„Da ging Noah in den Kasten... und der Herr schloss hinter
ihm zu."
1. Mose 7, 13 und 16
Die Bibel ist einer gewaltigen Symphonie zu vergleichen, in
der eine reiche Tonfülle ein einfaches Thema umgibt. Schon gleich am Anfang
der Bibel wird dies Thema angeschlagen. Die Geschichte von der Sintflut beginnt
mit der Feststellung: „Gott sprach: Die Menschen wollen sich von meinem Geist
nicht mehr strafen lassen... Darum ist alles Fleisches Ende bei mir
beschlossen." Das ist der eine Ton: Gottes Zorn und Gericht. Nun würde man
ja erwarten, dass nach dieser Ankündigung die Gerichte hereinbrechen. Aber es
kommt ganz anders: Ausführlich trifft Gott Anstalten zur Errettung des Noah und
der Seinigen. Er lässt den Noah einen riesigen Kasten bauen, eine Art von
ungefügem Schiff. Wir nennen es die Arche.
Und das ist der andere Ton des Themas: die Errettung. Vom
Anfang bis zum Schluss geht dies Thema durch die Bibel: Gericht und Errettung.
Wenn ihr die letzten Kapitel der Bibel aufschlagt, findet ihr eine
schreckliche Schilderung vom Ende
dieses Erdzeitalters. Mitten hinein aber klingen die Lobgesänge der
Erretteten. Was war die Arche, durch die sie errettet wurden? Das Kreuz von
Golgatha. So ist die Arche ein Vorbild auf das Kreuz. Und wir bekommen Licht
über Jesu Kreuz, wenn wir die Arche betrachten.
1. Das Unzeitgemäße der Arche
Im Geist habe ich den Noah gesehen, wie er mitten auf der
Steppe die Arche baute. Neugierig kamen die Leute und fragten verwundert: „Wozu
baust du das?" Antwort: „Zur Errettung vor Gottes Gericht." Da
lächelten die Leute mitleidig. Man lebte doch in einer fortgeschrittenen Welt,
wo solche primitiven Vorstellungen wie „Gericht Gottes" längst überwunden
waren! „Ja, früher", so hieß es, „haben die Menschen so etwas gefürchtet.
Aber nun haben wir doch so gereinigte Gottesvorstellungen, dass uns das komisch
vorkommt." Die Arche erschien also als eine Errettung vor einer Gefahr,
die gar nicht vorhanden war. Sie war darum völlig unzeitgemäß. So steht es mit
dem Kreuz Christi. Was soll die Errettung im Kreuz zu einer Zeit, wo man Gott
gar nicht mehr fürchtet und über die „primitive Vorstellung" vom Zorn
Gottes erhaben ist? Da werde ich gefragt: „Das Kreuz ist Errettung? Rettet es
Sie vor Atombomben? Vor Hunger? Vor Kälte?" — „Nein! Es rettet mich vor
den Folgen meiner Sündenschuld, vor der Hölle, vor dem Teufel, vor dem Zorne
Gottes."
Nun lächelt der moderne Mensch mitleidig und denkt: „Das
sind ja alles eingebildete Gefahren." Ja, wenn der Zorn Gottes eine eingebildete
Gefahr ist, dann ist allerdings die Botschaft vom Kreuz unzeitgemäß wie die
Arche des Noah.
Über der Kanzel der zerstörten Marktkirche in Essen stand in
Goldbuchstaben das Bibelwort: „Predige zur Zeit und zur Unzeit." Wie oft
habe ich bei diesem Wort denken müssen: Es ist immer Unzeit für die Predigt von
der Rettungs-Arche, weil die Menschen zu allen Zeiten den Zorn Gottes für eine
eingebildete Gefahr halten. Ihr kennt doch Dürers berühmten Kupferstich, auf
dem man einen Ritter furchtlos zwischen zwei schrecklichen Gestalten, Tod und
Teufel, daherreiten sieht. Als ich kürzlich das Bild betrachtete, dachte ich:
Es gibt noch eine andere Gestalt, die furchtlos zwischen Tod und Teufel wandert
— nämlich ein blinder Narr. Der würde sagen: „Ich sehe keine Gefahr."
So blinde Narren waren die Menschen zu Noahs Zeit. Und sie
sind es bis heute geblieben. Darum wird die Botschaft von der Rettungs-Arche
des Kreuzes immer unzeitgemäß sein.
