Die eiserne Ration - was gehört zum Evangelium?
Wolfgang Nestvogel
20.06.2014
Maleachi-Konferenz I - 19.06.-21.06.2014 - Zavelstein
ID: 26048
Die eiserne Ration oder der unverzichtbare
Inhalt der Evangelisation, darum geht es. In den vergangenen Jahren sind ja viele
Debatten über Evangelisation geführt worden und oft hatte man dabei den Eindruck,
strittig sei vor allem die Frage der Methode, strittig sei etwa die Frage der Zusammenarbeit
in der Evangelisation, strittig sei die Form, aber bezüglich des Inhalts sei man
sich doch eigentlich wie selbstverständlich einig. Die Diskussion hat in ihrem
Verlauf aber genau das Gegenteil bewiesen. Das, worin man sich am wenigsten einig
ist, ist der Inhalt des Evangeliums. Und aus diesem Mangel an inhaltlicher Übereinstimmung
bezüglich dessen, was ist nun die Substanz, was gehört eigentlich unverzichtbar
dazu, daraus resultieren dann auch viele formale und methodische Widersprüche und
Meinungsgegensätze. Es geht hier wirklich um alles oder nichts. Es geht um Leben
oder Tod. Es geht um Himmel oder Hölle. Es geht um die Frage, wie kann ein Sünder
vor Gott bestehen?
Es geht um die Frage der Rechtfertigung, wie Paulus das formuliert hat. Rechtfertigung,
ein Begriff, der uns heute oftmals nicht mehr in dieser theologischen grundsätzlichen
Bedeutung klar ist, sondern eher in Alltagssituationen vielleicht. Da tritt der
13jährige mit gesenktem Kopf atemlos ins Haus, wollte schon vor einer Stunde eigentlich
wieder da sein. Jetzt ist es ½ 9 und er wird empfangen mit dem Ausruf der Mutter:
„ Jetzt bin ich aber gespannt, wie du das erklären willst!“ Er muss sich rechtfertigen.
Oder ne andere Situation. Abends um 11 schleicht sich der Ehemann nochmal zum Kühlschrank,
um sich das letzte Mettwurstbrot des Tages zu gönnen. Und während er leise die Kühlschranktür
öffnet, geht plötzlich das Licht in der Küche an und seine kalorienbewusste Ehefrau
steht im Raum und fragt ihn: „Na, was willst du denn um diese Zeit noch am Kühlschrank?“
Und er muss sich rechtfertigen. D.h., er wird zur Rechenschaft gezogen. Wer sich
rechtfertigen muss, ist immer in der Defensive. Er braucht Argumente, aber er weiß
nicht, ob sie überzeugen. Wer sich verteidigt, klagt sich an, sagt ein Sprichwort.
Das stimmt aber auch nicht immer. Natürlich kommt es immer auf die Instanz an, vor
der wir uns rechtfertigen müssen. Manche Instanzen sind harmlos, andere nicht.
Und vor einer Instanz muss sich jeder Mensch rechtfertigen. Vor dieser Instanz entscheidet
sich aber alles. Und damit haben wir ein echtes Problem. Denn gerade vor dieser
einen Instanz, vor der sich alles entscheidet, kann sich keiner rechtfertigen. Hiob
hat das mit Schrecken begriffen, wenn er ausruft in Hiob 9 Verse 2 - 3:
Ja, ich weiß sehr gut, dass es so ist, und dass ein Mensch nicht Recht behalten
kann gegen Gott.
Ein Mensch kann nicht Recht behalten gegen Gott. Ein Mensch kann sich nicht
rechtfertigen vor Gott. Und Hiob fährt dann fort:
Hat er Lust mit ihm zu streiten, so kann er ihm auf tausend nicht eins antworten.
Und genau diese Situation hatte der Apostel Paulus vor Augen, als er im Römerbrief
– in diesem zentralen Kapitel 3 – schrieb in Vers 19:
Wir wissen aber, dass das Gesetz alles, was es spricht, zu denen sagt, die unter
dem Gesetz sind, damit jeder Mund verstopft werde und alle Welt vor Gott schuldig
sei.
Jeder Mund verstopft, alle Welt vor Gott schuldig, eine Regel ohne Ausnahme. Und
jetzt ist die Frage – die Schlüsselfrage – angesichts der Tatsache, dass jeder Mensch
von Gott zur Verantwortung gezogen, wird: Wie komme ich damit klar? Und was kommt
dabei heraus, wenn Gott mich zur Rechenschaft zieht? Genau an diesem Punkt ist die
Reformation damals aufgebrochen, als Luther merkte, was mir die Kirche – damals
die römisch-katholische Kirche – anbietet für meine Rechtfertigung vor Gott, das
funktioniert nicht. Als er merkte, ich finde keine wirkliche Antwort auf die Frage:
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Und in der Zeit vor seiner Bekehrung hat er
einmal gesagt: „Könnte ich glauben, dass Gott nicht zornig über mich ist, ich würde
vor Freude einen Kopfstand machen.“ Aber er konnte es noch nicht glauben zu jener
Zeit. Er hatte noch nicht verstanden, was biblische Rechtfertigung ist, wie wir
Christ werden, wie wir gerettet werden.
Nun wollen wir uns dieser zentralen Frage nähern: Was ist die Botschaft des Evangeliums
und der Rechtfertigung? Und dabei stellen wir zunächst die Frage:
1. Gibt es Varianten des Evangeliums? Es
werden ja verschiedene Konzepte als Evangelium präsentiert. So wie es ja Paulus
schon im Galater-Brief diskutiert hat. Und eine, eine Variante, die als Evangelium
angeboten wird, präsentiert uns:
a) Das Kreuz als Beweis der Liebe Gottes.
Das ist eine Variante. Diese Variante gibt es seit dem Mittelalter und noch früher
in den unterschiedlichsten Ausführungen. Ich sag es jetzt nur mal ganz grundsätzlich.
Das finden sie auch in evangelistischen Predigten bis heute, dass gesagt wird: Sieh
doch ans Kreuz, sieh doch, wie sehr er für dich gelitten hat, daran siehst du doch,
wie Gott dich liebt, vertraue ihm und bekehr dich zu ihm. Das präsentiert als Evangelium.
Siehe doch am Kreuz, wie sehr er dich in seiner Hingabe liebt. Und dann dürfte dich
nichts mehr daran hindern, diesem Wort zu glauben und dich ihm anzuvertrauen. Ist
das das Evangelium? Eine andere Variante:
b) Dabei wird das Kreuz verkündigt als Selbsthingabe
Jesu zur Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott. Da wird gesagt: Am Kreuz
hat Jesus sich ganz hingegeben, um dich in die Gemeinschaft mit Gott zurückzuholen
und dich mit Gott zu versöhnen. Das klingt erst mal sehr vertraut. Das ist für sich
genommen sicherlich auch biblisch, aber ist es genug, ist es alles? Und vor allem
wogegen, wogegen wird es, wird es gestellt? Ich habe Ihnen ein Zitat aus einem Artikel,
den Hans-Joachim Eckstein, der übrigens auch einer der Hauptredner jetzt beim Christus-Tag
gestern in Stuttgart war, der viele sehr wertvolle Bücher – wie ich meine – geschrieben
hat, der Professor für NT ist und sicherlich zu den Neutestamentlern in Deutschland
gehört, die sich mehr für die Glaubwürdigkeit des Evangeliums eingesetzt haben als
andere. Er hat Folgendes geschrieben: „Dabei liegt das Hauptproblem in unserer
heutigen Verwendung des Begriffs 'Sühne', bei dem wir vorrangig an Wiedergutmachung
im Sinne von Ausgleichsleistung, Strafe und Buße denken.“ Und das lehnt er ab. Er
sagt: „Sühne ist nicht Strafleiden, sondern die Gabe des neuen Lebens jenseits
der todbringenden Trennung. In Christus können wir an ihn glauben und gewiss sein,
dass uns nichts und niemand mehr von Gottes Liebe trennen kann. Auch erklärt sich
die für viele irritierende Rede vom 'Blut Christi' nicht etwa von der Todesart der
Kreuzigung her“ sagt Eckstein, „Blut steht hier vielmehr für das hingegebene Leben,
weil das Leben im Blut enthalten ist.“ Also Eckstein sagt: „Blut steht hier nicht
als Metapher für den gewaltsamen Tod am Kreuz, sondern im Blut ist das Leben. Er
gibt sein Blut, d.h., er gibt sein Leben hin. Seine Selbstgabe bedeutet, dass er
uns in dieser Selbsthingabe hinein holt in die Gemeinschaft mit Gott, aber ja, er
trägt, er entsorgt die Schuld. Aber dieses Entsorgen ist ein Wegtragen und es ist
kein Sühne-Leiden. Das ist ganz entscheidend.“ Das ist der Kern dieser These: Sühne
ist nicht Straf-Leiden, Sühne bedeutet nicht Ausgleichsleistung, Sühne bedeutet
nicht Buße. Sühne bedeutet auf Deutsch nicht, dass Christus mit seinem Leben meine
Strafe getragen hat. Das wird in dieser Definition ausdrücklich abgelehnt und zurückgewiesen.
