und darum bringt er alle
Bewirtung mit. Er deckt den Tisch.
Und er deckt reichlich und herrlich.
Kurz – ohne
Bild gesagt –: Der Herr Jesus will Herz und Gewissen erquicken und erfreuen. Er
will die Freude, die er selbst genießt, in unser Herz hineingießen. Er will uns
den Frieden schenken, der höher ist als alle Vernunft.
Ja, das
ist derselbe Herr, der so schreckliche und gewaltige Dinge sagt: Man solle sein
Auge ausreißen, wenn es aufhält auf dem Weg zum Leben; oder: Wer ihn nicht
lieber habe als alle Menschen, der sei sein nicht wert; ja, wer ihm nachfolgen
wolle, müsse bereit sein, mit ihm zu sterben.
Derselbe
Herr ist es, der sich bei uns einstellt und die freundliche Bewirtung
mitbringt. Der so gewaltig fordert, kann auch gewaltig erquicken.
Herr,
lass mich nicht vergessen,
Dass
du mir zugemessen
Die
kräftge Himmelsspeise,
Wofür
mein Herz dich preise.
18.
November
So jemand meine Stimme hören wird und die
Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er
mit mir.
Offenbarung 3, 20
Wir
Menschen machen oft sehr viel überflüssige und unnötige Worte.
Der Herr Jesus aber nicht. Und wenn er nun sagt: „Ich will das Abendmahl mit
ihm halten und er mit mir", dann soll ja keiner meinen, da sei eben
zweimal dasselbe gesagt. Wir dürfen mit ihm
das Abendmahl halten. Das heißt: Er will uns bewirten.
Aber er
sagt auch, er wolle mit uns das
Abendmahl halten. Und das will sagen, dass auch wir ihn bewirten sollen; und dass wir ihm auftragen dürfen; und dass
er sich an uns erquicken und ergötzen will.
So ist es
in der Tat. Der Herr Jesus kehrt im Geist bei uns ein. Und da will er sich
erfreuen an unserem Glauben und an unserer Liebe und an unserem Gehorsam und an
unserer Hoffnung. Damit dürfen wir ihn bewirten.
Aber – ach
– wie geht's da bei uns so armselig her! Unser Herz ist ja eine leere
Vorratskammer. Unser Glaube ist so klein. Unsere Liebe zu ihm ist erbärmlich.
Unser Gehorsam ist jammervoll. Und unsere Hoffnung kann sich schon gar nicht
sehen lassen. Das gibt eine armselige Bewirtung. Das gibt ein trübseliges
Festmahl, bei dem mit nichts aufgewartet werden kann. Oder nur mit Verdorbenem.
Aber dafür
gibt's nun auch Rat und Hilfe. Der Herr Jesus hat ja volle Vorratskammern. Und
die stehen uns offen. Da dürfen wir frei und umsonst holen, was wir brauchen.
Ja, da wollen wir uns holen: Glauben und Liebe und Gehorsam und Hoffnung.
Der Herr nimmt's nicht übel, wenn wir ihn mit seinem Eigenen bewirten.
Im Gegenteil! So ist's ihm am liebsten.
Lass
deines guten Geistes
Licht
Und dein hellglänzend Angesicht
Erleuchten
mein Herz und Gemüt,
O
Brunnen unerschöpfter Güt'.
19.
November
Als Jesus nahe an das Stadttor kam, da trug
man einen Toten heraus, der ein einziger Sohn war
seiner Mutter, und sie war eine Witwe. Und da sie der Herr sah, jammerte ihn derselben.
Lukas 7, 12 und 13
Menschenland
ist Todesland.
Darum ist
der Sohn Gottes aus der ewigen Welt Gottes zu uns gekommen, weil die Welt ein
Todesland ist. Er wusste also, wie es um uns stand. Und doch hat es ihn immer wieder
überwältigt. „Es jammerte ihn.“
Es gingen
wohl manche im Trauerzuge mit, die sich schon „trostreiche Worte am Grabe“
überlegten.
Jesus hat
nicht einen Teppich von großen Worten über das Leid gebreitet. „Es jammerte
ihn.“
In dieser
kleinen Szene sah Jesus das Bild der gefallenen Welt sich spiegeln. Er sah hier
die Welt, wie sie ist: eine Welt unter dem Gesetz der Sünde und des Todes. „Und
es jammerte ihn.“
Jesus
brach fast das Herz über dem Jammer. Aber er hielt ihm stand. Er sah nicht den
Sonnenschein an, der immer wieder das Elend der Welt trügerisch vergoldet. Er
schaute nicht auf die Blumen, die auch aus Gruben wachsen. Er half sich nicht
mit ein paar Worten aus der peinlichen Lage. Er trat auch nicht beiseite, um
den Elendszug vorbeizulassen. Nein! Er stellte sich dem Jammer der Welt. Er
blieb davor stehen, und „es jammerte ihn“.
Kann uns
aber etwas Trostreicheres und Besseres geschehen, als dass Jesus unsern Jammer
und unser Leid ansieht? Leid, das vor Jesu Augen
kommt, ist fast schon gestilltes Leid. Unser Leid und Jesus müssen zusammenkommen!
Das ist der Weg zum Leben.
Weicht,
ihr Trauergeister,
Denn
mein Freudenmeister
Jesus
tritt herein.
Denen,
die Gott lieben,
Muss
auch ihr Betrüben
Lauter
Freude sein.
Duld'
ich schon
Hier
Spott und Hohn,
Dennoch
bleibst du auch im Leide,
Jesu,
meine Freude.
20.
November
Und Jesus sprach zu ihr: „Weine nicht.“ Und
trat hinzu und rührte den Sarg an. Und die Träger standen.
Lukas 7, 13 und 14
Im
Stadttor von Nain begegnet Jesus einem Leichenzug, einem Demonstrationszug der
gefallenen Welt. Der unumschränkte Herrscher der Welt, der König Tod, begegnet
dem „Fürsten des Lebens“. Eine unerhörte Begegnung!
Aber ehe
nun etwas geschieht, ja, ehe etwas geschehen kann, tritt Jesus zu der weinenden
Mutter, der alles zerschlagen und genommen ist.
„Weine
nicht!“ sagt er. Das war viel verlangt. Sie sah ja noch gar nichts vor Augen. „Weine
nicht!“ Das hieß: „Vertraue mir! Glaube an mich! Vertraue, dass alles gut ist,
weil ich, Jesus, da bin!“
Mitten im
Todesland, mitten im Jammer der Welt, mitten im Herzeleid, mitten in Sündennot
die Tränen abwischen und froh werden, weil Jesus da ist – seht, das ist Christenglaube.
Nicht nur
die Witwe, sondern auch die Träger glaubten. Wir kennen ihre Namen nicht. Und
doch – sie sind es wert, dass wir sie betrachten.
Ich hätte
mir wohl denken können, dass sie dem Mann aus Nazareth gesagt hätten: „Geh uns
aus dem Weg! Halte uns nicht auf! Wir haben keine Zeit für dich.“
So sagten
sie nicht. Jesus winkte. Und die Träger standen. Sie gehorchten ihm willig. Und
so wurden sie Zeugen, wie wunderbar Jesus helfen und erretten kann.
Wenn wir
das doch lernen wollten: Jesus ganz vertrauen und Jesus ganz gehorchen. Dann
werden wir seine Herrlichkeit sehen.
Wie
wohl ist mir, o Freund der Seelen,
Wenn
ich in deiner Liebe ruh.
Ich
steige aus der Schwermutshöhlen
Und
eile deinen Armen zu.
Da muss
die Nacht des Trauerns scheiden,
Wenn
mit so angenehmen Freuden
Die
Liebe strahlt aus deiner Brust.
Hier
ist mein Himmel schon auf Erden;
Wer
wollte nicht vergnüget werden,
Der
in dir suchet Ruh und Lust?
21.
November
Jesus sprach: „Jüngling, ich sage dir, stehe
auf!“ Und der Tote richtete sich auf und fing an zu reden; und er gab ihn
seiner Mutter… Und das Gerücht von Ihm erscholl in
das ganze Land.
Lukas 7, 14.15 und 17
Eine
Botschaft geht durch's Land: „Jesus macht Tote lebendig.“
Du sagst: „Das kann nicht wahr sein!“? Ja, wenn's nun doch wahr wäre?! Dann
hieße das: Das Gesetz der Sünde und des Todes ist durchbrochen! Das eherne
Weltgesetz ist gesprengt! Dann hieße das: Jesus reißt Kerkertüren auf! Das
Leben ist erschienen! Dann hieße das: Das Reich Gottes auf Erden ist
angebrochen!
Und so ist
es in der Tat!
Der Herr
Jesus hat einmal ein feines Gleichnis gebraucht: Da ist ein grausamer
Raubritter. Eine Menge Gefangener hält er in seinem Raubschloss gefangen. Kein
Mensch kann diesem Mächtigen wehren – bis eines Tages ein noch Mächtigerer und
Stärkerer kommt. Der berennt das Schloss. Der Öffnet die Kerker. Der führt die
Gefangenen in die Freiheit.
Wir alle,
wir Menschen in der gefallenen Welt, wir sind die Gefangenen unter dem „Gesetz
der Sünde und des Todes“. Wir sind es, auch wenn wir tun, als sähen wir die
Ketten nicht und als seien wir frei.
Aber Jesus
ist der „Stärkere, der dem gewappneten Starken ins Haus bricht“. Er ist der
Held, der Befreier, der Erretter. Als er auf Golgatha sterbend rief: „Es ist
vollbracht!“ – da brachen Kerkertüren auf, da war der „Mächtige“, der „alt-böse
Feind“, überwunden. Da begann die Heilszeit.
Bis zu
diesem Tag geht die Botschaft durchs Land: „Jesus ist kommen, Grund ewiger
Freude!“
Jesus
ist kommen, nun springen die Bande,
Stricke
des Todes die reißen entzwei.
Unser
Durchbrecher ist nunmehr vorhanden;
Er,
der Sohn Gottes, der machet recht frei,
Bringet
zu Ehren aus Sünde und Schande;
Jesus
ist kommen, nun springen die Bande!
22.
November
Herr, ich warte auf dein Hell.
1. Mose 49, 18
Man kann
hier und da die Meinung hören: „Das ist wichtig, dass wir irgendeinen Glauben
haben. Aber was für einen – das ist gleichgültig. Darüber brauchen wir uns
nicht zu streiten. Das sind dogmatische Spitzfindigkeiten.“
Ob wir
wohl im Sterben auch noch so sprechen? Sterben ist doch eine ernste und schwere
Sache.
Es war auf
dem Berliner Flugplatz „Tempelhofer Feld“. Ein Herr
wollte das Flugzeug nach Holland besteigen. An der Sperre heißt es: „Pass
vorzeigen!“ Eilig zieht der Herr einen Pass heraus. Der Beamte schaut hinein,
schaut den Herrn an und sagt: „Hiermit kommen Sie nicht durch. Der Pass ist
ungültig. Er ist abgelaufen.“
„Ach“,
sagt der Herr, „machen Sie doch keine Geschichten. Hauptsache ist doch, dass
ich einen Pass habe.“ „Nein“, erwidert der Beamte, „Hauptsache ist, dass Sie
einen richtigen Pass haben.“
So ist es
mit dem Glauben. Es kommt nicht darauf an, dass ich einen Glauben habe, sondern
dass ich den rechten, Seligmachenden Glauben habe.
„Herr, ich
warte auf dein Heil!“ Dies Wort hat der sterbende Erzvater Jakob gesagt. Da sah
er im Geiste – das Heil Gottes, das Jesus gebracht hat, als er zur Versöhnung
für die Sünde der Weit starb auf Golgatha. Da hat Jakob all sein Vertrauen auf
den Herrn Jesus gesetzt, der Sünder selig macht.
Das ist
der rechte Heilsglaube. Der gibt Freude und Kraft im Leben. Und er macht
getrost im Sterben. Das Heil Gottes in Jesus ist der feste, unzerstörbare
Ankergrund unseres Glaubens.
Erscheine
mir zum Schilde,
Zum
Trost in meinem Tod,
Und
lass mich sehn dein Bilde
In
deiner Kreuzesnot.
Da
will ich nach dir blicken,
Da
will ich glaubensvoll
Dich
fest an mein Herz drücken.
Wer
so stirbt, der stirbt wohl.
23.
November
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.
Psalm 84, 5
„Immerdar“!
– Immerdar??
Hat der
Psalmdichter hier nicht den Mund etwas zu voll genommen?
O ja,
Kinder Gottes müssen beschämt zugeben, dass es in ihrem Leben Regentage gibt,
wo die Mitmenschen nichts merken von der „Sonne, die mir lachet“. Und es gibt
dunkle Anfechtungen, wo ein Christenherz nur noch seufzen und weinen kann, weil
auch zum Gebet die Kraft nicht mehr reicht.
Und doch
hat der Sänger unseres Psalmes recht.
Regentage sind ja nie endgültig. Sie sind nicht das Letzte. Das Letzte im Leben
eines mit Gott versöhnten Christenherzens ist doch immer dies: „… die loben
dich immerdar“!
Jawohl!
