Das Wunder der Gemeinde
Apostelgeschichte 28, 11-16
Winrich Scheffbuch
Abschrift der Predigt vom 27.06.1999, gehalten in der
Ludwig-Hofacker-Gemeinde in Stuttgart.
Wo Sie das Wunder der Gemeinde erlebt haben, wo’s Ihnen
eindrücklich wurde. Weiß nicht. Es sind oft Erlebnisse im Urlaub, oder auf
einer Freizeit. Wir lesen aus Apostelgeschichte 28 heut die letzte Predigt
unserer Reihe. Eindrücke, Impressionen aus der Urgemeinde. Kapitel 28 von Vers
11 bis Vers 16.
11 Nach drei Monaten
aber fuhren wir ab mit einem Schiff aus Alexandria, das bei der Insel
überwintert hatte und das Zeichen der Zwillinge führte. 12 Und als wir nach
Syrakus kamen, blieben wir drei Tage da. 13 Von da fuhren wir die
Küste entlang und kamen nach Rhegion; und da am nächsten Tag der Südwind sich
erhob, kamen wir in zwei Tagen nach Puteoli. 14 Dort fanden wir
Brüder und wurden von ihnen gebeten, sieben Tage dazubleiben. Und so kamen wir
nach Rom. 15 Dort hatten die
Brüder von uns gehört und kamen uns entgegen bis Forum Appii und Tres-Tabernae.
Als Paulus sie sah, dankte er Gott und gewann Zuversicht. 16 Als wir nun nach Rom
hineinkamen, wurde dem Paulus erlaubt, für sich allein zu wohnen mit dem
Soldaten, der ihn bewachte.
Das ist ganz merkwürdig, wie die Apostelgeschichte aufhört.
Da reißt das einfach ab. Wird noch etwas erzählt von der Gefangenschaft und
dann: Ha jetzt, jetzt wollten wir’s wissen. Wie starb eigentlich Paulus? Wurde
er hingerichtet? Wie ging der Prozess aus, was waren die letzten Worte des
Paulus? Wäre interessant für uns. Kein Wort steht mehr da in der Bibel. Was ist
der Grund? Das ist ganz einfach. Das ist uns immer wichtig. Wir sind so
personenbezogen, das kommt von unserer Ichsucht her, wo immer wissen will, wie
geht das weiter in meinem Leben, was kommt da? In der Bibel wird das ganz
anders erzählt. Von den großen Zeugen Gottes. Da war im Leben eine große Veränderung
passiert. Da geht’s gar nimmer um den Paulus. Das interessiert gar nimmer arg,
was der noch erlebt hat und wie das Leben ausging. Hauptsache, wie ging’s mit
der Sache Gottes eigentlich weiter? Wenn Gott sein Reich anbrechen lässt, das
ist doch mit dem Geschehen der Ausgießung seines Geistes begonnen. Wie dringt
nun das ewige Evangelium in die Welt hinein und dann sind die Fragen: Wie war
das mit der Christenverfolgung des Nero und wie hat das den Paulus betroffen ja
gar nicht mehr so wichtige Sachen vor der aufregendsten Sache. Wie breitet sich
die Gottesherrschaft durch die Welt hindurch aus. Und wir sollen ja Zeugen
Gottes sein. Hat Ihr Leben auch diese neue Mitte? Das man sagt: “Ich lebe nicht
mehr für mich selber. Mich hat Jesus in Beschlag genommen. Ich bin sein Bote
und sein Zeuge und ich will sein herrliches Evangelium vielen Menschen bewusst
machen, die Kraft seiner Erlösung vermitteln. Und es geht in meinem Leben nur
noch um das Eine: Wie geht’s mit dem Evangelium weiter und wie kann ich sein Bote
sein?” Dass der Apostel Paulus hier am Ende der Apostelgeschichte ein schwer
geschlagener Mann war, da dürfen wir heute auch noch ein paar Worte drüber
verlieren. Aber da hat’s ja Jesus schon voraus gesagt: Wer sein Leben verliert
um meinetwillen, der wird’s erst recht finden. Das ist nie schade. Was man um
Jesu Willen an Schwierigkeiten, Nöten und Entbehrungen ertragen muss. Wer sein
Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden. Ich möchte zuerst drüber
reden, wie Paulus ein geschlagener Bote Gottes war. Ein geschlagener Bote
Gottes. Wir wissen ja, dass der Paulus selber sehr von der Krankheit gezeichnet
war. Ich weiß, jetzt können einige von Ihnen sagen, wie das ist, wenn man
morgens aufwacht und schon ganz glücklich ist, wenn die Schmerzen nicht so
heftig dröhnen. Wenn man überhaupt aufstehen kann. Paulus war von des Satans
Engel mit Fäusten geschlagen. Der hat Krankheit erlebt. Und was er dann noch
erlitten hat auf dieser grausamen Seefahrt, das war ja schlimm. Mit dem wilden
Seesturm Tag und Nacht geschüttelt und dann ist das Schiff unter gegangen unter
ihren Füßen und sie sind durch Wasser gewatet, das mitten im Winter, sie haben
grad noch mit letzter Kraft ihr Leben gerettet. Und dann müssen Sie immer
denken, wie da der Paulus in Puteoli im Hafen von Rom ankommt, da war er ein
Jammerbild. Er trägt ja die schweren Eisenketten. Ich kann mir das gar nicht
vorstellen, wie ein Mensch diese Entbehrung mit macht und die Leute alle
mitleidig gucken, was ist das für ein Schwerkrimineller, den sie da her führen?