Und deswegen ist in dieser Definition das Blut auch nicht verstanden als Bild für
den gewaltsamen Tod Christi am Kreuz, mit dem er für meine Schuld bezahlt.
Und einer, der in den letzten Jahren dieses Verständnis von Eckstein aufgenommen
hat und sich darauf auch ausdrücklich berufen hat, war Hans Peter Royer. In seinem
bekannten Buch 'Du musst sterben, bevor du lebst, damit du lebst, bevor du stirbst'
schreibt er in der 7. Auflage 2012 in einem extra Vorwort, dass er die ersten drei
Kapitel dieses Buches verändert habe, und zwar grade im Hinblick auf das Sühne-Verständnis.
Und dabei sei er Eckstein gefolgt, von dem er dazu die entscheidenden Dinge gelernt
habe und er könne eben nicht mehr vertreten, dass Christus stellvertretend die Strafe
für uns trage. Sein Leiden ist kein Straf-Leiden, sondern dann wird eben eine Definition
von Sühne gebracht, die dem entspricht, was auch Eckstein hier sagt. Und dann heißt
es etwa bei Royer auf Seite 37: „Gott hat keine Strafleistung von seinem Sohn gefordert.“
Und in einem Zitat von Jesaja 53, wo ja ausdrücklich steht: Die Strafe liegt
auf ihm, damit wir Frieden hätten, sind ausgerechnet – das ist zwar durch eine
Klammer kenntlich gemacht – aber sind ausgerechnet diese Aussagen ausgelassen hier
in dem Zitat. Also, es wird gesagt: Ja, Christus entsorgt die Sünde am Kreuz, aber
nicht insofern als er für uns stellvertretend die Strafe erleidet. Gott verlangt
kein Opfer und Gerechtigkeit – wir kommen darauf noch – dass Gott Gerechtigkeit
schenkt, ist nicht juristisch gemeint, ist nicht juristisch gemeint, behauptet Royer,
sondern die Gerechtigkeit Gottes ist einfach ein Begriff für bundestreues Verhalten.
Also Gottes Gerechtigkeit meint Gottes Bundestreue, Gottes Treue zu seiner Verheißung,
aber bedeutet nicht, dass Gott uns für gerecht erklärt und uns gerecht macht. So,
so wird es vertreten von Hans Peter Royer in der jüngsten Auflage dieses Buches,
das er extra nochmal umgeschrieben hat, weil er sagte: Ja, früher hab ich auch
geglaubt, dass das ein stellvertretendes Straf-Leiden war, heute glaube ich das
so nicht mehr. Varianten des Evangeliums – c) kommt dann:
c) Die neue Paulus-Perspektive.
Wolfgang Bühne hat heute Vormittag schon auf eine CD hingewiesen, in der sich Pfarrer
Möller kritisch mit diesem Konzept auseinandersetzt. Deswegen kann ich mich da jetzt
sehr kurz halten. Wir haben auch nicht die Zeit, das alles im einzelnen zu entfalten.
Ich will nur ein paar ganz wenige Stichpunkte dazu geben. Die neue Paulus-Perspektive
wurde vor allem populär gemacht auch im deutschen Sprachraum – im angelsächsischen
ohnehin – durch N.T. Wright. Er ist Professor für NT, ehemaliger Bischof der Anglikanischen
Kirche. Und N.T. Wright behauptet, dass die Reformatoren Paulus an der entscheidenden
Stelle völlig falsch verstanden hätten. Die Reformatoren seien davon ausgegangen,
bei der Rechtfertigungslehre ginge es um die Frage, wie ein Mensch mit Gott ins
Reine kommt, wie ein Mensch mit Gott versöhnt wird. Aber das ist nach Wright ein
riesengroßes Missverständnis. Die Reformatoren haben nicht nur Paulus falsch gedeutet,
sondern sie haben auch das Judentum des Neuen Testaments völlig falsch verstanden,
als sei das Hauptproblem des Judentums zur Zeit des Neuen Testaments die Werkgerechtigkeit
gewesen. Aber dem sei nicht so, behauptet Wright. Und er ist ja nur einer von vielen,
die die neue Paulus-Perspektive vertreten. Sondern er sagt, die Reformatoren haben
den Fehler gemacht, dass sie die Position ihrer theologischen Gegner – nämlich der
katholischen Kirche – hineingelesen haben in das Judentum zur Zeit des Paulus. Das
sei der Fehler der Reformatoren gewesen. Und deswegen hätten sie Paulus in der gleichen
Front gesehen wie sich selbst gegenüber dem Katholizismus, aber damit würde man
dem Judentum Unrecht tun. Das Hauptproblem des Judentums sei gar nicht die Werkgerechtigkeit
gewesen. (So, als hätte Jesus nicht das Gleichnis von dem Pharisäer erzählt und
dem Zöllner, wo er sagt: Ich danke dir, dass ich nicht so bin wie dieser. Ist nur
ein Beispiel für ganz klare Indizien von Werkgerechtigkeit im Judentum des NT.)
Also die falsche Frage der Reformation Rettung des Einzelnen – Soteriologie –, die
richtige Frage sei vielmehr – auch das hat Wolfgang Bühne schon angedeutet – die
Frage nach der Gemeinschaft, also nach der Ekklesiologie. Das Problem der Juden
war nicht ihre vermeintliche Werkgerechtigkeit, sondern ihr Exklusivismus und ihre
Abschottung gegenüber den Heiden. Das wäre ihr Hauptfehler gewesen, dass sie die
Heiden gewissermaßen nicht reingelassen hätten in die Familie. Und das sei aber
das Hauptanliegen der Rechtfertigungslehre: nicht Erlösung, sondern Gemeinschaft.
Die Frage lautet nicht: Wie wird der Einzelne mit Gott versöhnt? Wie komm ich in
den Himmel? Sondern die Frage lautet: Wie werden wir – Juden und Heiden – zu einer
neuen Gemeinschaft versöhnt? Und darum hätten die Reformatoren auch den Galater-Brief
etwa in sein Gegenteil verkehrt. Normalerweise sei der Galater-Brief nicht die Aufforderung,
das Evangelium von zusätzlichen Werkforderungen zu reinigen – also Jesus und . Und
deswegen sind wir ja, bis Wright kam, immer davon ausgegangen, der Galater-Brief
ist der Hauptbrief für die Auseinandersetzung mit dem Katholizismus. Nein, der Galater-Brief
habe vielmehr das Anliegen, die Gemeinschaft all derer, die im weitesten Sinne an
Jesus glauben, wiederherzustellen. Und deswegen sei der Galater-Brief nicht eigentlich
kontrovers-theologisch zu verstehen, sondern er sei der große ökumenische Brief.
Und wenn wir den Galater-Brief ernst nähmen – so Wright – dann müssten wir schon
längst sehr viel deutlicher auf die Römisch-Katholische Kirche zugegangen sein.
Es geht also nicht darum bei der Rechtfertigung – glaubt Wright – wie man Christ
wird, sondern, woran man erkennen kann, wer gehört zur Familie. Und der Fehler der
Juden war, dass sie sagten, nur wer beschnitten ist und die jüdischen Feiertage
einhält, nur der gehört zur Familie. Das seien die sogenannten Identity-Markers
gewesen – wie er sie nennt. Und das wär die falsche Antwort gewesen. Man gehört
dann zur Familie, wenn man die jüdischen Bestimmungen einhält. Und die richtige
Antwort wäre gewesen, man gehört dann zur Familie, wenn man – im weitesten Sinne
– an Jesus glaubt. Wobei sehr unklar bleibt, was 'an Jesus glauben' im einzelnen
dann bedeutet. Und wobei auch sehr offen bleibt, ob zur Familie gehören schon bedeutet,
in den Himmel zu kommen. Das alles bleibt völlig offen.
Und im Zuge dieser neuen Paulus-Perspektive entwickelt dann Wright, aber auch die
anderen, er ist, wie gesagt der große Popularisierer dieser Gedanken, eine neue
Füllung biblischer Begriffe und Konzepte. Und wir nennen das Äquivokation, d.h.,
es wird der gleiche Begriff verwendet, den wir auch kennen, aber dieser Begriff
wird mit einem anderen Inhalt gefüllt. Dann reden sie mit den gleichen Vokabeln
und jeder denkt, der andere meint das Gleiche wie man selbst, aber eigentlich sind
die Begriffe schon anders gefüllt. Deswegen redet man aneinander vorbei. Ich möchte
das an einigen Beispielen deutlich machen. Also einer dieser Begriffe, die neu gefüllt
sind, ist der Begriff 'Rechtfertigung'. Also nach Paulus bedeutet Rechtfertigung
– kommen wir gleich nochmal ausführlicher dazu – Gott erklärt den Sünder für gerecht.
