Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Die Geschichte vom verachteten König

 

1. Samuel 10, 27: „Aber etliche lose Leute sprachen: Was sollte uns dieser helfen? und verachteten ihn und brachten ihm kein Geschenk. Aber er tat, als hörte er's nicht.“

 

Irgendwo ist ein großes Ereignis: Minister-Treffen, Länder-Fußballspiel oder Königsbesuch. Was es auch sei – überall wimmeln die Reporter der großen Zeitungen herum und suchen möglichst nah an den Kern der Ereignisse vorzudringen.

Die ganz klugen Reporter aber berichten nicht nur von dem großen Ereignis. Sie erzählen auch von kleinen Begebnissen am Rande. Die nämlich machen so einen Bericht erst richtig interessant.

Bei unserer Textgeschichte, die vor fast 3000 Jahren geschrieben wurde, könnte man meinen, es sei so ein moderner Reporter am Werk gewesen. Da wird uns nämlich zuerst von einem bedeutenden politischen Ereignis berichtet: Israel wählte durchs Los seinen ersten König. Das war eine aufregende Sache. Und als der stattliche junge Saul gewählt war, gab es Jubel, Geschrei und Festbraten.

Der Berichterstatter strich am Rand der Begebenheiten herum und erlebte eine kleine „Szene am Rande“: Ein paar Unzufriedene spotteten: „Was soll uns dieser Bauernjunge helfen?! Dem bringen wir keine Huldigung!“ Und plötzlich verstummten sie; denn in diesem Augenblick kam der junge König vorbei. Er musste das verächtliche Wort gehört haben. Erstaunt berichtet der Reporter: „Er tat, als hörte er's nicht.“

Diese Randepisode ist wichtig im Ganzen der Bibel.

 

1) Er zeigt eine erstaunliche Weisheit

 

Ein junger König, eben an die Macht gekommen, muss sich solche niederträchtigen Reden anhören! Wie hätten wir wohl reagiert? Wir können darauf schlecht antworten, weil wir noch nie König waren? Aber niederträchtige Reden über uns haben wir doch schon erlebt. Wie haben wir reagiert? Wir waren wütend. Wir waren beleidigt. Wir haben eine Klage angestrengt. Wir haben uns verteidigt und gerechtfertigt. Wir haben gesagt, wir könnten „so etwas unmöglich auf uns sitzen lassen“.

Und Saul? „Er war wie taub seiend“, heißt es wörtlich. Er tat, als hörte er's nicht. Das war göttliche Weisheit. Hier war er vom Heiligen Geist geleitet.

Was hätte das für Kräche, Zankereien, Verhöre und Prozesse gegeben, wäre Saul nicht so wundervoll „taub“ gewesen!

Jedes Mal, wenn ein Krach nicht stattfindet, ist dem Teufel ein Konzept verdorben worden. Jeder Streit, der im Keime erstickt wird, ist ein Sieg des Geistes Gottes.

Wohl gibt es Fälle, wo wir um des Gewissens willen in den Streit gehen müssen. Luther musste nach Gottes Willen den Kampf gegen Kaiser und Papst um des Gewissens willen führen.

Aber wenn es um unsere eigene Ehre und um unsere Interessen geht, gilt das Wort Jesu: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“

„Saul tat, als hörte er's nicht.“ Ich habe mich gefragt, ob das nicht ein menschlich-netter Hochmut vom Saul war. Ich habe einen Mann in ähnlicher Lage einmal stolz sagen hören: „Es kümmert den Mond nicht, wenn die Hunde ihn anbellen.“ Hat der junge König so gedacht? Ich glaube nicht – nach allem, was die Bibel aus seiner ersten Regierungszeit berichtet. Im Gegenteil! Als die „losen Leute“ spotteten: „Was soll uns dieser helfen?“ hat er wahrscheinlich gedacht: „Wie recht haben diese Leute!“ Und darum stellte er sich taub.

Solche Herzensdemut ist eine köstliche Haltung. Man lernt sie, wenn man vor Gott lebt. In seinem Licht lernt man das eigene Herz kennen. Und wer das kennt, hält nicht mehr hoch von sich. Gott aber liebt die Demütigen. Die Bibel sagt: „Gott widersteht den Hoffärtigen. Aber den Demütigen gibt er Gnade.“

Wie einst Saul, so hat es der gesegnete Erweckungsprediger des oberbergischen Landes, Pastor Engels, gehalten. In seinem Nachlass fand man einige Leitsätze für sein Leben. Da steht der Satz: „Ich will mich nie rechtfertigen.“ Diese Stellung sollten auch wir einnehmen. Dabei kann uns sicher Unrecht geschehen. Aber damit sind wir auf Jesu Weg. Der hat sich auch nicht gerechtfertigt. „Er stellte es aber dem anheim, der da recht richtet.“

 

2) Die biblische Linie vom verachteten König

 

Das Lied vom verachteten König ist wie eine Melodie, die man durch die ganze Bibel verfolgen kann:

Da ist Josef, dem Gott in Träumen gezeigt hat, dass er ein königliches Diadem tragen wird. Seine Brüder aber verspotten ihn.