Immerdar! Während ich dies schrieb, bekam ich die Nachricht, dass ein lieber
väterlicher Freund in die Ewigkeit gegangen sei. Sein letztes Wort war: „Du
kannst durch des Todes Türen / Träumend führen / Und machst uns auf einmal
frei.“ „Immerdar“! musste ich denken. „… die loben dich immerdar.“
Aber
spricht nicht gerade dieses kleine Erlebnis davon, dass das Loben der Christen
ein Ende hat, dass im Tode auch das reichste und Beschenkteste Herz stille
steht? Und dass der Mund sich auf immer schließt?
Nein!
Gerade hier gilt es: „… die loben dich immerdar.“ Für Christen, die durch Jesu
Sterben mit Gott versöhnt sind, ist der Tod nur die Befreiung vom kümmerlichen
Lob und die Freimachung zum vollkommenen Loben.
Halleluja
bringe,
Wer
den Herren kennet,
Wer
den Herren Jesum liebet;
Halleluja
singe,
Welcher
Christum nennet,
Sich
von Herzen ihm ergibet.
O
wohl dir!
Glaube
mir:
Endlich
wirst du droben
Ohne
Sünd ihn loben.
24.
November
Und als Petrus hingekommen war, führten sie
ihn hinauf auf den Söller, und traten um ihn alle Witwen, weinten und zeigten ihm
die Röcke und Kleider, welche die Tabea machte, als sie noch bei ihnen war.
Apostelgeschichte 9, 39
Wirklich,
die Bibel ist ein aufregendes Buch!
Sie zeigt
uns alles von ganz anderen Gesichtspunkten und Perspektiven her, als wir es
gewohnt sind. Sie lässt uns etwa die Welt und unser Leben von Gott her sehen.
Oder sie zeigt uns unser Leben, wie es sich darstellt „vom Nächsten“ her. Oder
von der Sicht des Grabes aus! Nur eines tut die Bibel nicht: Sie erlaubt uns
nicht den Blickpunkt vom eigenen „Ich“ her. Und gerade den sind wir im allgemeinen gewohnt.
Um die
Betrachtung des Lebens vom Tode her war es dem Psalmisten zu tun, als er
betete: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug
werden.“
Wir werden
bestimmt unser ganzes Leben anders leben, wenn wir wirklich damit rechnen, dass
der heilige Gott uns vor sein Angesicht ruft. Dann werden wir mit viel größerem
Ernst unser Leben richtig anwenden und – wie Jesus einmal sagt – „Gottes Werke
wirken“.
In unserem
Text wird uns ein abgeschlossenes Leben, das eines geringen und unbekannten
armen Mädchens, aus dieser Sicht gezeigt. Menschlich gesprochen, war das Leben
ihr sicher viel schuldig geblieben. Sie hatte nicht einen geliebten Mann
glücklich machen dürfen. Sie hatte verzichten müssen auf die Freude, die einer
Mutter aus einer frohen Kinderschar erblüht. Sie hätte
– kurz gesagt – eine vergrämte alte Jungfer sein können. Aber sie war, wie die
Bibel sagt, eine „Jüngerin Jesu“. Und das hatte sie in die Liebe Gottes
gestellt, und diesen Liebesreichtum hatte sie mit ihren geringen Kräften
weitergegeben. Als sie starb, flossen echte Tränen über ein gesegnetes Leben
voll Liebe.
Und nun – wie
ist unser Leben?
Wer
nur hat, was Jesus gibet,
Wer
nur lebt aus seiner Füll,
Wer
nur will, was ihm beliebet,
Wer
nur kann, was Jesus will,
Wer
allein auf Jesum trauet,
Wer
in Jesu alles findt:
Der
ist auf den Fels erbauet
Und
ein selges Gnadenkind.
25.
November
… auf dass er erscheine denen, die da sitzen
in Finsternis und Schatten des Todes.
Lukas 1, 79
Irgendwo
in Österreich ist ein kleines Städtchen. Es ist so unbeschreiblich schön, dass
ich wie berauscht war, als ich es zum ersten Mal sah:
Zwischen
einem ganz stillen, geheimnisvollen See und einer steilen Bergwand, die mit
dunklen Tannen bedeckt ist, drängen sich die entzückenden alten Häuser.
„Wie schön
ist es bei Ihnen“, sagte ich zu einer jungen Frau, deren seltsam blasses
Gesicht mir auffiel.
Sie zuckte
die Achseln: „Sie kennen eben das dunkle Geheimnis dieses Städtchens noch
nicht!“ Und nun erfuhr ich: Niemals scheint die Sonne in diese hübschen Straßen
und in diese schönen Häuser. Sie liegen immer im düsteren Schatten des
gewaltigen Berges. Und die feuchten Nebel aus dem See bringen Krankheit und
frühen Tod.
Welch ein
Bild der Welt ist doch dies Städtchen! Diese Welt kann bezaubernd schön sein – so
schön, dass unser Herz sich täuschen lässt und jauchzt: „O wie bist du doch so
schön, du weite, weite Welt!“
Aber da
ist das dunkle Geheimnis: Ein finsterer Schatten liegt über allem. Unser Text
sagt: „Schatten des Todes“. Unser Leben ist ein großer Totentanz. Alles rennt
dem Grabe zu: Menschen, Völker, Kulturen – alles! Unter unsern Füßen sind die
Trümmer untergegangener Zeiträume.
Schatten
des Todes über der Welt!
Und in
diese – ja, in diese Welt hinein
klingt ein Ruf! Ein Ruf, der jeden aufhorchen lassen muss, der das dunkle
Geheimnis der Welt nicht einfach weg-vergessen kann: „Der
Fürst des Lebens ist erschienen!“
Mitten in
der Weit des Todesschattens steht Jesus und ruft: „Kommet her zu mir alle!“ – „Ich
lebe, und ihr sollt auch leben!“ Welch eine Botschaft!
Jesus
lebt, mit ihm auch ich!
Tod,
wo sind nun deine Schrecken?
Er,
er lebt und wird auch mich
Von
den Toten auferwecken.
Er
verklärt mich in sein Licht;
Dies
ist meine Zuversicht.
26.
November
Wir glauben, durch die Gnade des Herrn Jesu Christi selig zu werden.
Apostelgeschichte 15, 11
Das ist
eine wichtige Frage: „Worauf will ich einmal sterben?“ Die eigenen religiösen
Gedanken können uns in Todesnot nicht trösten. All unsere Tüchtigkeit im Leben
kann uns nicht selig machen. Worauf wollen wir sterben?
Martin
Luther hat auf diese Frage klare Antwort gewusst. Als er im Sterben lag, betete
er immer wieder: „Du hast mich erlöset, du Gott der Wahrheit!“
Und als
Jonas ihn fragte: „Wollt Ihr auf Christum und die Lehre, die Ihr gepredigt,
sterben?“, antwortete er klar: „Ja!“
Es gibt
auch heute noch keinen anderen Trost in Todesnot. Ein Mann schickte sich zum
Sterben an, der in seinem Leben Großes geleistet hatte. Sein Sohn wollte ihm
etwas Gutes sagen: „Vater, du hast doch wenigstens den Trost, dass du im Leben
etwas Tüchtiges geleistet hast.“
Da
richtete sich der Schwerkranke auf: „Ach, mein Junge, wenn man sein Leben vom
Rande der Ewigkeit aus ansieht, dann sieht man nur Versäumnisse, Fehler,
Angefangenes, das unvollendet blieb … Aber ich habe einen Heiland, der mich
selig gemacht hat.“
„Wer so
stirbt, der stirbt wohl.“
Da war ein
anderer, der hatte sein Leben verzehrt im Dienst für sein Volk und vor allem
für die Jugend seines Volkes. Nun war die Kraft verbraucht. Der Tod kam. Was
sagte er da? Schaute er auf seine Werke und Verdienste? O nein! Eins seiner
letzten Worte war: „Hier kommt ein armer Sünder her, / Der gern ums Lösgeld
selig wär.“
Der Herr
schenke uns ein solch seliges Heimgehen, wenn unser Stündlein kommt!
Der,
der hat ausgelöschet,
Was
mit sich führt den Tod.
Der
ist's, der rein mich wäschet,
Macht
schneeweiß, was blutrot.
In
ihm darf ich mich freuen,
Hab'
einen Heldenmut,
Darf
kein Gerichte scheuen,
Wie
sonst ein Sünder tut.
27.
November
Selig sind die Toten, die in dem Herrn
sterben von nun an! Ja, der Geist spricht, dass sie ruhen von ihrer Arbeit; denn
Ihre Werke folgen ihnen nach.
Offenbarung 14, 13
Das ist ein
wunderbar starkes Wort, das uns Mut machen will, den Willen Gottes zu tun.
Zwei
Tatsachen nennt uns in dem Wort der Geist Gottes, durch die er uns ermuntern
will, unser Leben an den Dienst des Herrn zu setzen.
Die erste
ist diese: Es folgt ja die große, herrliche Ruhe. Wir haben es sicher alle
schon erlebt, wie der Gedanke an Feiertage den Tagen vorher neue Kraft gab. „Ach,
bald sind ja die Feiertage; dann kann man ausruhen!“ sagt manche müde Hausfrau
oder Verkäuferin vor Weihnachten. Und dann strömt ihr aus dieser Hoffnung neue
Kraft zu.
So geht es
den Jüngern Jesu. „Wir werden ruhen von unserer Arbeit“, sagen sie, „darum lasst
uns jetzt unser Leben nicht lieb haben, sondern es einsetzen im Dienst am
Reiche Gottes und am Nächsten.“
Und eine
zweite Tatsache soll uns Mut machen, unser Leben für den Herrn einzusetzen: Es
geht nichts verloren! Mag ein Werk noch so im Verborgenen geschehen – Gottes
Augen haben es erschaut. „Ihre Werke folgen ihnen nach.“
Sie folgen
nach! Ein alter Christ hat gesagt: „Die Werke gehen einmal nicht vor uns her
als Herolde, um uns das Tor des Himmels zu öffnen. Das kann nur das teure Blut
Jesu. Aber sie folgen nach, sie sind nicht verloren.“
So lasst
uns eifrig sein, dass unser Leben ein Dienst werde!
Ein
Tag der sagt’s dem andern,
Mein
Leben sei ein Wandern
Zur
großen Ewigkeit.
O
Ewigkeit, du schöne,
Mein
Herz an dich gewöhne.
Mein
Heim ist nicht in dieser Zeit.
28.
November
Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo
zu sein, was auch viel besser wäre; aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben
um euretwillen.
Philipper 1, 23 und 24
Der
natürliche, unbekehrte Weltmensch schwankt im Blick auf den Tod zwischen zwei
furchtbaren Extremen:
Bald packt
ihn die Furcht vor dem Tode. Da klammert er sich in wilder Lebensgier an die
Welt und ihre Lust. „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ –
Bald aber graut ihm vor der Welt und ihrem Jammer, vor ihrer
Verständnislosigkeit und Lieblosigkeit. Da sehnt sich der Mensch dann in
weltflüchtiger Stimmung nach seinem „Freund Tod“. Von beidem macht Jesus seine
Jünger frei. Er gibt ihnen die rechte Stellung auch dem Tode gegenüber. Das
wird an diesem Wort des Apostels Paulus ganz deutlich.
Trotz
aller tiefen Einsicht in den großen Jammer und die Verlorenheit der Welt
verachten sie den „Weltschmerz“, denn sie wissen: Wir müssen Dienst tun,
solange es Tag ist. „Es ist nötig“, sagt Paulus, „zu leben und im Fleisch zu
bleiben um euretwillen.“
Christen
sind von Gott an ihren Platz gestellt. Und darum überwinden sie alle Weltflucht
durch treuen Dienst. Aber sie fürchten auch nicht den Tod, wie die Welt ihn
fürchtet; denn sie wissen, dass sie in Jesus Christus, der sie versöhnt hat mit
Gott, das ewige Leben haben. Ihnen ist der Tod „der Eingang in das Leben“.
Darum kann Paulus sagen: „Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein.“
Nein,
Christenleute haben es nicht nötig, sich in wilder Gier an das Leben zu
klammern. Sie haben ja eine große und herrliche Zukunft, der sie fröhlich
entgegenwandern.
„Leben
wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum: wir
leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“
So
will ich zwar nun treiben
Mein
Leben durch die Welt,
Doch
denk ich nicht zu bleiben
in
diesem fremden Zeit.
Ich
wandre meine Straßen,
Die
zu der Heimat führt,
Da
mich ohn alle Maßen
Mein
Vater trösten wird.
29.
November
Durch den Glauben redete Joseph vom Auszug
der Kinder Israel, da er starb, und tat Befehl von seinen Gebeinen.
Hebräer 11, 22
Es ist
doch eine närrische Welt, in der wir leben! Obgleich die Menschen genau wissen,
dass sie sterben müssen, tun sie, als sei diese Welt ihre Heimat.
Ja, nicht
genug damit: Wenn einer verständig wird und sein Herz auf die ewigen und
zukünftigen Dinge richtet, nennen sie ihn einen Schwärmer und Narren.
Nun, die
Ewigkeit wird einmal ausweisen, wer in Wahrheit klug war.
Da ist der
Joseph. Er hat seine beste Kraft dem Lande Ägypten geschenkt. Ja, er hat es vor
dem Verhungern gerettet.
