1. Chronik 12, 17-18: „David aber ging
heraus zu ihnen und antwortete und sprach zu ihnen: Kommt ihr in Frieden zu mir
und mir zu helfen, so soll mein Herz mit euch sein; kommt ihr aber mit List und
mir zuwider zu sein, da doch kein Frevel an mir ist, so sehe der Gott unserer Väter
darein und strafe es. Aber der Geist ergriff Amasai, den
Hauptmann unter den dreißig: Dein sind wir, David, und mit dir halten wir's, du
Sohn Isais. Friede, Friede sei mit dir! Friede sei
mit deinen Helfern! denn dein Gott hilft dir.“
Ich
stand einmal auf einer Bergeshöhe in Fiume an der
jugoslawischen Küste. Da erzählte mir ein Einheimischer von den letzten
Kriegstagen: „Sehen Sie, rings auf den Höhen lagen fünf verschiedene Armeen.
Und alle schossen auf alle.“ „Wie!“ fragte ich, „da waren doch nur die
Alliierten und die Deutschen.“ Er lachte: „O, Sie vergessen die Partisanen und
die Untergrund-Kämpfer. Da waren Titos Leute und die monarchistischen
Partisanen und der italienische Untergrund.“
.Ach
ja!“ seufzte ich. „Partisanen und Untergrund-Armeen – das ist auch so eine
Erfindung der unruhigen Neuzeit!
Und
seht! Da irrte ich mich. Als ich unseren Text las, entdeckte ich: So etwas gab
es schon in uralter Zeit. Unsre Geschichte führt uns hinein in eine Partisanen-Gruppe
um das Jahr 1000 v. Chr. Sie lebte in einem einsamen Felsgebirge. Ihr Anführer
war David, der große Psalmsänger. Der König Saul von Israel suchte vergeblich,
diese Untergrund-Gruppe zu liquidieren.
Eines
Tages stößt ein neuer Trupp zu David unter der Führung eines Mannes namens Amasai. Wir spüren die gefährliche Misstrauens-Atmosphäre,
als David den Amasai ausfragt: „Wer bist du? Decke
deine Karten auf!“ Da gibt Amasai die wundervolle
Antwort: „Dein sind wir, und mit dir halten wir’s, du Sohn Isais!“
Nun
müssten wir die ganze Sache nur ansehen als eine der üblichen
Partisanengeschichten, wenn da nicht zwei Worte wären, die uns auf eine tiefere
Bedeutung führen. Da steht seltsamerweise: „Da geriet der heilige Geist über Amasai.“ Und das andere Wort heißt „Sohn Isais“. Dieser Ausdruck findet sich bei den Propheten und
weist uns darauf, dass dieser David der Träger aller Verheißungen Gottes war.
1) Herr Lästig findet den rechten Platz
Einen
seltsamen Namen hat man einst bei seiner Geburt dem Amasai
gegeben: Amasai = der Lästige. Da ahnen wir eine erschütternde
Jungen-Geschichte! Er war offenbar ein unerwünschtes Kind – vielleicht eines
jener Kinder, die ohne Vater und schützende Familie aufwachsen müssen.
Denkt
nur, wie einem Jungen zu Mute sein muss, dem sein Name jeden Tag sagt, dass er
eine Last ist.
Nun
ist er ein Mann geworden, und wir sehen ihn, wie er zu den verfemten Partisanen
zieht. Es hat sich in seinem Leben offenbar nicht viel geändert: Er war auch
als Mann im Königreich Sauls „der Lästige“ Das mag an ihm gelegen haben. Er war
sicher ein schwieriger Mensch geworden. Wer in seiner Jugend keine Liebe
erfährt, bei dem verbiegt sich innerlich alles.
Und
nun findet der Amasai den David und seine Schar. Es
ist eine armselige Schar, verfolgt, verachtet, verspottet. Sie folgen einem
Herrn, der sagen kann: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel
haben Nester. Aber Isais Sohn hat nicht, da er sein
Haupt hinlege.“
Zu
dieser seltsamen Schar findet Amasai. Und wir spüren seinen
Worten an: Hier fallen alle Minderwertigkeitskomplexe von ihm ab. Hier löst
sich alle Verkrampfung. Es ist fast wie ein Lachen in seiner Stimme, als er
etwa so sagt: „Ich heiße der Lästige. Aber dir, Sohn Isais,
darf ich lästig werden. Ich weiß, dass du mich gern aufnimmst!“
Ich
denke, ihr merkt schon, worauf unser Text hinaus will. Aus dem Geschlecht
Davids stammt der Sohn Gottes nach seiner irdischen Gestalt. Und darum nennt
die Bibel den Herrn Jesus auch „den Spross aus dem Stamme Isais“.
Auch dieser Sohn Isais hatte nicht, wo er sein Haupt
hinlegen konnte. O mehr! Er wurde sogar gekreuzigt. Aber er lebt und sammelt sich
eine Schar – die Gemeinde Jesu.
Und
seht: Jesus und seine Schar – das ist der rechte Platz für alle Amasais unsrer Zeit, für all die Einsamen, Unverstandenen,
Herumgestoßenen. Laut ruft der Isai-Sohn in diese
verzweifelte Welt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.
Ich will euch erquicken.“
Es
ist einfach Tatsache: Wo ein Mensch Jesus als seinen Heiland findet, da lösen
sich die Komplexe und Verkrampfungen. Bei ihm ist man nicht mehr der „Lästige“,
sondern der „Willkommene“.
