Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Die Suchaktion Gottes

 

Apostelgeschichte 11, 25-26: „Barnabas aber zog aus gen Tarsus, Saulus wieder zu suchen; und da er ihn fand, führte er ihn gen Antiochien.“

 

Vor einiger Zeit sind bei einer militärischen Übung 15 junge Soldaten in der Iller ertrunken. Das Unheimliche war, dass man fast vierzehn Tage brauchte, um die Leichen zu finden.

Ich habe mir oft diese große Suchaktion vorgestellt. Wie man da den Flussgrund absucht, die Wehre abkämmt, das Uferschilf durchforscht. Man sucht Tote. Wozu? Um sie zu begraben. Eine grausige, unheimliche Sache!

Als ich das las, musste ich an eine andere, noch viel umfassendere Suchaktion denken: an Gottes Suchaktion. Gott sucht auch beharrlich Tote. Aber nicht, um sie zu begraben, sondern um sie lebendig zu machen.

Diese Suchaktion Gottes ist eine herrliche und große Sache. Unser Text führt mitten in das Suchen Gottes.

 

1) Der Tote wird gesucht

 

Der Mann, um den es hier geht heißt Saulus. Das heißt „der Erbetene“. Später, als er gefunden war, kam dem Manne dieser Name zu protzig vor. Da nannte er sich „Paulus“. Das heißt „der Geringe“.

Hier heißt es: „Barnabas zog aus, Saulus wieder zu suchen.“ Er war also schon einmal gesucht worden. Und davon müssen wir zuerst sprechen.

Saulus war als junger Mann tot für Gott. So wie viele von uns tot sind für Gott. Ihr dürft nicht denken, dass dieser Saulus regungslos war wie ein leiblich Toter. Nein! Er war sehr aktiv. Aber die ganze Aktivität ging in einer falschen Richtung. Das ist erschreckend: Man kann sehr viel Wichtiges tun. Und doch – die ganze Richtung ist vor Gott verkehrt.

Ihr dürft auch nicht denken, dass der junge SauI gottlos gewesen sei. Im Gegenteil!

Und nun muss ich etwas sehr Schweres sagen: Er war tot für Gott, weil er ganz und gar unzerbrochen war. Seht, mit dem lebendigen Gott sind wir nur in Ordnung, wenn wir uns verlorengegeben und Gnade gefunden haben. Diese Gnade wird uns in Jesus angeboten.

Ich weiß – ich weiß! Hier schaltet der moderne Mensch ab und sagt: Ein Verbrecher muss begnadigt werden. Ich bin doch kein Verbrecher!

Doch! Doch! Du bist vor Gott des ewigen Todes schuldig! Es ist erschreckend, wenn einem das aufgeht. Das ist das notwendige Zerbrechen. Und es ist beglückend, wenn man dann in Jesus Gnade findet.

Als junger Soldat lag ich einst ganz allein auf ungedecktem Feld. Eine riesige Granate heulte auf mich zu. Genau auf mich zu! Ich presste das Gesicht in den Boden. Sie heulte heran. Ich gab mich verloren. Und dann – fuhr sie über mich weg und explodierte dahinten. Ich durfte leben!

So sah ich einst Gottes Gericht auf mich zukommen. Ich habe es verdient. Ich bin verloren! Und da fuhr das Gericht dahinten auf Golgatha in den Sohn Gottes am Kreuz. Und ich darf leben. Seitdem bin ich begnadigt.

Nur wer begnadigt ist, gehört Gott richtig. Es gibt eine ergreifende Geschichte aus den schwäbischen Bauernkriegen: Hoch zu Ross hält der Herzog Ulrich, um dem Gericht über die Bauern beizuwohnen. Jetzt wird der Pfeifer von Hardt zum Richtblock geführt. Schon hebt der Henker das Beil. Da winkt der Herzog: „Lasst den Mann frei!“ Begnadigt! Der Pfeifer fällt dem Herzog zu Füßen: „Mein Leben gehört dir!“ Und es ist großartig, wie der Mann nun dem Herzog dient und endlich im Kampf an der Köngener Brücke für ihn stirbt.

Im Grunde ist das die Geschichte der Christen. Wenn man sie fragt: „Warum gehörst du Jesus an?“ dann antworten sie: „Durch ihn fand ich Gnade.“

Kehren wir zu Saulus zurück. Der hasste die Gnade. Und darum verfolgte er die Christen. Aber Gottes Suchaktion fand ihn bei Damaskus. Sie warf ihn zu Boden und begnadigte ihn. Seitdem gehörte er Jesus an.

Gottes Suchaktion geht weiter bis heute. Er sucht Menschen, um sie zu begnadigen. Die ganze Bibel zeigt diese Suchaktion. Schon im Anfang hörten wir Gottes Ruf: „Adam, wo bist du?“ Gott sucht. Es ist ein hingebendes Suchen. Er sendet den Sohn. Der sagt: Ich bin ein Hirte, der verlorene Schafe sucht, um sie durch Gnade lebendig zu machen.