Aber als
es nun ans Sterben geht, da wird offenbar, wie sein Herz an dem verheißenen Lande
Gottes hängt. Da befiehlt er sterbend: „Wenn einst der große Auszug kommt, dann
sollt ihr auch meine Gebeine nicht zurücklassen.“
So stehen
Gottes Kinder in der Welt: Sie dienen von Herzen dem Volk, in das Gott sie
gestellt hat. Aber sie wissen auch: „Mein Heimat ist dort oben, / Da aller
Engel Schar / Den großen Herrscher loben.“
Und sie
wissen: Auch unsere Gebeine werden nicht in der Fremde bleiben. Unser Leib wird
auferstehen. Nichts soll zurückbleiben in dieser Fremdlingschaft,
nichts als die Leiden, Tränen, Schmerz und Sünde.
So ist nun
für einen Weltmenschen der Tod das Abschiednehmen von einer Heimat, die
unwiederbringlich für ihn dahin ist. Für den aber, der im Glauben an Jesus
stirbt, ist der Tod ein Heimkommen aus der Fremde.
Auferstehn,
ja auferstehn wirst du,
Mein
Staub, nach kurzer Ruh;
Unsterblich
Leben
Wird,
der dich schuf, dir geben,
Halleluja.
30.
November
Wartet und eilet zu der Zukunft des Tages des Herrn.
2. Petrus 3, 12
Wie ist
die Bibel ein paradoxes Buch!
Man kann
sich doch schwerlich zwei Haltungen vorstellen, die einander mehr
entgegengesetzt sind als „warten“ und „eilen“.
„Warten“!
Wir haben alle schon gewartet. Etwa im Vorzimmer eines Arztes. Da sitzt man
still. Da tut man nichts. Warten – das ist völliges Ruhen und Stillesein.
„Eilen“!
Wir sind alle schon geeilt. Etwa zu einem Eisenbahnzug, wenn's spät war. Da
spannt man alle Kräfte an, da gibt man aller Ruhe den Abschied. Da stürmt man
an allem vorüber, was einen aufhalten will.
Warten und
Eilen sind also zwei völlig gegensätzliche Verhaltensweisen. Und doch: So
gegensätzlich die Worte „warten“ und „eilen“ sind – so gehören sie doch beide
zum Christenstand. Der ist tatsächlich so paradox.
Ein
rechter Christ „wartet“ auf die Zukunft des Tages des Herrn in großer Stille,
Gelassenheit und Sammlung. Überfallen ihn Leiden und Nöte, trifft ihn
Ungerechtigkeit, begegnen ihm Hass und Feindschaft: Er hebt den Blick darüber
hinaus und freut sich der zukünftigen Herrlichkeit. Das Licht dieser großen
Erwartung macht ihm die schweren Nöte gering. „Wir freun
uns in Gelassenheit / Der großen Offenbarung“, singt Zinzendorf.
Und doch –
zugleich „eilt“ ein rechter Jünger Jesu dieser Zukunft entgegen. Er weiß, dass
man die Gnade versäumen kann. Darum spannt er alle seine Kräfte an. „Er
umgürtet seine Lenden“, wie die Bibel sagt. Und wenn ihn etwas in seinem
Glaubenslauf aufhalten will, dann überhört er es und übersieht es. Er hat ein
Ziel. Und das Ziel ruft. So eilt er der Zukunft entgegen.
Weil
denn weder Ziel noch Ende
Sich
in Gottes Liebe findt,
Ei
so heb ich meine Hände
Zu
dir, Vater, als dein Kind,
Bitte,
wollst mir Gnade geben,
Dich
aus aller meiner Macht
Zu
umfangen Tag und Nacht
Hier
in meinem ganzen Leben,
Bis
ich dich nach dieser Zeit
Lob
und lieb in Ewigkeit.
1.
Dezember
Mache dich auf, mache dich auf, Zion! Zieh
deine Stärke an … Mache dich los von den Banden deines Halses.
Jesaja 52, 1 und 2
Nun möchte
ich euch auf etwas Merkwürdiges aufmerksam machen:
In unserm
Textwort steht so gewaltig der Ruf: „Mache dich auf!“ Diesen Ruf hören wir fast
wörtlich ebenso im Kapitel vorher. Da heißt es: „Mache dich auf! Ziehe Macht
an!“
Hier – also
im vorigen Kapitel – rufen das die bedrängten Herzen ihrem Gott zu. Gott ist so
ferne. Die Welt ist so dunkel. Die Menschen sind böse und ungerecht. Das Leben
ist so gequält und unheimlich. Da schreien die bekümmerten Herzen zu Gott: „Mache
dich auf! Ziehe Macht an, du Arm des Herrn!“
Und was
geschieht nun? Gott antwortet so, dass er „den Spieß umdreht“. Er antwortet den
bedrängten Herzen fast wörtlich mit ihren eigenen Worten: „Mache du dich auf,
Zion! Mache du dich auf und ziehe Stärke an!“
Verstehen
wir, was das heißt?
Da sagt
der lebendige Gott: „Mich braucht ihr nicht zu wecken. Ich habe mich schon
aufgemacht, Aber euch – dich, Gemeinde – muss man wecken! Mache du dich auf und
ziehe endlich Stärke an!“
Ja, Gott
hat sich schon aufgemacht – in Jesus Christus, seinem lieben Sohn, unserm
Heiland und Erretter. In Jesus ist Gott da! in Jesus ist er auf den Plan
getreten.
Die Weit
möge sich nicht täuschen: In Jesus hat Gott die Sache seines Reiches mächtig in
die Hand genommen.
Und die
Kinder Gottes sollen nicht mutlos werden. Gott hat sich aufgemacht in Jesus. in
ihm ist unsere Hilfe da. Nun geht es nur noch darum, dass wir uns aufmachen und
im Glauben Stärke anziehen.
Mit
dir, du starker Heiland du,
Muss
uns der Sieg gelingen;
Wohl
gilt’s zu streiten immerzu,
Bis
einst wir dir lobsingen.
Nur
Mut! Die Stund ist nimmer weit,
Da
wir nach allem Kampf und Streit
Die
Lebenskron erringen.
2.
Dezember
Siehe auf, du gefangenes Jerusalem! Mache
dich los von den Banden deines Halses!
Jesaja 52, 2
In einem
alten Missionsbuch sah ich einmal ein Bild von einer afrikanischen
Sklavenkarawane. Da trug jeder der armen Sklaven ein Halseisen. Diese eisernen
Ringe waren untereinander verbunden durch Ketten. So konnte keiner entrinnen.
Seither
verstehe ich dies Textwort von den „Banden des Halses“: Die Menschen tragen
Sklavenketten Satans. Und einer hält den andern dabei fest. In diesem Bild ist
die Wirklichkeit der Welt erschütternd geschildert.
Nun müssen
wir darauf achten: Gott spricht hier „Jerusalem“ an. Damit ist die Gemeinde
Gottes gemeint.
Ja, die
Bibel weiß in ergreifender Weise davon zu reden, wie Satan auch Kinder Gottes
in seine Halseisen zwingt:
Da ist der
König David, der in Ehebruch und Mord gerät.
Da ist das
Weib des Hiob, das über den Verlust ihrer Kinder und Habe in Verzweiflung fällt
und Gott lästert.
Da ist ein
Petrus, der in Menschenfurcht seinen Heiland verleugnet…
Nun, das
sind alte Geschichten. Die neuen schreiben wir! Das ist die Klage Gottes: „Du
gefangene Tochter Zion!“
Aber
größer ist in unserm Text der Jubel: „Mache dich los von den Banden deines Halses!“
Kann das denn ein Sklave?
Ja, er
kann es, wenn einer das Schloss an der Kette löst. Und dieser eine ist da. Er
heißt Jesus. Als er rief: „Es ist vollbracht!“, ist das Schloss aufgesprungen.
Nun geht's nur noch darum, ob wir heraus wollen aus der Kette.
Wen
du frei machst, der ist recht frei:
Du
schenkst ihm alle Schuld;
Und
darum dank ich deiner Treu
Und
rühme deine Huld.
3.
Dezember
Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.
Jesaja 35, 4
„Er kommt!“
ruft einer in die Schulklasse. Und sofort breitet sich ein schreckensvolles
Schweigen über die eben noch tobende Schar, wenn der Direktor streng und ernst
die Klasse betritt.
„Er kommt!“
riefen wir als Kinder voll Freuden, wenn der Vater von einer Reise zurückkam.
Und lachend liefen wir ihm entgegen.
So
verschiedene Wirkung können die beiden Wörtlein „Er kommt“ hervorrufen.
Nun ist
die ganze Botschaft der Bibel zusammengefasst in diesen beiden Worten: „Er
kommt.“ Und die Bibel erzählt uns, weich verschiedenartige Wirkung auch diese
Botschaft hatte.
„Er kommt!“
schrie Adam der Eva zu. Und Hals über Kopf flüchteten sie in die verborgensten Winkel des Paradieses. Sie hatten allen Grund
dazu. Denn Gott kam als Richter. Und vor diesem Richter muss der Mensch wohl
erschrecken.
„Er kommt!“
flüsterten die Israeliten erschrocken, als sie in feiertäglichem Gewand an dem
kahlen Felsenberg Sinai versammelt waren, als ein durchdringender Posaunenton immer stärker ward und die finstere Wolke den
Berg einhüllte. Heilige Schauer überrieselten sie. Ja, da kam Gott als
Gesetzgeber. Und wir Menschen täten gut daran, in heiliger Ehrfurcht seinen
Willen zu ehren und – zu tun.
„Er kommt!“
riefen die Hirten in der heiligen Nacht und liefen fröhlich über Berg und Tal
nach Bethlehem. Ja, sie hatten wohl Grund, fröhlich zu sein. Und wir mit ihnen.
Gott ist gekommen – o, es ist unerhört und unausdenkbar! – als unser Bruder, als
unser Knecht, als Lastträger, als Versöhnungslamm, als Friedefürst, als
Freudenbringer. Hört es: „Er ist gekommen!“
Herr,
der du Mensch geboren wirst,
Immanuel
und Friedefürst,
Auf
den die Väter hoffend sahn,
Dich,
Gott Messias, bet ich an.
4.
Dezember
Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion!
Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen“, spricht der Herr.
Sacharja 2, 14
„Ich will
bei dir wohnen!“
Es ist
nicht wegzuleugnen: Wenn das heute jemand zu uns sagt, dann bekommen wir einen
Schrecken. Wir hausen schon so dicht aufeinander, dass wir uns beständig bedrängen.
Da ist es bestimmt keine Freudenbotschaft, wenn jemand zu uns sagt: „Ich will
bei dir wohnen!“
Darum will
es uns paradox erscheinen, dass die Botschaft: „Ich will bei dir wohnen“ eingeleitet
wird mit den Worten: „Freue dich und sei fröhlich.“
Aber es
ist ja nicht irgendjemand, der hier spricht, sondern der lebendige Gott. Der
Schöpfer aller Dinge will kommen und bei uns wohnen.
Nun ist es
wiederum nicht wegzuleugnen: Bei dieser Botschaft bekommen die allermeisten
Menschen erst recht einen Schrecken. „Das fehlte noch!“ denken sie, „dass Gott
uns so nahe käme. Dann sieht er ja in alle dunklen Vorgänge unseres Lebens!
Nein! Das wollen wir nicht!“
Aber es
gibt eine „Tochter Zion“. Das ist die Schar derer, die sagen: „Wie der Hirsch
schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“ Und mit
denen wird hier geredet. Sie jauchzen bei der Botschaft, dass der Herr kommen
will. Sie wissen: „Das ist nicht eine Einengung unseres Lebens, sondern eine
Verklärung: Nun wird der Himmel bis zu mir ausgedehnt. Mein armes Leben wird in
die himmlische Welt einbezogen.“
„Siehe,
ich komme und will bei dir wohnen“, spricht der Herr. Er hat es wahr gemacht.
Johannes sagt: „Er ward Fleisch und wohnte unter uns!“ Nun freut sich Zion,
weil der Herr so nahe ist.
Jesus
ist kommen, Grund ewiger Freude;
A
und O, Anfang und Ende steht da.
Gottheit
und Menschheit vereinen sich beide;
Schöpfer,
wie kommst du uns Menschen so nah!
Himmel
und Erde, erzählet’s den
Heiden:
Jesus
ist kommen, Grund ewiger Freuden!
5.
Dezember
Durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes
hat uns besucht der Aufgang aus der Höhe.
Lukas 1, 78
Es ist
etwas Wundersames um den Golfstrom, eine Meeresströmung, die die Wärme des
Südens in den kalten Norden trägt.
Wenn der
Golfstrom eines Tages ausbliebe, dann würden die nordischen Länder in kurzer
Zeit vereisen. Alles würde erfrieren. Aber der Golfstrom bringt Leben und
Wärme.
Es gibt
einen anderen Golfstrom, der in die Eiseskälte dieser Welt hineinfließt. Und wo
er hinkommt, da gehen Herzen auf, da fängt die Welt neu zu blühen an. Dieser
Strom bringt Leben und Wärme. Das ist der Strom der Liebe Gottes, der in Jesus
in die Welt gekommen ist.
Ohne ihn
ist die Welt kalt und tot. Ja, ohne ihn wäre die Welt längst zugrunde gegangen
in Sünde und Selbstsucht.
