Predigten über die Bergpredigt - Teil 04/26 - Christen wirken
Wolfgang Nestvogel
1995
Matthäus 5, 13-16
„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berg liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Der Europaabgeordnete Alexander Langer hat sich das Leben genommen in Florenz. Ein engagierter Mann, der Südtiroler. Er hat sich sehr eingesetzt zum Beispiel für die Flüchtlinge in Jugoslawien. Er hat die Flüchtlingslager selbst besucht. Er hat erst vor wenigen Wochen ein vielbeachtetes 10-Punkte-Programm vorgelegt zum Zusammenleben der Völker. In seinem Abschiedsbrief schreibt der Politiker: „Ich gehe weg als Verzweifelter, der nicht mehr kann. Seid nicht traurig. Macht weiter, was gut war.“ Hier hat einer die Wirklichkeit dieser Welt nicht mehr ausgehalten. Und diese Wirklichkeit zeigt sich ja nicht nur im ehemaligen Jugoslawien. Die UNO hat veröffentlicht, dass seit 1945 insgesamt 189 Kriege und Bürgerkriege geführt wurden. Und dann heißt es in einem anderen UNO-Bericht über die Situation der Kinder: Früher wurden Kriege von Armeen geführt. In den Kriegen des letzten Jahrzehnts starben mehr Kinder als Soldaten. Und wenn wir dann von der fernen Weltpolitik in die nahe Gesellschaft schauen, sieht es nicht besser aus. Die Lehrer klagen über wachsende Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen. Die Familien brechen auseinander. Große Probleme mit Drogen, auch hier bei uns in Osnabrück. Osnabrück ist auch ein wichtiger Umschlagplatz für Heroin und andere Drogen geworden. Und der Normalbürger bereichert sich so gut er kann. Ein Zeitkritiker sagt, Betrug ist so alltäglich, dass der Ehrliche sich fragen muss, ob er nicht der Dumme ist.
Wer mit offenen Augen in diese Welt sieht und nicht total abgestumpft ist, den kann manchmal das kalte Entsetzen packen. Wie gehen wir Christen mit dieser Welt um? Was sollen wir tun? Sollen wir uns zurückziehen? Sollen wir uns ständig beklagen und sagen, ach wir schlimm ist das alles? Wie gehen Christen mit dieser Welt um? In unserer Predigtreihe kommen wir heute gerade an diese Stelle, wo Jesus uns eine klare Antwort gibt auf die Frage: Wie soll ein Christ sich in dieser Welt verhalten? Vorher, in den Versen 3-12 da hat Jesus den neuen Charakter beschrieben, in denen seine Leute Schritt für Schritt hineinwachsen. Und wir haben auch ausführlich darüber geredet. Vorher, da hat Jesus das ganz andere Leben gezeigt, das die Christen bekommen können. Vorher, da hat er immer wieder deutlich gemacht, welches Vorrecht das ist, als Christ leben zu dürfen, bei Jesus sein Leben fest zu machen. Und jetzt? In den Versen, die Sie vor sich haben, da beschreibt Jesus die Verantwortung, die sich aus diesem Vorrecht ergibt. Welche Verantwortung hat der Christ für diese Welt? Was ist unsere Aufgabe? Was ist unsere Funktion auf dieser Erde?
Und wir werden sehen, diese Aufgabe lässt sich zusammenfassen mit zwei Wörtern: Christen wirken! Das heißt Christen, und zwar alle Christen, sollen in dieser Welt Einfluss ausüben. Aber wie kann das geschehen? Jesus sagt: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Das erste auf das Jesus uns hier aufmerksam macht, ist dieser schreiende Gegensatz. Der Gegensatz zwischen Christ und Welt. Jesus sagt: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Damit klärt Jesus die Voraussetzung, unter der seine Leute in dieser Welt antreten. Damit beschreibt er gewissermaßen das Arbeitsfeld auf dem wir uns bewähren sollen. Und da wird deutlich, zwischen dem Menschen, der zu Jesus Christus gehört, und dieser Welt besteht ein schreiender Gegensatz, eine riesige große Kluft. Und mit Welt meint Jesus die, die nicht unter seiner Herrschaft leben, die nicht zu seinem Reich gehören. Es besteht also eine riesige Kluft. Warum?
