„Aber die Stadt
Jericho verbrannten sie mit Feuer und alles, was darin war... Rahab aber, die
Hure, samt dem Hause ihres Vaters und alles, was sie hatte, ließ Josua
leben."
Josua 6, 24 und 25a
Vor vielen Jahren
hatte ich einmal ein komisches Erlebnis: Da geriet ich bei meinen Besuchen in
eine Wohnung, wo ein netter junger Mann mich begrüßte. Wir kamen ins Gespräch,
und ich freute mich an seinen verständigen Ansichten. Schließlich lud ich ihn
in unsre Bibelstunde ein. Da sagte er höflich: „Ich danke Ihnen. Ich werde es
der Oma bestellen."
Er war ernsthaft
überzeugt: Das Evangelium ist eine Sache für alte Leute, die sonst nichts mehr
vom Leben haben. Leider steht er mit dieser seiner Ansicht nicht allein. Es ist
einfach unerträglich, wie den meisten das Evangelium eine harmlose und
uninteressante Sache geworden ist. dass wir es doch begreifen möchten: Das
Evangelium ist eine gewaltige Errettungsbotschaft. Wer es verachtet oder
verwirft, tut es auf eigene Gefahr. Die Gefahr heißt: Zorn Gottes!
Das Evangelium ist
die Botschaft der Errettung vom Zorne Gottes. Davon spricht auch diese
alttestamentliche Geschichte. Wir überschreiben sie:
1. Die verlorene
Stadt
Da war also die
Stadt Jericho, eine der Hauptstädte der kanaanitischen Kulturwelt.
Durch diese Stadt
schritten eines Tages zwei Kundschafter des alttestamentlichen Gottesvolkes.
Was sahen diese Männer? Ungefähr dasselbe, was man heute erblickt, wenn man
einmal die Augen aufmacht: Eine reiche Welt, üppige Geschäftsstraßen,
rauschende Feste. Sie fanden ferner eine starke Militärmacht vor, trotzige
Offiziere und modernste Waffen. Weiter fiel ihr Blick auf herrliche Tempel und
einen reichhaltigen religiösen Kultbetrieb.
Aber diese beiden
Kundschafter waren Leute, denen Gott die Augen geöffnet hatte, dass sie tiefer
sahen. Und so merkten sie: Hier ist eine Welt ohne Gott.
Eine Welt ohne Gott
— das ist unheimlich. Und so entdeckten diese Männer auch die unheimlichen Züge
im Gesicht Jerichos — wie sie jeder bei uns finden kann: Sie sahen neben dem
Reichtum die grauenvollste Sklaverei. Es erschütterte sie, wie die Selbstsucht
triumphierte, wie die Besitzenden kaltherzig an der Not vorübergingen. Sie
sahen zerrüttete Ehen, Jugend ohne Halt, Religion ohne Glauben.
Und auf einmal
entdeckten die Kundschafter: Das ist nicht eine Stadt nur ohne Gott. Das ist
vielmehr eine Stadt, auf die sich die dunkle Wolke des Zornes Gottes
herabsenkt. Eine gerichtsreife Stadt! So berichten sie: „Gott hat sie
dahingegeben." Und es geht ihnen auf, dass die Menschen das ahnen. Sie
finden überall eine dunkle Angst. Das verlorene Jericho ist ein Bild der Welt
unter dem Zorn Gottes. Diese Welt geht Gerichtskatastrophen entgegen, deren
Schatten ja schon über uns liegen. Aber mehr noch! Wir alle gehen auf das
letzte große Endgericht Gottes zu.
Hast du schon
einmal den Zorn Gottes gefürchtet? Natürlich ist dir schon angst davor
geworden. Aber vielleicht hast du das abgeschüttelt, wie die Leute in Jericho
das Grauen zu vertreiben suchten. Das aber ist sehr töricht.
In 4. Mose 15,
30-31 sagt Gott: „Wenn eine Seele bewusst sündigt, die hat den Herrn geschmäht.
Solche Seele soll ausgerottet werden... denn sie hat des Herrn Wort verachtet
und sein Gebot fahren lassen. Ja, sie soll ausgerottet werden; die Schuld
bleibe auf ihr." Wer von uns hat noch nicht bewusst Gottes Gebote
verletzt? Und da wagen wir zu tun, als seien nicht die Wolken Seines Zornes
über uns? Ach, wir wissen das ganz genau. Und darum ist das Kennzeichen unsrer
Zeit die geheime Angst und Flucht davor.
Jericho war eine
verlorene Stadt. Und wir leben in einer verlorenen Welt.