Wohl trägt
die gefallene Welt noch die Spuren der Schöpferhand Gottes. Wie lieblich kann
im Sonnenglanz die Natur sein!
Aber wie
viel Leid gibt's auch da! Wie viel Tränen! Wie viel weinende Kinder! Wie viel
zerrüttete Ehen! Wie viel angstvoll sorgende Herzen! Wie viel Streit! Wie viel
Einsamkeit! Wie viel unruhige Gewissen! Wie viel Gottesferne!
Und in
diese kalte, harte, unbarmherzige Welt kommt nun ununterbrochen der Strom der
Barmherzigkeit Gottes. lm Herzen Gottes entspringt er: „Barmherzig und gnädig
ist der Herr.“ Und in Jesus kommt dieser Strom in die Welt herein: „Es hat uns
besucht der Aufgang aus der Höhe.“
Und durch
den Heiligen Geist will dieser Strom sich in unser Herz ergießen.
Kommst
du, kommst du, Licht der Heiden?
Ja,
du kommst und säumest nicht,
Weil
du weißt, was uns gebricht;
O
du starker Trost im Leiden,
Jesus,
meines Herzens Tür
Steht
dir offen, komm zu mir.
6.
Dezember
Dieser Jesus, welcher von euch ist
aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel
fahren.
Apostelgeschichte 1, 11
Viele
Leute meinen, es gäbe gar nichts Starreres und Toteres
als das Christentum.
Das
Gegenteil ist wahrt Das Evangelium ist nicht etwas „Statisches“, Starres, Endgültiges!
Nein, es ist Dynamik, Bewegung, Leben.
Davon
spricht die Zeit, in der wir Jetzt stehen: die Adventszeit. Advent – das heißt
Ankunft. Diese Zeit predigt uns: Jesus ist beständig im Kommen.
Ich stand
einmal am Nordseestrand und sah zu, wie da unablässig die Wogen auf den Strand
zurollen. Es ist ein beständiges Kommen.
So ist es
mit Jesus. Immer neu kommt er auf die Welt zu.
Zuerst kam
er im Fleisch. Da wurde er ein Kindlein und lag in der Krippe.
Heute
kommt er im Geist zu uns. Da heißt es: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe
an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich
eingehen.“ Möchten wir doch sein Kommen und Klopfen nicht überhören!
Das dritte
Kommen aber steht uns und der Welt noch bevor. Da wird er wiederkommen in
Herrlichkeit. Da wird der Schleier, der ihn unsern Augen verhüllt, zerreißen.
Da werden ihn sehen alle Geschlechter auf Erden.
Advent – das
heißt: Jesus kam, kommt und wird kommen. Jesus führt beständig den Angriff auf
die Welt. Die Welt mag tun, was sie will: Er ist im Kommen. Was werden wir tun?
Hosianna!
Sei gegrüßt!
Komm,
wir gehen dir entgegen.
Unser
Herz ist schon gerüst’t,
Will
sich dir zu Füßen legen.
Zieh
zu unsern Toren ein,
Du
sollst uns willkommen sein.
7.
Dezember
Und alsdann werden sie sehen des Menschen
Sohn kommen in der Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Lukas 21, 27
Wir kennen
doch wohl alle die berühmte Geschichte von dem gordischen Knoten.
Das war
ein ganz komplizierter Knoten, der in einem Heiligtum des griechischen Gottes
Zeus aufbewahrt wurde. Und so ging die Sage: Wer diesen Knoten lösen kann, dem
fällt die Weltherrschaft zu.
Nun kam
eines Tages Alexander der Große dorthin. Als er den Knoten sah, zog er sein
Schwert und zerhieb einfach das komplizierte Ding.
Der
gordische Knoten war ein Kinderspiel gegen die immer verworrener werdenden
Probleme dieser Welt. Ja, die Bibel sagt, dass sie sich immer mehr verwirren
werden.
Aber die
Bibel verkündet uns auch: Es gibt einen, der diesen Knoten der Weltprobleme
durchhauen wird. Und dann wird ihm die Weltherrschaft zufallen.
Jesus wird
in Herrlichkeit wiederkommen. Und seine Wiederkunft wird alle unlösbaren
Probleme der Welt mit einem Schlage lösen.
Es war im
Jahre 1950 auf einem Kirchentag. Tausende waren versammelt. Da sprach ein bedeutender
Mann und machte den Leuten Mut, sich zu Jesus zu bekennen. Es ging allen Hörern
durch Mark und Bein, als er rief: „Wenn sie euch anfechten, dann sagt ihnen:
Eure Herren gehen! Unser Herr kommt!“
Mit dieser
Hoffnung gehen wir durch die Nöte unserer Tage. Als einst ein paar Leute
jammerten im Gedanken daran, was wohl die Zukunft bringen werde, da machte einer
nicht mit. Und als man ihn fragte: „Was meinen Sie denn, was kommen wird?“,
antwortete er: „Was kommt, weiß ich
nicht. Aber ich weiß, wer kommt!“
O
Jesu, meine Wonne,
Komm
bald und mach dich auf;
Geh
auf, erwünschte Sonne,
Und
fördre deinen Lauf.
O
Jesu, mach ein Ende
Und
führ uns aus dem Streit;
Wir
heben Haupt und Hände
Nach
der Erlösungszeit.
8.
Dezember
Und alsdann werden sie sehen des Menschen
Sohn kommen in der Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Lukas 21, 27
Das wird
ein Tag sein! Wie wird er uns finden?
Der Herr
Jesus hat sich einmal verglichen mit einem Hausherrn, der von der Tafel
aufsteht. Vielleicht ist der Tag sehr nahe, da er kommen wird. Wenn wir die
Weltgeschehnisse ansehen, dann ist uns oft – um in dem Bilde Jesu zu bleiben –,
als hörten wir schon das Rücken der Stühle.
Es gibt
ein ernstes Wort Jesu, das uns aus aller Weltseligkeit aufwecken kann: „Denn
gleichwie sie waren in den Tagen der Sintflut – sie aßen, sie tranken, sie
freiten und ließen sich freien … und sie achteten's
nicht, bis die Sintflut kam und nahm sie alle dahin –, also wird auch sein die
Zukunft des Menschensohnes.“
Mein
Großvater war Lehrer in einem schwäbischen Dörflein. Eines Tages kam er sehr
betrübt aus seiner Schlafkammer und sagte: „Ich habe einen schweren Traum gehabt.
Ich träumte, es erginge auf einmal der Ruf: ‚Jesus kommt!' Da bin ich gelaufen –
hinaus nach der ‚Germania' zu. (Das war ein Gasthaus am Ende des Dorfes.) Und
ich meinte, das ganze Dorf müsse mir nachkommen. Ich habe ihnen doch allen von Jesus gesagt. Aber – als ich mich umkehrte, waren
da nur ein paar alte Weiblein und einige Kinder. Alle anderen waren nicht
bereit.“
Jesus hat
es so ernst mit uns gemeint, als er sein Blut und Leben für uns dahingab. Nun lasst
uns ihm so zugehören, dass wir freudig seiner Wiederkunft entgegengehen können!
Ermuntert
euch, ihr Frommen,
Zeigt
eurer Lampen Schein.
Der
Abend ist gekommen,
Die
finstre Nacht bricht ein.
Es
hat sich auf gemachet
Der
Bräutigam mit Pracht;
Auf,
betet, kämpft und wachet,
Bald
ist es Mitternacht.
9.
Dezember
Darum wachet; denn ihr wisset nicht, welche Stunde euer Herr kommen
wird.
Matthäus 24, 42
Immer
unheimlicher wird es in der Welt. Immer größer und unlösbarer werden die
Probleme.
Da regt es
sich hier und dort in der Christenheit. Man besinnt sich darauf, dass Jesus
gesagt hat, er werde wiederkommen am Ende der Zeit.
Jahrzehnte,
ja, Jahrhunderte hindurch sprach man kaum davon. Die Christenheit glich jenen
törichten Jungfrauen, die dem Bräutigam entgegenzogen
und dabei einschliefen. Aber nun ist ein Aufwachen gekommen. Es ist uns, als
hörten wir in der Ferne das Geschrei: „Der Bräutigam kommt! Auf! Geht ihm
entgegen!“
Aber – sind
wir wirklich richtig wach? „Wachet! Ihr wisset nicht, welche Stunde euer Herr
kommen wird!“ Kann er heute kommen? Findet er uns bereit?
Es war in
der Zeit des „Dritten Reiches“. Da saßen wir in einer Sitzung. Unsere Mappen
und viele Papiere lagen auf dem Tisch. Auf einmal sprang die Tür auf. Ein paar
Männer erschienen und riefen streng: „Geheime Staatspolizei! Alle aufstehen und
an die Wand stellen! Alle Papiere und Mappen liegen lassen!“
Da hätte
manch einer gern noch dies oder jenes versteckt oder geordnet. Das ging nun
nicht mehr.
So wird
die Wiederkunft Jesu sein. Lasst uns doch heute noch unser Leben ordnen! Lasst
uns Frieden machen, wo wir Streit haben! Lasst uns um Vergebung bitten, wo es Not
tut! Lasst uns Bindungen zerreißen, die Gott nicht gefallen!
Lasst uns wachen und im Licht wandeln! Dann wird uns sein Licht nicht
erschrecken. Dann dürfen wir uns freuen, wenn er kommt.
Auf
dich lass meine Sinne gehn,
Lass
sie nach dem, was droben,
steten,
Bis ich dich schau, o ewges Licht,
Von
Angesicht zu Angesicht.
10.
Dezember
In dem fünfzehnten Jahr des Kaisertums Kaisers
Tiberius, da Pontius Pilatus Landpfleger in Judäa war und Herodes ein Vierfürst
in Galiläa …: da geschah der Befehl Gottes zu Johannes … in der Wüste.
Lukas 3, 1 und 2
Wenn ein Kaufmann
einen neuen Laden einrichtet, dann erfüllt er die Welt mit Reklame. Wenn ein
Politiker eine neue Idee hat, sind die Zeitungen voll davon.
Wie anders
handelt unser Gott! Er fängt seine größten Dinge in der Stille an. Ja, er kann
es sich feisten, still und verborgen sein Werk zu tun.
Davon
spricht unser Text: Der Kaiser Tiberius, der Landpfleger Pontius Pilatus, der
König Herodes und der Kirchenfürst Kaiphas machten
genug Lärm, die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zu ziehen.
„Da
geschah der Befehl Gottes zu Johannes …“
Wer war
Johannes? Kaum ein Mensch kannte ihn. So fängt Gott ein Neues an. Er beruft
einen einzelnen, unbekannten Mann. So berief er einst den Abram – und es begann
eine neue Zeit.
„… da
geschah der Befehl Gottes zu Johannes in
der Wüste.“ Auch das noch: „in der Wüste“! Ja, so macht es unser Gott. In
der Stille und im Verborgenen geschieht das Große. In einem Stall in einem
kleinen Dorf wird der Sohn Gottes geboren.
Wer die
Augen voll hat mit den grellen Dingen der Weit, wird das heimliche, rettende
Tun Gottes nie sehen. Der Herr gebe uns Liebe zu den stillen Dingen!
Ach
mache du mich Armen
Zu
dieser heilgen Zeit
Aus
Güte und Erbarmen,
Herr
Jesu, selbst bereit!
Zieh
in mein Herz hinein
Vom
Stall und von der Krippen,
So
werden Herz und Lippen
Dir
allzeit dankbar sein.
11.
Dezember
Alle Täler sollen voll werden.
Lukas 3, 5
Ein Wort
aus der Verkündigung des Täufers!
O, etwas
Wundervolles will Johannes sagen. Unter den vielen, die zu ihm an den Jordan
kamen, sah er manch einen mit einem gedemütigten Geist. Der hatte Ideale gehabt
– die waren zerbrochen. Der hatte moralische Vorsätze gehabt – die waren
zersplittert wie Glas. Der hatte nach Gotteserlebnissen gesucht – und es war
nur Enttäuschung geblieben. Der hatte groß von sich gedacht – und war sehr
klein geworden. Menschen mit einem gedemütigten Geist, der in sich selber nicht
mehr hoch sein will und kann – das sind die „Täler“, von denen Johannes redet.
David, dem
Nathan seine Sünde gezeigt hat und der nun vor Gott im Staub liegt; die große
Sünderin, die vor Jesus niedersinkt; Zachäus, der sehnsüchtig auf dem Maulbeerbaum
sitzt; Petrus, der den Hahn krähen hört und bitterlich weint – das sind solche „Täler“.
Die sollen
„voll werden“. Ja, womit soll denn so ein gedemütigter Geist ausgefüllt werden,
so dass dem Heiland, dem Herrn Jesus, der Weg bereitet wird. Womit?
Mit einem
ganz großen Vertrauen, dass dieser Jesus der Mann ist, der alles gut machen
wird, der alles Zurechtbringen wird, der jeden Schaden heilen und jede
Sehnsucht stillen wird.
Solch ein
Vertrauen schenkt der Heilige Geist. Ja, wie gestautes Wasser in ein Talbecken, so ergießt sich der Heilige Geist in einen
gedemütigten Geist. Und da tut er sein Werk, bis die Bahn bereitet ist dem, der
da kommen soll.
Sei
willkommen, o mein Heil!