Salz hatte damals vor allem eine Aufgabe. Salz sollte konservieren. Damals gab es ja noch keine Kühlschränke und Salz war so das entscheidende Mittel gegen Fäulnis und Verrottung. Bis heute hält sich ja gepökeltes Fleisch bekanntlich länger als nicht gepökeltes Fleisch. Salz verlängert die Haltbarkeit von Speisen. Und wenn Jesus nun sagt, die Christen sind das Salz, dann heißt das für die Welt, sie ist dabei zu verrotten und zu verfaulen. Auch Licht hat eine bestimmte Wirkung. Es soll die Dunkelheit aufhellen. Es soll Orientierung vermitteln mitten in der Finsternis. Und wenn Jesus nun die Christen als das Licht der Welt bezeichnet, dann heißt das für die Welt, sie ist finster. Sie ist finster und muss dringend erleuchtet werden. Die Christen auf der einen Seite, die Welt auf der anderen. Das Salz auf der einen, die Fäulnis auf der anderen Seite. Das Licht auf der einen, die Finsternis auf der anderen Seite. Ein schreiender Gegensatz. Und dieser Gegensatz wird noch schärfer, wenn Jesus sagt, ihr seid das Licht der Welt. Das heißt: Nur ihr. Das «ihr» ist ganz hervorgehoben, in der Grammatik nennt man das emphatisch. Es ist deutlich herausgestrichen «ihr allein» seid das Licht der Welt. Und wenn das wahr ist, was Jesus hier sagt, dann denken wir Christen meistens viel zu gut von der Welt und viel zu schlecht von uns selbst. Wenn das wahr ist, was Jesus hier sagt, dann denken wir viel zu gut von der Welt oft: ach so schlimm ist sie ja gar nicht, und viel zu schlecht von uns selbst: So anders sind wir ja gar nicht. Aber Jesus spricht von einem schreienden Gegensatz.
Und da taucht natürlich gleich die Frage auf: Ist das nicht anmaßend? Sollten wir nicht eher sagen: Wir bemühen uns, Salz und Licht zu sein? Wir versuchen, so gut es geht, ein wenig Licht in diese Welt zu bringen. Nein! Jesus spricht hier nicht von einer Forderung, sondern von einer Tatsache. Ihr seid das Salz. Das ist kein Befehl, sondern eine Feststellung. Ihr seid das Licht der Erde. Wie kommen wir zu dieser Ehre? Wodurch haben wir denn diese hervorgehobene Position? Bestimmt nicht deshalb, weil wir bessere Menschen wären, das ganz bestimmt nicht, nein. Jesus hat die Antwort einmal deutlich gegeben. Da hat er gesagt: Ich bin das Licht der Welt. Also das eigentliche Licht ist Jesus selbst. Er ist Gott in Person, er ist sündlos, er ist die Wahrheit, Jesus selbst. Und was ist nun ein Christ? Ein Christ ist ein Mensch, der in einer persönlichen Verbindung zu Jesus steht. Das ist ein Christ. Er betet zu Jesus, er bekommt durch Jesus Wegweisung durch sein Wort, er vertraut ihm, er gehorcht ihm, das ist ein Christ. Er steht in einer verbindlichen Beziehung zu Jesus. Das gehört auch zu den großen Geheimnissen, die wir selbst im letzten nicht erklären können, diese persönliche Lebensverbindung mit Jesus, dass er nicht nur unser Vorbild ist, nein, dass er da ist, dass wir es wissen, auch wenn wir ihn nicht sehen mit unseren Augen. Jesus ist das Licht und wer nun mit Jesus verbunden ist, ist angeschlossen an dieses Licht, an diese Lichtquelle Jesus.
Und deshalb kann Jesus zu seinen Leuten sagen, ihr seid auch das Licht der Welt, weil ihr an mir hängt und zu mir gehört. Paulus hat das mal geschrieben an Leute, die waren kurz vorher Christen geworden. In Epheser 5, 8 da sagt er: „Ihr ward früher Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn.“ Das heißt. jetzt seid ihr Licht, weil ihr jetzt an Jesus gebunden seid und zu ihm gehört. Und das ist der einzige Grund für die neue Qualität der Christen, der einzige Grund. Wir sind nicht deswegen Licht, weil wir bessere Fähigkeiten hätten, weil wir einen natürlichen guten Charakter haben, weil wir einen guten Willen mitbringen. Nein, nicht deswegen. Wir sind Licht der Welt, weil Jesus in uns lebt, weil er uns festhält, weil wir zu ihm gehören. Und vorher? Vorher, sagt Paulus, da ward ihr auch Finsternis. Nun aber seid ihr Kinder des Lichts. Und damit ist plötzlich dieser schreiende Gegensatz da zwischen Christ und Welt, weil die Welt immer noch in der Finsternis ist. Denn jeder, der nicht zu Christus gehört, sagt die Bibel, ist Finsternis. Egal wie anständig oder unanständig er sein mag, wie wohltätig oder egoistisch er sich sonst verhält, ganz gleich ob er menschenfreundlich oder menschenverachtend ist, jeder, der nicht zu Christus gehört ist Finsternis, weil er nicht versöhnt ist mit dem lebendigen Gott.