Da ist David, den Samuel zum König gesalbt hat. Aber er muss als Flüchtling in der Wüste sich bergen. Und als später sein Sohn Absalom sich gegen ihn empört, muss David die Schmähungen des Simei erdulden. Seine Freunde, die ihn verteidigen wollen, wehrt er ab: „Lasst ihn. Der Herr hat's ihn geheißen.“

Da ist Hiskia, der Boten aussendet, um zu einem Gottesfest einzuladen. „Aber“, heißt es in 2. Chronika 30, „die verlachten sie und spotteten ihrer.“

Da ist Serubabel, den der Prophet Sacharja trösten muss.

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Bibel die Geschichte vom verachteten König. Diese Linie zielt auf Jesus. Er ist der verachtete König, wie es nie wieder einen gegeben hat. Der junge König Saul in unsrem Text ist also ein heimlicher Hinweis auf den König Jesus.

Jesus ist König! Nein – er ist der „König der Könige und Herr aller Herren.“ Er ist zum Amt des WeIt-Königs nicht von einem Volke gewählt, auch nicht aus eigener Macht auf den Thron gekommen. Er ist vom lebendigen Gott dazu bestimmt. Der sagt: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.“ Es ist wohl kaum je ein unerhörteres Wort gesagt worden als dies: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel wie auf Erden.“

Aber – wie verachtet ist dieser König Jesus! „Was sollte uns dieser helfen?“ sagte man von Saul. Und so sagt man von Jesus. Die Kriegsknechte, die Jesus bei seiner Passion verspottet haben, haben den Ton angegeben. Jesus ist der König, der die Spottkrone aus Dornen trägt. Bei seiner Kreuzigung heißt es: „Es verspotteten ihn die Ältesten und Hohenpriester.“ Und wie hieß der Spott? „Er kann sich selbst nicht helfen!“ Ja, sogar der Schächer, der mit ihm gekreuzigt ist, spottet: „Bist du Gottes Sohn, so hilf dir selbst und uns!“ Genau wie bei Saul: „Was sollte dieser uns helfen?!“

Im Grunde ist diese Verachtung Jesu, die in Worten Ausdruck findet, gar nicht so schlimm. Viel schlimmer ist, dass unser Herz, unser Christenherz, ganz heimlich auch Jesus verachtet und denkt: „Was sollte der uns helfen!“ Wir würden ja im Alltag ganz anders mit Jesus leben – wir würden unsre Dinge vor ihm ordnen, wenn wir ernsthaft glaubten, dass er uns helfen kann. O unser heimlicher Unglaube! Unser Mund singt Jesus-Lieder. Aber unser Herz ist ohne ihn!

 

3) „Er tat, als hörte er's nicht.“

 

Hier muss ich mich wirklich darauf besinnen, dass ursprünglich von Saul die Rede ist; denn besser könnte man nicht ausdrücken, was über Jesu Verhalten zur Welt gesagt werden muss: „Er tut, als hörte er es nicht“, wie die Welt über ihn heimlich und laut spottet. 2000 Jahre ist es her, dass Jesus sagte: „Mir ist gegeben alle Gewalt.“ Und mehr als je tut die Welt, als sei das nichts. „Was sollte uns dieser helfen?“ sagten seit jeher die Kinder der Welt, „und brachten ihm keine Huldigung“. Und Jesus tut, als sehe und höre er das alles nicht.

Allerdings – eine einzige Ausnahme gibt es. Es gibt eine Verspottung Jesu, die er „die Sünde wider den Heiligen Geist“ nennt. Von der sagt er, dass sie gehört, registriert und nie vergeben wird. Diese Sünde hat Jesus bei den Pharisäern seiner Zeit konstatiert. Wann wird denn diese seltsame „Sünde wider den Heiligen Geist“ begangen? Wenn ein Mensch Jesus vor anderen verspottet, obwohl der Heilige Geist ihm im Herzen klar bezeugt: „Dieser ist Gottes Sohn und dein Erlöser.“ Hüten wir uns davor!

Und nun: Wie Saul durch die Reihen seines Volkes, so geht Jesus, der König, durch diese Welt. Sie gehört ihm. Für alle ist er gestorben. über alle ist er von Gott zum Herrn gesetzt. Jetzt sind wir gefragt: Wollen wir laut oder heimlich dabei bleiben: „Was sollte dieser uns helfen?“ Oder wollen wir ihn annehmen und ihm – wie es hier heißt – „Geschenke bringen“? Es gibt nur ein wirklich gültiges Geschenk für den König Jesus: Gib ihm dein Leben!