Hosianna,
o mein Teil!
Richte
du auch eine Bahn
Dir
in meinem Herzen an.
Tritt
der Schlangen Kopf entzwei,
Dass
ich aller Ängsten frei
Dir
im Glauben um und an
Selig
bleibe zugetan.
12.
Dezember
Alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden.
Lukas 3, 5
Dem
Heiland und Herrn soll die Bahn bereitet werden. Dazu sollen „alle Berge und
Hügel erniedrigt werden“.
Es ist ja
klar, dass Johannes hier nicht ein Straßenbauprogramm entwerfen wollte. Es geht
ihm um geistliche Dinge.
„Berge und
Hügel“ – das sind die Herzen, die sich erheben, weil sie hoch von sich denken.
Es ist nun anzunehmen, dass auch wir das tun. Warum sollten wir auch nicht hoch
von uns denken?! Sind wir nicht Leute, die etwas leisten? Sind wir nicht nützliche
Glieder der Volksgemeinschaft? Sind wir nicht christlich? Sollten nicht Gott
und Menschen mit uns – von kleinen Schwächen abgesehen – zufrieden sein?
Also – warum
sollten wir nicht hoch von uns denken? Und wenn wir uns auch in aller
Bescheidenheit vielleicht nicht gerade für „Berge“ halten, so sehen wir uns
doch wenigstens als „Hügel“ an.
Da hinein
fährt das harte Wort des Täufers: „Bereitet dem Herrn den Weg! Alle Berge und
Hügel sollen erniedrigt werden!“
Wo Jesus,
das Heil, gehen und hinkommen soll, da kann kein Berg, ja nicht der kleinste
Hügel stehen bleiben. Sie „sollen erniedrigt werden“.
Darum
demütigt uns Gott. Darum führt er uns in Not und Angst. Darum lässt er's uns
nicht gelingen. Darum überführt sein Geist uns von unserm ganzen großen Sündenelend,
das wir vorher gar nicht sahen.
Gott trägt
Berge ab. Preis ihm, dass er es tut!
Ein
Herz, das Demut liebet,
Bei
Gott am höchsten steht;
Ein
Herz, das Hochmut übet,
Mit
Angst zugrunde geht;
Ein
Herz, das richtig ist
Und
folget Gottes Leiten,
Das
kann sich recht bereiten,
Zu
dem kommt Jesus Christ.
13.
Dezember
Da sprach Johannes zu dem Volk, das
hinausging, dass es sich von ihm taufen ließe: „ihr Otterngezüchte, wer hat
denn euch gewiesen, dass ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Sehet zu,
tut rechtschaffene Früchte der Buße.“
Lukas 3, 7 und 8
Wie
wohltuend sanft ist eine moderne Predigt gegenüber dieser schrecklichen,
leidenschaftlichen Rede! „Schlangenbrut! Wer hat euch den Wahn beigebracht, dass
es keinen Zorn Gottes und keine Hölle gäbe?!“
Allerdings
weiß ich auch keinen Prediger der letzten Jahrhunderte, der nur annähernd solch
eine gewaltige Wirkung ausgeübt hätte wie dieser Johannes.
Das kommt
daher: Diese furchtbaren Worte kamen nicht aus seinem Temperament, sondern sie
wurden im Auftrag Gottes gesprochen. Es heißt: „Da geschah der Befehl des Herrn
zu Johannes in der Wüste …“
Und weil
es also Gottes Worte sind, haben sie eine ewige Geltung. Wir sollten es
aufgeben, den Johannes als einen originellen Redner anzusehen, wo doch Gott es
uns jetzt zuruft: „Schlangenbrut! Wer hat euch den Wahn beigebracht, dass ihr
nicht verloren gehen könntet? Tut rechtschaffene Früchte der Buße!“
Da legt
Gott den Finger auf das in unserm Leben, was vor seinen Augen nicht in Ordnung
ist. Er reißt die Verbände und schützenden Hüllen ab, hinter denen wir unsere
Wunden verbergen.
Wollen wir
auf ihn hören? Wissen wir, was er meint? O ja, wir wissen es! Wir stehen vor
der großen Entscheidung, ob wir jetzt unser Leben in das Licht bringen wollen.
Mit
Ernst, o Menschenkinder,
Das
Herz in euch bestellt,
Bald
wird das Heil der Sünder,
Der
wunderstarke Held,
Den
Gott aus Gnad allein
Der
Welt zum Licht und Leben
Versprochen
hat zu geben,
Bei
allen kehren ein.
14.
Dezember
Da fing Jesus an zu reden … von Johannes: „Ich
sage euch, dass unter denen, die von Weibern geboren sind, ist kein größerer
Prophet denn Johannes der Täufer; der aber kleiner ist im Reich Gottes, der ist
größer denn er.“
Lukas 7, 27 und 28
in der
Schule lernten wir das Steigern: „Groß, größer, am größten.“ Hier lehrt uns der
Herr Jesus die göttliche Grammatik. Er zeigt, was in den Augen Gottes „groß“ – „größer“
– „am größten“ ist.
Groß ist der Knecht Gottes.
Johannes
der Täufer war ein Mann, der sein ganzes Leben in den Dienst Gottes stellte mit
entschlossener Selbstverleugnung, mit ganzer Hingabe seines Willens. „Er ist
der größte von allen, die von Weibern geboren sind“, sagt Jesus.
Bei Gott
gilt nicht das, was wir Menschen „groß“ nennen. Groß ist in Gottes Augen ein
treuer Knecht Gottes.
Größer ist ein Kind Gottes.
„Der
Kleinste im Himmelreich, das geringste Kind Gottes, ist größer.“ Bei uns
Menschen ist es schon so, dass der Sohn des Hauses über einem Knecht steht. Und
so ist es im Reiche Gottes auch. Es ist etwas Wunderbares um dies „Reich Gottes“,
das mit Jesus kam, in dem auch der Elendste zu Gott sagen darf: „Abba, lieber
Vater.“
Und am größten?
Am größten
ist der Mann, dem Gott selbst den Weg bereitet unter den Menschen, ist der
Mann, vor dessen „Angesicht Johannes als Bote und Engel herging“: Jesus, der
Sohn Gottes – der König des Himmelreiches – der Heiland, der unter den Seinen
allezeit „der Dienende“ war (Lukas 22, 27). Er ist am größten! Ihm gehören
aller Ruhm, alle Ehre und Anbetung!
Glanz
der Herrlichkeit,
Du
bist vor der Zeit
Zum
Erlöser uns geschenket
Und
in unser Fleisch versenket
In
der Füll' der Zeit,
Glanz
der Herrlichkeit.
15.
Dezember
Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel
gesandt von Gott In eine Stadt In Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer
Jungfrau, die hieß Maria … Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: „Gegrüßet seist du, Holdselige!“
Lukas 1, 26 bis 28
In meiner
Jugend erzählte man sich eine nette, lustige Geschichte von einem exotischen
Fürsten.
Der Fürst
machte eine Europa-Reise. Irgendwo wurde er auch in ein Konzert geführt. Am Schluss
der herrlichen Darbietungen fragte man ihn, welches Stück ihm am besten
gefallen habe. Da sagte er: „Das erste!“
Darauf
wiederholte man ihm zu Ehren das erste Stück. Aber er schüttelte den Kopf und
meinte: „Nein! Das allererste!“ Und da stellte es sich heraus: Er meinte das
Ton-Durcheinander beim Stimmen der Instrumente.
Bei unserm
Text geht es mir ähnlich wie diesem barbarischen Fürsten. In dem ersten Kapitel
des Lukas-Evangeliums wird erzählt, wie die Instrumente gestimmt werden für das
große Weihnachtsspiel Gottes.
Wie
gewaltig sind schon diese großen Vorbereitungen! Der Himmel kommt in Bewegung.
Herrliche Engel aus dem Hofstaat Gottes erscheinen den Menschenkindern.
Und wie
lieblich sind diese Vorbereitungen! Es liegt ein unendlicher Glanz über diesem
Besuch des Engels bei Maria, der reinen Magd.
Ja, hier
ist das „Stimmen der Instrumente“ wundervoll:
Und doch –
das Spiel selbst, die große Symphonie Gottes, ist noch viel herrlicher. Die
handelt nicht nur von Engeln, sondern von dem Sohne Gottes selbst. Die spricht
in erschütternden Klängen von dem Jammer und der Schuld dieser verlorenen Welt.
Und in Jubelmelodien verkündet sie das Heil Gottes in Jesus Christus.
Fröhlich
soll mein Herze springen
Dieser
Zeit,
Da
vor Freud
Alle
Engel singen.
Hört,
hört, wie mit vollen Chören
Alle
Luft
Laute
ruft:
Christus
ist geboren!
16.
Dezember
Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel
gesandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer
Jungfrau, die hieß Maria … Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: „Gegrüßet seist du, Holdselige!“
Lukas 1, 26 bis 28
Wir
Menschen leben in horizontalen, waagerechten Schichtungen: Alte – Leute in
mittleren Jahren – Jugend – Kinder.
Oder so:
Kapitalisten – Mittelstand – Arbeiter.
Es ist
traurig und langweilig, dass es so ist. Aber diese horizontalen Schichtungen
bestehen nun einmal.
Geradezu
beglückend und auch interessant ist es nun, wenn vertikale, senkrechte
Beziehungen entstehen: Wenn etwa Jugend an Weihnachten alte Leute aufsucht, um
sie zu erfreuen.
Die unheimlichste,
grauenvollste waagerechte Zertrennung ist diese: Dort Gott und die himmlische
Welt – hier die verlorene, unheilvolle Welt ohne Gott. Wie beglückend müsste
hier eine Senkrechte sein!
Darum ist
das Evangelium so herrlich, weil es zeugt von solch einer
Senkrechten, die kein Mensch ziehen konnte. Das Evangelium ist die
Botschaft von der Linie, die Gott vom Himmel zur Erde zieht.
„Und der
Engel Gabriel ward gesandt nach Nazareth…“ Da haben wir die Senkrechte. Die
himmlische Welt stößt vor in die irdische. Allerdings ist hier nur der Anfang.
Es geht so weiter: „Also hat Gott die Weit geliebt, dass er seinen eingeborenen
Sohn gab.“
Der Himmel
zerreißt! Und es kommt der Engel Gabriel. Reden wir nicht von Gabriel! Er kommt
nur als Bote, um zu sagen: Der Heiland kommt!
Heute
geht aus seiner Kammer
Gottes
Held, der die Welt
Reißt
aus allem Jammer.
Gott
wird Mensch dir, Mensch, zugute,
Gottes
Kind, das verbindt
Sich
mit unserm Blute.
17.
Dezember
Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel
gesandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau,
die hieß Maria … Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: „Gegrüßet seist du, Holdselige!“
Lukas 1, 26 bis 28
Kennt ihr
das Bild vom Isenheimer Altar?
Da kniet
Maria vor einem Lesepult. Sie ist ganz versunken in das Wort des Propheten
Jesaja: „Eine Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären …“
Und nun
hat der Maler Matthias Grünewald das herrlich dargestellt, wie in diesen
stillen Raum der gewaltige Engel Gabrie! hereinbraust. Seine weiten Gewänder
flattern ihm voraus, als stieße ihn die Hand des mächtigen Gottes in dies
Gemach der Maria hinein.
Da hat der
Maler es deutlich sagen wollen: Von Gott kam das alles her.
So steht
es in unserm Text: „… ward der Engel Gabriel gesandt von Gott…“
Das ist
das Herrlichste am Evangelium, dass hier alles von Gott her kommt.
Sonst wäre
es mit diesem Evangelium auch schon längst aus und zu Ende. Es ist den Menschen
ja so ärgerlich. Es ist „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“,
sagt Paulus. In unsere Sprache übersetzt heißt das: Die Sünder ärgern sich, dass
sie sich ändern sollen. Die Gelehrten finden das Evangelium abgeschmackt. Und
die selbstgerechten Leute sind empört, dass das Evangelium sie „Sünder“ nennt.
So hat das
Evangelium wenig Chancen in dieser Menschenwelt.
Aber weil
es nun vom lebendigen Gott her kommt, aus der Quelle allen Lebens, ist es ein
Lebensstrom, der sich rettend in die Welt ergießt, den kein Mensch aufhalten
kann und der immer mächtig und frisch bleibt.
Gott
sei Dank durch alle Welt,
Der
sein Wort beständig hält
Und
der Sünder Trost und Rat
Zu
uns hergesendet hat.
18.
Dezember
Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel
gesandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer
Jungfrau, die hieß Maria … Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: „Gegrüßet seist du, Holdselige!“
Lukas 1, 26 bis 28
Haben wir
eigentlich noch ein Ohr für diese zarten Klänge?
Unsere
Zeit versteht es meisterhaft, den Menschen abzustumpfen. Was dringt alles auf uns
ein: Schreckensnachrichten und Aufregungen, Riesen-Reklame und beständige
Unruhe!
Da ist der
Sinn dann abgestumpft für die zarten Klänge der biblischen Geschichte. Hören
wir sie noch? Können wir stille werden über der feinen Lieblichkeit dieser Geschichte
von Maria und dem Engel?
Diese
Lieblichkeit geht ja durch das ganze Evangelium: Da knien die armseligen Hirten
und die geheimnisvollen Weisen vor dem Kind in der Krippe.