Ein schreiender Gegensatz. Ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus. Die Welt ist Finsternis. Nun muss ich sagen, es ist heute, 1995, viel leichter über diesen Text zu predigen, als es etwa vor 100 Jahren, 1895, gewesen wäre. Damals herrschte ein großer Zukunftsoptimismus. Die führenden Denker damals die vertraten die Auffassung: Ach Kriege werden wir bald nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen. Die Erziehung und die Bildung wird die Menschheit so weit kultivieren, dass bald ein harmonisches Friedensreich entsteht. Das haben die wirklich geglaubt vor hundert Jahren und es waren nicht die Dümmsten, die das dachten. Heute glaubt das kaum noch jemand. Das Wissen der Menschen hat sich angehäuft, die technischen Möglichkeiten sind größer geworden, aber der Mensch ist derselbe geblieben. Er kann heute nur mehr Unheil anrichten als früher, weil er mehr Machtmittel dazu hat. Und wir gehen vom Verbrechen zum größeren Verbrechen. Und die Missachtung von Gottes Geboten gebärdet sich immer frecher und selbstverständlicher. Nehmen Sie das Beispiel der Abtreibungspraxis in unserem Land. Nicht nur in Kriegen bringt man Kinder um. Und in unserer Gesellschaft werden vor allen Dingen diejenigen angegriffen, zum Beispiel in Talkshows, die sagen, das Leben des Kindes im Mutterleib ist genauso unantastbar wie das Leben des Kindes in der Wiege. Wer das sagt, das Leben des Kindes im Mutterleib ist genauso unantastbar, wie das Leben des Kindes in der Wiege, der gilt bei Vielen als unmenschlich, als frauenfeindlich und gar als Gefahr für die Demokratie. Wo sind wir gelandet?
Oder nehmen Sie das andere Beispiel, das in letzter Zeit immer stärker nach vorne gepusht wird, das Beispiel der praktizierten Homosexualität. Eine große Zigarettenfirma machte vor einiger Zeit Werbung mit folgendem Plakat, unter anderem hing das in Hannover: Eine Hochzeitsgesellschaft, im Hintergrund ein Pastor in Talar, der sich offensichtlich freut, und ganz vorne das Brautpaar, zwei Männer, die sich gerade küssen. Das ist also möglich in unserer Gesellschaft, dass Homosexualität in dieser Weise offen propagiert wird. Nicht nur in der Werbung, auch in den Unterhaltungsfilmen, schon im Vorabendprogramm. Ja mehr noch, wer es wagt, jetzt auf Gottes Gebote hinzuweisen und zu sagen, wir haben ja nichts gegen die Homosexuellen, aber die Homosexualität entspricht nicht dem Willen Gottes und Gott kann einen Homosexuellen auch von dieser Neigung befreien, wer das sagt, der wird niedergeschrien, der wird lächerlich gemacht oder als Fundamentalist in die Ecke gestellt. Die Lage hat sich zugespitzt. Früher sagte man, Gottes Maßstäbe sind veraltet. Heute sagen viele, Gottes Maßstäbe sind menschenverachtend. Was Gott über die Homosexualität sagt, ist menschenverachtend.
Die Fäulnis, die Finsternis dieser Welt werden immer greifbarer. Und genau diese Entwicklung hat die Bibel vorhergesagt. Und sie hat uns auch die Ursache dafür gesagt, die Menschheit ist infiziert mit dem Virus der Sünde. Das sagt die Bibel sehr deutlich. Und daran kann keine gentechnische Manipulation etwas ändern, weil die Gentechnik nicht an unser Herz herankommt. Nur Gott kann den Virus heilen, aber den will die Welt nicht. Und so breitet das Geschwür der Dunkelheit sich immer weiter aus, unaufhörlich. Das ist Gottes schonungslose Diagnose. Aber es ist nicht Gottes letztes Wort. Der schreiende Gegensatz führt jetzt nicht dazu, dass Jesus sagt, weil die Welt ist, wie sie ist, zieht euch zurück ins Kloster, lasst die Finger von dieser dreckigen Welt, schottet euch ab. Das sagt Jesus nicht, sondern er sagt, weil die Welt so verfault und verfinstert ist, braucht sie euer Salz, braucht sie euer Licht. Diese Welt, sagt Jesus, diese kaputte Welt mache ich euch zur Aufgabe, die lege ich euch ans Herz. Ihr seid das Salz und das Salz soll nicht warten und verpackt bleiben, sondern es soll rein in die Fäulnis der Welt. Ihr seid das Licht und das Licht soll nicht einfach fröhlich vor sich hin leuchten, sondern es soll draufhalten auf die Dunkelheit. Aber Jesus kennt uns. Er weiß, dass wir Christen in einer großen Gefahr stehen. Er weiß, wie leicht es passieren kann, dass wir kraftlos werden, dass wir wirkungslos werden in dieser Welt. Und darum ermahnt er uns. Darum weist er uns hin auf eine heimtückische Gefahr.
