Ostern 1944
»Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen und
nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese.«
(Psalm 16, 10)
Als Abraham einst
seine Zelte im Hain Mamre aufgeschlagen hatte, kam abgehetzt ein Bote zu ihm
und verkündete: »Mächtige Feinde haben die Stadt Sodom überfallen und alle
Einwohner weggeschleppt, darunter auch deinen Neffen Lot mit allen den Seinen.«
Sofort bewaffnete Abraham 318 Knechte, brach mit ihnen auf und folgte den
Feinden in Eilmärschen. Und bei Nacht überfiel er das Lager der Feinde. Die
waren so bestürzt, dass sie entsetzt flohen und alle Beute zurück ließen (1.
Mose 14, 13-16).
Wisst ihr, ich wäre gerne der Bote gewesen, der nun zu Lot
sprang und sagte: »Ihr seid frei!« Da ist ein schauerlicher und starker Feind,
der uns alle davon schleppt — der Tod. Oh, wie schleppt er Beute davon! Und er
macht ein Geschrei, als habe er allein das letzte Wort. Aber hier in der Bibel
steht die ungeheure Sieges und Freudenkunde:
Vom Sieg über den Tod.
1. Von der ungeheuren Macht des Todes
Welch ein entsetzlicher Feind ist doch der Tod! Wie unbarmherzig
ist er. Da sitzt eine Mutter am Bett ihres Kindes. Ihr Herz schreit und ihre
Tränen fließen, dass es den Härtesten erbarmen müsste. Aber der Tod kennt kein
Erbarmen. Da haben Eltern ihren Sohn an der Front, Frauen
ihren Gatten. Wer kann die stillen Nachtstunden zählen, wo sie sorgen, beten
und weinen um ihre Lieben. Aber den Tod rührt das nicht. Er schwingt sein
Schwert und fährt drein. Oh, du unbarmherziger Tod!
Und wie respektlos ist dieser Feind! Er schleppt nicht nur
die Armen und Elenden davon, denen das Leben vielleicht schon eine Last ist.
Oh, nein! Er reißt dem König die Krone vom Haupt, reißt den planenden
Großindustriellen von seinen Plänen; er legt den Stolzen zu den Würmern. Er
fragt nicht, ob einer mit seinem Lebenswerk fertig ist. Mitten aus der Arbeit
holt er ihn weg. Er fragt nicht, ob ein Leben besonders wertvoll war. Er
behandelt die köstlichen Blumen genauso wie das schlechte Gras. Oh Tod, woher
kommt dir diese entsetzliche Macht? Die Bibel sagt es uns: »Der Tod ist der
Sünde Sold« (Römer 6, 23). Willentlich los von Gott, ist die Welt dem Tod
verfallen. Und nun kommt das Ärgste. Es könnte dem Auge scheinen, als schwinge
der Tod das Richtschwert. In Wahrheit aber bindet er nur die Opfer und bringt
sie vor das Gericht. Denn »es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben,
danach aber das Gericht« (Hebräer 9, 27). Wer kann die Macht dieses Feindes
schildern! Sein größtes Werk hat er getan, als er sich sogar an Gott wagte und
den Sohn Gottes tötete auf Golgatha. »Und Jesus neigte sein Haupt und
verschied.« Da hat der Tod den kühnsten Griff getan.
2. Das göttliche »Halt!«
Aber nun wurde der alles einebnenden Todeswalze ein mächtiges
»Halt« geboten vom lebendigen Gott! »Du wirst meine Seele nicht im Tode lassen
und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.« So hat der Sohn
Gottes schon im alten Bund durch den Mund Davids gesagt, ehe er des Todes
Bitterkeit schmeckte. »Du wirst nicht zugeben ... !« Nun tritt Gott auf den
Plan. Nun tut er, was Abraham tat, als er in das Lager der Feinde einbrach.
Nun wird dem Tod die erste Beute abgejagt. Lasst uns im Geist in den Garten des
Joseph von Arimathia gehen.