Da wandert
der Heiland durch eine blühende Landschaft und predigt dem armen Volk von den
Lilien auf dem Felde.
Da sitzt
er im Schatten eines Baumes und zieht die unmündigen Kindlein an sein Herz.
Ja, noch
in der furchtbaren Kreuzigungsszene bricht diese Lieblichkeit durch, als der
sterbende Herr dem trauernden Johannes die Sorge für seine Mutter an das Herz
legt.
Und welch
köstlicher Glanz liegt über den Auferstehungsgeschichten: Wie da die Maria
weint und auf einmal der Herr Jesus vor ihr steht und sie so vertraut bei ihrem
Namen ruft.
Ja, dieser
liebliche Charakter des Evangeliums vollendet sich in dem herrlichen Ausblick
der Offenbarung: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“
Haben wir
eigentlich noch ein Ohr für diese zarten Klänge?
Das
ewge Licht geht da herein,
Gibt
der Welt ein'n neuen Schein;
Es Ieucht't wohl mitten in der Nacht
Und
uns des Lichtes Kinder macht.
Kyrieleis.
19.
Dezember
Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel
gesandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer
Jungfrau, die hieb Maria … Und der Engel kam zu Ihr hinein und sprach: „Gegrüßet seist du, Holdselige!“
Lukas 1, 26 bis 28
Wie schön
ist dieser Gruß! Aber – wieso ist Maria holdselig? War sie besonders schön? Die
Maler haben das „holdselig“ so verstanden. Aber die Bibel sagt davon nichts.
Oder nennt
der Engel sie so, weil sie eine unberührte Jungfrau war? Nun, das ist bestimmt
etwas Großes in einer Welt, in der unsere Leidenschaften alles beschmutzen.
Aber wenn wir den Engelgruß darauf beziehen wollten, hätten wir die Herrlichkeit
des Wortes noch nicht verstanden.
Wer war
denn diese Maria? Sie war ein armes Mädchen aus einem übel beleumdeten Nest des
halb heidnischen Galiläa. Sie war Nachkomme eines degenerierten Königsgeschlechtes.
Und wer ihren Stammbaum liest, der weiß, dass da viel trübe Erbmasse vorhanden
war. Sie spricht selbst einmal von ihrer „Niedrigkeit“.
Und dies
Mädchen nennt der Engel Gabriel eine „Holdselige“. Warum?
Es gibt
nur eine Antwort: Um Jesu willen! Um
des Sohnes Gottes willen, der aus ihr geboren werden sollte: Ihre Holdseligkeit
war nicht eine Eigenschaft, die sie besaß, sondern um Jesu willen war sie in
den Augen Gottes lieblich und angenehm.
Da habt
ihr das ganze Evangelium! Der größte Sünder, der sein Elend fühlt, darf sich
neben Maria setzen und im Glauben den Heiland aufnehmen. Dann sieht Gott nicht
das verfehlte Leben an, sondern nur seinen lieben Sohn. Ich denke mir: Die
himmlischen Scharen haben den Schächer, der im Glauben neben Jesus am Kreuz
starb, in der Ewigkeit willkommen geheißen mit dem Ruf: „Gegrüßet
seist du, Holdseliger!“
Davon rühmt
Paulus: „Wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten.“
Damit
der Sünder Gnad erhält,
Erniedrigst
du dich, Herr der Welt,
Nimmst
selbst an unsrer Menschheit feil,
Erscheinst
im Fleisch und wirst uns Heil.
20.
Dezember
Es begab sich aber zu der Zelt, dass ein
Gebot von dem Kaiser Augustas ausging, dass alle Weit geschätzt würde … Da
machte sich auf auch Joseph zur Stadt Bethlehem … auf dass er sich schätzen
ließe mit Maria.
Lukas 2, 1.4 und 5
Überall
sind Weihnachtsvorbereitungen: Väter schleppen Weihnachtsbäume, Mütter
überschlagen, wie viel sie noch ausgeben können. Und die Straßenmusikanten
spielen: „Stille Nacht …“
Unser
Bibelwort spricht auch von Weihnachtsvorbereitungen: von denen, die Gott getroffen hat, der Welt Weihnacht
zu bereiten.
Es gab in
Judäa ein Dörflein Bethlehem. Das heißt zu Deutsch „Haus des Brotes“. Hier im „Brothaus“
sollte Jesus, der das wahre „Brot des Lebens“ ist, zur Welt kommen. So hatte
Gott beschlossen. So war es Jahrhunderte vorher durch den Propheten Micha
verheißen: „Du, Bethlehem, die du klein bist unter den Tausenden Judas, aus dir
soll mir kommen der Herzog.“
Aber wie
soll das nur wahr werden? Maria wohnt hoch im Norden des Landes. Wie will Gott
sie nach Bethlehem bringen?
Unser Gott
ist sehr mächtig. Will er seine Pläne ausführen, müssen ihm Kaiser und ihre
Macht zu Gebote stehen. Da muss Augustus befehlen: „Jeder gehe in die Heimat
seiner Sippe.“ Ohne es zu ahnen, muss Augustus einen Riesenapparat in Bewegung
bringen, nur damit Maria nach Bethlehem kommt, damit eine Verheißung wahr wird.
Das sollen
die Großen der Welt wissen, dass sie Schachfiguren Gottes sind. Und wir sollten
wissen, die wir oft so ratlos vor den Zeitereignissen stehen: Es muss ihm alles
dienen.
Ihr
Mächtigen auf Erden,
Nehmt
diesen König an,
Wollt
ihr beraten werden
Und
gehn die rechte Bahn,
Die
zu dem Himmel führt;
Sonst,
wo ihr ihn verachtet
Und
nur nach Hoheit trachtet,
Des
Höchsten Zorn euch rührt.
21.
Dezember
Das ist aber alles geschehen, auf dass
erfüllet würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat …: „Siehe, eine Jungfrau
wird … einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Immanuel heißen“, das
ist verdolmetscht: Gott mit uns.
Matthäus 1, 22 und 23
Welche
Rolle spielte doch in unserm Kinderleben das „Weihnachtszimmer“!
Viele Tage
vor Weihnachten wurde es für uns verschlossen. Und hinter der Tür begaben sich
geheimnisvolle und aufregende Dinge.
Wie ganz
anders hat es doch unser Gott gemacht, als er sein Weihnachtsgeschenk
vorbereitete! Schon von den ersten Anfängen der Menschheit an ließ er in sein
Weihnachtszimmer hineinsehen. Jede Verheißung des Alten Testamentes ist ein
göttliches Auftun seiner Tür.
Da wird
ganz offen gesagt, was sein Geschenk sei: „Ein Jungfrauensohn, der uns mit Gott
versöhnt“ Bis in alle Einzelheiten hat Gott die Menschenkinder in seine Weihnachtsstube
hineinsehen lassen: Da gibt es Verheißungen, die besagen, dass der Heiland in
Bethlehem geboren würde. Andere beschreiben genau sein Erlösungsleiden.
Bei Gottes
Christfest-Vorbereitungen gibt es kein Geheimnis, keine verschlossene Tür.
Oder doch?
Ach ja!
Doch! Aber diese verriegelte Tür ist nicht auf Gottes Seite, sondern bei uns.
Wenn etwas zugeschlossen ist, dann ist es unser Herz.
Um recht
Christfest zu feiern, brauchen wir ein geöffnetes Herz, wie es Maria und Joseph,
die Hirten und die Weisen hatten.
Lass
dich erleuchten, meine Seele,
Versäume
nicht den Gnadenschein;
Der
Glanz in dieser kleinen Höhle
Streckt
sich in alle Welt hinein;
Er
treibet weg der Höllen Macht,
Der
Sünden und des Kreuzes Nacht.
22.
Dezember
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein
Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Weit geschätzt würde. … Der
Engel sprach …: „Ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren
wird.“
Lukas 2, 1 und 10
Zwei
Herrscher treten auf: der lebendige Gott und Augustus.
Beide
Herrscher nennen sich „Der Erhabene“. In Jesaja 57 heißt es von Gott: „So
spricht der Hohe und Erhabene.“ – Der römische Kaiser nannte sich „Augustus“ = der
Erhabene.
Beide
Herrscher finden Gehorsam. Augustus befiehlt und: „Jedermann ging, dass er sich
schätzen ließe.“ – Gott befiehlt: Und die Engel tragen seine Botschaft aus, die
Hirten eilen nach Bethlehem.
Beide
Herrscher gründen ein Reich. Beide Herrscher haben es dabei auf „alle Welt“
abgesehen. ;,Allem Volk“ heißt es in der
Gottesbotschaft. „Alle Welt“ heißt es in der Augustus-Botschaft.
Soweit
finden wir eine seltsame Parallelität. Aber nun gehen die Wege der beiden
Herrscher auseinander. „Meine Wege sind nicht eure Wege“, spricht der
himmlische Herrscher.
Was will
Augustus? Zählen will er; sich an der Macht berauschen; Steuern erheben. Was
will Gott? Erretten will er; selig machen. O herrlicher Plan Gottes!
Des
Augustus Plan bringt Verwirrung und Not. Gottes Plan bringt Friede und Freude.
Des Augustus Plan ist eine laute Sache. Gottes Plan ist heimlich und still. Des
Augustus Reich war ein Stücklein Weltgeschichte. Es
verging wie ein Rauch. Gott aber begann in Jesus sein ewiges Reich.
Den
aller Weltkreis nie beschloss,
Der
liegt in Mariens Schoß;
Er
ist ein Kindlein worden klein,
Der
alle Ding erhält allein.
Kyrieleis.
Das
hat er alles uns getan,
Sein
groß Lieb zu zeigen an.
Des
freu sich alle Christenheit
Und
dank ihm des in Ewigkeit.
Kyrieleis.
23.
Dezember
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns
gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunderbar,
Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst.
Jesaja 9, 5
Da ist ein
kleiner Junge eines Morgens jäh erwacht. Am Bett steht der Vater. „Büblein“, sagt er, „denk dir, du hast ein Brüderlein bekommen.“
Und dann
darf der Junge das Brüderlein ansehen. Da steht er an der Wiege und staunt das
Neugeborene an. Und durch sein Herz zieht eine große Liebe zu dem Brüderlein.
Vielleicht
aber wird dieses Entzücken ein ganz klein wenig verdunkelt von dem bösen
Gedanken: „Nun bin ich nicht mehr der einzige! Nun muss ich alles mit dem da
teilen.“
Die Jahre
gehen dahin. Liebe und Abneigung gegen den Bruder streiten miteinander. Aber
eins bleibt für das Büblein fest bestehen: Ob er den
Bruder liebt oder ablehnt – der bleibt sein Bruder.
„Uns ist
ein Kind geboren.“ Das Kind heißt Jesus. Der Sohn Gottes ist unser Bruder
geworden. Das Weihnachtsfest führt uns wieder an die Krippe, in der er liegt.
Wie stehen
wir zu diesem Jesus? Vielleicht lieben wir ihn. Vielleicht haben wir uns
praktisch herzlich wenig um ihn gekümmert. Vielleicht rebelliert unser Herz
gegen ihn.
Wie dem
auch sei – eins werden wir nie, nie mehr los: Jesus, der Sohn Gottes, ist unser
Bruder. Er gehört zu uns, und wir gehören zu ihm. Er hat sich zu uns gestellt,
und wir sind ihm verhaftet.
Dass es
doch alle hören möchten! Alle! Die Verzagten und die Trotzigen, die Sünder und
die Moralisten, die Zweifler, die Gottsucher, die Gebundenen – wir alle: Jesus
ist unser Bruder geworden! Selige, große Tatsache!
Sei
mir willkommen, edler Gast!
Den
Sünder nicht verschmähet hast
Und
kommst ins Elend her zu mir;
Wie
soll ich immer danken dir?
24.
Dezember
Sie wickelte ihn in Windeln.
Lukas 2, 7
Eine
Andacht über die Windeln? Das geht doch nicht! Windeln? Die sind doch allzu
menschlich!
Ja, aber
das ist doch die Weihnachtsbotschaft: Gott wird wirklich, ganz handgreiflich
Mensch! Mitten in dieser heiligen und göttlichen Geschichte wehen die Windeln,
diese fröhlichen Fahnen, die das menschlichste aller Ereignisse anzeigen.
Kennt ihr
das Weihnachtsbild vom lsenheimer Altar? Da hat der
Maler Matthias Grünewald ganz oben im Lichtglanz Gott-Vater dargestellt. Und
von da geht das Auge herunter. Man sieht Maria mit dem Kind, das in sehr
elenden Windeln liegt. Und ganz unten – wahrhaftig! –, da hat der Maler einen
kleinen Waschzuber hingemalt, wie man ihn in Wochenstuben findet.
So ist
das! Im himmlischen Glanz, bei Gott, fängt die Geschichte an und endet beim
Waschzuber, in dem man Windeln wäscht.
Das heißt:
„Gott wird Mensch, dir, Mensch, zugute, / Gottes Kind, / Das verbind't / Sich mit unserm Blute.“
Gottes
Sohn wird Mensch – und damit mein Bruder. Dass wir das doch fassen wollten!