Und das ist das Zweite, die heimtückische Gefahr. Es fällt auf, wie ausführlich Jesus diese Gefahr hier beschreibt in diesen Sätzen. Er sagt: Was ist los, wenn das Salz plötzlich seine Wirkkraft verliert? Was passiert dann? Die Gefahr besteht darin, dass man das Salz nicht mehr schmeckt, dass man das Licht nicht mehr sieht, dass man die Christen als solche nicht mehr erkennt. Das ist die Gefahr. Für die Wirkung der Christen in der Welt ist es ganz wichtig, dass wir erkennbar sind. Salz muss man schmecken können, Licht soll man sehen können, sonst ist es sinnlos. Und genau da lauert die heimtückische Gefahr für jeden Christen, weil wir uns anpassen. Was sagt Jesus denn in Vers 13: Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man dann salzen? Nun wissen die Chemiker, dass echtes Salz seine Salzkraft nicht verlieren kann, aber in Israel kam das Haushaltssalz oft vom Toten Meer. Und dieses Salz vom Toten Meer war kein reines Salz, sondern es war vermischt, zum Teil mit Sand, mit Gips, mit anderen Mineralien und je mehr das Salz vermischt war, umso fader wurde es, umso geschmackloser, umso weniger konnte es seine Aufgabe erfüllen. Und genau da liegt die heimtückische Gefahr für uns Christen. Nämlich dass wir uns anpassen, dass wir uns vermischen mit dieser Welt und mit den Maßstäben dieser Welt und das heißt auf gut Deutsch, wir machen Kompromisse. Auf der einen Seite Gottes Maßstäbe und auf der anderen Seite die Gesellschaft. Eigentlich wollen wir ja Gott gehorchen, aber ganz so streng wollen wir dann auch nicht sein, ein paar kleine Abstriche sind ja nicht so schlimm.
Ich musste daran denken, achte, neunte Klasse. Ich hatte eine Zeit schlecht Lateinvokabeln gelernt und dann bin ich zweimal hintereinander bei einem Lateintest dabei erwischt worden, dass ich abgeschrieben habe. Könnte man sagen, Kavaliersdelikt, okay Aber in der Pause fragte mich dann ein Schulkollege: Sag mal, du bist doch Christ. Wie kannst du das eigentlich mit deinem Christsein vereinbaren? Er hatte Recht. Ich habe mich geschämt. Es war ein heilsames Erlebnis, weil es mir in Erinnerung gerufen hat, wir sind auf dem Präsentierteller als Christen. Und wie schnell kann das passieren, im Großen wie im Kleinen, dass ich Gottes Ansichten, die in der Bibel stehen mit meinen eigenen Vorstellungen so ein bisschen vermische, eine Prise Sand, eine Prise Gips, und nach und nach verliert das Salz seine Kraft. Und das hat dann dramatische Folgen. Wir können nämlich nicht mehr in die Welt reinwirken, weil wir uns nicht mehr von ihr unterscheiden. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bergpredigt: Christen sind anders als die Welt. Und die Kirchengeschichte hat es immer bewiesen, wenn die Kirche sich deutlich unterschied von der Welt, dann war sie nicht nur in sich selbst gesünder, sondern dann war sie auch viel attraktiver, viel anziehender, viel interessanter für die Welt. Das geht bis heute.
Neulich sagte mir mal jemand, der eher noch zur Welt gehört: Also wenn ich in die Kneipe gehe, dann trinke ich nicht Tee, sondern Bier. Und wenn ich in die Kirche gehe, dann will ich wenigstens ordentlich was von Gott hören und nicht irgendein anderes Gerede. Recht hat er. Und das ist der Irrtum mancher Christen, dass sie denken, je weltlicher wir uns geben, je mehr wir uns anpassen, je deutlicher der Unterschied eigentlich verwischt zwischen uns und den anderen, umso leichter kommen wir an die Leute heran, umso leichter können wir auf die Welt einwirken. Das Gegenteil ist wahr. Und deshalb warnt Jesus uns vor dieser heimtückischen Gefahr. Er sagt, keine Kompromisse, passt euch nicht an, dann bewahrt ihr eure Salzkraft und dann werdet ihr diese Welt stärker beeinflussen, als ihr euch vorstellen konntet. Wenn ich einem Drogenabhängigen helfen will, muss ich selber clean sein. Wenn die Christen dieser Welt helfen wollen, dann dürfen sie sich nicht an ihren Krankheiten infizieren. Die heimtückische Gefahr.
