Psalm 122, 1: „Ich freute mich über
die, so mir sagten: Lasset uns ins Haus des Herrn gehen!“
Vor
einiger Zeit hatte ich an ein paar Abenden Vorträge in Trier zu halten. Da habe
ich tagsüber mit einigen Freunden Streifzüge durch das nahe Luxemburg gemacht,
nebenher aber noch ganz andere Streifzüge. Ich bewegte nämlich unseren Text in
meinem Geiste und machte anhand dieser Verse Streifzüge durch Herzen.
1) Wunderliches Menschenherz
Unser
Text führt uns nach Israel. Dort war es Gebot und Sitte, dass man zu den großen
Gottesfesten nach Jerusalem hinaufzog. Da wurde in allen Häusern fröhlich für
die Reise gerüstet. Jeder kannte die Termine, und es war nicht üblich, dass zu diesen
Festen besonders geworben und eingeladen wurde. Das war nicht nötig.
Aber
nun spricht in unserm Text ein Mann, der offenbar eine besondere Einladung und
Aufforderung doch nötig hatte. Wir lesen zwischen den Zeilen, dass er die
Absicht hatte, nicht mitzugehen zu dem Volksfest.
Ja,
warum wollte dieser Mann aus Israel nicht mitgehen, um das Angesicht des Herrn
zu suchen und die Versöhnung mit Gott durch das Opfer?
Vielleicht
war er ein Geschäftsmann oder ein Handwerker, der schrecklich viel zu tun hatte.
„Gott ist Luxus“, dachte er, „die Arbeit geht vor.“
Vielleicht
auch hatte er ein ungläubiges Herz. „Wer weiß“, dachte er, „ob es überhaupt
einen Gott gibt. Und wenn es einen gibt – dann kann er mir doch nichts
vorwerfen. Ich bin doch kein Verbrecher. Ich habe das Versöhnungsopfer nicht nötig.“
Es
kann auch sein, dass sein Leben nicht in Ordnung war, dass er an eine ganz
schmutzige Sünde gebunden war, von der er nicht lassen wollte. Leute, bei denen
es so steht, lassen sich nicht gern an Gott erinnern.
Wie
es auch sei – er wollte nicht mitziehen zum Hause des Herrn.
Aber
nun gab es da in seinem Ort ein paar Leute, denen es wehtat, dass dieser Mann
es verschmähte, seinen Herrn und Heiland zu suchen. So gingen sie zu ihm hin
und redeten ernst mit ihm.
Wie
hätte die Geschichte nun weitergehen müssen? Wir sollten denken, dass dieser
Mann ärgerlich geworden wäre und erklärt hätte: „Lasst mich doch in Ruhe! Das
sind meine Privatangelegenheiten.“
Aber
seltsamerweise geht die Geschichte nicht so weiter. Es ist zum Erstaunen, was
hier steht: „Ich freute mich über die, die zu mir sagten: Lasst uns ins Haus
des Herrn gehen.“ Und dann ging er fröhlich mit.
Wunderliches
Menschenherz! Wie soll man das verstehen? Seht! Jeder Mensch hat tief in seinem
Herzen ein großes Verlangen nach dem lebendigen Gott, und es herrscht da eine
tiefe Verzweiflung, weil man im Grunde ganz genau weiß, dass man durch seine
Sünde von Gott geschieden ist. Es ist da ein großer Hunger nach Frieden mit
Gott, bei jedem Menschen!
Aber
nun melden sich die Vernunft und Fleisch und Blut und die Welt und Freunde und
alles mögliche andere und sagen: „Du wirst doch nicht fromm werden wollen? Das
ist doch alles nur Einbildung und dummes Zeug.“ Und so bleibt man weiter in
seiner trostlosen Situation.
Aber
wenn dann jemand kommt und führt uns aus unserer Gottlosigkeit und aus unserem
Ungehorsam heraus und zieht uns mit zum Herrn Jesus, der für uns das
Versöhnungsopfer geworden ist, dann freut sich das Herz im tiefsten Grunde.
Ich
erinnere mich an eine kleine Szene: Da machte sich einmal meine alte Mutter
auf, um einen gottlosen Bauern zu besuchen, der der ärgste Lästerer und Säufer
im ganzen Dorf war. „Ach, Mutter“, sagte ich, „es hat doch keinen Wert, solch
einen Kerl mit einem seelsorgerlichen Besuch zu belästigen.“ Darauf erwiderte
sie nur: ,,O Kind, die Welt hungert nach Gott, und dieser Mann am allermeisten.“
2) Brennendes Christenherz
Da
rüsteten sich also alle, um nach Jerusalem zum Tempel zu ziehen. Dieser eine
Mann aber sagte: „Ohne mich!“ Jetzt werden die meisten Leute gedacht haben: „Na,
da lasst ihn doch. Was geht das uns an!“ Es gilt ja als höchste Weisheit in der
Welt, dass man sich um den Seelenzustand des anderen möglichst nicht kümmert.
