Die Mitternacht der Weltgeschichte
von
Pfr. Wilhelm Busch (1897-1966)
Wenn
ich manchmal abends nicht einschlafen kann, und die Uhr «zwölf» schlagen höre,
bewegt es mich immer, dass unwiederbringlich ein Tag zu Ende gegangen ist.
So
wird auch für die Weltgeschichte eine Mitternachtsstunde kommen.
Da
wird es sehr dunkel sein
Der
Herr Jesus hat uns sehr deutlich das Hereinbrechen der Nacht geschildert. Da
werden politisches Chaos, wirtschaftliches Durcheinander und religiöse
Verwirrung die Menschen ratlos machen. In dieser unheimlichen Welt werden die
Menschen sich nur noch um sich selber kümmern, gierig nach Essen, Trinken und
Erotik. Und die Knechte Gottes werden innerlich schläfrig werden. Ja, und dann
kommt die Mitternachtsstunde heran. Da wird es unheimlich finster sein.
Der
Herr Jesus sagt: «Sonne und Mond werden ihren Schein verlieren, und die Sterne
werden vom Himmel fallen.»
Es
kann sein, dass der Herr hier von großen Naturkatastrophen redet. Die festen
Naturordnungen, mit denen die Menschen so sicher rechneten, verschwinden, und
das völlige Chaos bricht heran wie eine Flut.
Es
kann sein, dass Jesu Wort so zu verstehen ist. Aber nach meinem Verständnis der
Bibel dürfen wir noch nach einem tieferen Sinn suchen. In der biblischen
Bildersprache bedeutet die Sonne den Herrn Jesus Christus. «Die Sonne verlor
ihren Schein.» Da hat die Welt Jesus völlig verworfen, und es wird eine
Jesus-lose Welt sein. Da gibt es keinen Trost für die Sterbenden. Da weiß man
nicht mehr, dass der Mensch ein Gedanke Gottes ist. Er ist nur noch «Material».
Das ist dann eine Welt ganz ohne Liebe und Barmherzigkeit. Das ist die
gnadenlose Welt - ähnlich dem heutigen Straßenverkehr: Jeder achtet nur auf
sein eigenes Vorwärtskommen. Da wird nicht mehr gebetet, nur noch geflucht.
Wenn die Sonne Jesus ihren Schein verloren hat, hört man nur noch das Gelächter
Satans über einer entseelten Welt.
«Und
der Mond verliert seinen Schein.» Der Mond empfängt sein Licht von der Sonne.
Er
ist also ein Bild der Kirche. Diese Kirche wird noch da sein - aber ohne
Schein. Da werden kraftlose Predigten gehalten, die kein Gewissen anrühren. Da
werden Prediger sein, die selbst in Sünden leben, christliche Zeitschriften
ohne Botschaft, Tröster ohne Trost, Helfer, die nicht helfen können,
Vielgeschäftigkeit ohne Inhalt, Organisation ohne Leben: tote Kirche!
«Und
die Sterne werden vom Himmel fallen.» In der biblischen Bildersprache sind die
Sterne hervorragende Lehrer des Evangeliums. Sie fallen - sie fallen dem
Zeitgeist anheim, sie fallen in Sünde und Schande.
Da
werden in jener Mitternachtsstunde der Welt nur noch die als Christen übrig
bleiben, die es gelernt haben, ganz selbständig zu stehen auf dem Felsen des
Heils; deren Glaube nicht von Predigern und Kirchen abhängt. Es sind die,
welche «in Christo» sind.
Das
ist die dunkelste Stunde der Welt, wo der Antichrist regiert und der Mensch
sich selbst überlassen ist von Gott. Doch dann schlägt es «zwölf» auf der Uhr
Gottes.
Da
wird es sehr hell werden
«Und
alsdann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel... und sie
werden sehen kommen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer
Macht und Herrlichkeit.»
Das
wird ein Aufwachen geben um Mitternacht!
Unsere
Gedanken bleiben hängen an dem seltsamen Wort «Zeichen des Menschensohnes».
Was
ist das? Ich weiß es nicht. Der große Ausleger A. Bengel sagt dazu: «Es mag ein
Kreuz sein. Ein Kreuz war zuvor ein 'Zeichen, dem widersprochen wird' (Lukas 2,
34), alsdann wird es ein öffentliches Zeichen sein. Es mag auch darin bestehen,
dass man das himmlische Heer erblicken wird, ehe der Herr selbst wahrgenommen
wird. Ein Monarch hat viele Wagen, aber einen Leibwagen, der vor andern
prächtig ist.»
Das
ist wichtig: Der Herr Jesus selbst kommt in großer Kraft und Herrlichkeit. Der
Schleier der ewigen Welt zerreißt, die Kulissen der dreidimensionalen Welt
kippen um. Mit einem Schlage wird offenbar: Es war keine Narrheit, wenn wir
beten: «Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.» Das Kind, das
in der Herberge zu Bethlehem geboren wurde in Armut - das Kind ist der Herr.
Der Gelästerte von Golgatha ist Gott! «Es werden heulen alle Geschlechter auf
Erden.» Das wird ein Aufheulen sein! Und mit Recht! Alle Herren hat man geehrt,
nur den Einen nicht, der allein Herr ist. Jedes Zukünftige hat man gefürchtet,
nur die Zukunft dessen nicht, dem alle Zukunft gehört. Jeden Helfer hat man
gesucht, nur den Einen nicht, der allein helfen kann. Jeden Unsinn hat man
geglaubt, nur dem Einen glaubte man nicht, der die Wahrheit ist. Schauerlich
hell wird es werden. In dem Licht wird man uns sehen, wie wir sind, töricht,
böse und verloren. Und es «heulen alle Geschlechter auf Erden».
Da
wird es sehr fröhlich werden
«Alle
Geschlechter werden heulen?» Nein! Jetzt macht der Herr Jesus gleich eine
Ausnahme: Es gibt ein Geschlecht der «Auserwählten». Das ist Gottes Geschlecht.
O ja, es gibt eine Schar von Menschen, die durch Busse und Wiedergeburt Kinder
Gottes wurden. Es sind die Leute, die das Wort aus Römer 8 begreifen: «Sein
Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.»
Diese
freuen sich über das Kommen des Herrn Jesus mit unaussprechlicher und
herrlicher Freude. Ihr Glauben und Hoffen war nicht vergeblich. Sie werden nun
bei dem Herrn sein allezeit.
Ist
das nicht auch eine Freudige Erwartung?