Wo die Soldaten ihn schubsen auf der Straße, grob und die Witze mit ihm machen.
Warum steht das denn alles in der Bibel? Für uns heute morgen. Das ist grad wie
bei ihm. Dass Gott das zulässt, dass seine Leute schwere Wege geführt werden.
Dass sie krank sind und das Wunder der Heilung geschieht nicht. Nicht dass
nicht Gott tun kann. Paulus hat’s ja erlebt. Da ist sogar mal von seinen
Taschentüchern gesund geworden. Bloß die Taschentücher aus der Tasche raus
gezogen. Aber Paulus sagt, das war’s nicht. Er selber trägt die schwere Last
der Krankheit. Und er trägt die Ketten, er wollte doch so gern, er wollte durch
die Gemeinden reisen, er wollte wirken und er kann nicht. Und das ist schwer,
wenn man in seinem Leben eingeengt ist, eingebunden und sagt: “Ich kann gar
nicht wie ich will.” Und doch ist es ein Weg, den Gott mich führt. Schwere
Ketten binden. Entehrt, verlacht, verspottet, einsam. Ich bin so froh, dass die
großen Leute, also die großen Glaubensleute der Bibel, gar nicht die Gestalten
sind, diese Strahlemänner. Ich weiß nicht wer das erfunden hat. Waren Leute, wo
die Anderen bloß mitleidig sagen: gescheitert. Da war kein Glanz mehr drin, da
war kein Leuchten mehr, das war bloß noch erleiden, ertragen und Schweres. Wie
gern hätte Paulus die ganze Welt für Jesus erobert und er hatte Probleme mit
den kleinen Kreisen, die er gründen durfte, da ging’s oft drunter und drüber im
Streit und er hat auch nicht das lösende Wort gehabt. Was ist das, wenn Gottes
Boten geschlagene Leute sind, geschlagen, gedemütigt. Und wir wollen nie größer
sein, als die Zeugen in der Bibel. Wir wollen nie andere Geschichten erfinden,
die nicht mit denen übereinstimmen vom Wort Gottes. Dieser Paulus hat immer nur
von Einem geredet, dass er sich ganz an den auferstandenen Jesus hin hängt. Das
ist Glauben für ihn gewesen. “Ich vertraue Jesus, der Tote lebendig macht und
ich vertraue darauf, dass seine Kraft sich in meiner Schwachheit vollendet. In
meinem Nichtkönnen, in meinem Versagen. In meiner Ohnmacht in meiner
Gebundenheit, in meinen Ketten und das Jesus aus meinem Leben doch noch etwas
macht zu seiner Ehre“, das lässt er nicht anders stehen, sondern das war seine
Lebenserkenntnis. Ich bin stark um Jesu willen, ich bin stark um Jesu willen.
Ich bin sonst nicht stark, ich bin der Schwächste, der Verlachteste, der
Verspotteste. Über mich machen sie Gerüchte und reden sie böse mit, aber ich
bin stark um Jesu Willen. Das ist das Geheimnis eines geschlagenen Mannes, der
die Via Avia hinauf zieht nach Rom. Einer ungewissen Zukunft entgegen. Und da
entdeckt er ein wunderbares Geheimnis. Für mich ist das eine der schönsten
Stellen in Rom. Einige von Ihnen wissen’s jemand hat mir mal von Rom so eine
Postkarte geschickt mit den Steinen, den alten Steinen der Via Appia, da kann
man sich so richtig vorstellen, da ist der Paulus drüber gewandert vom Hafen
Puteoli im Gefangenentransport. Die Stelle kann man genau lokalisieren Forum
Appii, das ist der Platz der Via Appia. Der Knotenpunkt zwischen Puteoli und
Rom. Und was eine Taverne ist, das wissen Sie ja auch, was dann die drei,
Tres-Taverne sind, wissen Sie auch. Da war also noch mal so ein Platz, wo
dieser Gefangenentransport noch mal auf einen Parkplatz sich hinsetzen durfte.
