1. Samuel 10, 27: „Aber etliche lose
Leute sprachen: Was sollte uns dieser helfen? und verachteten ihn und brachten ihm
kein Geschenk. Aber er tat, als hörte er's nicht.“
Irgendwo
ist ein großes Ereignis: Minister-Treffen, Länder-Fußballspiel oder
Königsbesuch. Was es auch sei – überall wimmeln die Reporter der großen
Zeitungen herum und suchen möglichst nah an den Kern der Ereignisse
vorzudringen.
Die
ganz klugen Reporter aber berichten nicht nur von dem großen Ereignis. Sie
erzählen auch von kleinen Begebnissen am Rande. Die nämlich machen so einen
Bericht erst richtig interessant.
Bei
unserer Textgeschichte, die vor fast 3000 Jahren geschrieben wurde, könnte man
meinen, es sei so ein moderner Reporter am Werk gewesen. Da wird uns nämlich
zuerst von einem bedeutenden politischen Ereignis berichtet: Israel wählte durchs
Los seinen ersten König. Das war eine aufregende Sache. Und als der stattliche
junge Saul gewählt war, gab es Jubel, Geschrei und Festbraten.
Der
Berichterstatter strich am Rand der Begebenheiten herum und erlebte eine kleine
„Szene am Rande“: Ein paar Unzufriedene spotteten: „Was soll uns dieser
Bauernjunge helfen?! Dem bringen wir keine Huldigung!“ Und plötzlich
verstummten sie; denn in diesem Augenblick kam der junge König vorbei. Er musste
das verächtliche Wort gehört haben. Erstaunt berichtet der Reporter: „Er tat,
als hörte er's nicht.“
Diese
Randepisode ist wichtig im Ganzen der Bibel.
1) Er zeigt eine erstaunliche Weisheit
Ein
junger König, eben an die Macht gekommen, muss sich solche niederträchtigen
Reden anhören! Wie hätten wir wohl reagiert? Wir können darauf schlecht
antworten, weil wir noch nie König waren? Aber niederträchtige Reden über uns
haben wir doch schon erlebt. Wie haben wir reagiert? Wir waren wütend. Wir waren
beleidigt. Wir haben eine Klage angestrengt. Wir haben uns verteidigt und
gerechtfertigt. Wir haben gesagt, wir könnten „so etwas unmöglich auf uns
sitzen lassen“.
Und
Saul? „Er war wie taub seiend“, heißt es wörtlich. Er tat, als hörte er's
nicht. Das war göttliche Weisheit. Hier war er vom Heiligen Geist geleitet.
Was
hätte das für Kräche, Zankereien, Verhöre und Prozesse gegeben, wäre Saul nicht
so wundervoll „taub“ gewesen!
Jedes
Mal, wenn ein Krach nicht stattfindet, ist dem Teufel ein Konzept verdorben
worden. Jeder Streit, der im Keime erstickt wird, ist ein Sieg des Geistes
Gottes.
Wohl
gibt es Fälle, wo wir um des Gewissens willen in den Streit gehen müssen.
Luther musste nach Gottes Willen den Kampf gegen Kaiser und Papst um des
Gewissens willen führen.
Aber
wenn es um unsere eigene Ehre und um unsere Interessen geht, gilt das Wort Jesu:
„Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
„Saul
tat, als hörte er's nicht.“ Ich habe mich gefragt, ob das nicht ein menschlich-netter
Hochmut vom Saul war. Ich habe einen Mann in ähnlicher Lage einmal stolz sagen
hören: „Es kümmert den Mond nicht, wenn die Hunde ihn anbellen.“ Hat der junge
König so gedacht? Ich glaube nicht – nach allem, was die Bibel aus seiner
ersten Regierungszeit berichtet. Im Gegenteil! Als die „losen Leute“ spotteten:
„Was soll uns dieser helfen?“ hat er wahrscheinlich gedacht: „Wie recht haben diese
Leute!“ Und darum stellte er sich taub.
Solche
Herzensdemut ist eine köstliche Haltung. Man lernt sie, wenn man vor Gott lebt.
In seinem Licht lernt man das eigene Herz kennen. Und wer das kennt, hält nicht
mehr hoch von sich. Gott aber liebt die Demütigen. Die Bibel sagt: „Gott widersteht
den Hoffärtigen. Aber den Demütigen gibt er Gnade.“
Wie
einst Saul, so hat es der gesegnete Erweckungsprediger des oberbergischen
Landes, Pastor Engels, gehalten. In seinem Nachlass fand man einige Leitsätze
für sein Leben. Da steht der Satz: „Ich will mich nie rechtfertigen.“ Diese
Stellung sollten auch wir einnehmen. Dabei kann uns sicher Unrecht geschehen.
Aber damit sind wir auf Jesu Weg. Der hat sich auch nicht gerechtfertigt. „Er
stellte es aber dem anheim, der da recht richtet.“
2) Die biblische Linie vom verachteten König
Das
Lied vom verachteten König ist wie eine Melodie, die man durch die ganze Bibel
verfolgen kann:
Da
ist Josef, dem Gott in Träumen gezeigt hat, dass er ein königliches Diadem
tragen wird. Seine Brüder aber verspotten ihn.