2. Die Sicherheit der Arche
Mit lapidaren Sätzen schildert nun die Bibel den Beginn der
Sintflut: „Da brachen alle Brunnen der großen Tiefe auf, und es taten sich auf
die Fenster des Himmels... Und das Gewässer nahm Überhand und wuchs so sehr auf
Erden, dass alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel bedeckt wurden... Da ging
alles Fleisch unter... Und das Gewässer stand auf Erden 150 Tage." Welch
eine schreckliche Stille nach den grauenvollen Ereignissen!
Durch diese Stille schwebt die Arche. Sie allein birgt noch
Leben. Nur ein paar Zentimeter Holz trennen die Menschen darin von dem Verderben.
Aber — sie sind sicher geborgen.
Welch herrliches Gleichnis für das Kreuz des Heilandes! Wer
sich durch Gottes Gebot von seinem verlorenen und bösen Herzenszustand
überführen lässt, wer nun nichts mehr zu seiner Entschuldigung sagt, sich
vielmehr vor Gott ganz und gar schuldig gibt — wer aber dann im Gehorsam des
Glaubens Jesus, den Gekreuzigten, annimmt als den Versöhner, wer an Ihn glaubt
als den, der Sünder gerecht spricht, — kurz: wer diesen von Gott selbst
verordneten Heilsweg in der Wahrheit geht, der ist in die Arche aufgenommen.
Der ist geborgen im Frieden mit Gott. Der weiß sich gerettet vor dem
Zorngericht Gottes. Und er singt mit dem 46. Psalm: „Wenngleich die Welt
unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, — dennoch soll die Stadt
Gottes fein lustig bleiben..." Ja, die Welt wird untergehen in Gottes
Gericht. Sie wird ertrinken im Meer ihrer Schuld und verbrennen in den Flammen
des Zorns. Aber von der Stadt Gottes heißt es Jesaja 33, 24: „Das Volk, das
darin wohnt, wird Vergebung der Sünden haben." Welch sichere Arche bietet
Gott uns an im Kreuz!
3. Der Entscheidungs-Charakter der Arche
„Da ging Noah in die Arche..." Und nun folgt ein
seltsames Sätzchen: „...und der Herr schloss hinter ihm zu."
Was heißt denn das? Nun machte Gott selbst einen Unterschied
zwischen drinnen und draußen. Noah war gerettet und konnte nicht mehr heraus.
Und die andern waren verloren, und die Arche konnte sie nicht mehr aufnehmen.
„Gott schloss hinter
ihm zu." Das gibt es auch bei der neutestamentlichen Kreuzesarche.
Irgendwann müssen wir uns einmal klar für den Herrn entscheiden. Das ist unser
Schritt. Aber selige Stunde, wenn dann Gott Seinen Schritt tut und zuschließt.
Paulus drückt das so aus: „Der Geist gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes
Kinder sind." Die Bibel nennt das „Versiegelung mit dem Heiligen
Geist". Da ist man seines Heils gewiss. Da erlebt man wohl noch Kämpfe,
Niederlagen und Nöte. Aber — man kann nicht mehr herausfallen aus dem Heil.
„Gott schloss
hinter ihm zu." Das heißt aber weiter: Die draußen konnten auch nicht mehr
hinein. Vielleicht waren da Bekannte des Noah. Als die Sintflut losbrach,
erinnerten sie sich seiner, nahmen einen Kahn und klopften an der Arche an.
Aber die blieb verschlossen, und der Sturm riss den Kahn in die Tiefe. Es
rettet uns einmal nicht die Bekanntschaft mit Christen. Wir müssen selbst in
der Arche geborgen sein.
Und da waren wohl auch Leute, die hatten an der Arche
mitgebaut. O, wie mögen sie angeklopft haben! Aber sie kamen um. Man kann als
Pfarrer und Mithelfer in der Arbeit des Reiches Gottes am Bau der Arche
beteiligt gewesen sein — und geht doch verloren, weil man selbst die Rettung
nicht angenommen hat.
Als die Sintflut hereinbrach, war die Arche plötzlich nicht
mehr unzeitgemäß. Und wer weise ist, der weiß, dass es heute nichts Wichtigeres
gibt als Jesu Sterben für uns.
Darum freue ich mich, zum Schluss sagen zu dürfen: Die
Rettungs-Arche im Kreuze Jesu steht für uns alle heute offen.