Gott erklärt den Sünder für gerecht. Das ist die Hauptbedeutung von Rechtfertigung
im Römerbrief, und nimmt ihn als Kind an und daraus folgt, dass der Mensch Bürger
des Himmels ist. So haben wir es immer verstanden. Nach N.T. Wright bedeutet Rechtfertigung:
Wer gehört in den Bund mit Gott?, aber nicht: Wer kommt in den Himmel? Und er kann
es einmal so formulieren – und Sie dürfen sich nicht wundern, dass Sie diese Formulierungen
irritieren, wenn Sie die noch nicht so häufig gehört haben, weil das alles sehr
fromm klingt und sehr ähnlich klingt dem, was wir kennen, aber doch trotzdem nicht
das Gleiche meint. Das ist das Problematische an diesem Konzept. Hören Sie nur mal
eine Formulierung wie diese: „Rechtfertigung im Galater-Brief ist die Lehre, dass
alle, die an Jesus glauben, an denselben Tisch gehören [also zur Gemeinde], während
sie unabhängig von ihren rassischen Unterschieden auf die zukünftige neue Schöpfung
warten.“ [Zitatende] Alle, die an Jesus glauben, gehören an denselben Tisch und
warten – unabhängig ihrer rassischen Unterschiede – auf die neue Schöpfung. Was
Neu-Schöpfung meint, bleibt dann ziemlich im Dunkeln. Damit ist noch nichts drüber
gesagt, wer in den Himmel kommt. Damit ist nach N.T. Wright auch noch nicht endgültig
über die zukünftige Rechtfertigung entschieden. Auch das bleibt bei ihm sehr offen:
Was bedeutet endgültige zukünftige Rechtfertigung? Es gibt bei ihm eine Formulierung,
da sagt er: Die zukünftige Rechtfertigung hänge teilweise auch von den Werken ab.
Es bleibt sehr offen. Ein weiterer Begriff, das können wir uns jetzt im einzelnen
nicht angucken: Die Werke des Gesetzes werden anders und neu gefüllt. Die Gerechtigkeit
Gottes wird neu gefüllt in Analogie zur Rechtfertigung. Paulus sagt: Gottes Gerechtigkeit
– ganz einfach – ist ein Geschenk, das er mir wie einen Mantel umlegt. So definiert
Paulus Gottes Gerechtigkeit. Er kleidet mich in seine Gerechtigkeit. Sie haben das
dann in diesem berühmten Lied 'Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck
und Ehrenkleid. Damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn.'
Das ist die klassische biblische Bedeutung. Und Luther hat es dann verglichen mit
dem fröhlichen Wechsel. 1520 in seiner Schrift 'Von der Freiheit eines Christenmenschen'
sagt Luther: Das ist ein fröhlicher Wechsel. Christus, der reiche Bräutigam heiratet
das arme, zerlumpte Mädchen und all seine Gerechtigkeit legt er ihr um, als wäre
es ihre eigene, und alle Sünde von ihr, von diesem Mägdelein da, – er verwendet
einen noch schlimmeren Begriff – nimmt der reiche Bräutigam auf sich, als hätte
er die selbst begangen. Und da er alle Sünde verschlingt, hat die Sünde keine Chance.
Der fröhliche Wechsel. Er gibt mir seine Gerechtigkeit und nimmt dafür meine Schuld
auf sich.
Nein, nein, sagt N.T. Wright, Gerechtigkeit kann überhaupt nicht mit Gerichtssprache
erklärt werden, das meint nur Gottes Bundestreue: Gott ist in sich treu und steht
zu seiner Verheißung, nicht mehr. Es geht nicht darum, wie einer Christ wird.
Letztes Beispiel vielleicht: Evangelium und Kreuz. Paulus sagt, das Evangelium
– wir kommen darauf gleich noch genauer – ist die gute Nachricht, dass Jesus Christus
für unsere Schuld gestorben und auferstanden ist. Wer das im Glauben ergreift, wird
durch Gottes Gnade gerecht gesprochen, wird mit Gott versöhnt, wird auf ewig gerettet,
wird erlöst. Und das Kreuz ist der Ort, an dem Jesus das Sühnopfer für die Sünden
der Welt gebracht hat. N.T. Wright sagt, nein, nein. Das Evangelium ist die königliche
Bekanntgabe, dass Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung von Gott als Herr
der Welt inthronisiert wurde. Das Evangelium ist die Ausrufung eines königlichen
Sieges. Durch Kreuz und Auferstehung hat Gott gezeigt, dass Jesus König des Universums
ist. Das klingt doch gut. Nun sagen Sie: Was habt ihr denn gegen Wright? Wright
behauptet doch, dass durch das Kreuz gezeigt wurde, dass Christus der Sieger ist
und der Herr des Universums. Was wollt ihr mehr? Aber merken Sie, hier steht nichts
von Sühnopfer, hier steht nichts von stellvertretend getragener Schuld, sondern
er ist der Sieger über die Mächte der Finsternis. Aber Wright sagt dann selbst [Zitat]:
“Das Evangelium ist kein System, das erklärt, wie Menschen gerettet werden. [Und
weiter]: Das Evangelium ist streng genommen die Verkündigung der Königsherrschaft
Jesu, die Bekanntgabe des königlichen Sieges.“ Also das Kreuz ist ein Symbol des
Sieges, aber es ist nicht der Ort, an dem das Gericht über meine Schuld erfolgt
ist. Und in dem Sinne wird dann auch das Reich Gottes umgedeutet im Sinne einer
starken Verdiesseitigung. Es wird primär diesseitig verstanden. [Zitat]: „Das Reich
Gottes besteht darin, dass es Gottes Ziel ist, Gerechtigkeit und Frieden in seiner
Welt im Hier und Jetzt zu etablieren.“ Und die Hölle ist nach N.T. Wright kein Ort.
Das sei eher so eine mittelalterliche Vorstellung, sondern die Hölle bedeutet die
Entmenschlichung des Menschen, der sich Gott gegenüber verschließt. Er verwendet
hier diesen Begriff 'Dehumanisation', die Entmenschlichung des Menschen, mit der
er sich selber vor Gott verschließt. Aber da wird nichts gesagt über die ewigen
Konsequenzen, die dies hat. Sie merken, wenn Sie sich ein bisschen mit der Emerging
Church und der Missionalen Theologie und dem Transmissionskonzept oder den Transmissionskonzepten
auskennen, dass Wright denen sehr schön in die Hände arbeitet, bzw. in die Federn
arbeitet. Das ist sehr gut kompatibel mit den klassischen Konzepten der Emerging
Church. Es geht nicht so sehr um persönliche Rettung. Es geht um die Errichtung
des Reiches Gottes hier. Es wird die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen
Himmel und Erde, zwischen gerettet und verloren, beständig verwischt. Und er ist
ein guter Gewährsmann für dieses Denken. Das Ganze hat radikale Konsequenzen, nämlich
die Verharmlosung der Frage von Rettung und Verlorenheit, von Himmel und Hölle,
die Verwischung auch der Grenze zwischen Glauben und Werken. Deswegen ist er auch
ein sehr beliebter Gesprächspartner für ökumenische Verhandlungen. Das jetzt eine,
jetzt im Juni in Zürich eine Veranstaltung gegeben, wo er seine Position ausführlich
dargestellt hat. Und diese Veranstaltung wurde organisiert vom Institutum Oecumenicorum
der Universität Freiburg, also auf Schweizer Seite. Und zu den Partnerorganisationen,
die dieses mit veranstaltet haben, gehörte eben u.a. auch das Bucer Seminar. Es
ist also interessant, wieweit eben die Öffnung und Befassung mit Wright hier, hier
geht. Verharmlosung der Frage von Himmel und Hölle, Verwischung der Grenze zwischen
Glauben und Werken, Verdrängung des Sühnetodes Jesu und im Ergebnis damit eben eine
Veränderung des Verständnisses von Christ sein.
Varianten des Evangeliums. Das Kreuz als Beweis der Liebe Gottes. Das Kreuz als
Selbsthingabe Jesu zur Wiederherstellung der Gemeinschaft. Die neue Paulus-Perspektive.
Und dann will ich noch auf ein letztes Beispiel hinweisen und Sie dann damit auch
nicht weiter damit quälen. Ich präsentiere Ihnen aber diese Beispiele deshalb, damit
Sie mir einfach glauben, dass in der Tat wir es momentan mit einer massiven Verfälschung,
Veränderung, Umdeutung, Neuschreibung des 'Evangeliums' zu tun haben – auf breitester
Front. An der eben auch so bekannte Evangelisten wie Hans Peter Royer sich beteiligen
oder beteiligt haben, obwohl er dies sicherlich gut gemeint hat. Ich glaube, der
hat's einfach nicht durchschaut. Aber die Tatsache, dass jemand etwas nicht durchschaut,
bedeutet ja nicht, dass er trotzdem stark an dessen Verbreitung mitwirken kann.