 

2) Der Ersterbende wird gesucht

 

So war Saulus von Gottes Suchaktion schon einmal gefunden worden. Er hatte seine Verlorenheit erkannt, hatte Gnade in Jesus gefunden und war lebendig geworden für Gott.

Aber dieses Leben kann wieder ersterben. Das wissen viele von uns nur zu gut. Bei Saulus ging das so zu:

Nach seiner Bekehrung hielt er sich zu den Jesusjüngern. Aber die trauten dem früheren Verfolger nicht recht. Der Saulus hatte doch ihre Brüder in Gefängnis und Tod gebracht. Das vergisst man nicht so schnell.

Da zog sich Paulus zurück in seine Heimatstadt, nach Tarsus. Das ist eine alltägliche Geschichte. Man will wohl ein Christ sein. Doch die Christen gefallen einem nicht. Man findet eine Menge Fehler an ihnen. Man besucht da oder dort einen Kreis und erklärt am Ende: „Da ist doch nichts los!“ Bei den einen ist's zu oberflächlich, bei den anderen zu langweilig. Die leitenden Brüder taugen auch nichts. So will man zwar ein Jesus-Jünger sein. Aber – man bleibt für sich. So war's schon bei Saulus.

Doch – so erstirbt das Leben aus Gott. Es ist ein sehr wichtiges Bibelwort: „Wir wissen, dass wir vom Tode zum Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder.“ Wo das nicht der Fall ist, beginnt schon der geistliche Tod. Wer sich von den Brüdern und Schwestern trennt stirbt ab. Saulus war also in großer innerer Gefahr.

Da geht Gottes Suchaktion wieder los. Er bewegt den Barnabas. „Barnabas aber zog aus nach Tarsus, Saulus wieder zu suchen.“ Das ist eine gesegnete Gemeinde Jesu, wo es solche Barnabasse gibt, die Gott zu seiner Suchaktion einsetzen kann. Wer von uns ist dazu bereit? Lasst euch vom Herrn die Saulusse zeigen, die ihr suchen sollt!

Ich habe mir die Szene in Tarsus oft so ausgemalt: „Was willst du?“ Barnabas: „Komm! Die Brüder rufen nach dir.“ Saulus winkt ab: „Lass mich in Ruhe! Einmal und nicht wieder!“ Jetzt wird Barnabas ernst: „Eine Kohle, die allein liegt, verglüht schnell. Aber mit den anderen zusammen hält die Glut lange.“ Saulus stutzt: Der Barnabas hat recht. Das hat er selbst schon gemerkt. Nun fährt Barnabas fort: „Was tust du für Jesus? Nichts! Das ist zu wenig. Der König will unsere Hilfe.“

Da ringt es lange in Saulus. Schließlich reicht er dem Barnabas die Hand: „Ich komme mit.“

Wieder einmal hat Gottes Suchaktion einen Menschen gefunden. Nun sucht sie uns.

 

3) Der Gesuchte wird ein Sucher

 

Im Text steht: „Barnabas führte Saulus nach Antiochien.“ Und dann heißt es weiter: „Und sie lehrten viel Volks.“ Also der Saulus tat mit. Und das war nur der Anfang seiner Arbeit für Jesus. Wie ist dieser Saulus, den Gott zweimal gesucht hat, in Gottes Auftrag ein Sucher geworden! Er hat den Erdkreis durchzogen, um Gottes Suchaktion weiterzutragen.

Und nun muss ich fragen – nein, Gott fragt dich: An welcher Stelle dieser Geschichte stehst du? Das müssen wir wissen: Gott gibt keine Ruhe, bis wir selber Sucher für ihn geworden sind.

Vor kurzem sah ich in einer englischen Zeitschrift ein Bild aus Jamaika: Ein junger Weißer im Gespräch mit einem Farbigen. Thema: Erlösung durch Jesus. Unter dem Bild steht knapp und kurz: Am Ende steigen sie miteinander in das Auto des Weißen. Und dort findet der farbige junge Mann den Herrn Jesus als seinen Heiland. Das ist die wahre Kirche: Ein junger Mann sucht den anderen und führt ihn zu Jesus.

In diesen Tagen hat mich etwas sehr bewegt. Da stand in der Zeitung: „Der bekannte Schriftsteller Alfred Döblin ist gestorben. In seinen letzten Lebensjahren wurde er ein überzeugter Christ.“ So die Zeitung.

Da fiel mir ein: In einem seiner schrecklichen Romane, die in der Berliner Unterwelt spielen, „Berlin Alexanderplatz“, findet sich eine seltsame Szene: Ein Mädchen zeigt ihrem Freund ein Traktat das sie bekommen hat. „Das habe ich angestrichen“, sagt sie. Der junge Mann liest: „Man kann nicht allein gehen. Geh mit Jesus!“ Und keiner spottet auch der Schriftsteller nicht. Man hat fast das Gefühl: Hier liegt ein eigenes Erlebnis zugrunde. Es erschütterte ihn offenbar, dass es Menschen gibt, die in Berlins Unterwelt Menschen suchen. „Er starb als überzeugter Christ“, sagt die Zeitung…

Gott sucht uns. Und er will uns brauchen.