Wilhelm Busch - Kindererziehung

 

Ich habe einmal ein Buch über meinen Vater geschrieben. Es ist vergriffen. Darum möchte ich hier einige Sätze abdrucken, die von dem Geist im Hause sprechen

 

„Kinder, ich meine, ihr seid ganz gut abgesessen“, sagte Vater manchmal lachend, wenn wir gar so fröhlich zusammen waren. Und da hatte er Recht. Wir waren Kinder reicher Eltern, reich nicht an Geld und Gut, aber reich an Liebe. Waren sie allein, so sprachen sie von ihren Kindern. „Unser Thema“ nannte das Vater. Die Eltern gehörten uns! Das wussten wir. Und das gab unserem Leben so hellen Sonnenschein. So wohl fühlten wir uns zu Hause in ihrer Liebe, dass es immer ein Schrecken war, wenn wir des Sonntags eingeladen wurden. Mochte es bei solcher Einladung tausendmal gute und schöne Sachen geben, so schön war’s doch nicht wie zu Hause.

Vater hatte so seine eigenen Erziehungsgrundsätze. So vieles, was man Erziehung nennt, ist ja nur „Dressur“. Da hält man dann die Kinder äußerlich tadellos in Ordnung. Sie sind wie die Puppen, „artig“, „brav“. „Erziehung ist nicht Dressur“, sagte er in einem Vortrag, „ach, unsere korrekten, modernen Kinder! Wie viele Eltern suchen mit ihren Kindern nur sich selbst. Sie wollen mit ihren Kindern renommieren …“

Aber wenn sie dann aus dem Elternhaus hinaus sind, dann fällt der Firnis ab, und alle Mühe war vergeblich. Oder man „bricht den Kindern den Willen“. So lange vielleicht, bis sie ewig willenlos sind, allen Einflüssen zugänglich und immer unselbständig.

Dieser „Dressur“ stellt Vater gegenüber etwas Besseres: „Lasst die Kinder sich austoben! Nur verbieten, was Sünde und Eigensinn ist. Lasst sie sich entfalten! Aber sieh vor allem, dass du ihr Vertrauen gewinnst; du darfst nicht der Herr sein, sondern der Freund. Vertrauen und Liebe sind die Grundlagen. Du musst um die Seele deiner Kinder werben. Mit ihnen leben! Mit ihnen tragen! Die Arbeit, ja und auch die Sünde! Gerade da nicht bloß Richter sein! Das ist besonders wichtig beim Übergangsstadium zum Erwachsenen.“

Vor allem kam’s ihm darauf an: „Wir müssen uns das rechte Ziel der Erziehung stecken.“ – Kinder sind wie wir, doch zu Gott geschaffen. Und das muss in frühester Jugend schon berücksichtigt werden. Das müssen Kinder ihren Eltern abspüren, dass ihren Eltern dies eine Ziel das wichtigste und größte ist …

Wie suchte er nun diesem Ewigkeitsziel gerecht zu werden in der Kindererziehung?

Vater nahm es ernst mit dem Wort: „Des Menschen Herz ist böse von Jugend auf“. Dagegen hilft alles äußere Tun nichts. Darum kann die „Erziehung“ nur darin bestehen, dass man den Kindern Gelegenheit schafft, sich zu bekehren. „Schenkt den Kindern eine fröhliche Heimat, wo sie gerne sind. Und stellt sie hier im Elternhaus in eine Atmosphäre, wo der Geist Gottes weht. Lasst den Herrn Jesum Christum so regieren im Hause, dass sich keines Ihm entziehen kann.“ So konnte er wohl sagen.

 

Wilhelm Busch