Letztes Beispiel ist:
d) Die neue Erklärung, das neue EKD-Papier
zur Rechtfertigung, das jetzt im Mai 2014 erschienen ist. Ich hab mich dazu auch
u.a. geäußert beim Maleachi-Tag in Siegen und da hat's ne Idea-Meldung gegeben und
Idea schickt dann ja immer so ein paar Frei-Exemplare. Also, wenn Sie die Meldung
nochmal mitnehmen, da steht auch ein bisschen was dazu, können Sie dann gerne in
diese Kiste greifen. Das ist keine Werbung von Idea und das ist erst recht keine
Werbung für viele andere Artikel, die in diesem Heft stehen, also, es ist eher ne
Werbung für den Maleachi-Kreis. Worum geht es? Es wird dort in dieser Erklärung
zur Rechtfertigungslehre behauptet, die ja auch im Hinblick auf das große Reformations-Jubiläum
2017 erschienen ist: Die Frage nach dem gnädigen Gott sei keine universal und zu
allen Zeiten für die Menschen entscheidende Frage, sondern sie wäre typisch gewesen
für die Zeit Luthers. Und dann heißt es dort etwa auf Seite 24: „Luther lebte in
einer Welt, in der Gott als Gerichtsherr über das Leben von Menschen urteilt, Sünde
und Schuld straft.“ Haben Sie gehört: Luther lebte in einer Welt, d.h. also, wir
heute nicht. „Und die Frage lautete damals, mit welchen Gaben kann der Mensch seine
Schuld vor Gott bezahlen, wie kann er so leben, dass er der Strafe für nicht bezahlte
Sünde und Schuld entgeht?“ Damals habe die Vorstellung gegolten, dass Gott alle
Menschen zur Rechenschaft zieht, sagt das Papier. Bedeutet: heute nicht. Und dann
geht’s noch weiter. Der Leser wird beruhigt: Nein, nein, die heutige Mehrheitsfrömmigkeit
– so heißt das dann da – habe diese Frage nicht mehr, heute sei [Zitat] „das übersteigerte
mittelalterliche und auch unter reformatorischen Bedingungen beibehaltene Bild von
Gott als einem Gerichtsherrn, der wie ein absolutistischer Monarch unumstritten
herrscht, tief problematisch geworden.“ [Zitatende]. Frage: Für wen problematisch?
Und wem das hilft, dass er es problematisch empfindet? Sie merken, da wird uns suggeriert,
ja es wird uns so eingeimpft, die verzweifelte Suche nach dem gnädigen Gott können
wir mit kirchenamtlicher Unterstützung getrost abblasen. Das ist eigentlich eine
Frage des Mittelalters. Das ist eine Frage der Zeitgeschichte, die bestimmte Menschen
zu einer bestimmten Zeit traktiert haben, aber nicht eine Frage, die jedem Menschen
vor Gott zu stellen ist. D.h. also, dass der Mensch sich vor seinem Schöpfer rechtfertigen
muss, dass der Mensch als angeklagter Sünder vor Gott steht, das stimmt gar nicht
wirklich. Das war nur das subjektive Empfinden zur Zeit Luthers, also im 16. Jahrhundert.
Heute – im 21. Jahrhundert – habe der Mensch ganz andere Fragen und für ihn sei
die Hölle nicht mehr das Problem, sondern die Hölle auf Erden. Und der Rest des
Buches ist dann ein krampfhafter Versuch unter Berufung auf die Reformation und
mit teilweise sehr frommen Worten, wieder etwas völlig anderes als Rechtfertigung
zu propagieren, als die Bibel als Rechtfertigung lehrt. Soweit so schlecht, kann
man sagen. Das erstaunt uns auch eigentlich nicht. Was uns dann erstaunt, ist, als
dieses Buch – da war es öffentlich noch nicht erschienen – erstmals in Idea präsentiert
wurde, schon Idea selbst in der Darstellung mit keinem Sätzchen eine ausdrückliche
Kritik übte, was aber noch viel schlimmer war, es wurde dann ein Kommentar eines
Repräsentanten der Evangelikalen dazu veröffentlicht. Und dieser Repräsentant der
Evangelikalen war in dem Fall der Vorsitzende der Konferenz missionarischer Ausbildungsstätten
in der EKD und auch Vorstandsmitglied im Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverband,
nämlich der Direktor der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal, Pfarrer Burkhard
Weber. Und Burkhard Weber schreibt als Repräsentant der Evangelikalen über die EKD-Studie
[Zitat]: „Man kann sich über diesen Text nur freuen.“ Man kann sich über diesen
Kommentar nur wundern, würd ich dann dazu sagen. Und Sie stehen dann fassungslos
davor und er sagt hier: Ja, manches ist da schon ein bisschen anders formuliert,
als wir es so kennen, aber das sind eben unterschiedliche Frömmigkeitstraditionen.
Also es geht nicht um die Frage, was ist wahr und was nicht, sondern jeder hat so
seine Prägung und wir müssen uns in unseren Prägungen eben gegenseitig so stehen
lassen. Es geht hier nicht um die Frage von Wahrheit oder Unwahrheit. Und Sie können
sich dann als Leser fragen: Hat er es wirklich nicht verstanden oder will er's nicht
verstehen? Wie kann das sein? Also Sie stehen da vor einem Rätsel. Varianten des
Evangeliums. Und jetzt kommen wir sehr schnell zum 2. Teil:
2. Das Evangeliums Gottes – Wie ist es denn
nun wirklich?
Das Evangelium Gottes – so hab ich diesen zweiten Teil deswegen genannt, weil Paulus
im Eingangsteil des Römerbriefes genau dieses ankündigt, er werde jetzt das Evangelium
Gottes ihnen ausbreiten, also das Evangelium, das der dreieinige Gott, das der Vater
uns in seinem Sohn durch den Heiligen Geist präsentiert habe, offenbart habe. Und
wir wollen jetzt – in Kürze natürlich geht das nur – möglicherweise sogar den zentralen
– Text des NT kurz miteinander betrachten, in dem uns Gott durch seinen Apostel
Paulus offenbart, was Rechtfertigung bedeutet, nämlich Römer 3 eigentlich die Verse
21 bis 25 und Sie werden mir jetzt verzeihen, dass ich das nur ja sehr skizzenhaft
tun kann. Tät ich es nicht, bekämen Sie kein Kaffeetrinken. Und wenn Sie sich ausführlicher
dem widmen wollen, lade ich Sie einfach ein, besuchen Sie die Homepage unserer Gemeinde.
Zurzeit haben wir dort eine Predigtreihe über den Römerbrief und da können Sie also
das Ganze etwas ausführlicher nachhören. Ich bin auch gerade im letzten Teil von
Römer 3. Also sehr viel weiter sind wir noch nicht gekommen. Aber wenn Sie eine
ausführlichere Auslegung von Römer 3, 19 – 26 suchen, dann gehen Sie einfach auf
die Homepage. Ich sag Ihnen am Ende nochmal die genauen Daten: beg-hannover.de.
Da können Sie das ausführlicher verfolgen. Mir geht’s jetzt darum, wir hatten ja
gesagt: Was ist die eiserne Ration, was bedeutet Rechtfertigung? Und das will ich
jetzt in einigen wenigen Strichen skizzieren. Und ganz zum Schluss möchte ich Ihnen
dann – das sei zu Ihrer Beruhigung vorab schon mal gesagt – noch ein Thesenpapier
mitgeben, bei dem ich versucht habe, den Inhalt der evangelistischen Botschaft in
5 Punkten noch einmal zusammenzufassen, so dass Sie das dann wirklich getrost mit
nach Hause tragen können, weil das immer schwierig ist, in so 1 und ner viertel
Stunde ein so umfassendes Thema auch nur ansatzweise seriös zu verhandeln und meine
Hoffnung ist eben, dass Sie dann weiterarbeiten können und das ganze in diesem Sinne
auch für sich festhalten können. Also wir lesen den Zusammenhang nochmal Römer 3
ab Vers 19:
19 Wir wissen aber, [schreibt Paulus] dass das Gesetz
alles, was es spricht, zu denen sagt, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund
verstopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, 20 weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch
[also kein Mensch]
vor ihm gerechtfertigt werden kann; denn durch das Gesetz kommt [was?] Erkenntnis
der Sünde.
Paulus sagt, alle Welt ist vor Gott schuldig, d.h., jeder muss sich vor Gott
rechtfertigen – sagt Vers 19 – und Vers 20 sagt, keiner kann sich vor Gott rechtfertigen.
Und dann kommt dieser, dieser Umschwung.
21 Jetzt aber
Und wenn Paulus schreibt 'jetzt aber', heißt ja so, jetzt bricht etwas Neues
ein, jetzt wird gesagt, warum das trotzdem noch nicht unser Todesurteil bedeutet.
'But now' heißt es in der englischen Übersetzung. Und Martin Lloyd Jones hat immer
gesagt: „Praise God for the buts in the bible.“ Also lobt Gott für die Abers in
der Bibel, denn die sagen, dass es trotz unserer Not eine Rettung gibt. Praise God for the buts in
the bible. Jetzt aber. Jetzt
hat Gott etwas für euch getan. Und was er getan hat, ist dort am Kreuz zu sehen.
Und man kann das zusammenfassen in 3 Unterpunkten:
a) Das Kreuz ist die Initiative des Vaters.