Und wissen Sie, die Anpassung hat noch einen Bruder. Und der Bruder der Anpassung ist der Rückzug. Diesen Bruder nimmt der Herr Jesus sich in Vers 15 vor. Da sagt er: „Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter.“ Also Sie müssen sich das so vorstellen, ein Scheffel war ein Getreidemaß, da passten etwa zwölf Liter rein. Und das ist ja wirklich absurd, dass man ein Öllämpchen anzündet und dann einen Scheffel drübersetzt. Das wäre so, als wenn wir eine Kerze anzünden und sie dann in die Mülltonne setzen würden. Da könnte höchstens die Mülltonne explodieren, dann hätte sie wenigstens noch eine Wirkung. Aber das ist doch absurd. Ein Öllämpchen anzuzünden und einen Scheffel drüberzusetzen. Das ist eine heimtückische Gefahr für uns Christen, dass wir uns zurückziehen. Aber wie schnell geht das. Auch als Christen sind wir ja Menschen. Und was wollen wir als Menschen? Da wollen wir unsere Ruhe. Als Menschen wollen wir Ehre und Ansehen. Als Menschen wollen wir möglichst keine Außenseiter sein, möglichst ungehindert Karriere machen, möglichst nicht auffallen, zumindest nicht durch unseren Glauben. Wissen Sie, in unseren Herzen da lauern hundert Gründe, die uns zur Anpassung und zum Rückzug verführen wollen. Und darum prüft Jesus. Er prüft mich und er prüft Sie mit diesen Versen. Und wir müssen uns heute Morgen fragen: Wie steht es eigentlich mit meiner Erkennbarkeit als Christ gegenüber der Welt?
Denn nur so können wir der Gefahr begegnen, indem wir uns von Jesus prüfen lassen. Wo habe ich mich angepasst? Wo habe ich angefangen, Kompromisse zu machen? Wo habe ich mich zurückgezogen? Was wissen eigentlich meine Nachbarn darüber, dass ich Christ bin, meine Kommilitonen, meine Freunde? Jemand hat das mal sehr spitz formuliert. Er sagte: Angenommen man will dir den Prozess machen und dich verurteilen wegen deines Christseins. Gibt es genügend Beweise? Hast du genug auf dem Kerbholz, das dich als Christ ausweist? Können sie dir nachsagen, dass du anders bist, dass du nicht bei allem mitgemacht hast? Können sie dir vorwerfen, dass du deinen Mund aufgemacht hast? Mussten sie dein Salz schmecken? Mussten sie mein Licht und dein Licht sehen, aushalten? So eine Prüfung ist hart, aber sie ist heilsam. Denn Jesus sagt, Vergebung ist jederzeit möglich, wenn wir das einsehen, wenn uns klar wird, wie fade unser Leben geworden ist. Wie sehr wir uns angepasst haben an die Welt und zurückgezogen in unser kleines privates Glück. Wenn wir das einsehen. Und wenn wir dann zu Jesus damit gehen und sagen, Herr ich schäme mich dafür, ich bereue es, vergib mir, lass mich neu anfangen, dann wird er unserem Leben wieder ganz neu die Salzkraft geben und die strahlende Leuchtkraft schenken.
