Wilhelm Busch – Ein Blick in die Wirklichkeitswelt Gottes

 

3. Sonntag nach Epiphanias

»Denn dein ist... die Herrlichkeit.« (Matthäus 6, 13)

Vor kurzem wurde in einem Kreis die Frage aufgeworfen: »Wie kommt es, dass das Kino sich heute einer solch unge­heuren Beliebtheit erfreut? Dass Tausende von Menschen das Kino fast wichtiger nehmen als das tägliche Brot?« Da meinte einer: »Das kommt daher, weil die Menschen so viel Niederdrückendes und Trauriges erleben. Wie nieder­drückend ist schon der tägliche Anblick der hässlichen Trümmer und der vielen Todesanzeigen. Und da flüchtet sich der Mensch in den Glanz der flimmernden Leinwand. Da ist Pracht, Lachen, Schönheit und Herrlichkeit!« Der Mann wird recht haben.

Aber seht, ich möchte euch, die ihr doch auch leidet unter den niederdrückenden Dingen, etwas Besseres zeigen als die Flucht in die Scheinwelt. Wisst ihr, was aufrichtet und erquickt? — Ein Blick in die Wirklichkeitswelt der Herr­lichkeit des lebendigen Gottes.

In 2. Korinther 4, 6 steht, dass diese Herrlichkeitswelt Gottes aus dem Angesicht Jesu Christi strahlt und dass sie in die Herzen der Gläubigen einen hellen Schein gibt. So ist es! Unser Text aber weist uns hinüber in die weite Welt Gottes, in den Himmel.

 

 

»Dein ist die Herrlichkeit!«

 

 

1. Unser Gott hat Herrlichkeit

Als ich noch ein Kind war, lernte ich das Lied: »Im Himmel, im Himmel ist Freude so viel, da singen die Eng­lein und haben ihr Spiel... «

Und dann habe ich mir mit kindlichem Verstand ausgemalt, wie es im Himmel ist. Nun aber, wo ich als Mann auf der Kanzel bin, darf ich das nicht tun. Gott bewahre mich, dass ich euch meine eigenen Gedanken vortrage! Ich darf nur sagen, was wahr, gewiss und offenbart ist. Ist uns denn offenbart, wie es im Himmel ist? Ja! Ihr müsst mal lesen, was in Offenbarung 4-5 steht. Das fängt so an: »Danach sah ich, und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel... «. Und durch diese offene Tür durfte Johannes hindurchsehen. Das müsst ihr selber lesen, wie er da einen gewaltigen Thron sieht. Und auf diesem Thron sitzt einer! Lichtglanz blendet Johannes. Und dann sieht er den himmlischen Hofstaat: Die 24 Ältesten, die Vertreter der erwählten Gemeinde; die Repräsentanten der Schöpfungsmächte, die Tag und Nacht ohne Ruhe ihm die Ehre geben... Ach, ich kann das hier nicht alles schildern Nur zweierlei sei noch erwähnt. Erstens: Das tobende Völkermeer erscheint vor Gottes Thron wie ein stilles, durchsichtiges Kristallmeer. Was uns beängstigend und undurchsichtig ist, ist vor Gott klar und still. Und das andere: Im Mittelpunkt des Himmels steht ein Lamm — der Gekreuzigte! Nun, ohne ihn wäre uns auch der Himmel kein Himmel. Aber wenn man die Schilderung des Johannes gelesen hat, dann muss man mit niedersinken und mit anbeten, wenn er erzählt, wie nun der himmlische Lobgesang aufbraust: »Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre, Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!«

 

2. Er beruft uns zur Herrlichkeit

Gott ist in sich selbst selig. Er ist sich selbst genug. Und da wäre durchaus verständlich, wenn ich meine Predigt hier abschließen würde, nachdem ich von Gottes Herrlichkeit gesprochen habe. Aber ich darf hier nicht abschließen, denn ich muss euch die frohe Botschaft sagen. Und die heißt: Gott will seine Herrlichkeit nicht für sich allein. Nein, seine Liebe treibt ihn, sie mit Sündern zu teilen. Aus­gerechnet mit Sündern? Ja, das ist das wunderbare Ge­heimnis seiner Liebe. Darum beruft er Sünder zu seiner Herrlichkeit. Davon redet die ganze Bibel. Da steht in 1. Petrus 5, 10: »Der Gott aller Gnade hat uns berufen zu seiner ewigen Herrlichkeit.« Und l. Thessalonicher 2, 12: »Ihr sollt würdig wandeln vor Gott, der euch berufen hat zu seiner Herrlichkeit.«