Das Kreuz, sagt Paulus, ist Gottes Antwort auf Gottes Zorn. Gottes Antwort auf Gottes
Zorn ist Gottes Gerechtigkeit. Und vorher hat Paulus von Kapitel 1, 18 bis Kapitel
3, 20 lückenlos nachgewiesen: Alle Welt steht unter dem Zorn Gottes. Alle Welt steht
unter dem heiligen, gerechten Zorn des vollkommenen Gottes, der keine Schuld dulden
kann, weil er Gott und heilig ist. Und es ist ein Kennzeichen all dieser Konzepte,
die ich vorhin dargestellt habe, dass sie dem Zorn Gottes, der das Ergebnis seiner
Vollkommenheit und Heiligkeit ist, nicht angemessen Rechnung tragen. Und es ist
so, als würden Sie Römer 1, 18 bis 3, 20 total gegen den Strich bürsten oder überlesen.
Das Kreuz ist die Initiative des Vaters. Und dann taucht hier viermal der Begriff
'Gerechtigkeit Gottes' auf.
21 Jetzt aber ist außerhalb des Gesetzes
die Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht worden, die von dem Gesetz und den Propheten
bezeugt wird, 22 nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus
Christus, die zu allen und auf alle kommt, die glauben. Denn es ist kein Unterschied;
23 denn alle haben gesündigt und verfehlen
die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten [Also dieser Vers 23 nimmt nochmal 1,
18 bis 3, 20 auf. Dann weiter:] 24 sodass sie ohne Verdienst [geschenkweise kann man übersetzen]
gerechtfertigt werden durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus
ist. 25
Ihn [also Christus]
hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühnopfer in seinem Blut,
Das ist der Schlüsselvers. Christus, ihn hat Gott für den Glauben – man könnte sagen
– öffentlich hingestellt als Sühnopfer oder als Gnadenort oder als Gnadenthron in
seinem Blut, um seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil er die Sünden ungestraft
ließ, die zuvor geschehen waren,
usw. usw. Das Erste: Das Kreuz ist die Initiative des Vaters, der uns seine Gerechtigkeit
schenkt. Viermal taucht der Begriff 'Gerechtigkeit Gottes' auf. Gott hat diese Gerechtigkeit
am Kreuz offenbart. Aber 'offenbart' heißt nicht nur, er hat sie gezeigt, sondern
er hat sie zugänglich gemacht. Er hat sie, sie manifestiert. Er hat diese Gerechtigkeit
als Geschenk angeboten, zugänglich gemacht für alle, die ihm glauben. Und deshalb
hat Luther, nachdem er das kapiert hatte, diese Gerechtigkeit auch passive Gerechtigkeit
genannt, weil er sagt: Ich kann dafür nichts tun. Ich kann sie nicht erarbeiten.
Ich kann sie nicht konstruieren. Es ist eine passive Gerechtigkeit, die zurückgeht
auf die Initiative des Vaters.
Und worin besteht dieses Geschenk? Das sehen wir in Vers 24 und Vers 26: Er rechtfertigt
uns. Das ist das Verb, das von dem Begriff für Gerechtigkeit abgeleitet ist. Er
rechtfertigt uns. D.h.: Er spricht uns gerecht. Er erklärt uns für gerecht. Und
natürlich kommt dieser Begriff aus dem Rechtswesen. Das ist natürlich forensisch.
Das ist anders überhaupt nicht zu erklären, auch vom Begriffsfeld her. Das setzt
voraus, was er vorher nun wirklich Kapitel lang entfaltet hatte: Alle stehen unter
dem Zorn Gottes. Alle stehen unter dem Urteil Gottes. Alle sind verurteilt. Alle
sind schuldig. Und rechtfertigen bedeutet jetzt, Gott erklärt uns für gerecht, obwohl
wir in uns ungerecht sind. Gott spricht uns frei, obwohl wir in unserer Schuld gefangen
sind und den Tod verdient hätten. Gott adoptiert uns als seine Kinder, obwohl wir
seine Feinde waren. Gott hüllt uns ein in seine Gerechtigkeit, er begnadigt uns,
obwohl wir voller Ungerechtigkeit stecken. Er rechtfertigt uns durch seine Gnade,
obwohl wir das Todesurteil verdient hätten.
Und ein anderes Bild, das Paulus hier in Vers 24 auch nochmal einschiebt – das ist
so unheimlich dicht –: Er, er erlöst uns, er kauft uns frei – Erlösung –, obwohl
wir schnurstracks auf dem Weg in Richtung Hölle sind. Und hinter diesem Begriff
der Erlösung steckt der Freikauf von Sklaven, von Kriegsgefangenen, von Kriminellen,
die raus gekauft werden. Gott kauft den Sünder frei. Und jetzt ist die Frage: Wer,
wer muss den hohen Preis bezahlen und womit bezahlt er den Preis? Und es ist wieder
der Vater selbst, der den hohen Preis bezahlt, den unser Loskauf kostet, indem er
seinen eigenen Sohn auf die Welt kommen lässt, indem er in seinem Sohn auf die Welt
kommt.
Und Paulus bindet dies zusammen in Vers 24. Wenn Sie hinschauen, da sagt er: gerechtfertigt
aufgrund der Erlösung. Also Rechtfertigung und Erlösung hängen ganz eng miteinander
zusammen. Man kann sagen: Weil Gott uns freikauft, kann er uns freisprechen. Weil
Gott uns erlöst, kann er uns rechtfertigen. Und das Entscheidende, was verändert
wird durch diesen Freispruch, ist unsere Stellung vor Gott. Wir bekommen vor Gott
einen völlig neuen Status aufgrund seines Freispruchs. Wir sind zum Tode Verurteilte
und werden durch, durch seinen souveränen Rechtsakt zu Kindern im Hause des Vaters
erklärt. Das bedeutet Rechtfertigung, nicht weniger.
Man kann das sehr schön mit einer Geschichte, die um Napoleon herum erzählt wird,
deutlich machen, wo Napoleon fast vom Pferd fällt, weil sein Gaul zickt und ein
Rekrut, ein junger Rekrut greift zu und bewahrt ihn vor dieser Blamage praktisch.
Und Napoleon sagt ganz schnell: „Ich danke Ihnen, Herr Rittmeister.“, sagt er zu
diesem Rekruten. Und der sagt: „Seine Majestät, von welchem Regiment?“ Und Napoleon
sagt: „Von meinem Regiment.“ Und dann gesellt sich dieser Rekrut zu einigen Generälen,
die da stehen, und einer der Alten sagt: „Hey, was will denn dieser junger Rekrut,
was will denn dieser Kerl hier bei uns?“ „Verzeihen Sie, Herr General,“ sagt er,
„dieser junge Kerl ist ein Rittmeister.“ Und dann fragt er zurück: „Wer hat das
gesagt?“ Und der junge Mann verweist auf Napoleon und sagt: „ Er hat es gesagt.“
Und dann sagte er: „Entschuldigung, ich wusste es nicht.“
Er hat es gesagt. Der Rekrut trug noch die Klamotten eines Rekruten. Er hatte noch
das unerfahrene Gesicht eines Rekruten. Er hatte noch die militärische Ausbildung
eines Rekruten, aber er war Rittmeister, weil der König ihn dazu erklärt hatte.
Das ist der Statuswechsel, der stattgefunden hat. Er, er spricht uns frei. Er ernennt
uns zu seinen Kindern. Er erklärt uns für gerecht.
Das Kreuz ist die Initiative des Vaters, der uns seine eigene Gerechtigkeit schenkt.
Und jetzt ist die Frage: Wie macht er das? Wie ist es möglich? Das Hauptproblem
bedeutet nicht, wie kann ein gerechter Gott Menschen verurteilen, sondern das Hauptproblem,
mit dem Paulus sich im Römerbrief befasst, lautet: Wie kann ein gerechter Gott Menschen
nicht verurteilen? Wie kann Gott heilig, gerecht und vollkommen bleiben und uns
trotzdem nicht in die Hölle schicken? Das ist die Kernfrage des Römerbriefs. Und
die Antwort darauf ist das Kreuz. Und darum das zweite:
b) Das Kreuz ist der Kraftakt des Sohnes.
Und jetzt merken Sie: Wenn Sie die Heiligkeit Gottes ausklammern, wenn Sie den Zorn
Gottes ausklammern, können Sie gar kein Evangelium formulieren. Es hängt alles in
der Luft. Die Schlüsselfrage ist verdeckt. Die Initiative des Vaters erfüllt sich
jetzt im Kraftakt des Sohnes. Und immer noch ist es der Vater, der handelt. Also,
es wird dann ja oft gesagt: Ja, wenn man so von Sühne redet, dann sieht das ja so
aus, als ob Gott rachesüchtig wäre und erst durch Christus umgestimmt werden müsste.
Entschuldigung, das ist theologischer Nonsens, das ist Quatsch. Der Vater handelt.
Der Vater will retten durch den Sohn. Der Vater kommt im Sohn. Es ist die Initiative
des Vaters. Es ist das Evangelium Gottes. Aber der Vater handelt durch den Kraftakt
des Sohnes. Ihn, und jetzt kommen wir zu Vers 25, und wenn Sie den Vers 25 haben,
dann haben Sie, haben Sie im Grunde den Kern des Römerbriefs: Ihn – [nämlich
Christus] – hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühnopfer in seinem Blut.