Und deshalb steht am Ende nicht die Warnung vor der Gefahr, sondern am Ende gibt Jesus uns dann das weitreichende Gebot. Erst zeigt er den schreienden Gegensatz, dann weist er uns hin auf die heimtückische Gefahr und zum Schluss gibt er uns das weitreichende Gebot und das heißt: Würzen und Leuchten! In Vers 16 sagt er: „So lasst nun euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ So selbstverständlich, wie die Stadt auf dem Berg gesehen werden muss, so selbstverständlich wie das Licht auf den Leuchter gehört und nicht in die Mülltonne, so sollt ihr Einfluss ausüben, einen doppelten Einfluss, eine zweifache Wirkung auf diese Welt nehmen. Was sollen wir sein? Zum einen sollen wir würzen wie Salz. Was heißt das praktisch? Wir hatten gesehen, Salz verzögert den Verfall eines Nahrungsmittels. Salz verlängert die Haltbarkeit. Und wenn Christen nun an ihrem Platz das ganz andere Leben führen, das Leben, zu dem Jesus uns durch die Bergpredigt anleitet, was machen wir dann? Dann verzögern wir den Verfall der Gesellschaft um uns herum. Und schon wenige Körnchen Salz haben eine große Wirkung. Eine Familie im ganzen Wohnblock, eine Familie, die zusammen betet, auch für ihre Nachbarn, eine Familie, die Sonntag Morgen zum Gottesdienst geht, eine Familie, die sich in der Woche um Rücksicht bemüht – glauben Sie, dass das seine Wirkung verfehlt? Ein Arzt im Krankenhaus, der sagt, und ich mache keine Abtreibungen, weil ich Christ bin. Ein Politiker in der Ratsfraktion, der in der Debatte auf die Gebote Gottes hinweist. Einen Mitarbeiter am Fließband, der nicht mitmacht, wenn sie über Gott spotten. Ein Mensch, in dessen Tasche keine Pornohefte sind. Einer, der sich zu seinem Glauben bekennt. Ein Fußballer in der ganzen Mannschaft, der sagt, Fußball ist nicht alles. Ein Schüler in der ganzen Klasse, ein Student im ganzen Seminar, ein Mitglied in einer großen Familie, ein Patient auf einer großen Krankenstation.
Vorgestern besuchte ich einen alten Mann und der erzählte mir, wie er ganz normal wie immer gebetet hätte und plötzlich kommt der Arzt rein mit der ganzen Visitentruppe und der sagte: Herr Schändel, sie beten ja! Das habe ich lange nicht gesehen. Und es war in den nächsten Tagen, als ob es den Arzt immer wieder in dieses Krankenzimmer gezogen hätte, weil er spürte, dieser alte, betende Mann brachte einen Einfluss in die Station hinein, den er sonst kaum kannte. Würzige Salzchristen üben starken Einfluss auf diese Gesellschaft aus. Und das kann sich bis in die große Politik hinein zeigen. Sehen Sie, im 18. Jahrhundert da blieb den Engländern eine blutige Revolution wie in Frankreich erspart. In Frankreich gab es ein grauenvolles Gemetzel, in England nicht. Und die Geschichtswissenschaftler sind sich ziemlich einig über die Ursache. Sie sagen, der Grund, dass es in England so unblutig von Statten ging, liegt darin, dass der Evangelist John Wesley und seine Mitarbeiter viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus riefen. Er konzentrierte sich darauf, Menschen zur Bekehrung zu führen. Er machte keine direkte Politik. Aber er bewirkte damit erstaunliche Begleiterscheinungen. Die Kriminalitätsrate sank, der Alkoholismus ging zurück, bis ins Parlament hinein wirkte es sich aus, so dass wichtige Gesetze, zum Beispiel gegen die Sklaverei, auf den Weg gebracht wurden. Und diese Salzwirkung entstand dadurch, dass John Wesley und seine Leute predigten, so dass Menschen zum Glauben kamen und ihrer Bestimmung als Christen gemäß lebten.
Das ist die indirekte Wirkung der Christen. Wir schaffen kein Friedensreich auf der Erde, nein, das ist uns nirgendwo verheißen. Wir verhindern nicht, dass das Böse ausreift. Gott hat gesagt, dass das auf jeden Fall geschehen wird; das Böse muss ausreifen und dann wird Gott es endgültig richten. Aber Christen behindern und verlangsamen den Vormarsch des Bösen. Und ohne diese Salzwirkung der Christen, ich sage Ihnen, sähe es auch in dieser Stadt Osnabrück schon ganz anders aus. Jesus sucht Salzmenschen, die sich nicht anpassen, sondern gehorchen, die sich nicht zurückziehen, sondern Flagge zeigen. Aber damit sind unsere Möglichkeiten noch nicht erschöpft. Das weitreichende Gebot von Jesus hat auch noch diese andere Seite: Wir sollen nicht nur würzen, wir sollen auch leuchten. Das Salz wirkt ja eher indirekt, unsichtbar. Das Licht dagegen hat eine direkte, sichtbare Wirkung. Und darum fordert Jesus uns zum Schluss noch einmal auf: Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen! Und wir fragen gleich: Ist das nicht eine totale Überforderung? Sollen wir Vorzeigechristen sein, mit einem Vorzeigeleben? Ja, wer kriegt das denn hin? Ja, welches Licht soll denn hier leuchten? Jesus sagt, lasst euer Licht leuchten. Wer ist denn unser Licht? Jesus selbst. Er macht uns doch zu Licht durch die Verbindung mit ihm. Und damit ist klar, wir müssen dieses Licht nicht selber machen, wir müssen es nur widerspiegeln. Wir müssen das Licht nicht produzieren, wir müssen es nur reflektieren. Wir müssen gehorsam mit Jesus leben, wir müssen uns von ihm immer wieder unsere Schuld vergeben und bereinigen lassen und dann wird sein Licht immer stärker durch uns durchscheinen.