Da
ist David, den Samuel zum König gesalbt hat. Aber er muss als Flüchtling in der
Wüste sich bergen. Und als später sein Sohn Absalom sich gegen ihn empört, muss
David die Schmähungen des Simei erdulden. Seine
Freunde, die ihn verteidigen wollen, wehrt er ab: „Lasst ihn. Der Herr hat's
ihn geheißen.“
Da
ist Hiskia, der Boten aussendet, um zu einem Gottesfest einzuladen. „Aber“,
heißt es in 2. Chronika 30, „die verlachten sie und
spotteten ihrer.“
Da
ist Serubabel, den der Prophet Sacharja trösten muss.
Wie
ein roter Faden zieht sich durch die Bibel die Geschichte vom verachteten
König. Diese Linie zielt auf Jesus. Er ist der
verachtete König, wie es nie wieder einen gegeben hat. Der junge König Saul in
unsrem Text ist also ein heimlicher Hinweis auf den König Jesus.
Jesus
ist König! Nein – er ist der „König der Könige und Herr aller Herren.“ Er ist
zum Amt des WeIt-Königs nicht von einem Volke
gewählt, auch nicht aus eigener Macht auf den Thron gekommen. Er ist vom
lebendigen Gott dazu bestimmt. Der sagt: „Ich habe meinen König eingesetzt auf
meinem heiligen Berg Zion.“ Es ist wohl kaum je ein unerhörteres
Wort gesagt worden als dies: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel wie auf
Erden.“
Aber
– wie verachtet ist dieser König Jesus! „Was sollte uns dieser helfen?“ sagte
man von Saul. Und so sagt man von Jesus. Die Kriegsknechte, die Jesus bei
seiner Passion verspottet haben, haben den Ton angegeben. Jesus ist der König, der
die Spottkrone aus Dornen trägt. Bei seiner Kreuzigung heißt es: „Es
verspotteten ihn die Ältesten und Hohenpriester.“ Und wie hieß der Spott? „Er
kann sich selbst nicht helfen!“ Ja, sogar der Schächer, der mit ihm gekreuzigt
ist, spottet: „Bist du Gottes Sohn, so hilf dir selbst und uns!“ Genau wie bei
Saul: „Was sollte dieser uns helfen?!“
Im
Grunde ist diese Verachtung Jesu, die in Worten Ausdruck findet, gar nicht so
schlimm. Viel schlimmer ist, dass unser Herz, unser Christenherz, ganz heimlich
auch Jesus verachtet und denkt: „Was sollte der uns helfen!“ Wir würden ja im Alltag
ganz anders mit Jesus leben – wir würden unsre Dinge vor ihm ordnen, wenn wir
ernsthaft glaubten, dass er uns helfen kann. O unser heimlicher Unglaube! Unser
Mund singt Jesus-Lieder. Aber unser Herz ist ohne ihn!
3) „Er tat, als hörte er's nicht.“
Hier
muss ich mich wirklich darauf besinnen, dass ursprünglich von Saul die Rede
ist; denn besser könnte man nicht ausdrücken, was über Jesu Verhalten zur Welt
gesagt werden muss: „Er tut, als hörte er es nicht“, wie die Welt über ihn
heimlich und laut spottet. 2000 Jahre ist es her, dass Jesus sagte: „Mir ist
gegeben alle Gewalt.“ Und mehr als je tut die Welt, als sei das nichts. „Was
sollte uns dieser helfen?“ sagten seit jeher die Kinder der Welt, „und brachten
ihm keine Huldigung“. Und Jesus tut, als sehe und höre er das alles nicht.
Allerdings
– eine einzige Ausnahme gibt es. Es gibt eine Verspottung Jesu, die er „die
Sünde wider den Heiligen Geist“ nennt. Von der sagt er, dass sie gehört,
registriert und nie vergeben wird. Diese Sünde hat Jesus bei den Pharisäern
seiner Zeit konstatiert. Wann wird denn diese seltsame „Sünde wider den
Heiligen Geist“ begangen? Wenn ein Mensch Jesus vor anderen verspottet, obwohl
der Heilige Geist ihm im Herzen klar bezeugt: „Dieser ist Gottes Sohn und dein
Erlöser.“ Hüten wir uns davor!
Und
nun: Wie Saul durch die Reihen seines Volkes, so geht Jesus, der König, durch
diese Welt. Sie gehört ihm. Für alle ist er gestorben. über alle ist er von
Gott zum Herrn gesetzt. Jetzt sind wir gefragt: Wollen wir laut oder heimlich
dabei bleiben: „Was sollte dieser uns helfen?“ Oder wollen wir ihn annehmen und
ihm – wie es hier heißt – „Geschenke bringen“? Es gibt nur ein wirklich
gültiges Geschenk für den König Jesus: Gib ihm dein Leben!