Nein! Diesen
schrecklichen Morgen im Jahre 1940 werde ich nie vergessen können.
Da machte die
Gestapo einen ganz großen „Schlag" gegen die evangelische Jugendarbeit
unsrer Stadt. In meinem Büro erschienen zwei finstere Männer, stöberten in
allen Akten, beschlagnahmten „verdächtiges Material" und fuhren
schließlich mit allen Schreibmaschinen davon.
Mir war der Kopf
noch ganz benommen. Da schellte es. Eine weinende Frau kam an, die Mutter eines
treuen Mitarbeiters: „Bei uns sind sie gewesen und haben alle Schränke
ausgeleert und alle Schubladen umgekippt. Und dann haben sie einen Ball
gefunden. Da haben sie erklärt: Jetzt haben wir den Beweis, daß hier verbotener
Sport getrieben wird . . .'" — — Sie war noch nicht zu Ende, da erschien
ein Vater mit einem ähnlichen Bericht. Der Schreck stand ihm im Gesicht
geschrieben. Und ich dachte: „Die müssen bös gehaust haben, wenn ein starker
Mann so verstört wird."
Am Ende waren 40
bis 50 Leute versammelt. Bei allen meinen freiwilligen Mitarbeitern waren die
Beamten eingebrochen, hatten verwüstende Haussuchung gehalten und wilde Drohungen
ausgestoßen.
Wir haben dann ein
Wort Gottes zusammen gelesen von der Stadt Gottes, die „fein lustig
bleiben" soll, auch wenn die Berge wanken.
Darauf haben wir
zusammen gebetet. Getröstet verließen sie mich, und doch Furcht im Herzen, was
daraus werden würde.
Nun, es ist
eigentlich gar nichts daraus geworden. Vielleicht wollte man den jungen Leuten
und ihren Eltern nur ein wenig den Mut zur Mitarbeit im evangelischen
Jugendwerk nehmen.
Aber eine kleine
Geschichte ist im Zuge dieser Sache geschehen, die es wert ist, daß sie
erzählt wird:
Zunächst also
wurden all die jungen Männer zu einem Verhör bestellt und in langen, quälenden
Verhandlungen vernommen.
Und am Ende kam ich
selbst an die Reihe als verantwortlicher Leiter. Mit Herzklopfen stand ich
wieder in dem Raum, in dem ich schon so viele schwere Stunden erlebt hatte.
Lange schaute mich
der verhörende Beamte schweigend an. Dann atmete er auf einmal tief auf und
sagte — eine tiefe Erschütterung war seinen Worten anzuspüren —: „Jetzt habe
ich 50 Ihrer Jungen verhört. Und dabei ist etwas geschehen, was ich noch nie
erlebt habe. Keiner von den 50 hat mich angelogen. Alle haben lieber zu ihrem
eigenen Schaden ausgesagt, als daß sie eine Lüge gesagt hätten. Daß es so etwas
gibt!"
Mir wurde das Herz
fröhlich. „O ihr Jungen!" mußte ich denken, „ihr habt gewaltiger gepredigt
als mancher berühmte Evangelist. Ihr habt das Gewissen dieses verhärteten
Mannes angerührt!"
Der Beamte saß
schweigend auf einem Stuhl. „Armer Mann!" hätte ich gern zu ihm gesagt,
wenn das möglich gewesen wäre. Denn es streifte mich in diesem Augenblick eine
Ahnung, wie furchtbar eine Welt ist — ohne Christus!