Rasselnd und
fauchend ist der kleine Vorortzug davongefahren.
Ich wandere hinein
in den schweigenden Winterwald. Tiefe Stille umgibt mich. Der Atem wird in der
Kälte zu dichten Rauchwolken. Leise knirscht der Schnee unter meinen Sohlen!
Wie herrlich doch
die Natur auch jetzt in der Todesstarre ist! In tausend, in millionen
Kristallen spiegelt sich das Licht des Tages. Jeder kleine Zweig ist ein
Wunderwerk in seiner dichten Bereifung.
Stunde um Stunde
wandere ich durch diese schweigende, herrliche Winterwelt. Durch meinen Sinn
gehen die Worte aus dem Psalm:
„Herr, mein Gott,
du bist sehr herrlich. Du bist schön und prächtig geschmückt . . . Herr, wie
sind deine Werke so groß und viel! Wunderbar sind deine Werke. Und das erkennt
meine Seele wohl."
Tiefe Stille
ringsum. Nur hier und da ein kleines Geräusch, wenn ein einsamer Vogel durchs
Gezweig fliegt und leise der Schnee von den Bäumen rieselt.
„Gott, man lobt
dich in der Stille ..."
Ein paar Stunden
später sitze ich wieder im Vorortzug, der mich in die lärmende Großstadt
zurückbringt. Lachend und schwatzend drängen sich die Menschen in dem
überhitzten Abteil. Aber meine Seele ist erfüllt von dem großen Schweigen des
Winterwaldes.
Ja, herrlich ist
die Schöpfung. Herrlich ist Gottes weite Welt!
Am Nachmittag führt
mich mein Weg in eine dunkle, schmutzige Straße. Keine Spur ist hier zu sehen
von der Herrlichkeit des Winters. Schwarz und zertreten ist der Schnee, aus dem
ein paar Jungen vergeblich Schneebälle zu drehen versuchen.
Mitten zwischen den
hohen Mietskasernen ein altes, baufälliges Häuslein. Ich steige die knarrende,
ausgetretene Treppe hinauf. Dumpfe Gerüche erfüllen das enge Treppenhaus.
Oben unter dem Dach
wohnt eine alte Frau. Krebskrank! Die Krankheit hat ihr ganzes Gesicht
zerfressen. Es hat mir früher gegraust, sooft ich sie ansah. Seitdem es nun
aber noch schlimmer mit ihr geworden ist, trägt sie ein Tuch um ihr Gesicht.
Ich trete in das
enge Zimmer ein. Es muß wohl heute schlecht stehen um die Alte, denn sie liegt
im Bett. Das trübe Licht, das durch das schräge Dachfenster hereinfällt,
erhellt nur schwach das sonst gemütliche, wohlaufgeräumte Stüblein, das
vollgestopft ist mit Erinnerungen aus alter Zeit. Sie hat einmal bessere Tage
gesehen, die alte Frau, die nun so einsam und arm daliegt.
Ich setze mich
neben sie ans Bett. „Na, wie geht's denn heute, Großmutter?"
„Großartig!"
sagt sie. „Herrlich, ganz herrlich! Sehen Sie, da hat die freundliche junge
Nachbarsfrau mich heute morgen schon so gut betreut, sie hat mich gewaschen und
mir mein Zimmer aufgeräumt. Und dann kam die Gemeindeschwester und hat mir
Feuer in den Ofen gemacht. Und dabei hatte ich gestern noch solche Sorgen, wo
ich wohl ein wenig Kohlen herbekommen sollte."
„Ja, ist es aber
für Sie nun nicht sehr einsam, wenn Sie den ganzen Tag hier so allein liegen
müssen? Ich denke, die Schmerzen machen Ihnen doch auch sehr zu schaffen? Und
schlafen können Sie nachts, soviel ich weiß, auch nicht!"
Da richtet sich die
Alte auf: „Wie Sie aber reden, Herr Pfarrer! Ich bin keine Stunde allein.
Sehen Sie, da auf dem Stuhl, auf dem Sie sitzen, da sitzt mein Herr Jesus. Mit
dem rede ich von allem, was mein Herz bewegt, von der Vergangenheit, von
Menschen, die ich liebhabe, und von allen möglichen Sachen. Dann spricht er mir
Trost zu und schenkt mir seinen herrlichen Frieden, daß ich ganz glücklich
werde ..."
Als ich die Treppe
wieder hinuntergehe, taucht noch einmal das Bild des herrlichen Winterwaldes
vor mir auf. Doch nun weiß ich: Herrlicher als alle Schönheit der Schöpfung
ist ein Menschenherz, dem Jesus seinen Frieden geschenkt hat.
Während ich durch
den Matsch des schmutzigen, zertretenen Schnees stapfe, gehen die Gedanken
weiter: Was wird denn noch herrlicher sein? — Am herrlichsten wird es sein,
wenn Gott einmal alle seine Verheißungen wahrgemacht hat:
„Siehe, ich schaffe
einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt ..."
„Es wird kein Leid
und kein Geschrei mehr sein ..."
„Gott wird abwischen
alle Tränen von unseren Augen ..."