Da standen die großen Lastwagen, Pferdekärren. Da war ein Kommen und ein Gehen.
Da waren die fluchenden Fuhrleute, da war die Sonne heiß herunter gebrannt und
da haben diese Häftlinge sich noch mal hingesetzt, weil die Wachsoldaten noch
mal in die Taverne hinein gingen und sich einen Schnaps hinter die Binde
gossen. Und die saßen draußen und die gaffenden Leute sagten: “Mensch, da kommt
wieder ein Gefangenentransport” und guckten. Die Armseligkeit, die jetzt auf
dem Paulus liegt. Ich will das sagen, dass Christen Demütigungen tragen können
und müssen. Erst recht vor der Welt. Da ist nichts Imponierendes mehr da.
Nichts mehr, wo man protzen kann und angeben und sagen: “Ja, wir sind doch
Kerle.” Wir sind’s, die die Welt verändern. Nein, nein. Wir sind der letzte
Dreck. Kehricht, der Abschaum so sagt Paulus mal. Und auf ihm liegt noch die
ganze Sorge: Wie wird das werden, wenn er in Rom ist? Kann er das Martyrium
überhaupt durch halten? Kann er seinen Kampf vollenden bis zum Ende? Wissen Sie
doch auch nicht, ob Sie fest bleiben, in den Anfechtungen und Erprobungen, die
Gott noch für Sie bereit hält. Und wenn er dann ganz allein in den
Verhandlungen ist und niemand steht ihm bei. Und da steht, dass da plötzlich
Leute kommen, aus Rom. Sie gingen ihm entgegen. Christen von der Gemeinde in
Rom. Paulus hat sie noch nie gesehen gehabt. Sie haben Paulus noch nie gesehen
gehabt. Waren Unbekannte. Aus dem Römerbrief wissen wir etwas, was das war, das
waren meist wahrscheinlich Sklaven, Dienstboten, einfache Leute. Ein paar
bürgerliche dazwischen. Da Paulus dies sah, gewann er Zuversicht. Was ist das?
Warum hat die Gegenwart von ein paar schlichten Christen den Paulus so
auferbaut? Ich hab ja vorhin gefragt, ob Sie das mal erlebt haben: Das
Geheimnis von Christen, die um einen her sind. Einer trage des Andern Last. Die
mittragen, was Einem selbst so schwer geworden ist, was ist denn da passiert?
Warum ist das denn so besonders? Meine wir machen’s immer wieder falsch, wenn
wir von Kirche und Gemeinde reden und dann reden wir immer von Organisationen
und Konfessionen und Ämtern und Hierarchien und Haushaltsplänen und
Errungenschaften und Einrichtungen und Bauten und was alles, ja Bauten. Was da
hergestellt wurde, Glocke und die läuten und Türmen. Das Wunder der Gemeinde
sind gläubige Menschen, die Jesusleute, die Menschen, die mit Jesus eine Geschichte
erlebt haben, die Jesus vertrauen und das erfahren haben in den Dunkelheiten
ihres Lebens. Und weil Sie das erlebt haben, können Sie Andere tragen und die
Last der Anderen mittragen. Das ist doch das Wunder. Jeder von uns ist ja sonst
so mit sich beschäftigt, dass er sagt: “Ich hab’s so schwer und wer hört mir
auch zu und und ich hab viel zu wenig, die sich um mich annehmen.” Das ist ja
alles recht und gut, aber Sie müssen doch einmal entdecken, der eine große
Lastträger, der Ihre Last trägt, das ist Jesus. Wie der kann keiner ihre
Lebenslast tragen. Und er löst Sie vollkommen und er gibt Ihnen Frieden und
Freude und Zuversicht und Hoffnung. Und darum waren diese Christen in Rom freie
Leute. Wie die hörten, jetzt kommen sie, da zogen sie hinaus und wollten sie
die Last mittragen. Da Paulus sie sah, gewann er eine große Zuversicht. Wissen
Sie, dass das ein Wunder ist, heute morgen, wenn wir sagen wir grüßen einander,
wir gehen aufeinander zu. Wir sagen: “Ich will nicht weg gehen, ohne dass ich
eine Last von dem neben mir mittragen darf.” Dass Sie wieder wissen für wen Sie
in der nächsten Woche beten müssen. Dass Sie hören, dass ist das Geheimnis der
Gemeinde. Und dass da Gott etwas wirkt durch unsere Gemeinschaft hindurch. Ich
war noch ein kleiner Junge, da hat ein Onkel von mir erzählt aus den letzten
Kriegstagen, wie sie, das war vom Kuban in Russland, als geschlagene Armee
zurück weichen mussten. Und da erzählt er immer wieder davon. Sie haben alles
weg geworfen, weil sie keine Kraft mehr hatten. Sie hatten tagelang nichts mehr
zu essen bekommen und da sind sie bloß noch getrottet. Und da saß einer am Weg
und der sagt: “Kamerad nimm mich mit.” Und er sagte: “Wir konnten doch selber
nimmer. Wir konnten doch uns selbst nicht mehr tragen. Wir haben ihn sitzen
lassen.” Und das hat ihn nicht mehr los gelassen. Und er hat’s uns als Kindern
eingeprägt: Lasst nie einen am Rand sitzen. Ihr müsst Leute sein, die die
Lasten selber abgelegt haben, die freie Leute sind, damit ihr andere tragen
könnt. Das ist der Sinn heute vom Gottesdienst, dass Sie jemand finden, der
ihre Last mit trägt um Jesu willen.