Man kann für dieses 'hingestellt' auch sagen: 'öffentlich ausgestellt' für den Glauben,
d.h. zum Ergreifen für den Glauben. Gott selbst gibt sich selbst, um uns vor sich
selbst – nämlich vor seinem Gericht – zu retten. Das ist das Geheimnis. Gott selbst
gibt sich selbst, um uns vor sich selbst zu retten. Und dazu ist dieser Kraftakt
des Sohnes nötig. Und was muss der Sohn tun? Was steht hier? Gott hat ihn zum
Sühnopfer bestimmt. Luther hat in einer älterer Übersetzung geschrieben: Gott
hat ihn als Gnadenstuhl aufgestellt.
Das Wort, was hier so unterschiedlich übersetzt wird, in Vers 25, ich hab es jetzt
als 'Sühnopfer' übersetzt, heißt im Griechischen 'Hilasterion'. Das ist ganz selten,
dieser Begriff im NT. 'Hilasterion' ist die griechische Übersetzung für das alttestamentliche
'Kapporet'. Und Sie wissen ja, es gibt eine griechische Übersetzung des AT seit
dem 3. Jahrhundert vor Christus etwa, die sogenannte Septuaginta. Und jetzt ist
es total spannend, wenn wir schauen, welches hebräische Wort wird mit 'Hilasterion'
übersetzt. Und dann stoßen Sie eben auf das Wort 'Kapporet'. Also, wenn im Alten
Testament 'Kapporet' steht, dann steht in der griechischen Übersetzung 'Hilasterion'.
Was war die 'Kapporet'? 3. Mose 16: Das war der Sühne-Deckel auf der Bundeslade.
Ja, Sie kennen diese Schilderung des Großen Versöhnungstages, 3. Mose 16, wo die
Bundeslade geschildert wird, an die das Blut heran gespritzt wird. Und der Ladendeckel
auf der Bundeslade, an den das Blut gesprengt wird, das ist das Hilasterion, das
ist die Kapporet, das ist der Sühne-Ort. Was passierte dort an diesem Gnadenstuhl?
Dort wurde das Opferblut von Tieren dran gesprengt (3. Mose 16, 14+15), einmal im
Jahr am Großen Versöhnungstag. Und jetzt verstehen wir: Der Gnadenstuhl war der
Ort, an dem die Versöhnung zwischen Gott und Mensch besiegelt wurde, an dem der
Gnadenstuhl als Instanz für Gott symbolisch und das Blut zusammenkamen, der Ort
der Sühnung mittels des Blutes. Und Paulus sagt: Das ist, das ist der Grund der
Rechtfertigung, das ist die Kraft der Rechtfertigung. Sieh dir den Gnadenstuhl an,
den hat Gott als Sühne-Ort bestimmt. Das Kreuz ist der Gnadenstuhl. Das Kreuz ist
die Kapporet. Dort hat er Christus öffentlich ausgestellt. Und öffentlich macht
auch nochmal den Unterschied deutlich zu dem, was am Versöhnungstag geschah hinter
dem dicken Vorhang des Allerheiligsten. Die alte Kapporet stand im Allerheiligsten
und nur der Hohepriester durfte rein. Die neue Kapporet, der Sühne-Ort, das Kreuz,
öffentlich hingestellt für den Glauben, damit der Glaube sich daran hängen und sich
darauf verlassen kann.
Und jetzt verstehen wir: Jesus am Kreuz, das ist der Gnadenstuhl, den Gott öffentlich
aufgestellt hat. Was ist dort passiert? Den hat Gott hingestellt als Hilasterion,
als Gnadenstuhl in seinem Blut, d.h., in seinem Opfertod. Jetzt ist klar, dass in
seinem Blut das Bild für den Opfertod sein muss. Denn was geschah am Hilasterion?
Da hat der Hohepriester das Blut des Sündenbocks an den Gnadenstuhl gesprengt. Und
so hat Jesus sein eigenes Blut dort am Kreuz vergossen. Er hat sein eigenes Blut
für uns geopfert. Und jetzt sehen wir, wie auf geheimnisvolle Weise dort alles zusammenkommt,
was zu unserer Rettung wichtig ist: Jesus als Hilasterion, als Gnadenstuhl in seinem
Blut, ja, Jesus ist beides. Jesus ist der Ladendeckel und er ist das Blut, das an
diesen Ladendeckel dran gesprengt wird. Das geschieht am Kreuz. D.h., Jesus ist
der Ort, an dem die Sühne geschieht. Jesus ist der Ladendeckel, das ist das Zeichen
für die Gegenwart Gottes. Jesus ist Gott. Jesus ist zugleich auch die Instanz, vor
der das Opfer gebracht wird. Jesus ist der Richter. Jesus ist der Gnaden-Thron.
Und sein Kreuz, an dem er stirbt, zeigt, Jesus ist zugleich das Opfer-Tier, dessen
Blut geopfert wird und der Hohepriester, der das Opfer bringt. Die Strafe, die der
Richter erhebt, bezahlt Jesus mit seinem eigenen Blut. Er wird der Sündenbock für
uns. Er sühnt unsere Schuld. Er vergießt sein Blut für mich und er nimmt dort meinen
Platz ein. Und so geschieht am Kreuz dieses Wunder, dass Gottes heilige, gerechte
Forderung nach Bestrafung der Sünde erfüllt wird und dass diese heilige, gerechte
Forderung nach Bestrafung der Sünde von Gott erfüllt wird durch Gott selbst, der
sie in seinem eigenen Sohn erfüllt, der sein vollkommenes Leben für uns in die Waagschale
wirft.
Gott selbst gibt sich selbst, um uns vor sich selbst zu retten. Jesus stellt sich
gewissermaßen als Austauschgeißel für uns zur Verfügung. Er wird zum Stellvertreter,
er der Unschuldige für uns Schuldige. Er bringt freiwillig dieses Opfer. Und hier
am Sühne-Ort, am Kreuz, kommt beides zusammen: Ladendeckel und Blut. Richter und
Retter. Gottes Heiligkeit, der Genüge getan werden muss, und Gottes Liebe, die sich
opfert, um diese Sühne zu leisten. Gott, der zu Versöhnende und der Versöhner. Gottes
strafende Gerechtigkeit, die wir verdient haben, und Gottes rettende Gerechtigkeit,
die er uns aus Gnade schenkt. Und Paulus sagt zu ihnen: Genau das passiert am Kreuz.
Da ist Jesus als Gnaden-Thron in seinem Blut. Das Kreuz ist Gottes Antwort auf Gottes
Zorn. Und überlegen Sie mal: 64 Verse lang hatte vorher Paulus beschrieben und bewiesen,
warum wir alle unter dem heiligen Zorn Gottes stehen mit unserer Schuld. Und jetzt
zeigt er hier, was das einzig, einzig wirksame Gegenmittel gegen diese Schuld ist.
Das einzige Mittel, das den Zorn Gottes stillen kann. Sühnen bedeutet auch besänftigen.
Also der Vater besänftigt sich selbst. Der Vater stillt seinen eigenen, notwendigen,
aufgrund seiner Vollkommenheit und Heiligkeit notwendigen gerechten Zorn. Der Vater
erträgt sein eigenes Urteil in seinem Sohn. Und das geschieht am Kreuz. Es ist das
Mittel, das der Vater selbst erdacht hat, der uns seine eigene Gerechtigkeit schenkt.
Das Kreuz ist der Kraftakt des Sohnes, welcher der Gerechtigkeit des Vaters Genüge
tut. Das heißt eigentlich sühnen: Er tut der Gerechtigkeit des Vaters Genüge. Und
wissen Sie, damit sind auch alle Einwände abgewiesen, Opfer und Sühne, das sei so
finstere, heidnische Religion und damit wollen wir ja nichts zu tun haben. Nein,
das ist es nicht. Heidnische Götzen sinnen auf Rache. Aber Gottes heiliger Zorn
ist die Folge seiner Vollkommenheit, die Sünde nicht dulden kann und deshalb ahnden
muss. Heidnische Götzen fordern Opfer von Menschen. Der lebendige Gott dagegen ergreift
selbst die Initiative und gibt sich hin als Opfer in seinem Sohn Jesus Christus.
Und nun noch etwas Geniales: Bedenken Sie, in Jesus wurde Gott Mensch. Jesus kommt
nicht nur als Gottes Sohn auf die Welt, der ohne Sünde ist, das ist das eine. Er
ist das vollkommene Opfer, weil er ohne Sünde ist – als der Sohn Gottes –, sondern
gleichzeitig wird Jesus … Was? Mensch. Gleichzeitig tritt Jesus damit auf unsere
Seite. Er kommt als Gott – er bleibt Gott. Und er wird Mensch. Und darum, weil er
auch auf unsere Seite tritt, kann er unser Stellvertreter werden dort am Kreuz.
Er kann unsere Schuld auf sich nehmen. Er kann für uns dem Vater das vollkommene
Opfer bringen, so dass der Vater uns begnadigen kann, um des Sohnes willen. Und
das heißt wieder rechtfertigen. Also es ist einfach genial! Gott selbst gibt sich
selbst, um uns vor sich selbst zu retten. Und so wird das Kreuz zum Gnaden-Thron,
zum Sühne-Ort. Hier wird Gottes Zorn gestillt. Hier wird Gottes Gerechtigkeit Genüge
getan, weil Jesus sein Blut vergießt, sein Leben hin opfert, als Opfer für uns in
den Tod gegeben.