Der erste Morgenschein des Ostermorgens ist am Himmel
erschienen. Tiefe Stille liegt über dem Land. Man hört nur die Schritte der
römischen Legionäre, die vor dem Grab des Herrn Jesus die Wache halten ... Da
... plötzlich bebt die Erde ... Ein Lichtglanz, wie ein großer Blitz, blendet
die Augen der Soldaten.
Das letzte, was sie sehen ist, wie der große Felsstein vor
der Grabeshöhle davon rollt. Dann schwinden ihnen die Sinne. Aber nun geht die
Sonne auf. Die Vögel schmettern ihre Loblieder. Der erwachende Tag umjauchzt den
Heiland, der nun als die ewige und wahre Sonne über der Welt aufgeht.
Nun ist es wahr geworden. »Du wirst meine Seele nicht im
Tode lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese« (Psalm 16, 10).
»Sein'n Raub der Tod musst'n geben her, das Leben siegt und ward ihm Herr,
zerstöret ist nun all sein' Macht, Christ hat das Leben wiederbracht,
Hallelujah.« Mein vor kurzem gefallener Bruder schrieb in sein Tagebuch: »Gott
hat dem Tod eine Grenze gesetzt.«
3. Das Tor zum Leben
Ich sagte zu Anfang: »Ich möchte wohl jener Bote gewesen
sein, der zu Lot sprang und rief: 'Ihr seid frei! Eure Feinde sind besiegt!'«
Nun darf ich heute morgen solch ein Bote sein. Ich darf euch allen, nach denen
der Tod so sichtbar seine Krallen ausstreckt, verkündigen: »Der Tod ist besiegt!
Das Leben ist erschienen, seit der Herr Jesus von den Toten auferstanden ist.«
Der Begriff »Durchbruchsschlacht« ist uns allen doch etwas Geläufiges. Da
stehen sich die Fronten in heißem Kampf gegenüber. Auf einmal gelingt es den
Truppen, an einer Stelle die Front des Feindes zu durchbrechen. Wie strömen nun
durch dieses Loch die siegreichen Truppen zu neuem Sieg. Seht, so ist am
Ostermorgen eine Durchbruchsschlacht durch die Front des allmächtigen Todes
geschehen. Und nun strömen die siegreichen Scharen hinter Jesus her in das
ewige Leben. Der Tod kann sie nicht mehr halten. Die Märtyrer der Kirche, die
singend und betend in der Arena des römischen Zirkus starben, die Blutzeugen,
die auf den Scheiterhaufen einer gottlos gewordenen Weltkirche ihr Leben
verloren, die Väter, die im Glauben an die Vergebung der Sünden durch Jesu
Blut starben, jener Mitarbeiter des Weiglehauses, der mir in seinem letzten
Brief, ehe er starb, schrieb: »Ich freue mich, dass ich früh meinen Heiland
gesucht und gefunden habe...«, mein eigenes Kind, das mir vor seinem Sterben in
Russland schrieb: »Nun weiß ich es gewiss: Der Herr ist mein Hirte...« — sie
alle sind hinter Jesus her durch die durchbrochene Todesfront zum Leben
gedrungen. Sie alle haben im Glauben ihre Hand in Jesu durchgrabene Hand gelegt
und gesagt: »Du wirst meine Seele nicht im Tode lassen.« Sie sind im Leben und
jauchzen in vollendeten Chören dem Todes-überwinder.
Aber zum Schluss nun ein ernstes Wort: Nur in Jesus ist die
Todesfront durchbrochen. Nur in Jesus! Es ist wahrhaftig kein »Spleen«, wenn
ich Jungen, die vielleicht bald sterben müssen, wenn ich die Menschen in dieser
Stadt, in welcher der Tod umgeht, zum Herrn Jesus rufe. Denn Jesus gehören,
das heißt: durch den Tod hindurchgebrochen zu sein. Und nun
wollen wir uns dieses Sieges über den Tod freuen und mit Paul Gerhardt singen:
»Das ist mir anzuschauen
ein rechtes Freudenspiel.
Nun soll mir nicht mehr grauen
vor allem, was mir will
entnehmen meinen Mut
zusamt dem edlen Gut,
so mir durch Jesu Christ
aus Lieb erworben ist.«