2) Eine zweifelhafte Sehnsucht wird erfüllt
Als
ich kürzlich auf unsere Textgeschichte stieß, bin ich richtig erschrocken. „Dein
sind wir, du Sohn Isais!“ Darf denn wirklich ein
Mensch zu einem anderen Menschen so sprechen? Wir kommen hier an eine Sache,
die für unsere Zeit sehr wichtig ist.
Je
einsamer der Mensch heute ist, desto mehr wacht eine seltsame Ursehnsucht in
ihm auf: Wir möchten uns verlieren an einen anderen – bis zur Selbstaufgabe.
Nur
aus dieser Ursehnsucht heraus sind die faszinierenden Menschen der Weltgeschichte
zu verstehen: ein Napoleon, ein Hitler, ein Lenin. Hingerissen und hingegeben
folgen die Menschen diesen Männern in den Abgrund.
Die
Bibel warnt ernst davor und weist darauf hin, dass dies eine stille Absage an
Gott bedeutet. Und die Bibel sagt uns weiter, dass am Ende noch einmal solch
ein Mann ganz großen Formats auftreten wird: der Antichrist. Meine Mutter hat
uns erzählt von einer alten Magd in ihrem Elternhaus, die oft die Kinder
beschworen hat: „Nehmet nur das Zeichen des Antichrists einmal nicht an!“ Diese
alte Magd kannte die Sehnsucht unseres Herzens, hörig zu werden.
Nun
leben wir in den Tagen kleiner Dinge. Da nehmen die Herzen mit weniger vorlieb. Männer werden Frauen hörig und zerstören so
ihre eigene Familie. Im kenne Jungen, die einem Freund hörig wurden. Das ist in
jedem Falle Absage an Gott.
Wie
verhält es sich denn nun in unserer Geschichte mit dem Wort des Amasai: „Dein sind wir, Sohn Isais“?
Liegt hier nicht so ein furchtbarer Fall vor, wo ein Mann sich aufgibt und hörig
wird?
O
nein! Wir müssen in David mehr sehen als einen Partisanenführer. Die Bibel
zeigt ihn als Vorbild Jesu Christi. Gott hat sein Reich im Alten Bund in
einzelnen Menschen statuiert: in Abraham, Jakob, Mose, David. Da ist eine Linie
von Menschen, die Träger des Gottesreiches sind. Diese Linie endet in Jesus.
Und jeder dieser Männer vorher trägt schon heimlich das Gesicht Jesu.
Zu
dem Repräsentanten des Reiches Gottes auf Erden also spricht Amasai so, wie wir zu Jesus sprechen dürfen: „Dein sind
wir, Jesus, und mit dir halten wir's, du Sohn Isais
und Sohn Gottes.“ Jesus ist der einzige, an den wir uns verlieren dürfen, dem
wir hörig werden dürfen, ohne Gott abzusagen. Im Gegenteil! So werden wir
Kinder Gottes.
Wir
haben hier in unserem Text das Urbild einer wirklichen Bekehrung: So kommt ein Amasai, einer, der sich selbst und der Welt lästig ist, zu
dem verachteten und verspotteten Mann von Golgatha: „Dein bin ich, Jesus, und
mit dir halte ich's, du Sohn Gottes!“
So
klingt es in unseren Liedern: „Wem anders sollt ich mich ergeben / o König, der
am Kreuz verblich. Hier opfere ich dir mein Gut und Leben …“ So hat es Gerhard Tersteegen gemacht, als er sich in einer Karfreitagnacht
mit seinem Blut dem Sohne Gottes verschrieb.
Christen
sind Jesus-hörige Leute. Und ich bin überzeugt, dass wir mit dieser
Ursehnsucht, sich an den Einen zu verlieren, auf Jesus angelegt sind. Augustin
sagt: „Unser Herz ist unruhig in uns, bis es ruht in dir.“
3) Die Untergrundbewegung Jesu
Nun
möchte ich noch einen Gedanken aussprechen, der sich uns bei dieser
Kurzgeschichte aufdrängt. Wir sahen, wie hinter dem Bild des Partisanenführers
David das Bild Jesu auftaucht. Ich hätte fast gesagt: des Partisanenführers
Jesus. Ja, ich muss gestehen: Das meine ich!
Der
Sohn Gottes hat seit seiner Auferstehung eine geistliche Untergrundbewegung
angefangen. Weise und Gelehrte, Könige und Volksführer sind ausgezogen, sie zu
vernichten. Aber der Sohn Isais lebt und wirkt und
schafft göttliche Unruhe.
Und
allezeit zieht es die Leute vom Schlage des Amasai zu
ihm hin. Die Gefolgschaft des David wird einmal so geschildert: „Und es
sammelten sich zu ihm allerlei Männer, die in Not und Schulden und betrübten
Herzens waren, und er war ihr Oberster.“
Ja,
so ist es bei Jesus. Mühselige und Beladene, Leute, die vor Gott schuldig sind,
und Entronnene Satans sammeln sich hier. Und es ist in dieser Gemeinde Jesu wie
bei dem Haufen um David: Sie haben im Grunde kein anderes Gesetz und keine andere
Ordnung, als dass sie freudig ihrem Herrn folgen.
Und
wie die Männer Davids lernen die Gefolgsleute Jesu streiten. Sie werden geübt im
Kampf mit Fleisch und Blut, mit Satan und Welt.
Und
wenn man sie fragt, ob sie nicht doch lieber zu den Gewohnheiten der Welt
zurückkehren möchten, schauen sie auf ihren Heiland und erklären: „Dein sind
wir, Jesus, und mit dir halten wir's, du Sohn Gottes. Friede, Friede sei mit
dir! Friede sei mit deinen Helfern! denn dein Gott hilft dir.“