2. Das Haus der
Errettung
Eines Tages stand
Josua (das ist die hebräische Form des Namens Jesus), der Vollstrecker des
göttlichen Gerichts, vor Jericho. Schweigend umzogen seine Heerscharen die
Stadt. Ich denke, dass die Leute von Jericho lachend das Grauen abzuschütteln
versuchten. Aber es war Eis in ihrem Lachen. Sie ahnten: „Irret euch nicht,
Gott lässt sich nicht spotten!"
Dann kam das Ende.
Gott selbst stürzte die Mauern um, Jericho ging unter in Flammen. Wer aber in
diesem Chaos die Augen offen hielt, sah etwas Seltsames : Eine einzige
Mauerzacke blieb stehen. Und auf diesem Mauerrest klebte ein kleines Haus.
Geradezu unwahrscheinlich war es, wie dies auf die Mauer gebaute Haus bewahrt
blieb. An dem Hause hing ein rotes Seil. Wenn die mit dem Schwert würgenden
Rächer der Ehre Gottes dies rote Seil sahen, gingen sie vorüber, und das Haus
blieb im Frieden.
Dies Haus des
Friedens und der Bewahrung ist ein herrlicher Hinweis, eine Verheißung auf das
Kreuz Jesu, des Sohnes Gottes. Wenn die Gerichte Gottes beginnen, wenn die Welt
vergeht und die Hölle ihre Pforten öffnet, um die Verächter aufzunehmen, dann
wird offenbar: Es gibt nur einen einzigen sicheren Platz, einen Ort der Bewahrung:
das Kreuz.
Ein rotes Seil hing
an jenem Haus als Erkennungszeichen. Ein alter Ausleger hat gesagt: „Dem Teufel
zum Trotz muss die rote Farbe dabei sein. Denn sie redet von dem Blute Christi,
das für uns vergossen wurde."
Aber nun muss ich
euch kurz berichten, warum dies eine Haus in Jericho bewahrt blieb. Kehren wir
zurück zum Anfang der Geschichte: Als die Kundschafter Josuas Jericho
durchstreiften, wurden sie entdeckt und verfolgt. Sie flüchteten in ein
öffentliches Haus. Das gehörte einem sehr schlechten Weibe, der Hure Rahab.
Und nun geschah etwas Gewaltiges. Dies Weib legte ein Bekenntnis ab. Der Inhalt
und der Sinn ihrer Rede war etwa folgender: „Wir haben übel getan. Und darum
sind die kommenden Gerichte eures Gottes Jehova gerecht. Ich möchte mich auch
zu eurem gesegneten Volke Gottes schlagen. Denn alle Seine Worte sind
Wahrheit."
Und dann hat Rahab
die Kundschafter versteckt und sie schließlich an dem roten Seil über die Mauer
der Stadt hinabgelassen. Ehe die Boten aber schieden, rieten sie der Rahab:
„Lass das rote Seil als Erkennungszeichen im Fenster hängen! Dies soll ein Haus
der Errettung sein. Und versammle alle deine Freunde und Verwandten zu dir,
dass auch sie bewahrt bleiben!"
Rahab glaubte,
ergriff die Rettung und wurde erhalten im Gericht.
So wird es auch am
Jüngsten Tage sein. Es werden nicht die Mächtigen errettet, nicht die Weisen,
nicht die, welche sich selbst für gut halten, sondern nur die, welche Gott die
Ehre geben und sich im Hause der Errettung aufhalten, nämlich unter Jesu Kreuz.
Es ist doch zum Aufhorchen: Eine der größten Sünderinnen, die Hure Rahab, wurde
errettet. Jesu Kreuz errettet Sünder, Verlorene, die von Gott nichts zu hoffen
hatten.
3. Eine Einladung
an uns
Ich sehe im Geist,
wie die Rahab vor dem Untergang Jerichos durch die Straßen eilte und in ihr
Haus einlud. Was wird sie dabei erlebt haben?
Die einen
antworteten: „Ich will mir's überlegen." Und sie überlegten, bis es zu
spät war. Die ändern sagten: „Die Rahab ist überspannt. Wir sind doch auch
religiös." Und sie kamen im Gericht um. Manche aber wurden nachdenklich
und gingen mit der Rahab. Die wurden errettet.
So wie die Rahab damals in ihr Haus der Errettung einlud, so möchte ich euch zum Kreuz rufen. „Lasst euch erretten von diesem verkehrten Geschlecht", hat einst am ersten Pfingsttag der Petrus gesagt (Apostelgeschichte 2, 40). Seitdem geht der Ruf zum Kreuz durch die Welt. Ob wir ihn wohl hören und ihm folgen?