Liebe Geschwister, darum ist es so, so entscheidend, dass wir dem treu sind, was
Gott uns darüber offenbart, was am Kreuz geschah. Das ganze NT macht deutlich, dass
das zentral ist, dass er stellvertretend für unsere Schuld die Strafe trägt. Das
ist zentral, das ist nicht optional. Das ist nicht eine Zugabe. Das ist nicht ein
möglicher Aspekt, den man auch anders sehen kann, sondern daran hängt, daran hängt
die ganze Erlösung. Douglas Moore, ein Neutestamentler, hat das wunderbar beschrieben.
Er hat gesagt: „Am Kreuz begegnen sich Gottes Liebe und Gottes heiliger Zorn. Und
keines von beiden darf unterschlagen oder geschmälert werden, wenn wir die volle
Bedeutung dieses Geschehens wirklich erfassen wollen.“
Darum ist es so wichtig, dass wir verstehen, was am Kreuz, was am Kreuz geschah
und dass wir, dass wir dem wehren und widersprechen, wenn es diese ganzen Variationen,
die eben keine Variationen des einen Themas sind, gibt, sondern die Verfälschungen
Verkürzungen sind. Dabei geht es hier gar nicht drum, dass wir über die Motive derer,
die das verbreiten, richten, sondern es geht darum, dass wir fragen: Wie war es?
Überlegen Sie mal, was hat es Christus gekostet? Was hat es den Vater gekostet?
Und, und wir sind manchmal nicht mal bereit, das bis ins Letzte zu versuchen zu
verstehen und zu durchdenken. Er hat, er hat seinen letzten Blutstropfen dort vergossen.
Er hat, er hat für uns unvorstellbare Qualen auf sich genommen. Und wir halten es
manchmal für unter unserer Würde und theologisches Fingerhakeln zu verstehen, was
der Herr in seiner Qual für uns erlitten hat und warum. Das ist Schuld. Wenn wir
nicht bereit sind, die Wahrheit des Kreuzes zu erkennen, zu studieren, wirklich
dem Herrn dafür zu danken, es zu ergreifen, dann spielen wir mit seinem Kreuz und
spucken noch nachträglich darauf. Und deswegen ihr Lieben ist es so wichtig, es
ist die – und ich bin überzeugt – es ist die zentrale Frage, die auch in den nächsten
Jahren uns zentral beschäftigen wird. Und Treue gegenüber unserem Herrn bedeutet,
dass wir dafür hin stehen und dass wir uns dazu bekennen und dass wir es predigen.
Wie sollen Menschen zum Gekreuzigten als ihrem Retter finden, wenn sie nicht erfahren,
was er getan hat für sie und worauf sie ihr Leben gründen sollen.
Nochmal: Die Not, aus der Jesus uns herausgerissen hat, ist viel, viel tiefer als
uns das in unserer humanistischen Harmlosigkeit oft bewusst ist. Wie kann ein gerechter
Gott überhaupt vergeben? Das ist die Frage. Wie kann ein gerechter Gott Gott bleiben,
ohne Sünder in die Hölle zu werfen? Das ist die Frage. Und die einzige Antwort lautet:
Weil es das Kreuz gibt. Ein englischer Theologe hat über unsere Stelle Folgendes
gesagt und dem kann ich mich nur anschließen. Er hat gesagt: „Wenn wir diesen Text
lesen, dann können wir die Weisheit, Heiligkeit, Liebe und das Erbarmen unseres
Gottes nur bewundern und in demütiger Anbetung vor ihm niederknien. Das Kreuz Jesu
sollte ausreichen, um das härteste Herz zu brechen und das kälteste, eisigste Herz
schmelzen zu lassen.“ Aber natürlich ist es immer ein Wunder, wenn das wirklich
passiert, denn der Gott, der dieses getan hat, der, der muss es uns auch schenken,
dass wir davon wirklich bis in den Grundfesten unseres Herzens erschüttert und ergriffen
werden und erkennen, wie sehr wir ihn brauchen. Und dann das Letzte – das werden
wir jetzt nicht mehr entfalten –, weil das zeitlich einfach nicht mehr zu schaffen
ist, dass ist dann das Letzte und das könnte man jetzt auch sehr schön aus diesem
Text noch herausarbeiten:
c) Das Kreuz ist die Zuflucht für den Glauben,
der die fremde Gerechtigkeit in Christus ergreift.
Also: Das Kreuz ist die Initiative des Vaters, der uns seine eigene Gerechtigkeit
schenkt. Das Kreuz ist der Kraftakt des Sohnes, welcher der Gerechtigkeit des Vaters
Genüge tut. Das Kreuz ist die Zuflucht für den Glauben, der die fremde Gerechtigkeit
in Christus ergreift. Es ist nicht meine Gerechtigkeit, es ist diese passive Gerechtigkeit,
es ist seine, an die ich mich klammere und durch die ich gerettet werde. Und dadurch
– dann schließt sich der Kreis wieder, kann man sagen –: Das Kreuz ist die Initiative
des Vaters, der uns seine eigene Gerechtigkeit schenkt und dadurch gleichzeitig
seine eigene Gerechtigkeit beweist. Er beweist, dass er heilig bleibt, dass er gerecht
bleibt, obwohl er Sünder in den Himmel holt, weil er die Strafproblematik geklärt
hat in seinem Sohn Jesus Christus. Also Gott schenkt uns seine eigene Gerechtigkeit
durch diesen Vorgang am Kreuz und darin beweist Gott zugleich seine eigene Gerechtigkeit,
wie es dann in Vers 25 noch weiter ausgeführt wird. Das konnte wirklich nur Gott,
nur Gott. Und Sie, Sie sehen ja auch die trinitarische Wirkung des Kreuzes, ja.
Man könnte sagen: Das Kreuz ist vom Vater erdacht, vom Sohn vollbracht und vom Heiligen
Geist uns zu eigen gemacht. Denn das ist die Wirkung des Heiligen Geistes, dass
wir, dass wir glauben können, dass diese Botschaft bei uns ankommt, dass sie uns
präsentiert wird und dass wir sie ergreifen dürfen. Vom Vater erdacht, vom Sohn
vollbracht, vom Heiligen Geist uns zu eigen gemacht. Das ist das Wunder, das am
Kreuz geschah. Das ist die eiserne Ration. Varianten des Evangeliums? Das Evangelium
Gottes nach Römer 3. Und zum Abschluss möchte ich Ihnen mitgeben: Eckpfeiler der
evangelistischen Verkündigung in 5 Thesen, die sich nun daraus ergeben. Und nach
allem, was wir jetzt gesagt haben, brauche ich die nur nochmals vorzulesen. Ich
darf Sie herzlich bitten, das einfach herumzugeben, dieses Thesenpapier. Das ist
nur noch einmal eine Zusammenfassung dessen, was wir hier entfaltet haben: der Inhalt
der evangelistischen Botschaft.
3. Eckpfeiler der evangelistischen Verkündigung
in 5 Thesen
Als Jünger Jesu muss es so sein, dass wenn man Ihnen nachts um 2 einen Eimer kalten
Wassers über den Kopf schüttet und sagt: Was ist die Kernbotschaft des Evangeliums?
Da müssen Sie in der Lage sein, diese 5 Punkte zu benennen. Wir können das ja mal
testen. Ich geh es ganz kurz nochmal durch und dann schließen wir hier ab und haben
aber die Möglichkeit – vielleicht sollten wir das noch machen –, bevor wir dann
offiziell mit Gebet abschließen, dass noch die Möglichkeit besteht, ein paar Rückfragen
kurz zu stellen und dann schließen wir öffentlich ab. Also, erst die Zusammenfassung:
Das Evangelium ist eine Botschaft, die
den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus als Retter, Herrn und endzeitlichen
Richter ausruft, da der Gekreuzigte und der Auferstandene – das sind zwei verschiedene
Akte, die gehören aber untrennbar zusammen –, denn durch die Auferstehung wird das,
was Jesus selbst über seine Kreuzigung gesagt hat, beglaubigt. Wäre er im Grab vermodert,
wäre alles, was er vorher gesagt hatte, Makulatur gewesen. Er hat immer gesagt:
Ich werde auferstehen. Und deswegen ist die Kreuzigung von der Auferstehung nicht
zu trennen, es sind aber zwei unterschiedliche, zwei unterschiedliche Akte. Diese
Botschaft hat die Kraft, Menschen in ihrem Herzen zu verändern, also diese Wahrheit
des Evangeliums, sie mündet in die Aufforderung zu Buße, Glaube und Nachfolge. Das
alles gehört untrennbar zusammen. Die Verkündigung des Evangeliums muss darum folgende
Wahrheiten vermitteln, die hier in logischer Abfolge dargestellt werden. Also wohlgemerkt,
das ist eine logische Abfolge. Es muss nicht immer in dieser chronologischen Sequenz
dargestellt werden. Also, Sie müssen nicht immer bei Punkt 1 anfangen und bei Punkt
5 aufhören. Sie können auch bei Punkt 5 beispielsweise anfangen: Wohin geht mein
Leben? Himmel oder Hölle? Sie können bei Punkt 3 anfangen und über Christus sprechen,
den Gott gesandt hat. Aber warum hat er ihn gesandt? Aber in der sachlichen Verknüpfung
machen diese 5 Aspekte das Evangelium aus.