Ich werde es an einem Beispiel zeigen. Eine Missionarin arbeitet in Tokio, unter anderem auch in einem Viertel, wo es viel Prostitution gibt. Und sie besucht so eine Prostituierte auf der Tuberkulosestation und sieht, im Zimmer sind mehrere Patientinnen. Sie spricht mit allen. Da liegt auch eine Buddhistin mit einer großen Buddhastatue auf ihrem Nachtschrank. Und die Missionarin gibt allen ein Johannesevangelium, also ein Teil des Neuen Testaments. Als sie einige Tage später wiederkommt, sieht sie, wie grade die Buddhistin ganz intensiv in dem Johannesevangelium liest. Sie ist völlig erstaunt. Wie kam es dazu? Und dann hört sie die Erklärung. Beim ersten Besuch, als sie die Johannesevangelien mitbrachte, da hat man der Missionarin einen Pfirsich angeboten. Auf der Tuberkulosestation einen Pfirsich. Vielleicht haben die auch überlegt: Was wird die jetzt machen? Wird sie sich trauen, wird sie ihn essen, oder nicht? Und sie hat fröhlich danke gesagt und den Pfirsich verzehrt. Und das hat die Buddhistin so beeindruckt, dass sie sich sagte, wenn die das wagt, dann muss die einen kennen, der stärker ist als der Tod und die Furcht vor dem Tod. Und den muss ich kennenlernen. So griff diese Buddhistin zum Johannesevangelium, weil eine Christin fröhlich und furchtlos in den Pfirsich gebissen hat. Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen.
Nun behaupten ja viele, die Christen müssen gar nicht so viel reden, die sollen mal Krankenhäuser bauen und Sozialdienste leisten, das reicht schon. Aber das ist hier nicht gemeint. Wir müssen den Satz schon zu Ende lesen, ganz bis zum Schluss. Da sagt Jesus: ‚Lasst euer Licht leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und die soziale Not etwas gelindert wird.’ Das sagt er nicht. ‚Damit sie euren guten Werke sehen und es auf dieser Welt etwas menschenfreundlicher und harmonischer wird.’ Das sagt er auch nicht. Sondern er sagt: „So lasst nun euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Das ist das Ziel. Und was muss geschehen, dass einer dahin kommt, dass er den Vater im Himmel preist? Na logisch, er muss erst mal zum Glauben kommen. Er muss erst einmal zum Glauben an Jesus und zum Glauben an den Vater im Himmel kommen und dann wird er den Vater preisen. Und damit ist die Sache klar. Jesus sagt, eure guten Werke sollen so beschaffen sein, dass sie anderen Menschen helfen zum Glauben zu kommen. Und darum sind die guten Werke nicht einfach nur gute Taten.
Wissen Sie, gute Taten können Nichtchristen auch tun. Hier ist unser ganzes Leben gemeint, unsere Worte und unsere Taten. Unser ganzes Leben soll so von Jesus geprägt sein, dass es Werbung macht für den Glauben an ihn, dass es Mut dazu macht, die Verbindung mit Jesus zu suchen. Unser ganzes Lebenswerk soll ein gutes Werk sein, ein Signal, ein Hinweisschild auf Jesus und den Vater im Himmel. Wie bei der Missionarin. Was sie tat, sie aß den Pfirsich auf der Tuberkulosestation, das wurde erklärt durch das, was sie sagte, ich bin Christ. Und was sie sagte, das wurde erklärt, erläutert und bestätigt durch das, was sie tat. Und genau das will Jesus in Ihrem und in meinem Leben bewirken, dass unsere Worte und unsere Taten sich nicht gegenseitig durchstreichen, sondern sich gegenseitig unterstreichen. Und oft macht Gott es so, dass Dinge, die wir so selbstverständlich tun, einfach weil wir Gott treu und gehorsam sein wollen, eine große Wirkung haben. Ein gläubiger Arzt wurde mal gefragt: Sagen Sie mal, wann sind Sie zum ersten Mal darauf gestoßen, dass Jesus wirklich lebt und dass Gott da ist? Und er überlegte eine Weile und dann sagte er: Als ich ein kleiner Junge war. Mein Vater hat in seinem ganzen Leben nie mehr als vierzig Dollar in der Woche verdient. Aber jeden Sonntagmorgen in der Kirche sah ich, wie er zehn Dollar davon vorsichtig auf den Kollektenteller legte. Und das hatte der Junge begriffen. Wenn mein Vater von seinen vierzig Dollar pro Woche, davon zehn Dollar für Gott und seine Gemeinde gibt, dann muss da was dran sein.