Als ich in Essen Pfarrer wurde, habe ich mit Schrecken entdeckt, wie viel
Streit zwischen Menschen ist, in den Häusern und Familien. Ab und zu aber traf
ich Leute die keinen Krach hatten. Sie erklärten mir: „Wissen Sie, wir kümmern
uns um niemand.“ Das also gilt als die höchste Weisheit in der Welt. Und das
ist schlimm.
So
hat schon am Anfang der Menschheitsgeschichte der Kain erklärt: „Sollt ich
meines Bruders Hüter sein?“ Das schauerliche Gegenstück dazu steht im Neuen
Testament: Da kommt der Judas, der für 30 Silberlinge seinen Heiland verraten
hat, in schrecklicher Gewissensnot zu den Priestern. Aber sie zucken nur die
Achseln und sagen: „Was geht das uns an?“
In
unserer Textgeschichte ist es anders. Da waren fromme Männer in Israel, die
gingen zu ihrem Nachbarn und redeten ihm zu: „Komm, lass uns ins Haus des Herrn
gehen!“ Wie war dieser verirrte Mann glücklich, dass sich seine Nachbarn um ihn
annahmen.
Auch
diese schöne Geschichte hat ein Gegenstück im Neuen Testament: Da hat ein Mann
namens Andreas den Herrn Jesus als seinen Heiland und Erlöser gefunden. Nun drängt
es ihn als erstes, seinen Bruder Petrus aufzusuchen und ihm ganz einfach zu
bezeugen: „Ich habe den Messias gefunden.“ Und dann steht in dem Bericht so
eindrücklich: „Und er führte ihn zu Jesus.“
Das
sind die rechten Christenherzen, die über der Erkenntnis Jesu so brennend
geworden sind, dass sie am liebsten die ganze Welt für den Mann von Golgatha
gewinnen möchten.
Nun
müssen wir darauf achten, dass der Eifer der brennenden Christenherzen nicht
das Geringste gemein hat mit Propaganda. Jede Propaganda will Menschen gewinnen
für irgendeinen Zweck: für ein politisches Programm, für ein Geschäft oder
sonst etwas. Die brennenden Christenherzen aber wollen – retten. Ihnen ist die
unheimliche Wahrheit klar geworden, dass Gott ein heiliger Gott ist, dass alle Menschen
einmal vor ihm stehen müssen und dass wir Menschen dem Gericht Gottes und dem
ewigen Verderben entgegengehen. Und sie haben die gewaltig große Tatsache
begriffen, dass der Sohn Gottes am Kreuz eine Versöhnung mit Gott geschaffen
hat. Wer bei Jesus ist, ist ewig errettet. Darum liegt ihnen so viel daran,
Menschen zu Jesus zu führen.
3) Liebevolles Heilandsherz
Wir
hörten in unserem Text von dem Mann, der von seinen Nachbarn aufgefordert
wurde, nach Jerusalem zum Hause des Herrn zu gehen.
Noch
einmal wird in der Bibel von genau derselben Aufforderung erzählt. In Johannes
7 heißt es: „Es war nahe der Juden Fest. Da sprachen seine Brüder zu Jesus:
Mache dich auf und gehe nach Judäa.“ Der Herr Jesus ist dieser Aufforderung
gefolgt. Er ging auf das Fest, und dort hat er eines der gewaltigsten und
herrlichsten Worte gerufen: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke.“ Ja,
der Herr Jesus hat, als er starb eine Lebensquelle aufgerissen, von der wir
singen: „Es ist ein Born, / draus heilges Blut / für
arme Sünder quillt; / ein Born, der lauter Wunder tut / und jeden Kummer
stillt. / Es quillt für mich, dies teure Blut, / das glaub und fasse ich. / Es
macht auch meinen Schaden gut; / denn Jesus starb für mich.“
So
ist es also: Die Kinder Gottes rufen: „Kommt, lasst uns ins Haus des Herrn
gehen und sein Angesicht suchen.“ Und der Herr selber ruft: „Komme her zu mir,
wen dürstet!“ Doppelt also werden wir gerufen und gezogen.
Dass
doch unser Herz dem Rufen der Gemeinde Jesu und dem Rufen des Herrn selbst sich
ergäbe und das treueste Herz fände, das einst am Kreuz für uns brach, um unsere
Schuld zu tilgen und uns zu erkaufen zu Kindern Gottes!