1.
Der inhaltliche Ausgangspunkt
des Evangeliums ist der heilige und persönliche Gott. Er ist der Schöpfer, dem jeder
Mensch gehört und vor dem jeder Mensch sich zu verantworten hat. Die entscheidende
Frage über dem Leben des Menschen lautet: Wie steht es um mein Verhältnis zu Gott?
Oder wie Luther es formuliert hat: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Das ist
die zentrale Frage über dem Leben jedes Menschen, nicht nur im 16. Jahrhundert.
Und die Tatsache, dass die meisten Zeitgenossen sich dieser Frage nicht bewusst
sind, bedeutet nicht, dass das nicht trotzdem die wichtigste Frage in ihrem Leben
wäre. Manche Fragen, denen wir uns stellen sollten, stellen wir uns leider nicht.
Aber das macht sie nicht weniger relevant, diese Fragen. Dann brauchen wir es erst
recht, dass uns jemand drauf stößt, diese Fragen zu stellen. Dann wird es höchste
Zeit, dass wir begreifen, dass an diesen Fragen unser Schicksal hängt, unsere ewige
Existenz.
2. In Gottes Urteil wird der Mensch als
Feind Gottes bewertet, der nicht nur einzelne Sünden tut, sondern in seinem Kern
Sünder ist. Also, wir sind nicht Sünder, weil wir Sünde tun, sondern wir tun Sünde,
weil wir Sünder sind. Wir sind verdorben. Das Herz des Menschen ist böse von Jugend
an. Wir sind in unserer Ausrichtung rebellisch gegen den, dem wir alles verdanken
und dem wir alle Hingabe schulden. Das ist das Schlüsselproblem. Aus dem Sünder
sein folgt das Sünde tun, nicht umgekehrt. Wegen dieser totalen Verlorenheit – die
Bibel kann auch vom geistlichen Tod sprechen (also Epheser 2 etwa) – kann der Mensch
sich selbst nicht retten und sein Verhältnis zum lebendigen Gott nicht verbessern,
geschweige denn grundsätzlich bereinigen. Er bleibt unter Gottes Zorn (Römer 1,
18 – 3, 20 wird das ausführlich entfaltet).
3. In seinem Sohn Jesus Christus hat der
Heilige Gott den Weg zur Rettung eröffnet (Galater 4: Als die Zeit erfüllt war,
sandte Gott seinen Sohn.). Durch den Sühne-Tod am Kreuz nimmt Jesus die Strafe auf
sich, die wir Menschen ausnahmslos verdient haben (z.B. Markus 10, 45: Der Menschensohn
ist nicht gekommen, sich dienen zu lassen, sondern zu dienen und zu geben sein Leben
als eine Erlösung für viele.). Und bitte lassen Sie es nicht zu, dass Jesus und
Paulus gegeneinander ausgespielt werden. Es ist eine beliebte Methode auch der Emerging-Church-Exegeten
(ich weiß gar nicht, ob man sie Exegeten nennen sollte), die sagen: Ja, immer diese
paulinisch-juristische Engführung, wir müssen doch auf Jesus sehen, der das Reich
Gottes bringen wollte. Und dann wird übersehen, dass bei Jesus Reich Gottes auch
bedeutet, gerettet werden, in den Himmel kommen. Ins Reich Gottes zu kommen, bedeutet
gerettet zu werden, Erlösung, Versöhnung mit Gott, Rechtfertigung. Viele unterschiedliche
Aspekte der einen Wahrheit. In der Auferstehung besiegt Jesus den Tod und wird sichtbar
als Sohn Gottes und Retter bestätigt, damit hat Gott den Weg zur Versöhnung der
Sünder gebahnt. Und daraus kommt dann das, was Andreas Fett heute Vormittag auch
zitiert hat, nicht, diese Aufforderung, die wir auszurichten haben: Lasst euch versöhnen
mit Gott! D.h., lasst euch rechtfertigen, lasst euch retten, lasst euch erlösen!
Es ist immer die gleiche Botschaft.
4. Also: Der heilige Gott, der sündige Mensch,
der Retter Christus. Wie kommt das jetzt zusammen? Durch das Evangelium ruft Gott
den Sünder – und das sind 2 Aspekte, 2 Seiten der einen Medaille – zur Umkehr und
zum Glauben. Also, er fordert ihn dazu auf, dieses Gottesurteil über sein Leben
anzuerkennen, seine Schuld zu bereuen und Gottes Vergebung um Christi Willen zu
erbitten. Darum lädt Gott den Sünder mit der Aufforderung zur Umkehr zugleich zum
Glauben – also zum persönlichen Vertrauen – an seinen Sohn Jesus Christus ein, der
die Strafe für die Sünde stellvertretend getragen hat. Jesus ist der gekreuzigte
Retter, der auferstandene Herr, der wiederkommende Richter. Wer ihn als Gottes Sohn
anbetet, als Erlöser anruft, als Herrn anerkennt – d.h. in seine Nachfolge eintritt
–, der wird von Gott gerechtfertigt, d.h. von seiner Sünde freigesprochen. Er wird
als Kind angenommen. Und hier sehen Sie die unterschiedlichen Begriffe, Bilder,
mit denen die Bibel immer wieder diese, diese eine Wirklichkeit beschreibt. Es geht
um Umkehr zu Jesu im persönlichen Vertrauen auf ihn als den Sohn Gottes, der durch
sein Opfer am Kreuz stellvertretend unsere Schuld getragen hat.
5. An der Stellung zu Jesus Christus entscheidet sich das ewige Schicksal jedes einzelnen Menschen. Dabei gibt es nur die Alternative des doppelten Ausgangs: entweder ewiges Heil, also Himmel, oder ewige Verdammnis, also Hölle. Entweder oder und jenseits dessen gibt es keine dritte Möglichkeit. Das ist die eindeutige biblische Botschaft.
Das sind die 5 Punkte, die das Evangelium ausmachen:
-
der Heilige Gott,
vor dem die Menschen verurteilt und verloren dastehen als
Kandidaten der Hölle
- der Retter Christus
- der Ruf zur Umkehr und zum Glauben an ihn
- die Frage des doppelten Ausgangs Himmel oder Hölle
Das ist die eiserne Ration, das ist der unverzichtbare Inhalt des Evangeliums und es könnte jetzt von jemandem der Einwand kommen: Ja, wenn das dann so komplex ist, wie kann dann ein Mensch überhaupt gerettet werden? Ich bin überzeugt, dass auch Kinder sich schon bekehren können, wenn Gott an ihren Herzen wirkt, wenn er es ihnen schenkt. In dem Vollzug der Bekehrung wird dem Menschen dieses im Grunde seines Herzen von Gott klargemacht. D.h. nicht, dass er theologisch alles bis in die letzte Differenzierung akkurat benennen könnte sofort, aber diese Grundwahrheit: Ich bin ein Sünder, ich brauche es, dass Jesus sein Leben für mich gegeben hat, dass er sein Leben für mich in die Waagschale warf, dass er meine Schuld bezahlt hat, das können Sie schon, Sie können das erklären mit dem wortlosen Buch von der KEB, damit können Sie diese Wahrheit erklären. Es gibt kein einfaches Evangelium. Das wird immer gesagt: Wir müssen das schlichte, das einfache Evangelium … das ist Quatsch. Es gibt nur ein Evangelium und dieses Evangelium ist komplex. Überlegen Sie mal: Der Heilige Gott rettet uns aus der Hölle und das soll nicht komplex sein? Das ist ja irre. Wie kann so was nicht komplex sein? Aber es ist das Wunder Gottes und seine Gnade und seine Allmacht und seine Souveränität, dass diese komplexe Botschaft, die das größte Problem und das letzte Geheimnis gewissermaßen der Existenz entschlüsselt, dass diese Botschaft zugleich so ist, dass man sie im Kindergottesdienst erklären kann. Das ist das Wunder. Sie können 5 oder 20 Bücher á 300 – 500 Seiten dazu schreiben und werden immer noch etwas dazu zu sagen haben. Und Sie können es zusammenfassen in einem Prospekt, in einem Traktat. Das ist das Wunder. Das ist das Wunder dieses Einen. Es ist göttlich. Es ist das Evangelium Gottes. Und es ist ein großes Vorrecht, dass der Herr uns dieses Evangelium offenbart hat und dass er, er es uns geschenkt hat, dieses Evangelium zu ergreifen im Glauben. Und dass wir Boten, Boten dieses Evangeliums sein dürfen, das ist das Größte, was wir haben können in unserem Leben. So lasst uns das in Treue tun und lasst uns nicht müde werden, solange der Herr uns Atem gibt, diese Botschaft wirklich auszubreiten und lasst uns dafür beten, dass noch viele, viele nicht in der Hölle, sondern im Himmel ankommen.
AT = Altes Testaments
NT = Neues Testament