Und ich habe mich gefragt: Was sehen deine Kinder an dir? Was sehen ihre Nachbarn in ihrem Leben? Wie viel geben wir weiter von dem Licht, das Jesus uns gebracht hat? Wir haben so viele Möglichkeiten. Wir müssen nicht erst warten, bis die Leute kommen und uns fragen. Das Licht scheint auch nicht nur, wenn die Dunkelheit danach fragt, sondern das Licht greift die Dunkelheit an. Wir haben so viele Möglichkeiten das Licht leuchten zu lassen. Und wenn wir mit jemandem nicht gleich ins Gespräch kommen, können wir ihm vielleicht mal ein Buch schenken. Wir haben so viele Möglichkeiten und sei es, dass wir zu den Nachbarn sagen: Na, Sie haben vielleicht gemerkt, wir sind jeden Sonntag Vormittag weg im Gottesdienst. Das ist eigentlich schön da. Und wir finden das so schön, dass wir Sie gerne mal einladen würden. Wir haben so viele Möglichkeiten. Christen sind Lichtträger, Reflektoren. Christen sind Kapillaren, kleine Gefäße, durch die Gottes Licht bis in die letzten Winkel unserer Stadt hineinkommen soll. Ich komme zum Schluss. Was machen Christen in dieser Welt? Sie wirken! Christen drücken dieser Welt ihren heilsamen Stempel auf. Wir machen uns keine Illusionen, wir wissen um den schreienden Gegensatz zwischen Licht und Finsternis, zwischen Christ und Welt, zwischen einem Leben ohne Jesus und einem Leben unter Jesus. Das wissen wir. Wir sind anders. Nicht weil wir besser wären, sondern weil wir einen besseren Chef haben, den besten, den es gibt.
Aber wir müssen aufpassen, denn noch immer lauert die heimtückische Gefahr, dass wir uns anpassen und anbiedern, oder dass wir uns zurückziehen und zur Ruhe setzen. Heute, heute Morgen rüttelt Jesus uns auf mit seinem weitreichenden Gebot. Würzt und leuchtet, sagt er. In einer Welt die verfault, dürfen wir nach Gottes Geboten leben. In einer Gesellschaft, die kaputt geht, dürfen wir dieser Gesellschaft die Salzkraft Gottes entgegenleben. Das ist unsere indirekte Wirkung. Und dann das Größte: Wir sollen auch direkt in diese Welt hineinwirken, wir sollen direkt an diese Welt herangehen und ihr Jesus entgegen leuchten. Wir sollen brennende Fackeln sein für Gottes Wahrheit, erkennbar und eindeutig, verständlich, klar und hell, damit wir denen in der Dunkelheit heimleuchten können, heim zu Gott. Und dann werden wir leben wie jener Leuchtturmwärter an der See, mit dem ich jetzt schließe.
«Jedes Mal, wenn der Leuchtturmwärter mal weggehen musste, dann sagte er zu seiner Frau: Halt die Scheiben sauber und lass das Licht leuchten. Und dann wurde er schwer krank. Bevor sie ihn ins Krankenhaus abtransportierten, schärfte er es seiner Frau noch einmal ein: Du, halt die Scheiben sauber und lass das Licht leuchten. Und eines Tages, als die Frau ihn wie immer im Krankenhaus besuchen wollte, sagte man ihr, dass ihr Mann plötzlich gestorben sei. Und sie fragte die Schwester: Sagen Sie mal, hat er noch irgendwas gesagt? Hat er noch irgendeine Nachricht hinterlassen? Ja, sagte die Schwester, es war ganz seltsam, aber als letztes hat er gesagt: Halt die Scheiben sauber und lass das Licht leuchten. Solche Menschen sucht Gott. Menschen die nur eine einzige Sorge haben, dass das Licht von Jesus leuchtet. Warum? Damit noch viele am Ufer von Gottes Ewigkeit ankommen und nicht in der Dunkelheit untergehen. So lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie euer ganzes Leben sehen und euren Vater im Himmel preisen. Amen.