Jawohl,
die Windeln gehören in die Weihnachtsgeschichte hinein. Sie halten uns eine
gewaltige Predigt, wie ernst Gott es mit uns nimmt. Er führte keine
Scheingefechte gegen die Macht der Finsternis, als er den Sohn sandte. Nein! Es
war ernst gemeint. Und mit Notwendigkeit folgt auf die Windeln das Kreuz, an
das dieses Kind schließlich gehängt wurde – nach dem Willen des Vaters.
Muss uns
an all dem nicht die strahlende und überwältigende Liebe Gottes aufgehen, dass
wir mit allen Heiligen von Herzen singen: „O lasset uns anbeten!“?
Des
ewgen Vaters einig Kind
Jetzt
man in der Krippe findt;
In
unser armes Fleisch und Blut
Verkleidet
sich das ewge Gut.
Kyrieleis.
25.
Dezember
Euch ist heute der Heiland geboren!
Lukas 2, 11
Wie ein
heller, starker Fanfarenton erklingt diese jubelnde
Botschaft über eine verlorene Welt.
Der
österreichische Dichter Lenau hat einmal den schwermütigen Satz gesagt: „Die
ganze Welt ist zum Verzweifeln traurig.“
Der Mann
hat Recht!
Aber nun –
welch ein neuer Klang! Welch ein jubelnder Ton: „Euch ist heute der Heiland
geboren!“ In dieser traurigen, verlorenen Welt ist ein Heiland! Er ist die
einzige Chance für diese Welt.
Das darf
uns allerdings nicht nur ein theoretisches Wissen sein. Darum ist in der
Engelsbotschaft das Wörtlein „Euch“ so wichtig. Mit dem Wörtlein „Euch“ legt
Gott den Heiland – dass ich so sage – den armen Hirten in die Arme. Und wer
dies Wörtlein „Euch“ mit gläubigem Herzen hört, dem fällt gleich ein, dass
solch ein „Euch“ noch einmal vorkommt in der Bibel. Als der Herr Jesus das
heilige Abendmahl einsetzte, sagte er: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“
Wahrscheinlich
klingt in dem Wörtlein „Euch“ noch etwas anderes mit. Es ist, als wenn der Engel
sagen wollte: „Wir, die Engel, haben doch den himmlischen Vater nie verlassen,
wie ihr Menschenkinder es tatet. Ihr aber habt Gottes Herz unendlich betrübt.
Und nun wird euch der Heiland
geboren. Euch – den Sündern! Euch – den Ungehorsamen! Euch – den Abtrünnigen!
Nicht uns, den Engeln – sondern euch, den Menschenkindern, ist der Heiland geboren.
Euer Bruder ist der Sohn Gottes geworden. Und ihr sollt nun Kinder Gottes
werden.“
Der
Heilige Geist wolle schenken, dass dies Wörtlein „Euch“ recht in unser Herz
hineinfahre und uns mit heller Freude erfülle!
Euch
ist ein Kindlein heut geborn
Von
einer Jungfrau auserkorn,
Ein
Kindelein so zart und fein,
Das
soll euer Freud und Wonne sein.
26.
Dezember
Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.
Lukas 2, 7
Lasst uns
miteinander im Geist in den Stall von Bethlehem gehen!
Da ist ein
Knäblein geboren. Die Mutter ist geschäftig, mit ihm
zu tun, was Mütter eben tun.
Seht euch
das Kind nur recht an! Von ihm hat schon Jesaja geweissagt: „Uns ist ein Kind
geboren … und er heißt Ewig-Vater.“ Das ist ja wohl der Name Gottes. Dies Kind
ist – Gott!
Gott! „Maria
wickelte – Gott in Windeln und legte – Gott in ein Notbettchen …“ Das klingt ja
fast wie Lästerung! Und doch – darum geht es! Gott gibt sich in die Hände der
Menschen. Das ist ungeheuerlich.
Umgekehrt
leuchtet es jedem ein: dass wir Menschen in der Hand Gottes sind. Das können
wir alle ohne weiteres verstehen.
Und wir
können auch verstehen, dass zwischen Gott und uns eine Zertrennung eingetreten
ist. Wir sind „mit Gott auseinander“. Viel ist dazu zusammengekommen: Wir sind
mit ihm nicht zufrieden. Wir haben kein ganzes Vertrauen zu ihm. Wir sind vor ihm
schuldig geworden.
Nun ist es
ergreifend, dass der große Gott, der uns ja nicht nötig hat, darunter leidet, dass
wir mit ihm „auseinander“ sind. Um diese Zertrennung zu überwinden, tut er das Unfassbare:
Er gibt sich in unsere Hand.
Der
tapfere David hat einmal gesagt, es sei das Schlimmste, „in der Menschen Hände
zu fallen“.
Und nun
begibt sich Gott an Weihnachten in unsere Hände! Das ist gefährlich. Es werden
nicht alle so zart mit ihm umgehen wie Maria. O ja, sie könnten ihn sogar
töten!
Sie haben
es getan – auf Golgatha! Aber auch das hatte Gott schon eingerechnet, als er
sich in unsere Hände gab. So ernst ist es ihm mit uns. Es ist anbetungswürdig!
Sehet
dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget;
Sehet
die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget.
Gott
wird ein Kind,
Träget
und hebet die Sünd:
Alles
anbetet und schweiget.
27.
Dezember
Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte
ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.
Lukas 2, 7
Die
Windeln und die Krippe – die spielen eine merkwürdig wichtige Rolle in der
Weihnachtsgeschichte.
Man könnte
zuerst noch meinen: Es macht dem Erzähler Freude, die Sache recht anschaulich
zu berichten. Aber diese Ansicht fällt hin, wenn man entdeckt, dass die Windeln
und die Krippe genau in dieser Reihenfolge noch einmal vorkommen, nämlich in
der Botschaft des Engels: „Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und
in einer Krippe liegen.“
Da wird
man nachdenklich: „Das muss doch einen besonderen Sinn haben.“ Und es hat ihn
in der Tat.
Die
Weihnachtsgeschichte erzählt uns vom Herabsteigen Gottes in die Menschenwelt.
Und nun ist in dem Wort von den Windeln und der Krippe die Leiter gezeigt, auf
der er herabsteigt.
„In
Windeln gewickelt.“ Wir alle sind Menschen, vom Weibe geboren, und wurden in
Windeln gewickelt. Da hören wir also, dass Jesus uns gleich wurde. Er wurde
unser Bruder. Diese Leiterstufe steht neben
uns.
„In einer
Krippe liegen.“ Die Stufe steht unter
uns. Wir alle hatten einen „Raum in der Herberge“ der Welt, als wir geboren
wurden. Nur der Sohn Gottes nicht. Er ging unter uns hinunter.
Wir finden
diese Stufenleiter noch einmal in der Bibel. Im 2. Kapitel des Philipper-Briefes steht: „Er, der Gott gleich war, ward wie
ein Mensch“ – das ist die erste Stufe. „Er ward gehorsam bis zum Tode am Kreuz“
– das ist die zweite Stufe.
Er wurde
nicht nur unser Bruder. Er wurde der, der sich unter unsere Last stellte, um sie wegzutragen. Schon von der ersten
Stunde seines Lebens an stellt er seine Schultern unter der Welt Last.
Wenn
ich dies Wunder fassen will,
So
steht mein Geist vor Ehrfurcht still;
Er
betet an, und er ermisst,
Dass
Gottes Lieb unendlich ist.
28.
Dezember
Sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Lukas 2, 7
Immerhin –
Jesus hat doch einen Platz gefunden. Es war zwar kein schöner und kein sehr
ehrenvoller Platz, dieser arme Stall. Aber es war doch ein Raum, wo er ruhen
konnte.
Man könnte
das Evangelium wirklich einmal unter diesem Gesichtspunkt ansehen: Jesus findet
schon Platz!
Wenn die „Pharisäer
und Schriftgelehrten“ ihn nicht wollen, dann findet er Raum bei den „Zöllnern
und Sündern“.
Wenn er „den
Weisen und Klugen“ verborgen ist, so ist er eben „den Unmündigen“ offenbart
(Matthäus 11, 25).
Wenn auch
die Mächtigen der Welt ihn ablehnen, so freuen sich doch die Armen und Elenden
an seiner Liebe.
Wenn die
leichtfertigen Sünder ihn hassen, so eilen ihm doch die zu, welche „hungern und
dürsten nach Gerechtigkeit“.
Wenn die
Selbstgerechten ohne ihn fertig werden, so kennen die verwundeten Gewissen
nichts Schöneres als ihn.
Wenn die
Stolzen ihn ablehnen, so bleibt er doch der Heiland der Gedemütigten.
Wenn die
Fröhlichen keinen Raum für ihn haben, so nehmen ihn die Traurigen um so lieber auf.
„Er kam in
sein Eigentum“ – lesen wir Johannes 1 – „und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“
Kein Raum für Jesus! Und doch geht es weiter: „Wie viele ihn aber aufnahmen …“
Jesus findet schon Platz!
Und wenn
nun einer meint, das Ganze sähe doch eben sehr nach einem Notbehelf aus, so
soll er wissen: Jesus hat von vornherein den Stall und die Elenden und die Sünder
und die Traurigen gemeint.
Die
ihr arm seid und elende,
Kommt
herbei,
Füllet
frei
Eures
Glaubens Hände.
Hier
sind alle guten Gaben
Und
das Gold,
Da
ihr sollt
Euer
Herz mit laben.
29.
Dezember
Und alsbald war da bei dem Engel die Menge
der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: „Ehre sei Gott in
der Höhe!“
Lukas 2, 13 und 14
O, diese
herrlichen, lieben Engel!
Ich
möchte, ich könnte sie in Schutz nehmen gegen all die Verharmlosungen und Verniedlichungen,
die man auf Weihnachtsbildern und in Weihnachts-Aufführungen mit ihnen
vorgenommen hat. So ist es dahin gekommen, dass man die Engel für nette
Märchenfiguren hält wie Rotkäppchen oder den Mann im Mond. Wenn die Engel so
wären, wie man sie uns darstellt, dann hätten die rauen Hirten höchstens
gekichert, aber niemals sich „sehr gefürchtet“.
Ist es
nicht eine herrliche biblische Wahrheit, dass Gott vieltausendmal tausend
gewaltige, starke und mächtige Diener hat, die nicht nur in seinem Heiligtum
Dienst tun, die er vielmehr einsetzt „zum Dienst an denen, die ererben sollen
die Seligkeit“?
Nun, wir
brauchen Gottes Engel nicht in Schutz zu nehmen gegen all die unsinnigen
Vorstellungen unerleuchteter Menschen. Es wird vielmehr wohl so sein, dass
diese Engel Gottes uns oft in Schutz nahmen und Schirm und Mauer um uns her
waren, ohne dass wir es wussten.
Wie eifrig
sind diese herrlichen himmlischen Heerscharen im Dienste Gottes an den Kindern
Gottes! Auch in der Weihnachtsgeschichte möchten sie den Menschen dienen. Ihr
gewaltiges Lob ist ein Dienst an den Hirten – und an uns.
Wieso ein
Dienst an uns? Nun, sie wollen unsere Herzen mitreißen zum Lob und zur Anbetung
Gottes. Ach, wie gedrückt waren wohl die Herzen der Hirten! Und wie klein sind
unsere Herzen an Weihnachten! Da geht’s um Geschenke und Backen und Kochen und
lauter solche Armseligkeiten.
Aber nun
brechen die Engel herein und reißen uns mit ins Anbeten: „Ehre sei Gott in der
Höhe!“
Gelobet
seist du, Jesu Christ,
Das
du Mensch geboren bist
Von
einer Jungfrau, das ist wahr,
Des
freuet sich der Engel Schar.
Kyrieleis.
30.
Dezember
… und Friede auf Erden.
Lukas 2, 14
Da ist nun
das herrliche Weihnachtsgeschenk genannt, das Gott uns zugedacht hat:
köstlicher, himmlischer Friede.
Aber der
Mensch ist ein großer Narr. Es geht ihm, wie es einem meiner kunstverständigen
Freunde ging. Mit dem besuchte ich eine wundervolle alte Kirche. Da stieß er
sich an einer mittelalterlichen Skulptur den Kopf. Und ärgerlich sagte er: „An
der schönsten Stelle rennt sich der Mensch den Kopf an.“
„Alle
Jahre wieder“ ist es ein beliebter Witz aller Zeitungsschreiber und anderer
Leute, mit Bedauern festzustellen, dass trotz der Engelsbotschaft die Welt
immer und immer wieder von Kriegen zerrissen werde.
Wenn die
Engel gewusst hätten, wie dumm die Menschen sind – vielleicht hätten sie ihren
gewaltigen Sprechchor unterlassen. Niemals sagt die Bibel, dass diese
selbstsüchtigen, gottlosen und ungewandelten Menschen eine Friedenswelt
schaffen können.
Ja, aber
warum sprechen dann die Engelscharen auf Bethlehems Feld: „Friede auf Erden“?
Dabei
denken sie daran, dass im Himmel lieblicher Friede herrscht. Da gibt es keine Zerrissenheit
der Herzen und Gewissen. Der Friede Gottes durchdringt alles.
Dieser
himmlische Friede aber kommt nun durch den Herrn Jesus Christus auf diese
streiterfüllte Erde zu den Menschen des Wohlgefallens. Der Herr Jesus schenkt
es, das Menschen im Frieden mit Gott leben dürfen, dass völliger Friede ihr
Herz erfüllt.