Wie mächtig ruft der Heilige Geist diese himmlische Be­rufung jetzt zu dieser Stunde in unser Herz. Mir krampft sich das Herz zusammen in Gedanken an die vielen unter uns, die ihre himmlische Berufung in den Wind schlagen. Oh Menschenkind! Du bist zur Herrlichkeit Gottes be­rufen! Warum machst du es wie Esau, der um ein armse­liges Linsengericht sein Erstgeburtsrecht verkaufte? Warum lässt du dich fesseln von den Dingen dieser Welt? Warum ist dir deine Sünde so lieb? Wirf sie doch heute dem Gekreuzigten zu Füßen und sprich: »Ich will streben nach dem Leben, wo ich selig bin. Ich will ringen einzudringen, bis dass ich's gewinn. Hält man mich, so lauf ich fort, bin ich matt, so ruft das Wort: Fortgerungen! Durchge­drungen! Bis zum Kleinod hin!«

 

3. Er bringt die Seinen zur Herrlichkeit durch

Wenn ein Sünder sich zum Heiland bekehrt von seinen Sünden, dann treibt ihn seine Liebe, die ganze Allmacht einzusetzen, solch einen durchzubringen bis zur Herr­lichkeit.

Lasst mich ein Gleichnis gebrauchen: Während der Revolu­tionswirren im Jahre 1920 im Ruhrgebiet gab es am Es­sener Schlachthof einen heißen Kampf zwischen Polizei und bewaffneten Arbeitern. Schließlich erstürmten die Ar­beiter den Schlachthof. Da erfuhr ein Mann, sein Sohn sei als Polizist bei dem Kampf gewesen. Und da machte sich der Vater auf, den Sohn zu suchen. Er fand ihn schwerver­wundet unter Möbeltrümmern. Er lud ihn auf seine Schultern, um ihn heimzutragen. Er kam ans Tor. Da sah einer der Arbeiter diesen Mann, sprang herzu und schoss dem Sohn auf der Schulter des Vaters eine Kugel durch den Kopf. Der Vater hatte ihn nicht durchbringen können. Wenn der Herr Jesus einen Sünder zur Beute genommen hat, dann versucht der Teufel auch alles, ihn zurückzube­kommen. Oh, solch ein eben Geretteter mag da allen Mut verlieren. Aber nur getrost. Dem Herrn geht es nicht wie jenem Vater. Er bringt die Seinen zur Herrlichkeit durch. Im Hebräerbrief heißt es von ihm, er habe »viele Kinder zur Herrlichkeit geführt!« Und wenn ich nun bete: »Dein ist die Herrlichkeit«, dann freue ich mich im Geist, weil ich dann dazusetzen darf: »Und durch Jesus ist sie aus Gnaden auch mein!«

Das ist mir wichtig. Seht, in vielen Romanen wird erst ein Knoten geschnürt, aber am Ende löst sich alles gut auf in Wohlgefallen. So aber ist die Wirklichkeit nicht. Da gibt es lauter ungelöste Fragen. Da können die Guten und Bösen triumphieren. Da vermisst einer seinen Sohn und stirbt darüber. Aber ich weiß: In der Herrlichkeit lösen sich alle Fragen. Da erkenne ich jedes Wort Gottes, das ich hier nur blind glauben kann: »Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet.« So wollen wir uns hier durchglauben, indem wir recht die Herrlichkeit im Angesicht Jesu Christi ansehen - bis wir zur vollen Herrlichkeit kommen.

 

»Im letzten Durst auf Erden erquickt dies meinen Geist, dass man soll trunken werden von dem, was Gott verheißt. Wenn wir hier Tröpflein nehmen, so leben wir davon. Was wird's erst sein mit Strömen vom Wasser aus dem Thron!«