Und noch das Letzte. Er erlebt eine ganz große Freude.
Erlebt eine ganz große Freude. Wenn man sich den Platz so ein bisschen
vorstellt, wie es vielleicht heute auf unseren Parkplätzen, so ein wenig
aussieht, wenn auch die Technik sich um ein Stück verändert hat, aber die Sonne
brennt herunter, es ist furchtbar heiß, man hat Durst, staubig. Menschen kommen
und gehen und mitten drin ein Mann und der preist Gott und dankt Gott. Haben
Sie überhaupt schon Menschen getroffen, die wirklich aus innerstem Herzen nicht
mehr anders können, als Gott zu preisen und zu loben? Das war für den Paulus so
überwältigend. Warum denn, was war denn da, was ihn so fasziniert hat an dieser
kleinen schlichten Christenschar? Dass in dieser gottlosen Weltstadt, dem der
wirklich einer dämonisch und satanisch besetzten Stadt das Reich Gottes
angebrochen ist und wenn’s bloß ein paar schlichte Christen waren, die gar
keine große Bedeutung für die Stadt hatten. Er sieht schon was Gott tut, wenn
er seine Verheißungen einlöst. Ich freu mich an jeder noch so kleinen Schar, wo
zwei oder drei versammelt sind, in den Gemeinschaftsstunden, wo Sie sich heute
versammeln, in den Hauskreisen, Gebetskreisen, wo die sind, in allen Gruppen
und Konfessionen. Wo Menschen im Kraftfeld Jesu leben. Fortan war Rom für den
Paulus keine fremde Stadt mehr, keine unheimliche Stadt. Er gewann Zuversicht,
weil er wusste es ist gar nicht mehr wichtig, wie mein Prozess ausgeht. Ich
weiß, dass die Sache Jesu siegt. So hat’s ja Blumhardt nachher gedichtet: „…dass
Jesus siegt bleibt ewig ausgemacht, sein wird die ganze Welt.“ Und die paar
schlichten Christen haben im Paulus wieder die Freude wecken dürfen. Und das
ist Ihr Dienst, das ist Ihr Auftrag. Ich habe immer Sorge Ihre Bibelkreise
könnten zu Problemkreisen werden. Sie sollten einander Freude an Jesus machen.
Und wenn Sie einen Kranken heute besuchen, einen alten im Pflegeheim, dann
machen Sie das ganz groß. Ja Jesus siegt, wir glauben es gewiss. Und niemand
kann mehr den Sieg Jesu umstoßen. Das ist auch gar nicht wichtig durch welche
Tiefen ich noch hindurch geführt werde. Jetzt wissen wir auch, was Gemeinde
wieder ist. Dass wir Jesus groß machen vor der Welt. Und dass wir kucken, dass
keiner zurück bleibt, der unter seiner Last begraben wird, der plötzlich nicht
mehr den freien Blick hat. Wenn ein Paulus diese Ermutigung brauchte, wie viel
mehr brauchen wir diesen Zuspruch? Und wenn wir uns dann begegnen und das
einander so groß machen, das ist wie ein Vorgeschmack vom Himmel. Wie wird das
einmal sein, wenn man durch die schwere Leidenszeit und durch manche Bedrängnis
hinüber gehen darf und dann Schwestern und Brüder trifft, die aus der großen
Trübsal gekommen sind, aus der großen Bedrängnis. Und alle können nur sagen, es
war wirklich so. Keins der Verheißungen Gottes ist hin gefallen. Keine einzige.
Und Jesus war die größte Leuchte in der Dunkelheit und wir haben’s erlebt. Und
erfahren, unsere Versammlungen unsere Treffen sollten so ein Stück Vorgeschmack
vom Himmel sein. Wo wir helfen, dass alle neue Freude am Sieg Jesu haben und
wir fröhlich unsere Straße ziehen.
Amen.