Darum hat
dieser Heiland vor seinem Sterben zu seinen Jüngern gesagt: „Solches habe ich
mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habt.“
Solchen
Frieden schenke uns der barmherzige Herr!
Wer
sich fühlt beschwert im Herzen,
Wer
empfindt seine Sünd
Und
Gewissensschmerzen,
Sei
getrost: Hier wird gefunden,
Der
in Eil machet heil
Die
vergift'ten Wunden.
31.
Dezember
Sie warteten nicht auf seinen Rat.
Psalm 106, 13
Das
alttestamentliche Volk Gottes kannte Gott wohl. Es traute auch Gott viel zu.
Denn der Herr hatte sich unter ihnen mächtig gezeigt. Sie kannten auch die
Gebote Gottes. Jedes Kind konnte sie hersagen. An all dem fehlte es nicht.
Aber – sie
warteten nicht auf Gottes Rat.
Wo man
stille werden und fragen sollte: „Was will der Herr?“ – da hatten sie längst
einen eigenen Plan und Rat fertig, bei dem Gott nur Beistand tun sollte. Ja,
sie wollten viel klüger sein als der Herr.
Und
ungeduldig waren sie dabei. Wenn nun der Herr ihren Rat nicht ausführen wollte,
dann haderten sie mit ihm.
Sind wir
etwa anders?
Ach, es
ist ja auch gar nicht so leicht für unser Herz, auf seinen Rat zu warten. Denn
sein Rat ist so ganz anders als unsere Pläne.
Wir wollen
die satte Ruhe – und er führt in die Wüste. Wir wollen Frieden – und er führt
uns in den Kampf. Wir wollen die Mauern Jerichos umrennen – und er heißt sein
Volk tagelang nur vor den Mauern warten. Wir wollen große Dinge – und er
verordnet uns die geringen Dinge. Wir wollen hoch hinaus – und er führt uns in
die Tiefen.
Und er hat
so viel Zeit. „Warten“ muss man auf seinen Rat. Es währt oft „bis in die Nacht
und wieder an den Morgen“.
Und doch –
sein Rat ist gut. Jenseits der Wüste liegt Kanaan. Und auf dies Gute zielt sein
Rat mit uns. Selig, wer auf seinen Rat warten kann!
Wie
Gott mich führt, so bin ich still
Und
folge seinem Leiten,
Obgleich
im Fleisch der Eigenwill
Will
öfters widerstreiten.
Wie
Gott mich führt, bin ich bereit,
In
Zeit und auch in Ewigkeit
Stets
seinen Schluss zu ehren.
INHALT
ALTES
TESTAMENT
1. Mose
1, 3 01.10.
1, 24 02.10.
1, 31 03.02.
2, 2 03.10.
12, 1 11.06.
15, 1 12.06.
15, 1 13.06.
15, 6 14.06.
21, 6 19.04.
22, 12 15.06.
37, 16 16.06.
39, 2 und 3.................................. 17.06.
39, 9 18.06.
42, 21 19.06.
42, 22 20.06.
49, 18 22.11.
2. Mose
20, 2 und 3.................................. 21.06.
20, 8 bis 10................................ 22.06.
20, 12 23.06.
20, 13 24.06.
20, 14 25.06.
20, 15 26.06.
20, 16 27.06.
20, 17 28.06.
4. Mose
9, 7 29.06.
5. Mose
7, 21 05.02.
Ruth
1, 21 30.06
1. Samuel
11, 5 01.07.
22, 1 und 2.................................. 02.07.
22, 1 und 2.................................. 03.07.
28, 3 04.07.
Nehemia
1, 2 05.07.
1, 3 06.07.
1, 4 07.07.
2, 2 und 3.................................. 08.07.
2, 8 09.07.
Psalmen
16, 10 18.04.
23, 1 10.07.
23, 1 11.07.
23, 1 13.07.
23, 1 14.07.
23, 1 15.07.
23, 1 16.07.
23, 1 bis 3................................... 12.07.
23, 5 17.07.
25, 6 18.07.
25, 14 02.02.
32, 9 19.07.
34, 2 24.04.
34, 3 und 4.................................. 25.04.
34, 7 09.05.
34, 7 20.07.
34, 7 21.07.
38, 10 22.07.
38, 10 23.07.
38, 10 24.07.
40, 13 25.07.
40, 18 26.07.
84, 5 20.04.
84, 5 21.04.
84, 5 23.11.
84, 6 03.05.
84, 6 04.05.
84, 12 08.05.
85, 2 und 7.................................. 18.05.
90, 13 27.07.
92, 2 und 3.................................. 02.05.
92, 14 28.07.
94, 11 29.07.
103, 2 07.05.
106, 13 31.12.
110, 3 30.07.
113, 5 und 6.................................. 31.07.
115, 1 01.08.
115, 13 02.08.
119, 24 06.02.
119, 45 26.04.
119, 99 und 100............................. 03.08.
121, 1 01.01.
144, 1 und 2.................................. 22.04.
146, 2 02.01.
Sprüche
18, 10 04.08.
27, 22 05.08.
Prediger
3, 11 05.05.
Jesaja
6, 5 06.08.
8, 23 13.01.
8, 23 14.01.
9, 2 30.09.
9, 5 23.12.
26, 9 17.05.
26, 9 07.08.
30, 18 08.08.
35, 4 03.12.
38, 15 09.08.
38, 17 28.04.
40, 15 10.08.
40, 31 11.08.
42, 16 11.01.
49, 6 06.01.
49, 14 10.02.
52, 1 und 2.................................. 01.12.
52, 2 02.12.
52, 11 12.08.
52, 11 13.08.
55, 6 14.08.
60, 1 10.01.
62, 12 11.02.
62, 12 12.02.
62, 12 31.03.
64, 1 15.08.
Jeremia
1, 6 07.02.
11, 20 08.02.
Hesekiel
36, 26 15.05.
Daniel
3, 25 16.08.
6, 24 17.08.
Hosea
7, 8 18.08.
7, 9 19.08.
7, 16 20.08.
Jona
2, 7 09.02.
2, 7 21.08.
Micha
7, 8 09.01.
Sacharja
2, 8 und 9.................................. 13.02.
2, 14 04.12.
3, 2 22.08.
8, 17 23.08.
Maleachi
2, 16 01.02.
3, 20 15.01.
3, 20 16.01.
3, 20 17.01.
3, 20 18.01.
3, 20 19.01.
3, 20 20.01.
NEUES TESTAMENT
Matthäus
1, 22 und 23............................... 21.12.
2, 1 21.01.
2, 2 22.01.
2, 7 23.01.
2, 8 24.01.
2, 10 25.01.
2, 10 26.01.
2, 13 27.01.
2, 20 28.01.
6, 10 24.08.
6, 31 und 32............................... 29.09.
10, 16 25.08.
11, 25 26.08.
11, 28 27.08.
16, 24 28.08.
24, 42 09.12.
26, 30 16.02.
26, 30 17.02.
26, 31 18.02.
26, 33 19.02.
26, 36 und 38............................... 20.02.
26, 39 21.02.
26, 40 22.02.
26, 50 24.02.
26, 56 26.02.
26, 62 und 63............................... 27.02.
26, 63 und 64............................... 28.02.
26, 67 und 68............................... 29.02.
26, 67 und 68............................... 01.03.
27, 5 02.03.
27, 5 03.03.
27, 11 04.03.
27, 19 05.03.
27, 22 06.03.
27, 24 07.03.
27, 31 08.03.
27, 32 09.03.
27, 32 10.03.
27, 35 11.03.
27, 36 13.03.
27, 38 20.03.
27, 38 21.03.
27, 41 und 42............................... 14.03.
27, 43 15.03.
27, 45 26.03.
27, 51 27.03.
27, 52 28.03.
27, 52 29.03.
28, 4 04.04.
28, 5 und 6.................................. 05.04.
28, 20 29.08.
Markus
16, 3 02.04.
16, 6 03.04.
16, 15 07.01.
Lukas
1, 26 bis 28................................ 15.12.
1, 26 bis 28................................ 16.12.
1, 26 bis 28................................ 17.12.
1, 26 bis 28................................ 18.12.
1, 26 bis 28................................ 19.12.
1, 78 05.12.
1, 79 04.01.
1, 79 25.11.
2, 1 .4 und
5............................. 20.12.
2, 1 und 10............................... 22.12.
2, 4 und 5.................................. 30.08.
2, 7 31.08.
2, 7 24.12.
2, 7 26.12.
2, 7 27.12.
2, 7 28.12.
2, 7 und 16............................... 01.09.
2, 11 25.12.
2, 13 und 14............................... 29.12.
2, 14 30.12.
2, 16 02.09.
2, 25 und 26............................... 29.01.
2, 38 30.01.
2, 38 31.01.
3, 1 und 2.................................. 10.12.
3, 5 11.12.
3, 5 12.12.
3, 7 und 8.................................. 13.12.
4, 38 03.09.
5, 3 04.09.
5, 3 05.09.
5, 5 06.09.
5, 8 07.09.
7, 12 und 13............................... 19.11.
7, 13 und 14............................... 20.11.
7, 14 . 15
und 17........................ 21.11.
7, 27 und 28............................... 14.12.
13, 12 08.09.
15, 10 09.09.
15, 12 10.09.
15, 17 11.09.
15, 20 12.09.
15, 20 13.09.
17, 11 14.09.
17, 12 15.09.
17, 12 16.09.
17, 13 17.09.
17, 14 18.09.
17, 14 19.09.
17, 16 20.09.
17, 16 21.09.
17, 17 22.09.
17, 17 23.09.
20, 17 24.09.
21, 27 07.12.
21, 27 08.12.
22, 20 15.02.
22, 48 23.02.
22, 49 und 50............................... 25.02.
23, 34 18.03.
23, 34 19.03.
23, 41 22.03.
23, 41 23.03.
23, 42 24.03.
23, 43 25.03.
23, 47 30.03.
24, 9 und 11............................... 08.04.
24, 34 14.04.
24, 36 30.04.
24, 36 und 37............................... 16.04.
24, 41 17.04.
24, 51 11.05.
24, 51 12.05.
24, 51 und 52............................... 10.05.
Johannes
1, 5 12.01.
1, 9 08.01.
1, 14 25.09.
1, 16 26.09.
1, 16 27.09.
1, 29 28.09.
3, 3 01.06.
3, 3 04.10.
3, 16 05.10.
4, 28 06.10.
6, 67 07.10.
6, 67 und 68............................... 08.10.
7, 37 09.10.
9, 25 10.10.
10, 27 11.10.
13, 5 14.02.
15, 2 12.10.
19, 24 12.03.
19, 26 16.03.
19, 26 17.03.
20, 4 06.04.
20, 6 und 7.................................. 07.04.
20, 14 und 15............................... 09.04.
20, 15 10.04.
20, 17 11.04.
20, 17 12.04.
20, 19 13.04.
20, 19 bis 21................................ 15.04.
Apostelgeschichte
1, 8 14.05.
1, 11 06.12.
2, 3 20.05.
2, 7 21.05.
2, 12 und 13............................... 22.05.
2, 21 16.05.
2, 23 23.05.
4, 20 04.06.
4, 24 05.06.
4, 29 06.06.
8, 8 23.04.
8, 8 29.04.
9, 4 07.06.
9, 4 08.06.
9, 39 24.11.
12, 5 09.06.
12, 5 10.06.
15, 11 26.11.
Römer
1, 1 13.10.
4, 25 01.04.
5, 1 31.10.
5, 1 01.11.
5, 3 bis 5................................... 05.01.
8, 14 31.05.
8, 36 und 37............................... 14.10.
8, 36 und 37............................... 15.10.
1. Korinther
1, 28 16.10.
1, 30 17.10.
6, 20 18.10.
2. Korinther
1, 21 25.05.
1, 21 27.05.
1, 21 und 22............................... 24.05.
1, 21 und 22............................... 26.05.
1, 21 und 22............................... 29.05.
1, 21 und 22............................... 30.05.
1, 22 28.05.
2, 16 19.10.
4, 8 20.10.
Epheser
1, 16 21.10.
3, 18 22.10.
3, 19 und 20............................... 19.05.
4, 10 13.05.
6, 16 23.10.
6, 20 04.02.
Philipper
1, 20 24.10.
1, 23 und 24............................... 28.11.
2, 7 25.10.
Kolosser
1, 11 26.10.
1, 13 27.10.
1, 15 28.10.
1, 15 29.10.
1, 17 30.10.
1, 18 02.06.
1, 18 03.06.
3, 3 02.11.
3, 23 03.11.
1. Thessalonicher
1, 6 27.04.
2. Thessalonicher
3, 3 03.01.
2. Timotheus
4, 5 04.11.
2. Petrus
3, 12 30.11.
1. Johannes
4, 10 05.11.
5, 12 06.11.
Hebräer
1, 1 und 2.................................. 07.11.
4, 7 08.11.
10, 36 09.11.
11, 19 06.05.
11, 22 29.11.
11, 29 10.11.
Offenbarung
1, 5 11.11.
2, 2 12.11.
2, 4 13.11.
2, 8 14.11.
2, 8 15.11.
2, 8 16.11.
3, 20 17.11.
3, 20 18.11.
14, 13 27.11.